Bullinger - Sakramente

 

Heinrich Bullinger

Das Zweite Helvetische Bekenntnis

(Confessio Helvetica Posterior 1566)

 

Bullinger über die Sakramente:

 

XIX. KAPITEL: DIE SAKRAMENTE DER KIRCHE CHRISTI

 

Gleich am Anfang verband Gott in seiner Kirche mit der Predigt des Wortes seine Sakramente oder heiligen Bundeszeichen. So bezeugt deutlich die ganze Heilige Schrift. Sakramente sind aber geheimnisvolle Wahrzeichen oder heilige Ge-bräuche oder geweihte Handlungen, die von Gott selbst eingesetzt sind, und die bestehen in seinem Worte, in Zeichen und in bezeichneten Dingen, durch die er in der Kirche die Erinnerung an seine höchsten, dem Menschen erwiesenen Wohltaten festhält und stets erneuert, durch die er ferner seine Verheißungen besiegelt und das, was er innerlich gibt, äußerlich darstellt und gleichsam augenscheinlich macht und so unseren Glauben durch die Wirkung des Geistes Gottes in unseren Herzen stärkt und mehrt. Durch die Sakramente scheidet er uns endlich von allen andern Völkern und Religionen und heiligt und verpflichtet uns ihm allein, und zeigt uns, was er von uns fordere. Es gibt nun einerseits Sakramente des alten Bundesvolkes und andererseits Sakramente des neuen Bundesvolkes. Die Sakramente des alten Bundesvolkes waren die Beschneidung und das Passahlamm, das geopfert wurde; deshalb wird es zu den Opfern gerechnet, die von Anfang der Welt gebracht wurden. Die Sakramente des neuen Bundesvolkes sind die Taufe und das Abendmahl des Herrn. Es gibt nun Leute, die sieben Sakramente des neuen Bundesvolkes aufzählen. Von diesen anerkennen wir die Buße, die Einsetzung der Diener – allerdings nicht die päpstliche, sondern die apostolische – und die Ehe wohl als nützliche An-ordnungen Gottes, aber nicht als Sakramente. Die Firmung und die letzte Ölung sind Erfindungen von Menschen, die die Kirche ohne jeden Schaden entbehren kann. Wir haben sie darum auch nicht in unseren Kirchen. Denn es ist allerlei dabei, das wir keineswegs billigen können. So verabscheuen wir jede Krämerei, die die Römischen bei der Austeilung der Sakramente betreiben. Denn der Stifter aller Sakramente ist nicht irgendein Mensch, sondern Gott allein. Menschen können keine Sakramente einsetzen. Denn sie gehören zum Gottesdienst. Doch haben die Menschen nicht das Recht, über Einrichtung und Gestalt des Gottes-dienstes zu verfügen, sondern sie haben das von Gott Gegebene anzunehmen und festzuhalten. Außerdem sind den gegebenen Sakramenten Verheißungen beigefügt, die Glauben erfordern; der Glaube aber stützt sich allein auf Gottes Wort. Das Wort Gottes können wir ansehen als eine Art Gesetzestafel oder Brief, die Sakramente aber als die Siegel, die Gott allein dem Brief anhängt. Und wie Gott der Stifter der Sakramente ist, so wirkt er beständig in der Kirche, in der die Sakramente richtig gehandhabt werden, so dass die Gläubigen, wenn sie von den Dienern die Sakramente empfangen, erkennen, dass Gott in seiner Stiftung wirke. Deshalb nehmen sie auch die Sakramente aus Gottes Hand selbst, und es kann ihnen die persönliche Mangelhaftigkeit des Dieners – so groß sie auch sei – nichts schaden, weil sie wissen, dass die Vollkommenheit der Sakramente nur von der Einsetzung durch den Herrn abhängt. Daher unterscheiden sie bei der Verwaltung der Sakramente deutlich zwischen dem Herrn selbst und dem Diener des Herrn, indem sie bekennen, dass das eigentliche Wesen der Sakramente vom Herrn, die Zeichen aber von den Dienern gespendet werden. Die Haupt-sache aber, die in allen Sakramenten von Gott dargeboten und von allen Frommen aller Zeiten erwartet wird – andere nennen es die „Substanz“ und den „Stoff“ der Sakramente –, ist der Heiland Christus, jenes einzige Opfer, jenes Lamm Gottes, das geschlachtet ist von der Grundlegung der Welt an, jener Felsen, aus dem alle unsere Vorfahren getrunken haben, durch den alle Auser-wählten beschnitten sind mit der Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, sondern durch den Heiligen Geist, durch den sie von allen ihren Sünden reinge-waschen werden und vom