Hunnius - Erwählung

 

Nikolaus Hunnius: Kurzer Inhalt Dessen,

Was ein Christ von Göttlichen unnd Geistlichen Dingen

zu wissen und zu gleuben bedürfftig (1625)

 

Nikolaus Hunnius über Gottes gnädiges Erwählen:

 

Das dreizehnte Kapitel.

 

Obwohl Gott vermöge seiner Gerechtigkeit alle Menschen hätte zum ewigen Tod verstoßen können, hat er sich doch der armen Sünder erbarmt und will, dass ihnen allen solle geholfen werden.

 

279. Bisher haben wir besehen den natürlichen Zustand des Menschen, wie derselbe durch die Sünde so voll Jammers worden ist. Nun ist ferner zu ver-nehmen, ob denn die Menschen in demselben haben untergehen und verderben müssen; gleicher Weise wie Gott der Engel, die gesündigt haben, nicht verschont hat, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen und über-geben, dass sie zum Gericht behalten werden, 2 Petr. 2,4.

 

280. Da haben wir denn aus Jeremiä Klagliedern Kap. 3,22. zu rühmen: „die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende und seine Treue ist groß“. Denn da wir dem ewigen Tod unterworfen waren, hat Gott dem Tod seine Macht genommen und das Leben und ein un-vergängliches Wesen ans Licht gebracht, 2 Tim. 1,10.; er hat uns errettet von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines Sohnes, Kol. 1,13.

 

281. Von diesem Gnadenwerk unsers lieben Gottes wird nun hinfort zu handeln sein. Damit aber solches in guter Ordnung und Richtigkeit geschehe, soll Bericht geschehen: 1. von Gottes gnädigem Willen gegen das arme sündige Geschlecht der Menschen, 2. von Gottes gnädigen Mitteln, so aus seinem Willen herrühren.

 

(Von Gottes gnädigem Willen.) 

 

282. Der Wille Gottes insgemein ist, dass die Menschen, so gesündigt haben, wiederum bei ihm zu Gnaden kommen und ewig selig werden. Derselbe Wille aber ist zweierlei und der Unterschied kommt daher. Wenn Gott der Menschen Seligkeit will, so erstreckt sich sein Wille nicht dahin, dass die Leute sollen selig werden, sie mögen sich gleich gegen ihn erzeigen, wie sie wollen; sondern er hat solches auf gewisse Mittel gesetzt, dadurch ihnen solle und könne geholfen werden. Da will nun Gott, dass alle Menschen solche Mittel ergreifen und da-durch zu ihm kommen, und dies ist sein allgemeiner Wille.

 

283. Weil aber nur etliche Menschen die vorgesetzten Mittel annehmen, der meiste Teil aber sie von sich stößt und in seiner Bosheit wider Gott beharrt, so will er, dass die, welche die gegebenen Mittel annehmen und in festem Glauben an Christum bis ans Ende beständig bleiben, zu der ewigen Seligkeit gelangen, die andern aber lässt er im Verderben bleiben. Und das ist der besondere oder Gerichtswille Gottes, als der allein etliche will selig haben (und es wird derselbe oder desselben Ratschluss genannt die Gnadenwahl und Verordnung der Gläubi-gen zum ewigen Leben), die übrigen aber in ihrem natürlichen Elend verbleiben und untergehen lässt.

 

284. In diesem Kapitel ist zu betrachten der allgemeine Wille Gottes, von welchem diese vier Punkte in acht zu nehmen sind: 1. dass Gott wolle aller Menschen ewige Wohlfahrt ohne allen Unterschied; 2. dass Gott seinen Willen von aller Menschen Wohlfahrt auf eine gewisse Ordnung und Mittel setze, dadurch er sie wolle selig machen; 3. dass Gott in diesem hochwichtigen Werk seinen Willen uns richtig geoffenbart habe und nicht in seinem Wort nur vorgebe, wie er unser aller Seligkeit herzlich wolle, indessen aber bei sich insgeheim beschließe, den größesten Teil derselben mit ewigem Feuer zu verderben; 4. dass Gott ihm selber nicht zuwider sei, wenn er aller bösen Menschen Seligkeit will, und doch, (weil er weiß, dass sie in ihrer Bosheit werden verharren), zugleich auch will, dass die halsstarrigen Verächter nicht sollen selig werden.

 

285. Der erste Punkt, dass Gott wolle aller Menschen ewige Wohlfahrt ohne allen Unterschied, wird aus folgenden Gründen bewiesen:

1) Weil Gott mit klaren deutlichen Worten bezeugt, wie er alle Menschen liebe und wolle, sie sollen ewig selig werden, Hesek. 18,23.32. Kap. 33,11: „so wahr, als ich lebe, spricht der Herr, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe“; Matth. 18,14: „es ist vor eurem Vater im Himmel nicht der Wille, dass jemand von diesen kleinen verloren werde“; 1 Timoth. 2,4: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“; 2 Petr. 3,9: „Gott will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße bekehre“.

