Zwingli - Gott

 

Zwingli in seinem "Kommentar" über Gott: 

 

Was Gott ist, geht vielleicht über Menschenverstand, aber dass er ist, nicht; denn viele Weise sind zur Annahme der Existenz Gottes gekommen. Einige freilich haben das göttliche Sein auf mehrere verteilt, aus beschränktem Verstande, der die gewaltige Macht und Majestät, wie sie das Göttliche haben musste, nicht Einem allein zuzuweisen wagte. Immerhin haben andere diese Beschränktheit Gott gegenüber gemerkt, sie sahen die Existenz Gottes gefährdeter, wenn sie auf mehrere verteilt, als wenn sie einem allein zugewiesen wurde. Deshalb kamen sie – ich lasse beiseite, ob das göttliche Offenbarung oder menschlichen Ursprungs war, da ich bald darauf zurückkommen werde – zu der Ansicht, nur „einen und einzigen Gott“ zu verkünden, wobei sie freilich entsprechend der Trägheit und Nachlässigkeit des Menschengeistes keinen hohen Wert darauf legten, auf diese Gotteserkenntnis fest zu vertrauen; sie waren zweifellos mit der Erkenntnis als solcher zufrieden und schmeichelten sich damit; nach Gottes Willen zu leben, verachteten sie. Derartiges finden wir heute noch bei den Ge-lehrten unter den Christen; sie streiten wacker um das Wort und die wahre Gottesverehrung, werden aber in Wirklichkeit keine besseren Menschen. Die Grundlage für alle diese hat Paulus Röm. 1,19 kundgetan: „Das Wissen von Gott ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart“ ... Paulus passte sich hier etwas der Gewohnheit der Heiden an, wenn sie von Gott reden; nicht dass seiner Meinung nach die Gotteserkenntnis der menschlichen Vernunft ent-spränge, vielmehr weil die Heiden so denken, zwischen denen und den Juden er den Vermittler spielt. Darum setzt er vorsichtig hinzu: „Gott hat es ihnen offen-bart“. Nach diesem Vorbilde haben auch wir mit den Fragen nach Existenz und Wesen Gottes begonnen, damit uns die leichter verständen, die das Wissen von Gott mehr aus Menschen als aus Gott selbst schöpften ... Die Existenz Gottes steht allgemein bei allen Heiden fest, aber in sehr verschiedener Weise. Einige sind zur Anerkennung des Monotheismus gekommen, haben aber Gott nicht gebührend verehrt; ihrer waren sehr wenige. Andere spürten eine übermensch-liche Kraft und Gewalt und erkannten sie als Gott; aber sie fassten sie nicht monotheistisch sondern urteilten vom menschlichen Standpunkte über Gott. Sie zerteilten ihn vorab in eine Mehrheit, weil sie seine unbegrenzte Macht gar nicht fassen konnten, und so schufen sie sich allerlei Fantasieprodukte, bald so, bald so. Daher entstand die Götzen- und Dämonenverehrung; die armen, törichten Menschenkinder schufen Götter und unterschieden sie in mannigfaltigen Ge-stalten von einander, und die waren so schlau, sich das gefallen zu lassen. So dürfte die Übereinstimmung fast aller Heiden in der Annahme der Existenz Gottes sicher sein, mögen auch die einen eine Mehrzahl von Göttern, die anderen eine kleinere Zahl, die wenigsten nur einen Gott angenommen haben. Trägheit und Vertrauen auf die eigene Weisheit ließ sie ihren Gott vernach-lässigen, sie empfanden ihn und verehrten ihn nach Belieben ... Die Gläubigen aber – so pflegt man allgemein die glaubenden Frommen, die Verehrer des wahren Gottes zu nennen – sind nur deshalb gläubig, weil sie an einen, wahren, allein allmächtigen Gott glauben und ihm allein vertrauen. Warum das so ist und die Frommen nicht nach heidnischer Sitte irgend eine beliebige unbekannte Kraft zu Gott machen, kann der Fromme leicht sagen. Es geschieht durch Kraft und Gnade des Glaubensgegenstandes; denn was Menschenverstand und Menschennatur betrifft, so ist der Fromme nicht anders als der Gottlose. Jeder könnte hier fehlgreifen, wenn es nicht eine höhere Kraft gäbe, die den Geist des Menschen, der von Natur zum stärksten Irrtum neigt, zu sich riefe und an sich knüpfte. Da erschließen sich denn die ersten Lebenspulse des Glaubens und der Frömmigkeit. Denn