Luther - Trinität

 

Christus ist das Wort, in dem der Vater erkannt werden will

 

(Martin Luther, Auslegung zu Joh 1,1-14, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Bd. 7, Sp. 2150-2159, Rechtschreibung angepasst)

 

Ihr habt oft gehört, dass das liebe Kindlein Jesus zugleich Gott und Mensch ist,

in Einer Person. Das lehrt der Evangelist in diesem Evangelio. Die blinde, tolle (sollte sagen, kluge) Vernunft, klettert hinauf gen Himmel, und will wissen, was Gott sei, was er gedenke, vorhabe und tue. Das will ich dir bald sagen, spricht St. Johannes, wenn du es nur glauben wolltest, und will dir kund tun den allerheim-lichsten Ratschlag, den Gott hat im Grunde seines Herzens. Das ist’s aber, so du es wissen willst: „Im Anfang war das Wort.“ Da hast du es. Ja, sagst du, wer versteht diese unerhörte und ungewöhnliche Rede? Lieber, du fragst auch ein hoch und unbegreiflich Ding. Bist du so einfältig und unverständig, so tue ihm also: Wo du hörst das Wörtlein „Wort“, so verstehe „Sohn.“ Wenn du das weißt, dass der Evangelist „das Wort“ den Sohn heißt, so lies den Text also: Im Anfang war der Sohn, und der Sohn war bei Gott und der Sohn war Gott, derselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch Ihn (den Sohn) gemacht, und ohne Ihn ist nichts gemacht. 

Verstehst du nun, was der Evangelist „das Wort“ heiße? Nimm es so, und merke es, so fehlst du nicht; denn am Ende macht er’s selbst also: „Das Wort ward Fleisch.“ Das ist: Der Sohn Gottes ist ein menschlicher Sohn worden, des Vaters ewiger Sohn ist ein zeitlicher, der unanfängliche ein anfänglicher Sohn worden. Dieses sollst du aber also verstehen, dass du nicht zween Söhne aus Gottes und Marien Sohne machest. Es sind nicht zween Söhne, der ewige, unanfängliche, und der zeitliche und anfängliche; sondern Einer muss sein. Er hat wohl zweierlei Geburten, eine in Ewigkeit, vom Vater; die andere zeitlich, von der Jungfrau; und ist doch nur der einige Sohn, der vom Vater in Ewigkeit und von Maria zeitlich geboren ist; sie hat nicht einen andern Sohn in die Welt gebracht, denn den der Vater von Ewigkeit gebracht hat. Zweierlei Geburten sind es wohl: eine andere aus dem Vater, eine andere aus der Mutter, und ist doch ein einiger Sohn. Den Maria ihren wahren, natürlichen Sohn heißt, den heißt auch der Vater seinen wahren, natürlichen Sohn. Das sind wunderliche Reden! Ja freilich, wunderlich.

Der Evangelist aber spricht nicht schlecht, der Sohn, sondern, „das Wort“, wie-wohl es recht wäre. Er hat aber so müssen reden. Denn zu derselbigen Zeit standen Ketzer auf, die leugneten, dass Marien Sohn Gottes Sohn wäre; darum nennt er den Sohn das Wort, das im Anfang war, ehe alle Kreaturen geschaffen worden, und sagt: „Im Anfang war das Wort“, das ist, da alle Kreaturen, Himmel und Erde, und was darinnen ist, anfingen zu werden, die vor nichts waren ge-wesen. Außer der Kreatur aber kann nichts sein, denn der Schöpfer. Denn alles, das da ist, ist entweder der Schöpfer, oder seine Kreatur. Also unterscheidet hier der Text gewaltiglich „das Wort“ von der Kreatur. „Das Wort“ ist nicht unter dem Haufen derer, die angefangen haben, sondern ist bereits in seinem Wesen gewesen. Darum schleußt der Evangelist wider Cerinthum, und andere, die ihm anhingen, dass ihre Lehre falsch, und ein lästerlicher Irrtum und Lügen wäre wider den Sohn Gottes, von dem sie sagten, er wäre nicht Gottes Sohn, sondern ein purlauter Mensch. Es wäre wohl eine ganze Predigt davon zu tun, warum der Evangelist den Sohn Gottes das Wort heiße; es ist aber auf diesmal zu lang, so ist der Text vor oft gehandelt worden.

