Calvin (Institutio) - Vorsehung

 

VON DER VORSEHUNG. 

 

Wissen müssen wir, dass die Vorsehung Gottes, wie sie in der Schrift gelehrt wird, dem Glück und Zufall entgegengesetzt werde. Der gemeine Wahn aller Zeiten, der auch noch heutiges Tages bei den Meisten gilt, dass alles zufällig geschehe, muss notwendig den Glauben an eine Vorsehung nicht bloß verdunkeln, sondern fast vernichten. Wenn Jemand in die Gewalt der Räuber oder wilden Tiere gerät, wenn er plötzlich von Stürmen überfallen auf dem Meere Schiffbruch leidet, wenn er durch den Sturz eines Hauses oder Baumes erdrückt wird; wenn ein Anderer in Wüsten umher irrend einen Ausweg seiner Not findet, oder von den Wellen geschleudert in den Hafen gelangt, und auf wunderbare Weise um eines Fingers Breite den Abgrunde entrissen wird – alle diese sowohl glückliche als unglückliche Begegnisse wird die fleischliche Vernunft dem Zufall zuschreiben. Wer aber, durch Christi Mund belehrt ist, dass alle Haare seines Hauptes gezählt sind, Matth. 10,30., wird den Grund tiefer suchen und überzeugt sein, dass alle Ereignisse von dem verborgenen Ratschluss Gottes geleitet werden. Und in Hinsicht unbeseelter Dinge müssen wir dafür halten, dass sie, obwohl von Natur jegliches mit besonderer Eigentümlichkeit begabt, doch ohne Leitung der Hand Gottes ihre Kraft nicht äußern können. Sie sind also nichts anders, als Werkzeuge, denen Gott unaufhörlich so viel Kraft erteilt, als er will und sie nach seinem Wohlgefallen zu dieser oder jener Wirkung leitet und gebraucht. Kein Geschöpf besitzt wunderbarere und auffallendere Kraft, als die Sonne. Denn, außer dass sie den ganzen Erdkreis mit ihrem Glanze erhellet, wie groß ist das, dass sie alle lebende Wesen mit ihrer Wärme heget und belebt? mit ihren Strahlen die Erde befruchtet? nachdem sie den Samen in ihrem Schoß erwärmt, das Grün hervorlockt, welches sie mit neuer Nahrung stärket und kräftigt, bis es zu Halmen sich erhebt? dass sie es mit stetem Tau ernährt, bis es zur Blüte und nach der Blüte zur Frucht emporwächst? dass sie nun auch diese kochend zeitigt und reift? dass ebenso Bäume und Weinstöcke von ihr erwärmt zuerst knospen und sich belauben, dann blühen und aus der Blüte die Frucht erzeugen? Aber der Herr, zum Zeugnis, dass ihm allein in allen diesen Dingen die Ehre gebühre, wollte, 1 Mos. 1,3. und 11., dass eher das Licht entstehen und die Erde mit allen Arten von Kräutern und Früchten erfüllt sein sollte, bevor er die Sonne erschuf. Nicht also die Sonne wird der Fromme zur Haupt- oder zur notwendigen Ursache dessen machen, was vor Erschaffung der Sonne da war, sondern nur zu einem Werkzeuge, dessen sich Gott bedient, weil er es also will, da er es, ohne sie, durch sich selbst eben so leicht vermag. Ferner wenn wir lesen, dass die Sonne zwei Tage still gestanden auf Josua Gebet, und ihr Schatten zu Gunsten des Königs Hiskia zehn Stufen zurückgegangen sei, Jos. 10,13. 2 Kön. 20,11., so hat Gott durch diese wenigen Wunder bezeugt, dass die Sonne nicht täglich nach blindem Naturtrieb auf- und untergehe, sondern dass er, um uns das Andenken seiner väterlicher Güte zu erneuern, ihren Lauf leitet. Nichts ist natürlicher, als dass der Frühling dem Winter, dem Frühling der Sommer, dem Sommer der Winter folge. Dennoch sehen wir in dieser Ordnung eine solche Ungleichheit und Verschiedenheit, dass leicht erhellet, wie die einzelnen Jahre, Monate und Tage von der erneuten und speziellen Vorsehung Gottes regiert werden.