Bullinger - Vorsehung

 

Heinrich Bullinger

Das Zweite Helvetische Bekenntnis

(Confessio Helvetica Posterior 1566)

 

Bullinger über die Vorsehung:

 

VI. KAPITEL: DIE VORSEHUNG GOTTES

 

Wir glauben, dass durch die Vorsehung dieses weisen, ewigen und allmächtigen Gottes alles im Himmel und auf Erden und bei allen Geschöpfen erhalten und geleitet werde. Denn David bezeugt und sagt: „Der Herr ist erhaben über alle Völker, und eine Herrlichkeit über die Himmel! Wer ist dem Herrn gleich, unserm Gott, im Himmel und auf der Erde? Ihm, der droben thront in der Höhe, der herniederschaut in die Tiefe...“ (Ps. 113,4-6). Derselbe wiederum sagt: „...mit all meinen Wegen bist du vertraut. Ja, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, o Herr, nicht wüsstest...“ (Ps. 139,3 und 4). Auch Paulus bezeugt und sagt: „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17,28), und: „Aus ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge“ (Röm. 11,36). Deshalb tut Augustin ganz richtig und schrift-gemäß den Ausspruch – im 8. Kapitel seines Buches „Der Kampf des Christen“ –: „Der Herr hat gesagt: „Verkauft man nicht zwei Sperlinge für fünf Rappen? und nicht einer von ihnen wird ohne Zutun eures Vaters auf die Erde fallen““ (Mt. 10,29). Indem er aber so sprach, wollte er zeigen, dass durch Gottes Allmacht sogar das geleitet werde, was die Menschen höchst gering schätzen. So spricht die Wahrheit selbst, dass die Vögel des Himmels von Gott gespeist und die Lilien auf dem Felde von ihm bekleidet werden; die Wahrheit, die auch bezeugt, dass unsere Haare auf dem Haupte alle gezählt seien (Mt. 6,26.28; 10,30) usw.. Wir verwerfen deshalb die Ansicht der Epikuräer, die eine Vorsehung Gottes leug-nen, und aller jener, die lästerlich behaupten, Gott bewege sich nur innerhalb der Grenzen des Himmels, könne aber uns und das Unsrige nicht sehen und auch nicht dafür sorgen. Diese Leute hat schon der königliche Prophet David verurteilt, der gesagt hat: „Wie lange sollen die Gottlosen, o Herr, wie lange noch sollen sie frohlocken...? Sie denken: der Herr sieht es nicht, der Gott Jakobs merkt es nicht. Merkt's euch doch, ihr Narren im Volke, ihr Toren, wann werdet ihr klug? Der das Ohr gepflanzt, sollte der nicht hören? Der das Auge gebildet, sollte der nicht sehen?“ (Ps. 94,3.7-9). Allerdings verschmähen wir die Mittel nicht als unnütz, durch die die göttliche Vorsehung sich vollzieht, sondern wir lehren, dass wir uns ihnen soweit anpassen müssen, als sie uns im Wort Gottes empfohlen werden. Daher missbilligen wir die unbesonnenen Worte jener Leute, die sagen: Wenn alles durch Gottes Vorsehung geschieht, so sind unsere Bestrebungen und Anstrengungen ganz vergeblich; es genügt, wenn wir alles der göttlichen Vor-sehung überlassen, und wir haben keinen Grund, uns um irgend etwas zu kümmern oder etwas zu tun. Denn wenn auch Paulus anerkannte, dass er durch das Walten der Vorsehung Gottes nach Rom fahre, der ihm selbst gesagt hatte: „Du sollst auch in Rom Zeugnis ablegen“ (Apg. 23,11), der überdies verheissen und gesprochen hatte: „Kein Einziger aus euch wird das Leben verlieren“ (Apg. 27,22), und „Keinem von euch wird ein Haar vom Haupte verloren gehen“ (Apg. 27,34), so sagt derselbe Paulus nichtsdestoweniger, als die Seeleute an die Flucht denken, zum Hauptmann und zu den Soldaten ebenfalls: „Wenn diese nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden“ (Apg. 27,31). Denn Gott, der jeglicher Sache ihren Zweck gibt, der hat auch Anfang und Mittel bestimmt, durch die man zum Ziele gelangt. Die Heiden schreiben die Dinge einem blinden Schicksal und dem ungewissen Zufall zu. Der heilige Jakobus will hingegen nicht, dass wir sagen: „Heute oder morgen wollen wir in die und die Stadt ziehen ... und Handel treiben“, sondern fügt hinzu: „...anstatt, dass ihr sagtet: wenn der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder jenes tun“ (Jak. 4,13.15). Und Augustin: „Alles, was oberflächlichen Leuten im Naturverlauf zufällig zu geschehen scheint, erfüllt nur sein Wort, weil nichts ohne seinen Befehl geschieht“ (Auslegung zum Ps. 148). So schien es vielleicht auch gut Glück, wenn Saul auf der Suche nach den Eselinnen seines Vaters den Propheten Samuel traf, aber der Herr hatte bereits vorher zum Propheten gesagt: „Morgen um diese Zeit werde ich einen Mann aus dem Lande Benjamin zu dir senden...“ (1. Sam. 9,16).