Ihr Einfältigen habt Acht darauf, wenn ihr höret: „Im Anfang war das Wort“, dass ihr wisset, dass es so viel gesagt ist: Im Anfang war der Sohn, und der Sohn war bei Gott, und der Sohn war auch selbst Gott, und war im Anfange bei Gott. Also auch: „Das Wort ward Fleisch“, ist so viel: Der ewige Sohn ist ein zeitlicher Sohn worden, nicht zween; und sind doch (wie gesagt) zweierlei Geburten. Daher Lucä am 2. V. 11. wird der Jungfrauen Sohn, der in der Krippe lag, vom Engel genannt der Herr, da er zu den Hirten spricht: „Euch ist heute der Heiland geboren, wel-cher ist Christus, der Herr.“ Unser, nicht der Engel, Heiland ist er; die Engel aber bekennen zugleich mit uns, dass er auch ihr Herr und Gott sei, und beten ihn auch an.

Aber kurz sollet ihr wissen, dass der Evangelist den Sohn Gottes „das Wort“ heißt wider die Ketzer, tut er um Mosis willen, dem St. Johannes folgt, der eben auch also redet wie St. Johannes, da er spricht: Da kein Licht war, sondern eitel Finsternis, auch sonst keine andere Kreatur, sprach Gott: „Es werde Licht“ (1 Mos. 1,3.), das ist, Gott ließ ein Wort gehen, das war ein vollkommen Wort, und das Wort, durch welches alle Dinge geschaffen sind. Also schleußt er wider die Ketzer, dass das Wort vor im Anfang war, und doch die Person nicht war, die da sprach; darum musste das Wort ja bei dem Sprecher sein, nicht bei der Kreatur, die noch nicht geschaffen war, sondern war außer, über und vor der Kreatur bei Gott.

Demnach möchtest du sagen: Sind zween Götter? Nein. „Das Wort ist bei Gott“, aber eine unterschiedene Person. Also stärkt und bekräftigt St. Johannes unsern Glauben, dass wir gewiss sind, „dass der Vater, Sohn und Heiliger Geist drei unterschiedliche Personen sind; aber nicht drei unterschiedliche Götter, sondern Ein Gott ist. Darum beten wir Christen nur einen einigen Gott an, haben den Vorteil über alle Juden, Heiden, Türken, dass wir allein Gott recht und wahrhaftig erkennen. Sie sehen allein das Geschöpf, und nicht den Meister an. Daher rühmen Juden und Türken, dass sie das rechte Volk Gottes sind, weil sie nur Einen Gott anbeten; lästern und schmähen uns Christen als Götzendiener und unsinnige Narren, die drei Götter anbeten. Es ist nicht wahr, sie reden uns sol-ches in den Rücken zu bei ihren Schülern, wissen nicht, was sie sagen, sind Blinde und Blindenleiter. Wir sagen und bekennen besser denn sie, dass nicht mehr denn Ein Gott sei, der, gegen der Kreatur zu rechnen, alles geschaffen hat. 