 

286. 2) weil Gott sich aller, die gesündigt haben, erbarmen will; Röm. 11,32: „Gott hat alles beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme“; Gal. 3,22: „die Schrift hat alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da glauben“. Dass aber alle Menschen gesündigt haben, ist gutenteils aus den früher ange-zogenen Zeugnissen zu vernehmen; es gebens auch andere Orte der Schrift, Sprüchw. 20,9. Pred. 7,21. Röm. 3,23. Daraus folgt, dass sich Gott aller Men-schen erbarmen wolle.

 

287. 3) weil Gott auch die Wohlfahrt derer haben will, die doch nicht bekehrt werden. Dass Gott die wolle zur Seligkeit bringen, welche selig werden, davon ist kein Zweifel. Wenn nun bewiesen wird, dass er auch die wolle selig haben, welche doch nicht selig werden, so ists gewiss, dass er alle Menschen wolle selig haben. Nun bezeugt aber Gott seinen gnädigen Willen von denen, welche nicht bekehrt noch selig werden; Jes. 65,2: „Ich recke meine Hände aus den ganzen Tag zu einem ungehorsamen Volk, das seinen Gedanken nachwandelt auf einem Wege, der nicht gut ist“; Sprüchw.1,24.ff.: „weil ich denn rufe und ihr wegert euch; ich recke meine Hand aus, und niemand achtet drauf, und lasst fahren allen meinen Rat und wollet meiner Strafe nicht; so will ich auch lachen in eurem Unfall und euer spotten, wenn da kommt, das ihr fürchtet“. Matth. 22,3. ladet der König zur Hochzeit und will, dass diejenigen seiner Gnade wirklich genießen, welche doch hernach ungehorsam sind, außen bleiben, des Königs Diener höhnen und töten, auch durch des Königs ausgesandtes Heer umgebracht werden, v. 6.7. Dies Gleichnis handelt vom Himmelreich und zeigt an, wie Gott auch die in sein Reich gern haben wollte, welche ihm ungehorsam sind und seine gnädige Ein-ladung verachten.

 

288. 4) weil Gott allen Menschen seinen Sohn gesandt hat. Wem Gott seinen Sohn sendet, denselben will er zu seinem Reich und der ewigen Seligkeit be-fördert wissen. Er sendet aber seinen Sohn allen Menschen, (welches im folgen-den soll erwiesen werden). Darum will er alle Menschen zu seinem Reich und der ewigen Seligkeit befördert wissen.

 

289. 5) weil Gott alle Menschen zu seinem Reich und der ewigen Seligkeit beruft. Wen Gott zu der ewigen Seligkeit beruft, von dem will er, dass er selig werde. Nun beruft Gott alle Menschen zur Seligkeit. Solches ist aus diesen Zeugnissen kund: Matth. 28,19.: gehet hin und lehret alle Heiden und taufet sie“; Mark. 16,15: „gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen Kreaturen“; Ap. Gesch. 17,30: „Gott gebeut allen Menschen an allen Enden Buße zu tun“; Kol. 1,28: „wir verkündigen und vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu“. Aus diesem folgt, dass Gott wolle, es sollen alle Menschen selig werden.

 

290. Der andere Punkt: dass Gott seinen Willen von aller Menschen Wohlfahrt auf eine gewisse Ordnung und Mittel setze. Gleichwie Gott will, dass alle Men-schen selig werden, so will er doch nicht, dass sie ohne Mittel und gewisse Ordnung zur Seligkeit kommen und ihnen frei stehen sollte zu tun und zu lassen, was ihnen gelüstet; sondern er gibt gewisses Maß, Ordnung und Mittel und will, dass alle Menschen dieselben annehmen und dadurch zur ewigen Wohlfahrt gelangen.

 

291. Vor allen sendet er seinen Sohn, der menschliche Natur an sich genommen, in derselben der Menschen Sünden gebüsset und sie mit seinem himmlischen Vater versöhnt hat. Davon lässt er dann den Leuten predigen, dass sie ernste Buße tun, diese Erlösung annehmen und nicht von sich stoßen, auf Christum Jesum als ihren Heiland sich verlassen und nicht zweifeln, dass sie also bei Gott in Gnaden seien. Er macht sie durch solchen Glauben gerecht, er gebiert sie von neuem durch sein Wort und die heilige Taufe, er stärkt ihren Glauben durchs Wort und sein hl. Abendmahl etc. Solches sind die Mittel, durch welche Gott die Menschen will selig machen.

 

292. Dass Gott solchergestalt seinen Willen auf Gebrauch der Mittel gesetzt hat, wird daher bewiesen, weil Gott seinen Willen also hat geoffenbart; Hesek. 18,21: „wo sich der Gottlose bekehret von allen seinen Sünden, so soll er leben“; v. 24: „wo sich der Gerechte kehret von seiner Gerechtigkeit, soll er in seiner Übertre-tung und Sünde, die er getan hat, sterben“; Mark. 16,16: „wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt“; Joh. 3,18: „wer an den Sohn glaubet, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet, denn er glaubet nicht an den Namen des ein-gebornen Sohnes Gottes“; 1 Tim. 2,4: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“; 2 Petr 3,9: „Gott will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre“. Daraus ist zu vernehmen, wie Gott aller Menschen Seligkeit wolle, aber unter der Bedingung, dass sie sich in der vorgestellten Ordnung halten lassen, dass sich der Gottlose bekehre von seinem bösen Wesen, der Gerechte beständig bleibe in seiner Gerechtigkeit, der Sünder Buße tue, zur Erkenntnis der Wahrheit komme, an den Sohn Gottes glaube; alsdann (und nicht außer dieser Ordnung) kann an ihm der göttliche Wille wirklich vollstreckt werden.