die Gläubigen sind nicht, wie man zumeist geglaubt hat, deshalb gläubig, weil sie das Wort des Moses hören: „im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ 1. Mos. 1,1. Unzählige hören das, glauben aber nicht an die Erschaffung der Welt nach dem Berichte des Moses. So sind auch nicht alle fromm, die den Herrn selbst reden und Wunder tun sehen und hören; denn zu Christi Zeiten sind manche durch Sehen und Hören keineswegs zu Gott bekehrt worden, im Gegenteil, gerade solche haben am aller meisten gewütet, nicht nur gegen Fromme, nein, gegen die Frömmigkeit selbst … Wenn das bloße Wort Glauben schaffte, so wären alle fromm. Täte es unser Verstand, wäre jeder, der das Wort hört, fromm. Offenbar glauben die Gläubigen deshalb an Gott und an die Weltschöpfung durch ihn usw., weil Gott es sie so gelehrt hat. So ist also Dein Glaube an Gott und Dein Gottvertrauen das Werk Gottes allein. Was Gott sei, wissen wir von uns aus ebenso wenig wie ein Käfer weiß, was der Mensch ist. Ja, das unbegrenzte und ewige Göttliche ist weiter vom Menschen entfernt als der Mensch vom Käfer, weil ein Vergleich von Geschöpfen unter einander besser die Probe besteht, als ein Vergleich eines Geschöpfes mit dem Schöpfer ... Es ist also Schwindel und falsche Religion, was die Theologen aus der Philosophie zur Frage nach dem Wesen Gottes beigebracht haben. Haben einige einiges Wahre darüber gesagt, so kam das aus Gottes Munde, der einige Samenkörner seiner Erkenntnis auch unter die Heiden streute, wenn auch sparsam und verhüllt; sonst wäre es nicht wahr. Wir jedoch, zu denen Gott selbst durch seinen Sohn und den heiligen Geist redete, dürfen die Gotteserkenntnis nicht bei den menschlichen Allweisen, die die richtig empfangenen Gedanken verpfuschten, suchen, sondern in Gottes Wort. Sobald man das missachtete, kam man in allerlei Fleischliches hinein, das heißt: in die Erdichtungen der Philosophie. Denen glaubte man, im Vertrauen auf sie dachte man über Gott, was man wollte, und zwang auch andere zu der Meinung – dabei gestattete keiner dem anderen über ihn selbst beliebig zu denken! Das ist die Keckheit des Fleisches, die sich als Theologie ausgab. Wir wollen Gottes Wesen aus seinem Munde erfahren, um nicht bei unseren Studien verdorben und verwerflich zu erscheinen. Als Moses den Herrn um Kundgabe seines Namens bat 2. Mos. 3,13, um mit den Kindern Israels besser verhandeln zu können, sprach der Herr zu ihm: „Ich bin, der ich bin“. Damit gab sich Gott selbst ganz. Denn die Worte wollen besagen: „Ich bin, der ich durch meine eigene Kraft, durch mich selbst bin, der ich das Sein selbst bin, der ich selbst bin“. Diesen Sinn drückt er immer wieder aus, indem er hinzusetzt: „So sollst du zu den Kindern Israels sprechen: der da ist, hat mich zu euch gesandt“. Damit gab er kund, dass er allein das Sein aller Dinge sei; denn nur so, wenn man deutet: „der da ist, das heißt: das Sein aller Dinge und zwar Er allein“, unterscheidet sich der Herr von anderen Dingen, die existieren, obwohl aus ihm und durch ihn, immerhin existieren; im anderen Falle müsste man glauben, Gott hätte die Frage des Moses mehr verspottet als beantwortet. Denn angenommen, Moses und die Kinder Israels hätten das Wort: „der da ist“ nur so verstanden, wie wir von irgend einer Sache die Existenz behaupten; dann hätten sowohl Moses als auch die Kinder Israels nichts Anderes verstehen können, als: irgend einer hat mich zu Euch geschickt. Was wäre das Großes oder Besonderes oder des Glaubens Würdiges gewesen? So ist’s also klar, dass Moses mit den Worten: „ich bin, der ich bin“ und: „der da ist, hat mich zu euch gesandt“ den gemeint hat, der kraft seiner eigenen Natur ist, und zwar das Sein aller Dinge; und dass die Kinder Israels die Worte ebenso verstanden. Denn niemals hätten sie von einem, der ihnen in verworrener Weise angekündigt war, zum Auszug aus Ägypten bewogen werden können; sie wären