Calvin (Institutio) - Abendmahl

 

VOM HEILIGEN ABENDMAHLE. 

 

Aus diesem Sakrament können unsere Seelen eine große Freude und Vertrauen schöpfen, weil wir hier ein Zeugnis haben, dass wir mit Christo in einem Leibe vereinigt sind, so, dass wir Alles, was sein ist, auch unser nennen können. Daraus folgt, dass wir uns sicher dies versprechen können, dass das ewige Leben, dessen Erbe er ist, unser sei, und dass das Himmelreich, dahin er gegangen ist, uns eben so wenig entrissen werden kann, als ihm; ferner, dass wir unserer Sünden wegen nicht verdammt werden können, weil er uns davon losgesprochen hat, indem er gewollt, dass ihm dieselben zugerechnet würden, als wären sie seine eigene. Das ist ein wunderbarer Wechsel, den er nach seiner unendlichen Güte mit uns gehalten hat, dass er mit uns ein Menschenkind geworden, uns dagegen mit sich zu Kindern Gottes gemacht hat, dass er durch seine Herabkunft auf die Erde uns eine Himmelfahrt verschafft, dass er durch Annehmung unserer Sterblichkeit uns seine Unsterblichkeit mitgeteilt, dass er durch Bekleidung mit unserer Schwachheit uns mit seiner Kraft angetan, dass er durch Annehmung unserer Armut uns seinen Reichtum zugeführt, dass er durch Anziehung unserer Ungerechtigkeit uns mit seiner Gerechtigkeit bekleidet hat. Von diesem Allem haben wir in diesem Sakrament ein so starkes Zeugnis, dass wir fest überzeugt sein sollen, dass uns dasselbe wahrhaftig geleistet werde, nicht anders, als wenn Christus selbst gegenwärtig vor unsern Augen stünde, und mit Händen betastet würde. Seine Verheißung (Joh. 6,48.58.), worin er bezeugt, dass sein Fleisch wahrhaftig eine Speise und sein Blut ein Trank sei, womit wir zum ewigen Leben gespeiset und getränket werden, wird in diesem Sakrament uns versiegelt und bestätigt, welches uns darum zum Kreuz Christi führet, wo diese Verheißung vollkommen erfüllt worden ist; denn wir essen Christum erst dann auf eine rechte und nützliche Art, wenn wir ihn als den Gekreuzigten essen, so, dass wir die Kraft seines Todes mit lebendigem Glauben ergreifen. 