 

293. Der dritte Punkt: dass Gott in diesem hochwichtigen Werk seinen Willen uns richtig geoffenbart und nicht ein anders in seinem Wort vorgebe, ein anders in seinem geheimen Rat beschließe. Dies bedarf keines weitläufigen Beweises.

 

294. Denn 1) ist solcher Gedanke von Gott auch dem Licht der Natur zuwider, so dass ein jeglicher vernünftiger Mensch alsbald versteht, wie dergleichen nicht ohne Gottlosigkeit von Gott könne gedacht werden.

 

295. 2) ists dem zuwider, was Gott von seiner Wahrheit bezeugt, er sei nicht wie ein Mensch, dass er lüge, sondern alle seine Worte seien wahrhaftig, und was er zusage, das halte er gewiss, 4 Mos. 23,19. 1 Sam. 15,25. Ps. 33,4. Tit. 1,2.

 

296. 3) Wenn von Gott zu denken wäre, dass er ein anders in seinem Wort vorgebe, ein anders und zwar das Widerspiel in seinem geheimen Rat be-schlösse, so dürfte niemand mehr dem geoffenbarten Wort unfehlbar trauen, sondern hätte allezeit zu zweifeln, ob Gott auch gewisslich also und nicht anders zu tun gesinnt wäre, wie er in seinem Wort vorgibt; oder ob er gutes uns versage und das widrige in seinem Rat beschlossen habe; dadurch der christliche Glaube allerdings fallen müsste und niemand aus dem freundlichen Vorgeben Gottes ein kindliches und gutes Vertrauen zu ihm schöpfen könnte. Denn der Glaube soll auf einen Felsen gegründet, das ist, ein solches festes Vertrauen zu Gott soll auf sein Wort erbaut sein, dass es kein anstoßender Sturmwind noch Wasserflut, das ist, keine Versuchung, Anfechtung oder Gefahr darnieder werfen soll, Matth. 7,24.25. Darum muss das göttliche Wort, aus welchem der Glaube entspringt (Röm. 10,17.), dermaßen gewiss und unfehlbar sein, dass daran zu zweifeln niemand Ursach habe. Solches aber könnte nicht geschehen, wenn ungewiss wäre, ob Gott auch dieses gewisslich also meine, welches er in seinem Wort vorgibt und verheißt.

 

297. Der vierte Punkt: dass Gott ihm selber nicht zuwider sei, wenn er aller bösen Menschen Seligkeit will und doch, weil ers weiß, dass sie in ihrer Bosheit werden verharren, zugleich auch will, dass die halsstarrigen Verächter nicht sollen selig werden. Solches wird von dem Herrn Christo schön erklärt in zwei Parabeln, deren eine das Himmelreich vergleicht einem Könige, der zu seines Sohnes Hochzeit Gäste lud, des gnädigen und freundlichen Willens, ihnen an seiner Tafel Gnade und alles gute widerfahren zu lassen. Als er aber verschmäht, seine Knechte gehöhnt und getötet wurden, hat er diese Leute jämmerlich umbringen lassen, Matth. 22,1.ff. Die andere Parabel vergleicht das Himmelreich einem großen Abendmahl, dazu viel von dem Hausvater sind geladen worden; aber nachdem sie dessen Freundlichkeit verschmäht und zu kommen sich geweigert hatten, hat er nicht mehr gewollt, dass sie seine Gäste seien und der zuge-richteten Mahlzeit genießen sollten, Luk. 14,16.ff.

 

298. Es befindet sich demnach bei diesem König und bei diesem Hausvater zweierlei Wille, 1. ein Gnaden- und Freudenwille, nach welchem sie wollen, dass es ihren geladenen Gästen wohl gehe und sie ihre Güter mit Freuden genießen; 2. ein Gerichtswille, und nach demselben wollen sie, dass ihre Geladenen wegen der großen Undankbarkeit und Verachtung nicht sollen ihre Güter genießen noch in der Wirklichkeit ihre Gnade und Freundlichkeit empfinden. Diese zwei Willen sind einander im geringsten nicht zuwider, obwohl der eine den Gästen die Mahl-zeit gönnt, der andere aber missgönnt.

 

299. Gleich also hat unser Herr Gott auch zweierlei Willen; deren einer ist der Gnadenwille, welchen die Kirchenväter den vorgehenden Willen genannt haben, darum dass er nicht sieht auf der Menschen Frömmigkeit oder Bosheit, Dank oder Undank, Gehorsam oder Ungehorsam, sondern dessen ungeachtet allen ohne Unterschied Gnade und Seligkeit anbeut. Der andere ist der Gerichtswille, den die Kirchenväter genannt haben den nachfolgenden oder nachgehenden Willen, weil er auf das erfolgt, wie die Menschen gegen das freundliche und gnädige Anerbieten Gottes sich erwiesen haben, dass, da sie dasselbe von sich gestoßen und verachtet, er ihnen mit verdienter Ungnade und einem scharfen Urteil wiederum begegnen und sie von sich stoßen werde. Wie deswegen Gott nach dem Gnadenwillen aller Menschen Wohlfahrt begehrt, also will er nach dem Gerichtswillen, dass allein die zur ewigen Seligkeit sollen gelangen, welche die angebotene Gnade angenommen haben, hingegen die Verächter solcher Gnade nicht genießen sollen.