nicht einem gefolgt, den sie nicht kannten. Auch die Sprachgeschichte des Namens Jahve beweist diese Deutung ... Mit dem allem wollen wir nur klar machen, dass wir bei der Frage nach der Gotteserkenntnis zuerst wissen müssen: er ist der, der von sich aus ist, der selbst das Sein ist und es von Niemandem empfing. Dann kommen wir nachher leicht zu der Überzeugung, dass Alles, was es nur sei, das wir sehen, von Gott, nicht von sich selbst sein kann, vielmehr von einem andern, aus jener Quelle und Ader des Seins, nämlich von Gott stamme. Gott allein also – das sei unsere Überzeugung – besteht durch sich selbst, gab Allem das Sein, und zwar so, dass es in jedem Augenblicke nur mit Gottes Sein bestehen kann; er ist für Alles das Sein und Leben, erhält und regiert Alles Jes. 40,12 ... Dieses Sein ist damit zugleich das Gute. Wie es allein das Sein ist und durch sich selbst ist, so ist es auch allein das Gute, Wahre, Richtige, Gerechte, Heilige; denn es ist durch sich selbst gut, wahr, richtig usw. Das wird klar durch sein Wort 1. Mos. 1,31: „Und Gott sah Alles, was er gemacht hatte, und es war sehr gut“. Wenn die große Masse aller Kreaturen sehr gut war, sodass dass Einzelne wie die Ge-samtheit gut war, so muss offenbar ihr Schöpfer gut sein und zwar das durch sich selbst bestehende, von keinem abhängige Gute; er wäre wie Kraft und Wesen alles Seins, so auch Quell und Brunnen alles Guten. Das drückt auch Christus etwas klarer Luk. 18,19 mit den Worten aus: „Niemand ist gut außer Gott allein“. Ist seine ganze Schöpfung nach seinem eigenen Urteil sehr gut, und nichts destoweniger nur Gott allein gut, so muss folgerichtig alles, was ist, in ihm und durch ihn sein. Denn ist Alles, was ist, gut und doch nur Gott allein gut, so ist Alles, was ist, „Gott“, das heißt: es ist deshalb, weil Gott ist und das Wesen von Allem ist. Das drückte Paulus Röm. 11,36 so aus: „aus ihm und durch ihn und zu ihm ist Alles“. Dieses Gute ist nicht etwas Bewegungsloses und Stilliegendes; denn kurz vorher erschien es ja als das Wesen und die Grundlage aller Dinge. Was heißt das Anderes als: alles wird durch ihn und in ihm bewegt, lebt und besteht durch ihn und in ihm? Er selbst wird ja von den Philosophen Entelechie und Energie, das heißt: vollkommene, wirksame und vollendende Kraft, genannt, die als vollkommene niemals aufhören, nachlassen, schwanken, vielmehr fortgesetzt Alles so erhalten, bewegen, regieren wird, dass in allen Dingen und Taten kein Fehler seine Kraft hindern oder seine Absicht täuschen kann. Das wird wiederum aus seinem eigenen Worte klar; denn so liest Du im Anfang der Schöpfung: „Gott sprach: es werde Licht und es ward Licht“ 1. Mos. 1,3. Schau, wie das gerufene Licht nicht nur plötzlich da war, sondern auch aus dem Nichts wurde, um dem Befehle seines Schöpfers zu gehorchen ... Das zeigte Paulus Apg. 17,28 treffend, da er nach längerer Rede so schloss: „In ihm leben, weben und sind wir. Wie auch einige eurer Dichter sagten: wir sind seines Geschlechts“. Nebenbei bemerkt, sehen wir hier den Brauch des Apostels beim Zitieren von Profanschriftstellern: er benutzt sie nicht als Autoritäten gleichsam, vielmehr zeigt er, wo man das finden kann, was etwa der göttliche Geist durch sie kund tun wollte; wir sollen nicht auf der Suche nach der einen oder anderen Perle den ganzen Schmutz durchwühlen müssen ... Wiederum ist Gott nicht so Leben und Bewegung aller Dinge, dass er selbst ohne Überlegung beseelt oder bewegt; oder dass, was lebt oder bewegt wird, ohne Überlegung ihn um Leben und Bewegung bittet. Wie könnte ihn bitten, was ohne ihn gar nicht existieren kann, oder wie könnte es vor seiner Existenz bitten? Es ist also klar, dass Gott nicht nur gleichsam als Urstoff das ist, von dem Alles herkommt, bewegt wird und lebt, vielmehr zugleich Weisheit, Einsicht, Klugheit ist, derart, dass ihm nichts verborgen, nichts unbekannt, nichts zu entlegen, nichts