Calvin (Institutio) - Sakramente

 

VON DEN SAKRAMENTEN. 

 

In den Sakramenten ist ein der Predigt des Evangeliums sehr verwandtes Mittel zur Unterstützung unsers Glaubens enthalten. Ein Sakrament ist nämlich ein äußerliches Zeichen, durch welches Gott die Verheißungen seiner gnädigen Gesinnung gegen uns unsern Gewissen versiegelt, um unsern schwachen Glauben zu stärken: dagegen wir sowohl vor ihm und seinen heiligen Engeln als vor den Menschen unsere Liebe und Ehrfurcht gegen ihn bezeugen. Man kann es auch nennen ein Zeugnis der göttlichen Gnade gegen uns, durch ein äußerliches Zeichen bestätigt, mit Gegenbezeugung der Liebe, die wir ihm schuldig sind. Es ist also das Sakrament nie ohne vorhergehende Verheißung, sondern es wird vielmehr derselben als ein Anhang beigefügt, um die Verheißung selbst zu bestätigen und zu versiegeln, und uns dieselbe desto gewisser und kräftiger zu machen, hiermit aber unserm Unverstand und unserer Schwachheit zu Hilfe zu kommen, und uns im Glauben an Gottes heiliges Wort zu stärken. Denn obwohl die im Worte Gottes enthaltene ewige Wahrheit selbst an und für sich schon gewiss und kräftig ist, und nicht erst anderswoher bestätigt zu werden braucht: so würde doch unser Glaube, wie er denn klein und schwach ist, bald erschüttert werden, wanken, straucheln und sogar dahin fallen, wenn er nicht von allen Seiten und auf alle mögliche Weise befestigt und unterstützt würde. Der Herr also richtet sich aus unermesslicher Gnade dergestalt nach unserm Fassungsvermögen, dass, da wir sinnlich sind, und immer auf Erden kriechend und im Fleische steckend nichts Geistliches denken und fassen, er es sich nicht verdrießen lässt, uns auch durch solche irdische Elemente zu sich zu leiten und uns selbst im Fleische einen Spiegel geistlicher Güter vorzustellen. Es besteht das Sakrament aus dem Worte und dem äußerlichen Zeichen; und zwar lehrt uns das gepredigte Wort, was das äußerliche Zeichen bedeute, nämlich die Verheißung, worauf dasselbe hinweiset. Wenn das Wort zum Element kommt, so wird es ein Sakrament, wie Augustinus sagt. Die Sakramente sind also Siegel, wodurch dasjenige bestätigt wird, was uns Gott von seiner Gnade gegen uns in seinem Worte verheißen und bezeugt hat. Wenn also ein Gläubiger die Sakramente anschaut, so bleibt er nicht am Äußerlichen kleben, sondern schwingt sich durch eine heilige Betrachtung zu den erhabenen Geheimnissen empor, welche in den Sakramenten verborgen enthalten sind. Und da der Herr seine Verheißungen Bündnisse nennt: so haben wir die Sakramente als Zeichen der Bündnisse anzusehen, wodurch die Bundesartikel bekräftigt werden. Sie sind Übungen, welche uns Gottes Wort gewiss machen, und weil wir sinnlich sind, so werden sie uns mit sinnlichen Dingen gereicht, damit sie uns nach unserm geringen Fassungsvermögen unterweisen, und gleich als Zuchtmeister uns Kinder an der Hand führet. Der Glaube beruht auf Gottes Wort als auf dem Fundament; wenn aber die Sakramente hinzukommen, so wird er durch dieselben gleich als durch Säulen desto fester unterstützt. Man kann sie auch Spiegel nennen, in denen wir die göttlichen Gnadenschätze, die er uns mitteilt, anschauen können, und wodurch er uns seine Gnade auf's Klarste vorstellt. Der Herr bietet uns seine Barmherzigkeit und das Pfand seiner Gnade in seinem heiligen Worte und in den Sakramenten an; aber nur diejenigen empfangen dieselbe wirklich, welche das Wort und die Sakramente mit wahrem Glauben annehmen. Erstlich lehrt und unterweiset uns der Herr durch sein Wort; darnach gibt er uns eine kräftige Versicherung durch die Sakramente: zuletzt erleuchtet er unsere Herzen durch das Licht seines heiligen Geistes und macht dem Worte und den Sakramenten Bahn, dass sie unsere Gemüter durchdringen, indem sie sonst nur unsere Augen und Ohren berühren, keineswegs aber unser Inneres ergreifen würden. Es ist also in die Sakramente keine verborgene Kraft eingeschlossen, wodurch sie den Glauben aus sich selbst befördern und bekräftigen könnten; sie können vielmehr erst dann zur Stärkung und Vermehrung des Glaubens dienen, wenn der innere Lehrer der Seele mit seiner Kraft hinzukommt, durch welche allein unsere Herzen bewegt werden, die in den Sakramenten gegebene Versicherung von der Gnade Gottes in Christo gläubig anzunehmen. Wir müssen uns also vor einem doppelten Fehler hüten: erstlich, dass wir die Zeichen so annehmen, als wären sie uns vergeblich gegeben, und in Bosheit ihre verborgene Bedeutung aufheben oder verkleinern und dadurch verursachen, dass sie uns keinen Nutzen bringen; zum andern, dass wir nicht unsere Herzen über die sichtbaren Zeichen erheben, sondern dieselben so hochpreisen, als wären sie die Güter selbst, die uns doch von Christo allein geschenkt und durch seinen Geist zugeeignet werden. Denn obwohl der Herr Alles, was er durch die Zeichen verheißet und abbildet, wahrhaft leistet, so hat er doch seine Kraft und Wirksamkeit nicht den äußerlichen Zeichen übergeben, sondern wirket durch eigene ihm angehörige Kraft. So wie nun von Seiten des Herrn die Sakramente Zeugnisse der Gnade und Seligkeit sind: so sind sie dagegen unserseits Glaubenszeichen, wodurch wir feierlich dem Herrn Treue zuschwören; durch dieselben wird also ein gegenseitiger Bund geschlossen zwischen Gott und uns. Denn so wie Gott seinerseits verspricht, dass er in seinem eingebornen Sohne uns mit sich versöhnen und alle unsere Schuld und Strafe, die wir verwirkt haben, durchstreichen und tilgen wolle: so verpflichten wir uns dagegen unsererseits durch dieses Bekenntnis zum Fleiß in der Gottseligkeit und Heiligkeit. So sind also die Sakramente Ceremonien, mit welchen Gott sein Volk üben will, erstlich den Glauben innerlich zu pflegen, zu erwecken und zu stärken; zum andern, unsere Religion vor den Menschen zu bekennen. Da also Christus der Grund und das Wesen aller Sakramente ist, so wird man nur sofern Nutzen und Segen aus ihnen ziehen, als man durch dieselben zunimmt in der Gemeinschaft Christi.