 

300. Und tut unser lieber Gott in diesem Werk wie eine fromme gottselige Obrig-keit, welche nichts liebers wünscht, denn dass es allen ihren Untertanen solle wohl gehen; dazu vermahnt sie dieselben mit allem Ernst und Freundlichkeit, bittet sie auch wohl, dass sie ihre eigene Wohlfahrt betrachten und sich also verhalten, damit es ihnen nach ihrem Wunsch ergehen möge. Wenn aber diese Freundlichkeit ausgeschlagen wird und der Untertan das Vermahnen und Bitten seiner Obrigkeit nicht hört, sie verlacht und freventlich wider derselben Willen und Gebot tut, alsdann geht dieser Gnadenwille gänzlich aus und folgt der Gerichts-wille, nach welchem die Obrigkeit will, dass es einem solchen Ungehorsamen und Frevler nicht wohl gehen soll, sondern sie übergibt ihn dem Scharfrichter, durch den er vom Leben zum Tod gebracht werde.

 

301. Wie aber in diesem allen weder der König noch der Hausvater noch die Obrigkeit sich selber zuwider sind, ob sie schon nach gewissem Unterschied etwas wollen und nicht wollen; also ist Gott ihm auch nicht entgegen, wenn er nach gewissem Unterschied aller Menschen ewige Seligkeit will und etlicher Seligkeit nicht will. So viel von dem göttlichen Gnadenwillen.

 

Das vierzehnte Kapitel.

 

Welche den gnädigen Willen Gottes nicht von sich stoßen, sondern er-kennen, mit rechtem Glauben annehmen und darin bis ans Ende beharren, die hat Gott von Ewigkeit zum ewigen Leben verordnet, aus dem mensch-lichen Geschlecht erwählt und beschlossen, sie zur Seligkeit zu bringen. Die aber nicht glauben oder vom Glauben wieder abweichen, die hat er nicht erwählt, sondern in ihrem sündlichen Zustand verbleiben lassen, darin sie ewig verloren werden.

 

302. Nun ist zu besehen Gottes Gerichtswille, nachdem etliche Personen mit Glauben seine Gnade werden angenommen, andere aber dieselbe verworfen haben. Daher ist alsbald zu erkennen, dass der Gerichtswille zweierlei ist: 1. der gnädige, 2. der ernstliche.

 

303. Und zwar wird der Menschen Gehorsam und Ungehorsam, nach welchem Gottes Gerichtswille verfährt, allhier betrachtet, nicht wie sich derselbe in der Zeit im Werk begibt und zuträgt, sondern wie Gott ihn von Ewigkeit her gesehen hat, als dem alles weit zukünftige nicht anders bekannt ist, denn als ob ers gegen-wärtig anschaute. Demnach hat er von Ewigkeit gewusst, welche im Unglauben absterben und welche an seinen Sohn glauben und im Glauben bis an ihren Tod verharren werden. Deswegen lässt er jene in ihrem Unglauben und also in seinem Gericht verbleiben, da er über alle Unbußfertigen und Ungläubigen das Urteil der Verdammnis gesprochen hat, diese aber verordnet und erwählt er zum ewigen Leben. Diese Handlung Gottes wird in der Kirche genannt die Gnaden-wahl.

 

(Von der Gnadenwahl.) 

 

304. Damit aber dieser hohe Artikel von Gottes gnädigem Gerichtswillen recht verstanden werde, müssen wir folgende sechs Punkte in gute Acht nehmen: 1. was Gnadenwahl für ein Name sei, 2. was die Gnadenwahl sei, 3. wann diese Gnadenwahl geschehen sei, 4. wozu Gott die Auserwählten durch die Gnaden-wahl verordnet habe, 5. was er in derselben Wahl eigentlich habe angesehen, 6. welche Menschen er auserwählt habe.

 

305. Der erste Punkt: was Gnadenwahl für ein Name sei. Hiebei ist zu wissen, dass ihn die hl. Schrift selber gebraucht. St. Paulus nennt sie die Wahl der Gnaden, Röm. 11,5.; der Herr Christus eine Wahl, Matth. 20,16: „viel sind be-rufen, aber wenig sind auserwählt“. Ephes. 1,4: „Gott hat uns erwählet, ehe der Welt Grund gelegt war“; Röm. 8,33: „wer will die Auserwählten Gottes beschuldi-gen?“ Und sie heißt eine Wahl, weil sich nur etliche der göttlichen Gnade teil-haftig machen, darum Gott die wenigen ihm zu seinen Kindern und Erben aus dem ganzen Haufen des menschlichen Geschlechts ausgelesen hat.