ungehorsam ist. Daher hat selbst die Mücke ihren spitzen Stachel und ihr melodisches Summen nicht ohne Gottes Weisheit, Wissen und Klugheit. Seine Weisheit weiß Alles, noch ehe es ist; sein Wissen erkennt Alles, seine Klugheit ordnet Alles. Denn Gott wäre nicht das höchste Gute, wenn er nicht zugleich höchste Weisheit und Klugheit wäre. Könnte Gott etwas verborgen sein, so käme seine Weisheit und sein Wissen zu kurz; würde etwas ohne seine Vorsehung anderweitig angeordnet, so hätte die göttliche Vorsehung hier eine Lücke und wäre nicht mehr die höchste und absolut; denn wo sie versagte, an dem Punkte wäre sie auch unvollkommen. Unvollkommenheit steht aber in aller schärfstem Widerspruche mit Gottes Ver-nunft und Geist. Was unvollkommen ist, ist nicht Gott. Umgekehrt: nur Voll-kommenes, Absolutes, Makelloses ist Gott, Alles, was sich für das höchste Gute ziemt, muss da sein. Wir reden hier ja nicht vom Vollkommenen wie gemeinhin die Theologen. Nichts kann Gott entgehen, nichts seine Absicht und Anordnung täuschen oder ändern. Und wenn wir mehr keck als gläubig Rechenschaft über seine Taten und Absichten von ihm fordern, warum er den Floh, die Bremse, die Wespe und die Hornissen, diese Feinde für Mensch und Tier, gemacht hat, so verraten wir damit nur ohnmächtige und unnütze weibliche Neugier. Wie wenn Menschenverstand die göttliche Weisheit fassen könnte, und nicht sofort, wenn wir das Eine oder Andere erkannt haben, nicht vielmehr Fragen auftauchen, die genau so erkannt sein wollen, und die insgesamt nur der unbegrenzte und unendliche Verstand fassen kann; ein so beschränkter aber wie der menschliche macht sich durch derartig neugieriges Fragen nur eitle Mühe, wie der Prediger Salomo im 1. Kapitel erinnert. Wenn also die armen Sterblichen die göttliche Weisheit und Vorsehung betrachten, so müssen sie es so machen, wie man es gemeinhin bei sich daheim macht. Da hat der eine diese, der andere jene Instrumente für sein Handwerk; bei einigen möchte er, dass alle um ihren Ge-brauch wissen, bei anderen, dass sie Niemand kennt, obwohl er sie selbst sehr wohl kennt; denn er weiß zu seiner Zeit, wie und wozu er sie gebrauchen will. So wollen wir das, was Gott uns bekannt gibt, ehrfürchtig betrachten, das Verborge-ne aber nicht schamlos antasten; es möchte uns sonst entrüstet entrissen werden, und die Strafe des Prometheus, wie die Dichter erzählen, uns treffen. Gottes Haus ist weit, der Himmel ist sein Sitz und die Erde der Schemel seiner Füße Jes. 66,1, sein Hausrat aber so mannigfaltig, so gewaltig, dass, wer Alles wissen möchte, eher von Verzweiflung gepackt wird, als dass er hoffen könnte, Alles zu begreifen. Willst Du nur eine einzige Ranke genau und ganz erforschen, es wird Dir nicht gelingen. Sie hat einen Stamm, der von der Mitte bis zum äußersten Ende läuft; von ihm aus breiten sich gleichsam Hauptadern nach bestimmten Richtungen aus, aus diesen wieder ergießen sich wie Mesodermen die Spitzen in die große Blattfläche, und verteilen den Saft richtig, ganz ähnlich wie beim Menschen oder der ganzen Welt. Und Du siehst Dich genötigt, bei einem so kleinen Blatte das Kunstwerk eher aus der Hand zu geben, als dass Du es ganz begreifen kannst. Schau, wie alle Menschenweisheit tatsächlich offenbar gar nicht die Probe besteht; sie muss ihre gänzliche Unwissenheit eingestehen; bei der göttlichen Weisheit und Klugheit ist es nicht so; durch sie geschieht Alles wohl und wird gut geordnet. Doch es wird Zeit, für das bisher über die Weisheit und Vorsehung Gottes Gesagte Zeugnisse des göttlichen Wortes selbst beizu-bringen (Zwingli führt u. a. Jer. 51,15, Ps. 104,1–35, Mat. 6,25–34, Luk. 12,7, Mat. 10,29 an ...) Es wäre zwecklos, unfruchtbar und unnütz für die Sterblichen, wenn dieses höchste Gute, Gott, nur im eigenen Interesse, für sich selbst weise wäre, nur für sich das Gute, das Leben, die Bewegung, Wissen und Klugheit wäre; denn dann würde er