wahren Leib und Blut Christi zum ewigen Leben genährt werden. Im Blick darauf, was die Hauptsache bei den Sakramenten und ihr eigentliches Wesen ist, sind die Sakramente beider Bundesvölker gleich. Denn der einzige Mittler und Heiland, Christus, ist in beiden Fällen die Haupt-sache und das eigentliche Wesen der Sakramente. Denn es ist ein Gott, und er ist in beiden Fällen ihr Stifter. Hier wie dort sind die Sakramente gegeben als Zeichen und Pfänder der Gnade und der Verheißungen Gottes, die die herrlichen Wohltaten Gottes in Erinnerung rufen und erneuern, damit die Gläubigen durch sie von allen anderen Religionen des Erdkreises geschieden würden. Sie sollen sie auf geistliche Weise durch den Glauben empfangen, und die Empfänger sollen dadurch an die Kirche gebunden werden und sich selbst ihrer Pflicht erinnern. Darin also und in ähnlichen Dingen sind die Sakramente beider Bundesvölker einander nicht ungleich, während sie sich allerdings in den Zeichen unterscheiden. Zwar stellen wir auch hierin einen großen Unterschied fest. Denn unsere Sakramente haben festeren Bestand und sind von längerer Dauer, wie sie denn auch bis ans Ende der Welt niemals werden geändert werden, sondern sie bezeugen, das Wesen und die Verheißung der Sakramente sei in Christus erfüllt und vollendet, wogegen jene nur bedeuteten, dass diese erfüllt werden solle. So sind unsere Sakramente auch einfacher, mit weniger Mühe und Aufwand verbunden und mit weniger Zeremonien belastet. Außerdem erstrecken sie sich auf ein größeres Volk, das auf dem ganzen Erdkreis verstreut ist, und da sie auch herrlicher sind und – durch den Heiligen Geist – auch einen größeren Glauben wirken, folgt daraus auch eine größere Fülle des Geistes. Ja, da uns der wahre Messias, Christus, gegeben und die Fülle der Gnade auf das Volk des Neuen Bundes ausgegossen ist, sind die Sakramente des alten Bundesvolkes durchaus aufgehoben und haben aufgehört, und an ihrer Stelle sind eingeführt die Zeichen des Neuen Bundes, statt der Beschneidung die Taufe, statt des Passahlammes und der Opfer das Abendmahl des Herrn. Wie aber einst die Sakramente aus dem Wort, dem Zeichen und der bezeichneten Sache bestan-den, so erschöpfen sie sich heute noch in sozusagen den selben „Teilen“. Denn durch Gottes Wort wird etwas zum Sakrament, was es vorher nicht gewesen ist. Durch das Wort nämlich werden die Sakramente geweiht und als geheiligt erwiesen von dem, der sie eingesetzt hat. Heiligen und weihen heißt, ein Ding Gott widmen und es vom gewöhnlichen und weltlichen absondern und zum heiligen Gebrauch bestimmen. Die Zeichen beiden Sakramenten sind nämlich dem gewöhnlichen Gebrauch entnommen; es sind äußere und sichtbare Dinge. Denn bei der Taufe ist das Zeichen Wasser und jene sichtbare Abwaschung, die durch den Diener geschieht. Die bezeichnete Sache aber ist die Wiedergeburt oder Abwaschung der Sünden. Im Abendmahl des Herrn aber ist das Zeichen Brot und Wein, der dem gewöhnlichen Leben entnommene Gebrauch von Speise und Trank. Die bezeichnete Sache aber ist der dahin gegebene Leib des Herrn selbst und sein für uns vergossenes Blut oder die Gemeinschaft mit Leib und Blut des Herrn. Deshalb sind Wasser, Brot und Wein ihrer Natur nach und außerhalb der göttlichen Einsetzung und dem heiligen Gebrauch immer das, was ihr Name besagt und als was wir sie gewöhnlich empfinden. Wenn aber das Wort des Herrn dazukommt, unter Anrufung des Namens Gottes, mit der Wiederholung der ersten Einsetzung und der ersten Weihe, so werden diese Zeichen geweiht und als von Christus geheiligt erwiesen. Denn in der Kirche Gottes bleibt die erste Einsetzung und Weihe der Sakramente dauernd wirksam, so dass diejenigen, die sie nicht anders feiern, als der Herr sie am Anfang selber eingesetzt hat, auch jetzt jene herrlichste erste Weihe genießen. Deshalb werden auch bei der Feier der Sakramente die eigenen Worte Christi gesprochen. Weil wir nun aus dem Worte Gottes lernen, dass diese Zeichen vom Herrn zu einem anderen Zwecke eingesetzt seien, als wozu sie gewöhnlich dienen, so lehren