 

306. Der andere Punkt: was die Gnadenwahl sei. Die Antwort ist: sie ist der göttliche Ratschluss, damit Gott von Ewigkeit her aus lauter Gnade und Barm-herzigkeit in seinem Sohn Christo Jesu alle zum ewigen Leben verordnet hat, von welchen er vorhergesehen, dass sie in dem Glauben an Christum bis an ihr Ende beharren werden. Was in dieser Beschreibung zu merken sei, wird in nach-folgender Erörterung zur Genüge erklärt werden.

 

307. Der dritte Punkt: wann diese Gnadenwahl geschehen sei. Dass sie von Ewigkeit geschehen sei, wird in der Schrift klärlich angezeigt; Ephes. 1,4: „Gott hat uns erwählet durch seinen Sohn, ehe der Welt Grund gelegt war“; 2 Thess. 2,13: „Gott hat uns von Anfang erwählet zur Seligkeit“; 2 Tim. 1,9: „Gott hat uns selig gemacht nach seinem Vorsatz und Gnade, die uns gegeben ist in Christo Jesu vor der Zeit der Welt“. Ist die Gnadenwahl geschehen von Anfang, ehe der Welt Grund gelegt ward und vor der Zeit der Welt, so ist sie nicht geschehen in der Zeit und demnach von Ewigkeit.

 

308. Der vierte Punkt: wozu Gott die Auserwählten durch die Gnadenwahl ver-ordnet habe. Dies ist aus den angeführten Schriftzeugnissen offenbar. Es hat Gott die Auserwählten verordnet zu seiner Gnade, 2 Tim. 1,9., dass sie dieselbe völlig und ewig genießen sollen; er hat sie verordnet zur Kindschaft, Ephes. 1,5.; er hat sie verordnet zum Ebenbild seines Sohnes, Röm. 8,29: „welche er zuvor gesehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes“; er hat sie verordnet zur Gerechtigkeit und ewigen Herrlichkeit, Röm. 8,30: „welche er verordnet hat, die hat er auch berufen, welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht, welche er aber hat gerecht ge-macht, die hat er auch herrlich gemacht“; er hat sie verordnet zur Seligkeit, 2 Thess. 2,13. So hat also Gott die Auserwählten durch die Gnadenwahl verordnet zu seiner Gnade, zur Kindschaft, zum Ebenbild seines Sohnes, zur Gerechtigkeit, zur Herrlichkeit und ewigen Seligkeit.

 

309. Der fünfte Punkt: was Gott in der Gnadenwahl eigentlich habe angesehen. Wo eine Wahl ist, daselbst wird einer dem andern vorgezogen, welches denn hier auch geschieht. Und es ist fleißig zu erwägen, wie es komme, dass Gott nicht alle, sondern nur etliche Menschen zum ewigen Leben verordnet habe. Denn entweder hat Gott aus seinem bloßen Rat und Wohlgefallen etliche zum Leben verordnet und die andern auch aus seinem bloßen Wohlgefallen zur Ver-dammnis verstoßen, oder er hat in dem einen etwas gefunden, das ihn bewog, denselben zu erwählen, da er solches hingegen in einem andern nicht gefunden und um dessen Mangel ihn zum Leben nicht verordnet hat.

 

310. Weil sich hievon nicht einerlei Gedanken der Leute finden, so ist von dieser Sache unterschiedlich zu handeln, und zwar also, dass wir betrachten, was Gott in diesem Werk nicht habe angesehen, und dann, was er eigentlich in den Aus-erwählten angesehen, weswegen er sie den andern also weit hat vorgezogen.

 

311. Das erste betreffend, so ist zu merken, 1. dass Gott nicht aus schlechtem bloßen Rat und nur darum, weil solches ihm also gefallen hat, etliche wenige erwählt, den größten Haufen aber der Menschen zur Verdammnis verstoßen habe. Denn solches kommt mit der großen Leutseligkeit und Freundlichkeit unsers lieben Gottes nicht überein, davon er bezeugt, dass er nicht wolle den Tod des Gottlosen; er wolle nicht, dass jemand verloren werde; er wolle, dass allen Menschen geholfen werde, davon im vorhergehenden Kapitel mit mehrerem gehandelt worden. Denn dieses gibt solchen unfehlbaren Schluss: gegen wen Gott also gnädig gesinnt ist, dass er seinen Tod und Verderben nicht will, viel-mehr aber will, dass ihm geholfen werde, denselben hat er nicht aus bloßem Rat und allein darum, dass es ihm also gefallen, von der ewigen Seligkeit verstoßen. Und es folgt daraus ferner: in der Gnadenwahl sehe Gott nicht einig auf seinen bloßen Willen und Wohlgefallen.