sich nicht von den Sterblichen unterscheiden, in deren Natur es liegt, sich selbst ein Lied zu singen, den eigenen Interessen nachzu-gehen, sich selbst vor anderen zu bevorzugen. Es muss also dieses höchste Gute, Gott, von Natur gütig und freigebig sein. Es darf nicht eine Freigebigkeit sein, die geschenkt zu haben glaubt, während sie tatsächlich auf Belohnung oder Ehre spekuliert, vielmehr nur eine solche, mit der Gott denen nützen will, die er beschenkt; seinem Schöpferwerke – das ist ausschließlich sein Gesichtspunkt – will er gehören, umsonst will er sich gleichsam aufteilen lassen. Wie er die Quelle aller Dinge ist – denn Niemand konnte vor seiner Existenz Ursprungsansprüche an ihn stellen, – so ist er auch fortgesetzt freigebig gegen die, die er nur dazu erzeugte, um seine Freigebigkeit zu genießen. Kurz: dieses Gute unterscheidet sich von anderem scheinbar Guten dadurch, dass es nur umsonst gegeben werden will und kann, während das scheinbar Gute sich, schmutzig und schäbig, nicht ohne Lohn darbietet. Das scheinbar Gute ist auch sparsam mit sich; eng und dürftig kann es nur sehr wenigen Genüge leisten. Das göttliche Gute ist überreich, für alle Wünsche aller ist reichlich genug da, es ist ja unbegrenzt und will gerne verteilt sein. Selbst anderes genießen kann es nicht, es steht ja Alles unter ihm und hat nur in ihm, dem Schöpfer, Bestand ... Die ganze Kreaturen-schar bezeugt die Richtigkeit dieser Ansicht; wünschte Gott nicht, dass seine Werke ihn genießen sollten, so hätte er sie nie aus dem Nichts in’s Dasein gerufen; denn er genießt sie nicht. Weshalb also schuf er sie? Damit sie ihren Schöpfer genössen. (Bibelbeweis dafür sind u. a.: 1. Mos. 15,1, Jes. 45,1, 55,1, Eph. 2,1-7, Mat. 11,28, Jer. 31,33 f., Röm. 8,32.). Doch, warum sollte ich noch mehr über die Erkenntnis Gottes sagen, da die Worte aus seinem Munde von einem Gottlosen wie weggeschenkte Ware gewertet werden? Es wäre vergebene Arbeit, Perlen vor die Säue zu werfen. Umgekehrt haben die Frommen Gott viel innerlicher und traulicher daheim bei sich, als dass meine Worte ihnen neue Kenntnis bringen könnten. Ihnen ist ja Gott Alles: Sein, Leben, Licht, Kraft, vollkommener Inbegriff aller Dinge, wirklich ein Schatz des Guten. Aus dieser Erfahrung heraus haben die heiligen Menschen Gottes von Beginn der Welt an Gott mannigfache Namen gegeben; das kann man ja allenthalben im alten und neuen Testamente sehen; bald haben sie ihn „Herrn“, bald „Gott, Leben, Be-harrlichkeit, Vater, den Starken, Licht, Allmächtigen, Allgenugsamen“ genannt; alle diese Namen haben sie Gott kraft ihres inneren Glaubens gegeben, weil sie nämlich daheim bei sich so über Gott empfunden, dass er ihre Kraft, ihr Leben, ihr Sein, ihr Vater usw. wäre. Aus dem Glauben heraus, der sie Kraft, Leben usw. erfahren ließ, gaben sie nachher ihm den Namen: Stärke, Herr, Leben, Kraft. So sind also alle unsere bisherigen Worte über die Gotteserkenntnis ohne den Hinzutritt des Glaubens müßig. Niemand kann mir daher den Vorwurf machen, ich hätte auf Grund menschlicher Überzeugung Gotteserkenntnis gelehrt. Denn erstlich habe ich mich nur auf Gottes Wort gestützt; sodann habe ich offen gezeigt, dass es nicht in menschlicher Kraft steht, zur Erkenntnis und Anbetung Gottes zu kommen. Denn es liegt nicht an unserem Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen Röm. 9,16. Sein Geschenk ist es, dass die Werke seiner Hände ihn selbst allein als wahren Gott, Herren, Heiland, Helfer, Kraft, Leben, Licht, Vater, die Fülle aller Güter, den Reichen, Gütigen, Wohlwollenden, der umsonst gerne seine Fülle verteilt sieht – das Alles begreifen wir in dem Namen „Gott“ – , anerkennen. Denken wir nicht so über ihn, so werden wir niemals auf ihn allein vertrauen, niemals zu ihm allein unsere Zuflucht nehmen, niemals von ganzem Herzen und mit allen Kräften in unserem eigenen Nichts ersterben. So viel über die Gotteserkenntnis.