Calvin (Institutio) - Buße

 

VON DER BUSSE. 

 

Der Apostel führt 2 Kor. 7,11. in der Beschreibung der Buße 7 Dinge an, die teils Ursachen, teils Wirkungen, teils Teile derselben sind, nämlich, Fleiß, Verantwortung, Zorn, Furcht, Verlangen, Eifer, Rache. Es wird also durch die göttliche Traurigkeit vorerst Fleiß erweckt. Denn wer ein ernstliches Missfallen daran hat, dass er wider seinen Gott gesündigt, der wird zugleich zum Fleiß angespornt, dass er sich gänzlich aus des Teufels Stricken herauswickle, dass er sich vor seinen Nachstellungen fernerhin besser hüte, dass er nachher der Leitung des heiligen Geistes nicht entfalle, und dass er nicht von fleischlicher Sicherheit berückt werde. Darauf folgt die Verantwortung, welche hier nicht eine Verteidigung bedeutet, wodurch der Sünder, um dem Gerichte Gottes zu entgehen, entweder leugne, dass er gesündigt habe, oder doch die Schuld für gering achte: sondern eine solche Entschuldigung, die viel mehr um Gnade bittet, als auf ihre Sache vertraut. So pflegen gutgeartete Kinder, wenn sie ihre Fehler erkennen und bekennen, doch um Verzeihung zu bitten, und damit ihre Bitte erhört werde, bezeugen sie auf alle mögliche Weise, dass sie die Ehrfurcht, welche sie den Eltern schuldig sind, ganz und gar nicht von sich geworfen haben: kurz sie entschuldigen sich also, nicht, dass sie beweisen wollen, sie seien gerecht und unschuldig, sondern nur dass sie Vergebung zu erhalten wünschen. Darauf folgt der Zorn, wodurch der Sünder innerlich wider sich selbst ergrimmet, und mit sich rechtet und zürnet, wenn er seine Verkehrtheit und seine Undankbarkeit gegen Gott überdenkt. Unter dem Wort Furcht versteht er den Schrecken, der unsern Gemütern eingejagt wird, so oft wir gedenken, was wir verdienet haben, und wie schrecklich die Strenge des göttlichen Zorns gegen die Sünder sei. Dies kann uns dann nicht anders als in eine unbeschreibliche Unruhe versetzen, welche uns teils demütigen, teils für die Zukunft vorsichtiger machen soll. Mit dem Wort Verlangen hat er den Fleiß und die Sorgfalt im Beruf und die Lust zum Gehorsam andeuten wollen, wozu die Erkenntnis unserer Vergehungen uns aufs kräftigste ermuntern soll. Der Eifer ist so viel als ein feuriger Ernst, wovon wir entzündet werden, wenn solche Gedanken uns durchbohren: Was habe ich getan? wohin hätte ich mich gestürzt, wenn mir Gottes Barmherzigkeit nicht wäre zu Hilfe gekommen? Das letzte ist die Rache. Denn je strenger wir gegen uns selbst sind, und mit je größerer Schärfe wir unsere Sünden untersuchen, desto mehr haben wir zu hoffen, dass Gott uns gnädig und gegen uns barmherzig sein werde. Und es ist gewiss unmöglich, dass die Seele, wenn sie von den Schrecken des göttlichen Gerichtes ergriffen wird, nicht Rache an sich selbst üben und sich selbst strafen sollte. Die Frommen empfinden wahrlich wohl, was für Strafen Scham, Beschämung, Seufzen, Missfallen an sich selbst und dergleichen Bewegungen sind, die aus einer ernsten Untersuchung und Erkenntnis der Sünden entstehen. Jedoch muss bei der Traurigkeit Maß gehalten werden, damit dieselbe nicht in Verzweiflung übergehe, in welche zaghafte Gewissen sich so leicht hinein stürzen. Denn der Satan wendet gewöhnlich diesen Kunstgriff an, dass er Seelen, die durch Furcht vor Gott darnieder geschlagen sind, immer tiefer in jenen Schlamm von Traurigkeit zu versenken sucht, damit sie nie wieder aufleben mögen. Es kann zwar jene Furcht nicht zu groß sein, welche zur Demut führt und nicht von der Hoffnung zur Begnadigung abweicht. Jedoch muss sich der Sünder nach Vorschrift des Apostels allezeit hüten, dass er, wenn er ein Missfallen an sich selbst zu erregen sucht, nicht, von allzu großer Furcht darnieder gedrückt, verzweifle: denn auf diese Art flieht man vor Gott, der uns durch die Buße zu sich ruft. 

 

VON DER FORTGEHENDEN BUSSE. 

 

So wie der Hass gegen die Sünde, welcher der Anfang der Buße ist, uns den ersten Eingang eröffnet zur Erkenntnis Christi, der sich allein den armen und betrübten Sündern mitteilt, welche seufzen, mühselig und beladen sind, hungern und dürsten und vor Schmerzen und Elend zu vergehen meinen, Jes. 61,1.: so müssen wir nach der Buße streben, unser ganzes Leben lang uns derselben befleißigen, und bis ans Ende darin beharren, wenn wir in Christo bestehen wollen. Denn er ist gekommen, die Sünder zu rufen, aber zur Buße. Er ist gesandt, um die Unwürdigen zu segnen: aber also, dass sich ein Jeder von seiner Bosheit bekehre. Matth. 9,13. Apostelg. 3,26. 5,31. Indem also Gott die gnädige Verheißung von der Vergebung der Sünden und die Aufforderung zur Buße mit einander verbindet: so gibt er damit zu verstehen, dass seine Barmherzigkeit den Menschen eine Veranlassung zur Buße sein soll. Denen zu Zion wird ein Erlöser kommen, und denen, die sich bekehren von den Sünden in Jakob, spricht der Herr. Jes. 59,20. Der Gottlose stehe ab von seinen Wegen und von seinen bösen Gedanken, und bekehre sich zum Herrn: so wird er sich seiner erbarmen. Jes. 55,6. Tut Buße und bekehret euch, dass eure Sünden getilget werden. Apostelg. 2,38. Nicht als wäre die Buße die Ursache unsers Heiles und der Vergebung der Sünden, sondern da vielmehr der Herr eben darum sich unser zu erbarmen beschlossen hat, damit wir uns bekehren: so zeigt er hiermit an, wonach wir ringen müssen, wenn wir Gnade erlangen wollen, und wie die Buße durch ein unzertrennliches Band mit dem Glauben an die Barmherzigkeit Gottes zusammenhange. So lange wir also in dem Gefängnis dieses Leibes wohnen werden, sollen wir beständig mit dem Gebrechen unserer verderbten Natur, ja auch mit unserer natürlichen Seele kämpfen und streiten. Des Christen Leben ist eine beständige Übung und Bemühung in der Tötung des Fleisches, bis dasselbe völlig vernichtet ist und der Geist Gottes ganz allein in uns regiert. Derjenige hat also am meisten zugenommen, der am meisten gelernt hat, sich selbst zu missfallen: nicht, dass er in diesem Kot soll stecken bleiben, und nicht weiter fortgehen, sondern vielmehr, dass er zu Gott eile und seufze: damit er dem Tode und Leben Christi einverleibt, unablässige Buße tue; wie gewiss diejenigen nicht anders können, welche die Sünde aufrichtig hassen. Denn Niemand ist je von ernstem Hass gegen die Sünde durchdrungen, er liebe denn zuvor die Gerechtigkeit.