 

312. Ferner hat Gott uns erwählt in Christo, Eph. 1,3.4: „Gott hat uns gesegnet mit himmlischen Gütern durch Christum, wie er uns denn durch denselben (oder, wie es in der griechischen Sprache lautet: in demselben) erwählet hat“. Daraus wird also geschlossen: wen Gott erwählt durch Christum und in Christo, den erwählt er nicht aus bloßem Rat und Willen. Denn das Wort durch Christum zeigt an, dass uns diese Gnade durch Christi Amt und Verdienst widerfahren sei, wie dasselbe erklärt wird 2 Tim. 1,9.: „Gott hat uns selig gemacht nach seinem Vor-satz und Gnade, die uns gegeben ist in Christo Jesu vor der Zeit der Welt“. Das Wort in Christo weist uns auf den Glauben, denn durch denselben sind wir in Christo und er in uns, Eph. 3,17. Nun hat aber Gott uns erwählt in Christo und durch ihn, darum hat er uns nicht aus seinem bloßen Rat und Wohlgefallen er-wählt.

 

313. Endlich sind wir nach der Vorsehung Gottes erwählt, Röm. 8,29: „welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet“; 1 Petr. 1,1.2: „den Erwähleten nach der Versehung Gottes des Vaters“. Hieraus folgt ein solcher Schluss: wen Gott erwählt hat, nachdem er ihn zuvor versehen und erkannt, den erwählt er nicht aus bloßem Rath, sondern aus dem, was er an ihm gefunden hat, so ihm gefällig gewesen ist. Nun erwählt Gott, nachdem er zuvor gesehen hat alle die, so er erwählt, darum hat er keinen aus bloßem Rath, sondern aus dem erwählt, was er an ihm befunden, so ihm gefällig gewesen ist.

 

314. 2) Gott hat bei der Gnadenwahl nicht angesehen der Menschen Tugend, eigene Frömmigkeit und gute Werke, als ob er, nachdem etliche derselben viel getan und großes Verdienst bei ihm erlangt, dieselben darum zum ewigen Leben erwählt, die andern, welche nicht solche Tugend an sich haben noch dergleichen Werke getan, deshalb von der ewigen Seligkeit verstoßen hätte. Denn sonst müsste dieser Ratschluss Gottes eine verschuldete und verdiente Wahl sein und wäre keineswegs eine Gnadenwahl.

 

315. Ferner beruht das ganze Werk unserer Seligkeit allein auf Gottes Gnade, nicht aber auf unserer eigenen Frömmigkeit noch Verdienst unserer Werke, Eph. 2,8.9: „aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbe nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf dass sich nicht jemand rühme“; Tit. 3,4.5: „es ist erschienen die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Heilandes, nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, sondern nach seiner Barmherzigkeit macht er uns selig“. Ist nun das ganze Werk unserer Selig-keit allein aus Gnaden und nicht aus unserer Frömmigkeit noch Verdienst, so ist auch die Gnadenwahl allein aus Gottes Gnade, demnach nicht aus unserm Ver-dienst.

 

316. Dann wird insonderheit von dieser Wahl und Ordnung der Kinder Gottes zum ewigen Leben gelehrt, dass sie nicht aus den Werken, sondern allein aus göttlicher Gnade herkomme, 2 Tim. 1,9: „Gott hat uns selig gemacht nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Vorsatz und Gnade, die uns gegeben ist in Christo Jesu vor der Zeit der Welt“; Eph.1,5.6: „Gott hat uns verordnet zur Kind-schaft gegen ihn selbst durch Jesum Christ, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lobe seiner herrlichen Gnade, durch welche er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten“. Nachdem der Apostel Röm. 11. diese Lehre berührt hatte, schließt er dieselbe v. 35. mit diesen Worten: „wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten?“ Und v. 5 6. setzt er hierin Gnade und Werke wider einander mit diesen Worten: „also gehets auch mit diesen Über-bliebenen nach der Wahl der Gnaden; ists aber aus Gnaden, so ists nicht aus Verdienst der Werke, sonst würde Gnade nicht Gnade sein; ists aber aus Ver-dienst der Werke, so ist die Gnade nichts, sonst wäre Verdienst nicht Verdienst.“

 

317. Was hat denn aber Gott in der Gnadenwahl angesehen und was hat ihn bewogen, dass er einen Menschen dem andern vorgezogen, etliche erwählt, andere nicht erwählt hat? Allhie ist zu behalten, dass

1) Gott in der Gnadenwahl einig und allein angesehen hat Christum Jesum. Solches wird bewährt aus den bisher angezogenen Schriftzeugnissen; Eph. 1,4: „er hat uns erwählt durch Christum“; v. 5: „er hat uns verordnet zur Kindschaft durch Jesum Christum“; 2 Tim. 1,9: „Gott hat uns selig gemacht nach seiner Gnade, die uns gegeben ist in Christo Jesu vor der Welt“; „durch Christum werden die Menschen mit Gott wiederum versöhnet“ (2 Kor. 5,19); „die Gnade ist durch Jesum Christum worden“ (Joh. 1,17); „so hat uns Gott ihm selber ange-nehm gemacht in dem Geliebten“, das ist: in seinem Sohn (Eph. 1,6); „und ist in keinem andern Heil, auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden, ohn in dem Namen Jesu“ (Apost. Gesch. 4,12).

