Luther - Gottes Dasein und unser Greifen

 

Gottes Dasein – und unser Greifen

 

(Martin Luther: Dass diese Worte Christi (das ist mein Leib etc.) noch fest stehen wider die Schwarmgeister, 1527, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Band 20, Sp. 813-815, Rechtschreibung angepasst)

 

Auf diese Rede werde ich vielleicht nun andere Schwärmer kriegen, die mich fahen wollen, und vorgeben: Ist denn Christus Leib an allen Enden, ei so will ich ihn fressen und saufen in allen Weinhäusern, aus allen Schüsseln, Gläsern und Kannen: so ist kein Unterschied unter meinem Tisch und des Herrn Tisch; o wie wollen wir ihn zerfressen! Denn solche schändlichen Säue sind wir heillosen Deutschen das mehrer Teil, dass wir weder Zucht noch Vernunft haben, und wenn wir von Gott hören, achten wir's gleich so viel, als wären's der Gaukler Märlein. Es gehen jetzt Rede und Geschicht unter dem Pöbel wider das Sakra-ment, so durch der Schwärmer Lehre sind verführt, dass einer sollt lieber ster-ben, denn eine Predigt unter sie schreiben. Denn flugs fahren sie daher, wenn sie hören, dass [es] nichts sei, und wollen drein tun und den Hintern daran wischen. Weltliche Obrigkeit sollt solche Lästerer strafen. Es ist eine Unzucht und freche Thurst, weil sie gar nichts davon wissen und dennoch so lästern. Und weiß Gott, ich schreibe solche hohen Dinge sehr ungerne, weil es muss unter solche Hunde und Säu kommen. Aber wie soll ich ihm tun? Die Schwärmer müssen's ver-antworten, die mich dazu zwingen. 

Hörest du es nun, du Sau, Hund oder Schwärmer, wer du unvernünftiger Esel bist, wenn gleich Christus Leib an allen Enden ist, so wirst du ihn darum so bald nicht fressen, noch saufen, noch greifen; auch so rede ich mit dir nicht von solchen Sachen; gehe in deinen Säustall oder in deinen Kot. Droben hab ich gesagt, dass die Rechte Gottes an allen Enden ist, aber dennoch zugleich auch nirgend und unbegreiflich ist, über und außer allen Kreaturen. Es ist ein Unter-schied unter seiner Gegenwärtigkeit und deinem Greifen; er ist frei und ungebun-den allenthalben, wo er ist, und muss nicht da stehen als ein Bube am Pranger oder Halseisen geschmiedet. 

Siehe, die Glänze der Sonne sind dir so nahe, dass sie dich gleich in die Augen oder auf die Haut stechen, dass du es fühlest, aber doch vermagst du es nicht, dass du sie ergreifest und in ein Kästlein legest, wenn du gleich ewiglich darnach tappest. Hindern kannst du sie wohl, dass sie nicht scheine zum Fenster ein; aber tappen und greifen kannst du sie nicht. Also auch Christus, ob er gleich allenthalben da ist, lässt er sich nicht so greifen und tappen; er kann sich wohl ausschälen, dass du die Schale davon kriegest und den Kern nicht ergreifest. Warum das? Darum, dass ein anderes ist, wenn Gott da ist, und wenn er dir da ist. Dann aber ist er dir da, wenn er sein Wort dazu tut, und bindet sich damit an und spricht: Hie sollst du mich finden. Wenn du nun das Wort hast, so kannst du ihn gewisslich greifen und haben, und sagen: Hie hab ich dich, wie du sagst. Gleich als ich von der Rechten Gottes sage: Wiewohl dieselbige allenthalben ist, wie wir nicht leugnen mögen; noch, weil sie auch nirgend ist, wie gesagt ist, kannst du sie wahrlich nirgend ergreifen, sie binde sich denn dir zu gut, und bescheide dich an einen Ort. Das tut sie aber, da sie sich in die Menschheit Christi begibt und wohnt; da findest du sie gewiss; sonst sollst du wohl alle Kreatur durch und durch laufen, hie tappen und da tappen, und dennoch nimmermehr nicht finden, ob sie gleich da ist wahrhaftig; denn sie ist dir nicht da. 

Also auch, weil Christus Menschheit zur Rechten Gottes ist, und nun auch in allen und über allen Dingen ist, nach Art göttlicher rechten Hand, so wirst du ihn nicht so fressen noch saufen als den Kohl und Suppe auf deinem Tisch, er wolle denn. Er ist nun auch unbegreiflich worden, und wirst ihn nicht ertappen, ob er gleich in deinem Brod ist, es sei denn, dass er sich dir anbinde und bescheide dich zu einem sonderlichen Tisch durch sein Wort, und deute dir selbst das Brod durch ein Wort, da du ihn essen sollst; welches er denn tut im Abendmahl und spricht: „Das ist mein Leib.“ Als sollt er jagen: Daheimen magst du auch Brot essen, da ich auch freilich nahe genug bei bin; aber dies ist das rechte Tuto, das, das ist mein Leib. Wenn du dies issest, so issest du meinen Leib, und sonst nicht. Warum? Darum, dass ich mich hie will mit meinem Wort heften, auf dass du nicht müssest schwärmen, und mich wollen suchen an allen Orten, da ich bin: es würde dir zu viel; so wärest du auch zu geringe dazu, mich da selbst zu ergreifen, ohne mein Wort. 

O wie gar wenig sind auch unter den Hochgelehrten, die diesen Artikel von Christo je so tief bedacht, oder je geglaubt haben, dass so überaus ein unbegreif-lich Ding ist, dass Gott soll Mensch, und Mensch soll Gott sein. Aber die Schrift steht da, und der Glaube hält's gewisslich für Wahrheit. Ist's denn nun wahr, so haben wir hiemit den Schwärmern ihrer besten Gründe einen umgestoßen, näm-lich, dass nicht wider einander, sondern der Schrift und dem Glauben gemäß sei, dass Christus Leib zugleich im Himmel und im Abendmahl sei.