wir, dass die Zeichen jetzt bei ihrem heiligen Gebrauch auch den Namen der bezeichneten Dinge annehmen, also nicht mehr bloß Wasser, Brot und Wein genannt werden, sondern auch Wiedergeburt oder Bad der Erneuerung, ferner Leib und Blut des Herrn, oder Zeichen oder Sakramente des Leibes und Blutes des Herrn. Nicht dass die Zeichen verwandelt würden in die bezeichneten Dinge, oder aufhörten, das zu sein, was sie von Natur sind. Sonst wären sie ja nicht Sakramente; träten sie an Stelle der bezeichneten Sache, so wären sie eben nicht mehr Zeichen. Dagegen nehmen die Zeichen den Namen der Dinge an, weil sie geheimnisvolle Zeichen der heiligen Dinge sind und weil die Zeichen und die bezeichneten Dinge in heiliger Handlung miteinander verbunden werden, und zwar sind sie verbun-den und vereinigt durch ihre geheimnisvolle Bedeutung und den Willen oder Ratschluss dessen, der die Sakramente gestiftet hat. Denn Wasser, Brot und Wein sind nicht gewöhnliche, sondern heilige Zeichen. Und der Stifter der Wassertaufe hat sie nicht in der Absicht und Meinung eingesetzt, dass die Gläubigen nur mit Taufwasser begossen werden sollten; und der befohlen hat, beim Abendmahl Brot zu essen und Wein zu trinken, wollte nicht, dass die Gläubigen nur Brot und Wein empfingen, ohne Geheimnis, wie sie zu Hause Brot essen, sondern dass sie in geistlicher Weise teil hätten an den bezeichneten Dingen und wirklich im Glauben von ihren Sünden rein gewaschen würden und an Christus Anteil bekämen. Deshalb billigen wir keineswegs die Ansicht derer, die die Weihe der Sakramente weiß welchen Eigenschaften oder dem Hersagen oder der Kraft der von einem geweihten Priester ausgesprochenen Worte oder seiner Absicht zu weihen oder anderen zufälligen Dingen zuschreiben, die uns weder durch Christi noch der Apostel Wort und Beispiel überliefert sind. Wir billigen auch nicht die Lehre derer, die von den Sakramenten ebenso reden wie von gewöhnlichen und nicht heiligen oder wirksamen Zeichen. Ebenso wenig stimmen wir denen zu, die wegen des Unsichtbaren das Sichtbare in den Sakramenten verachten und glauben, die Zeichen seien für sie überflüssig, weil sie meinen, bereits im Genuss der Sache zu sein, wie es die Messalianer gehalten haben sollen. Auch die Lehre derer billigen wir nicht, die lehren, die Gnade und die bezeichneten Dinge würden so an die Zeichen gebunden und in sie eingeschlossen, dass, wer immer an den Sakramenten äußerlich teilnehme, auch innerlich an der Gnade und an den bezeichneten Dingen teilhabe, wer und welcher Art er auch sein möge. Wie wir übrigens die Vollkommenheit der Sakramente nicht nach der Würdigkeit oder Unwürdigkeit der Diener ein-schätzen, so auch nicht nach der Haltung der Genießenden. Denn wir erkennen, dass die Vollkommenheit der Sakramente von der Treue oder Wahrhaftigkeit und von der einen Güte Gottes abhängt. So wie Gottes Wort wahres Wort Gottes bleibt, kraft dessen nicht bloß leere Worte hergesagt werden, wenn man predigt, sondern zugleich die von Gott mit den Worten bezeichneten oder verkündigten Dinge angeboten werden – sofern aber Gottlose und Ungläubige die Worte hören und verstehen, genießen sie doch die bezeichneten Dinge nicht, weil sie sie nicht im Glauben annehmen –, so bleiben die Sakramente, durch Wort, Zeichen und bezeichnete Dinge unwandelbar, wirkliche und vollkommene Sakramente, die nicht nur heilige Dinge bedeuten, sondern sie sind auch durch Gottes Angebot wirklich die bezeichneten Dinge selbst, auch wenn Ungläubige die angebotenen Dinge nicht empfangen. Das ist aber nicht der Fehler Gottes, der geben und anbieten will, sondern die Schuld derjenigen Menschen, die ungläubige und darum unberechtigte Empfänger sind; doch hebt ihr Unglaube Gottes Treue nicht auf (Röm. 3,3f.). Da gleich am Anfang bei der Erklärung vom Wesen der Sakramente nebenbei auch erläutert wurde, wozu sie eingesetzt worden seien, ist es nicht nötig, den Leser mit der Wiederholung des schon einmal Gesagten zu ermüden. Folglich werden wir also nur noch von den Sakramenten des neuen Bundesvolkes einzeln reden.