 

318. 2) Gott hat in der Gnadenwahl gesehen auf Jesum Christum, nicht in so fern, als er für alle Menschen gelitten und derselben Sünde ausgebüßt hat. (Denn diesfalls sind alle Menschen gleich und es ist da kein Unterschied noch Wahl zwischen ihnen anzustellen, sintemal Christus aller Sünde getragen hat, wie hernach wird zu berichten sein.) Sondern auch

 

319. 3) Gott hat in der Gnadenwahl gesehen auf Jesum Christum, wie derselbe von den Menschen angenommen wird. Denn wem Gott eine besondere Gnade erweiset, darin er seine völlige Liebe sehen lässt und bezeugt, wie er demselben allerdings versöhnet sei; der hat gewisslich den Herrn Christum (der ihn versöhnt und zu Gnaden gebracht hat) auf- und angenommen, als durch welchen er nicht nur dem Verdienste nach, sondern auch in der Tat versöhnt ist. Nun ist die Gnadenwahl ein solch Werk Gottes, in dem er seine völlige Liebe sehen lässt gegen die, welche er erwählt, und ihnen bezeugt, dass ihm diese allerdings versöhnt seien. Darum folgt, dass die, welche Gott erwählt, den Herrn Christum, den Gnadenthron, auf- und angenommen haben.

 

320. Der Herr Christus aber wird von den Menschen nicht anders angenommen, denn durch den Glauben. Was der Glaube sei, wird hernach Bericht geschehen. Jetzt ist genug zu wissen, dass er sei eine Zuversicht, womit ein jeglicher für sich gewiss dafür hält, dass Gott ihm gnädig sei, die Sünden erlassen habe und ihn zum Erben des ewigen Lebens aufnehmen wolle, weil sein geliebter Sohn des-selben Sünde an seinem Leibe getragen, ausgebüsset und ihn mit seinem Blut also gereinigt habe, dass er, mit Gott versöhnt, in aller Zuversicht zu ihm treten dürfe. Wer ein solch Vertrauen hat, der fasst damit die göttlichen gnädigen Verheißungen samt dem ganzen Verdienst des Herrn Christi und macht sich solches alles zu eigen. Das ist der Glaube, durch welchen Christus in unsern Herzen aufgenommen wird und darinnen wohnet, Eph. 3,17., und darum spricht die Epistel Hebr. 11,6: „ohne Glauben ists unmöglich Gott gefallen“. Hingegen wird der Herr Christus nicht anders, denn durch Unglauben ausgestoßen. Denn also sprechen Paulus und Barrabas zu den verstockten und halsstarrigen Juden zu Antiochia: „euch musste zuerst das Wort Gottes gesagt werden; nun ihr es aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht wert des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden“. Apost. Gesch. 13,46.

 

321. So hat demnach 4) Gott in der Gnadenwahl angesehen, dass in etlichen Menschen der Herr Christus mit seinem Verdienst und erworbenen Gerechtigkeit wohnt; und weil dieselben ihm dadurch völlig versöhnt sind, hat er sie zum ewigen Leben erwählt. Dagegen hat er angesehen, dass in etlichen Menschen kein Glaube, demnach Christus durch Unglauben von ihnen ausgestoßen sei und dass sie, seiner Gerechtigkeit und Verdienstes nicht teilhaftig, noch in ihren Sünden stecken und den göttlichen Zorn auf sich haben, der über ihnen bleibt; deswegen hat er sie außer Christo befunden und also zum Leben nicht erwählt.

 

322. Und dies macht den Unterschied zwischen denen, die Gott auserwählt und die er nicht erwählt, weil etliche in Christo sind, etliche außer ihm, etliche glauben, andere glauben nicht; gleichwie eben dies diejenigen unterscheidet, welche selig, und welche verdammt werden, Joh. 3,18: „wer an den Sohn glaubet, der wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet“; v. 36: „wer an den Sohn glaubet, der hat das ewige Leben, wer dem Sohn nicht glaubet, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm.“

 

323. 5) Gott hat in der Gnadenwahl gesehen auf der Menschen Glauben, dass er die Gläubigen erwählt und die Ungläubigen nicht erwählt. Nicht als ob der Glaube für sich dem Menschen eine solche Würdigkeit gebe, die Gott zu diesem Gna-denwerk bewege und um derselben willen jemand erwähle, sondern, so fern der Glaube das Mittel ist, durch welches der Herr Christus mit den Menschen ver-bunden und wodurch ihnen seine Unschuld, Gerechtigkeit und Verdienst (auf welche in der Gnadenwahl eigentlich gesehen worden) gegeben und zugeeignet wird. Nicht anders, als wie uns Gott durch den Glauben rechtfertigt und selig macht; da er nicht um des Glaubens willen und seiner Würdigkeit halben jemand gerecht oder selig macht, sondern durch den Glauben, sofern er des Herrn Christi Verdienst und Gerechtigkeit ergreift, um derer willen er gerecht und selig gemacht wird.