Weiter sagen wir, dass wir Christen nicht genug daran haben, wie der Schöpfer zu rechnen und zu halten sei gegen der Kreatur; sondern wir wissen und lehren aus der Schrift, was Gott in sich selber ist, ja, dass er sein göttlich Wesen bei sich selber hat. Da bekennen wir, dass der einige Herr, König, Gott und Schöpfer, durch seinen Sohn sich also abgemalt und zu erkennen gegeben hat, dass es in der Gottheit also steht, dass das Wort wird gesprochen durch den Vater, und der Heilige Geist (wie man sagt) darein willigt; dass ein Gedrittes ist, und doch in sich selbst nur eins; gegen der Kreatur zu rechnen. Daher sagt Augustinus und andere alte Lehrer: Opera Trinitatis ab extra sunt indivisa; das ist: Die Werke der heiligen Dreifaltigkeit sind von außen unzerteilt; der Vater, Sohn, Heiliger Geist, ist ein einiger Schöpfer, nicht drei, gegen der Kreatur. So weit kommen Juden, Heiden, Türken. Wir sollen aber Gott nicht allein ansehen von außen in seinen Werken, sondern er will auch erkannt sein, was er inwärts ist. Inwendig ist ein einig Wesen, und drei Personen, der Vater, Sohn, Heiliger Geist; nicht drei Götter. Beten derhalben nur Einen Gott an.

Wie geht’s denn zu? Unaussprechlich ist’s. Die lieben Engel können sich nicht genugsam darüber verwundern vor Freuden; uns wird’s ins Wort gefasst und vorgepredigt. Wenn wir den schwarzen, garstigen, unflätigen, stinkenden Maden-sack abgelegt haben, wollen wir es mit den lieben Engeln sehen, unsere ewige Freude und Seligkeit daran haben, und der Juden, Heiden, Türken wieder spotten, die uns jetzt für Klötze halten, als die nicht wissen noch verstehen, dass nur Ein Gott sei. (…..)

Kurzum, Gott will erkannt sein nach seinem Worte, darinnen er sein göttlich Wesen und Willen geoffenbart hat. Die Welt (sagt Sanct Paulus 1 Kor. 1,21.) erkannte Gott nicht in seiner Weisheit, durch ihre Weisheit; darum gefiel es Gott wohl, durch törichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben. Und zun Römern am 1. Kapitel, V. 20.21., spricht St. Paulus, dass die Heiden haben gesehen an den Werken der Schöpfung, dass ein Gott sei, haben ihn aber nicht gepreiset als einen Gott, noch gedanket. Darum so hat Gott sein göttlich Wesen ausgeschüttet, und angezeigt durch das Evangelium, dass er einen Sohn habe; wie er selber vom Himmel herab ruft: „Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören“ (Marc. 9,7.). Als wollte er sagen: Den nehmet an, haltet ihn für euren Herrn und Gott, ehret und betet ihn an; oder ihr sollt mich zum Gott nicht haben, wenn ihr noch eins so hoch und herrlich rühmt, ich sei euer Gott, den ihr allein recht erkennet und anbetet. Denn „wer den Sohn nicht ehret, der ehret den Vater nicht, der ihn gesandt hat“, Joh. am 5., V. 23. „Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht“, 1 Joh. 5,12. Item: „Wer in der Lehre Christi nicht bleibet, der hat keinen Gott; wer in der Lehre Christi bleibet, der hat beide, den Vater und den Sohn“, 2 Joh., V. 9. Diesen seinen gött-lichen Willen hat uns der Sohn, der in des Vaters Schoß ist, genugsam offenbart, Joh. 1,18., das Predigtamt, die Taufe, das Sakrament gestiftet und eingesetzt, mit Wunderzeichen bestätigt und bekräftigt. (…..)

Darum lässt sich Gott an dieser Ehre nicht genügen, ist auch nicht zufrieden damit, dass er sei Gott, Schöpfer aller Kreaturen, wie ihn Juden, Heiden, Türken und Papisten loben und rühmen; das ist die alte Weisheit. Aber durch das Evan-gelium lässt er in aller Welt ausrufen und sagen: Meinen Sohn, der auch Marien Sohn ist und in der Krippe liegt, den nehmet auf, glaubet an ihn, erkennet und bekennet ihn für euren Herrn und Heiland, ehret und betet ihn an, wie mich; wer ihn nicht ehrt, der ehrt auch wahrhaftig mich nicht. Das ist nun die neue Weisheit und Glaube aller Christen, dadurch sie selig werden. Wer anders Gott ehrt, der lügenstraft und lästert ihn. Das merket wohl und schließet es in euer Herz.