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Das heilige Abendmahl besteht also aus zwei Dingen, nämlich aus den leiblichen sichtbaren Zeichen, welche uns die unsichtbaren Gaben nach unserm schwachen Begriff vor Augen stellen, und aus der geistlichen Wahrheit, welche durch die Zeichen zugleich angedeutet und gegeben wird; die geistliche Wahrheit ist aber nichts anders, als die Erfüllung der Verheißung, dass Christus mit seinem Leib und Blut, an welchem er allen Gehorsam erfüllet hat, um uns die Gerechtigkeit zu verschaffen, wahrhaftig durch die Zeichen des Brotes und des Weins uns gegeben werde. Und dies geschieht, damit wir in Einem Leibe mit ihm vereinigt, seines Wesens teilhaftig, seine erlösende, heiligende, versöhnende Kraft empfinden und so aller seiner Güter in Zeit und Ewigkeit genießen. Denn obwohl Christus sein Fleisch von uns hinweggenommen, und mit seinem Leib gen Himmel gefahren ist, so erweiset er doch seine Gewalt allenthalben im Himmel und auf Erden, ist mit seiner Kraft gegenwärtig, und teilt das Leben mit, als wenn er leiblich gegenwärtig wäre; ja er speiset uns mit seinem eigenen Leib, dessen Gemeinschaft er uns durch die Kraft seines Geistes mitteilt. Jedoch ist Christus nicht an das Element des Brotes angeheftet, so dass der Leib Christi auf den Tisch oder Altar stiege und also daselbst leiblich gegenwärtig wäre, so dass er mit den Händen angerührt, mit den Zähnen gekaut, mit dem Munde verschluckt würde; denn wir zweifeln nicht daran, dass der Leib Christi seine begrenzte Größe habe nach Beschaffenheit eines menschlichen Leibes, und im Himmel, dahin er einmal aufgenommen ist, bleibt bis er wieder kommt zum Weltgericht. Apostelg. 1,9-11. Luk. 24,39. Apostelg. 3,21. Joh. 14,28. Matth. 26,11. Und zwar ist solches zum Genuss seiner Gemeinschaft nicht nötig, indem uns der Herr durch seinen Geist diese Wohltat mitteilt, dass wir mit Leib und Seele Eins mit ihm werden. Der Geist Christi ist also das Band dieser Vereinigung gleichsam ein Kanal, durch welchen alles, was in Christo ist, uns zugeführt wird. Denn da wir sehen, dass die Sonne, mit ihren Strahlen die Erde bescheinend, zugleich ihr Wesen einigermaßen zu uns herabläßt, um alles zu beleben und fruchtbar zu machen: warum sollten denn die Strahlen des Geistes Christi nicht so viel vermögen, die Gemeinschaft seines Leibes und Blutes uns einzuflößen? Daher sagt Paulus im Brief an die Römer, im 8. Kapitel, dass Christus durch seinen Geist in uns wohne. Dass wir aber unsere Herzen in den Himmel erheben, und nicht an den äußerlichen Zeichen des Brotes und Weines heften sollen, wird uns damit deutlich angezeigt, dass nach der ausdrücklichen Lehre der Schrift das Brot im Abendmahl nicht der eigentliche Leib Christi wird, sondern nach wie vor Brot ist und bleibet. So oft, heißt es, ihr von diesem Brot esset, und von diesem Kelch trinket, sollt ihr des Herrn Tod verkündigen, bis er kommt; ferner: der Mensch prüfe sich selbst, und dann esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. 1 Kor 11,26-28. Darum ist denn auch in der alten Kirche beim heiligen Abendmahl dem Volke vor der Einsegnung des Brotes und Weines zugerufen worden: Hinauf die Herzen! Wie denn auch die heilige Schrift, um uns alle fleischliche Gedanken hievon aus dem Sinne zu schlagen, uns befiehlt (Koloss. 3,1.), zu suchen, was droben ist, da Christus ist sitzend zur Rechten Gottes. Einige, wenn sie die Leute zum würdigen Essen bereiten wollten, haben die armen Gewissen grausam gemartert und geplagt. Sie haben gesagt, dass diejenigen würdig essen, die im Stande der Gnade wären. Im Stande der Gnade sein, heißt bei ihnen so viel, als rein und frei von aller Sünde sein. Damit würden aber alle Menschen ohne Ausnahme vom Genuss dieses Sakraments ausgeschlossen. Nein: diese heilige Speise ist eine Arznei für die Kranken, ein Trost für die Sünder, ein Geschenk für die Armen; sie ist den Gesunden, den Frommen und Reichen von keinem Nutzen. Denn, weil darin Christus uns zur Speise gegeben wird, so erkennen wir, dass wir außer ihm verschmachten müssten; weil Christus uns zum Leben gegeben wird, so erkennen wir, dass wir ohne ihn, an und für uns selbst, ganz tot sind. Deswegen ist das die einzige und beste Würdigkeit, welche wir Gott darbringen können, wenn wir ihm unsere Nichtigkeit und Unwürdigkeit zum Opfer bringen, damit er durch seine Barmherzigkeit uns seiner würdig mache; wenn wir an uns selbst verzagen, damit wir in ihm getröstet werden; wenn wir uns demütigen, damit wir von ihm aufgerichtet werden; wenn wir uns anklagen, damit wir von ihm gerecht gesprochen werden; zudem, wenn wir nach der Einigkeit, die er uns in seinem Abendmahl vorstellt, streben, und gleich wie er uns Alle in ihm selbst Eins macht, so auch Eine Seele, Einerlei Herz und Zunge uns Allen anwünschen. Solche Gedanken können uns wohl beugen, aber nicht darnieder werfen. Wie sollten wir Armen und alles Guten Entblößten und mit so viel Sünden Besudelten, wir halb Toten den Leib des Herrn würdig essen? Wir werden vielmehr daran denken, dass wir als arme Bettler zu einem reichen Geber, als Kranken zu dem Arzt, als Sünder zu dem, der gerecht macht, als Tote zu dem, der lebendig macht, kommen; dass die Würdigkeit, die Gott verlangt, vornehmlich im Glauben bestehe, der Alles in Christo und nicht in uns sucht; darnach in der Liebe, welche man auch als unvollkommen Gott aufopfern soll, damit er sie verbessere und vermehre.