 

324. 6) Gott hat in der Gnadenwahl den Herrn Christum angesehen, wie er durch den Glauben nicht nur in der Menschen Herzen wohnt, sondern auch bis an derselben Ende und die Zeit ihres Abscheidens darin bleibt und verharrt. Denn, wie die Seligkeit allein denen verheißen ist, die in ihrem Glauben bis ans Ende beständig verharren; also hat auch Gott die, von welchen er zuvor gesehen, dass sie in ihrem Glauben bis ans Ende beständig verharren würden, zum ewigen Leben verordnet, nach dem Wort des Herrn Christi Matth. 10,22: „wer bis an das Ende beharret, der wird selig“. Hingegen werden die, welche von dem selig-machenden Glauben abfallen, eine weit schwerere Verdammnis empfangen, denn andere, und der Glaube, den sie eine Zeit lang gehabt haben, ist ihnen nichts nütze, sondern das letzte ist mit ihnen ärger worden, denn das erste. Denn es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn dass sie ihn erkennen und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist, 2 Petr. 2,20.21.

 

325. Endlich ist dabei zu wiederholen, was bei dem dritten Punkt gemeldet, die Gnadenwahl sei vor der Welt Erschaffung und von Ewigkeit her geschehen, da noch kein Mensch, kein Glaub derselben, wie auch Christi Verdienst in der Wirklichkeit noch nicht gewesen. Demnach ist alles das, so jezund von der Gnadenwahl gedacht worden und was Gott dabei angesehen hat, allein zu verstehen von seiner ewigen Vorsehung, wie er die Menschen, ihren Glauben, Christi Verdienst etc. von aller Ewigkeit her erkannt und zuvor gesehen, in Anbetracht, dass ihm alles zukünftige nicht anders bekannt ist, als das gegen-wärtig da steht. Deswegen hat Gott die Menschen, die noch nicht geschaffen waren, erwählen, nach dem Glauben oder Unglauben von ihrer zukünftigen Seligkeit urteilen und beschließen, auch den Herrn Christum (der nach seiner Menschheit und wirklicher Verrichtung seines Amts noch nicht kommen war), in den Menschen durch den Glauben gefasst, ansehen können.

 

326. Der sechste Punkt: welche Menschen Gott auserwählt habe, ist durch das erörtert, so bisher vorgebracht worden, nämlich es seien allein die im Glauben bis ans Ende beharrenden und demnach nicht alle, sondern der wenigste Teil der Menschen zum ewigen Leben verordnet, weil die wenigsten gläubig und bis zum Ende beständig bleiben. Zum Überfluss aber und zu fernerer Erklärung ist zu be-halten:

1) dass Gott nicht alle Menschen zum ewigen Leben verordnet und erwählt. Solches erweist:

a) das Wort erwählen. Denn wo eine Wahl ist, da wird nicht alles zugleich be-griffen; sind demnach die Gläubigen zum ewigen Leben erwählt, so sind nicht alle Menschen mit einander dazu verordnet.

b) der klare Ausspruch des Herrn Christi, Matth. 20,16: „viele sind berufen, aber wenig sind auserwählt“.

c) die Lehre von der Wahl, so in Christo geschehen ist. Denn weil niemand er-wählt ist, ohne der, so da ist in Christo, in Christo aber sind allein die Gläubigen; so folgt, dass allein die Gläubigen und also nicht alle Menschen erwählt seien.

 

327. 2) Dass der Auserwählten zwar wenig sind, wenn ihre Zahl mit dem Haufen der Gottlosen verglichen wird, an ihm selber aber ein ziemlicher großer Haufe sei. Wenig sind der Auserwählten, gerechnet gegen der Gottlosen Zahl (Matth. 20,16: „viel sind berufen, aber wenig sind auserwählt“), viel aber an und für sich selber, Offenb. 14,1: „ich sahe das Lamm stehen auf dem Berge Zion und mit ihm hundert und vier und vierzig Tausend, die hatten den Namen seines Vaters geschrieben an ihre Stirn“. So viel von dem gnädigen Gerichtswillen Gottes.

 

328. Der ernste Gerichtswille Gottes besteht darin, dass alle, die nicht glauben, unter seiner Strafe und dem ewigen Verderben verbleiben müssen. Hier darf ihm niemand einen besondern Ratschluss Gottes von der ewigen Verwerfung der Gottlosen und Ungläubigen zur Verdammnis einbilden; denn es verhält sich die Sache also. Nachdem alle Menschen durch die Sünde unter Gottes Gericht gefallen und in das ewige Verderben gestürzt worden sind, Gott aber ihnen durch seinen geliebten Sohn Rat geschafft hat, so nehmen etliche die vorgetragene Gnade durch Glauben an, die andern aber stoßen sie durch Unglauben von sich und genießen ihrer in der Wirklichkeit nimmermehr. Darum werden die Gläubigen aus dem Haufen derer, die verdammt sind, herausgezogen, zum ewigen Leben verordnet und nachmals dahin eingeführt; die Ungläubigen aber werden in ihrem Zustand gelassen, darein sie durch die Sünde gefallen sind, in welchem sie ewig verderben, weil sie ihnen nicht haben wollen helfen lassen und der Sohn Gottes hat hier keinen neuen und besondern Ratschluss, Joh. 3,18: „wer nicht glaubet, der ist schon gerichtet“; und v. 36: „wer dem Sohn nicht glaubet, über dem bleibet der Zorn Gottes“, nämlich der, so über alle Sünder geoffenbart wird, so dass von neuem nichts von ihm zu beschließen nötig ist.