Luther - Gute Werke (christliche Ethik)

 

Gute Werke - in Freiheit getan (christliche Ethik)

 

(Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Bd. 19, Sp. 1001-1005, Rechtschreibung angepasst)

 

Obwohl der Mensch inwendig nach der Seele durch den Glauben genugsam rechtfertig ist und alles hat, was er haben soll, ohne dass derselbe Glaube und Genüge muss immer zunehmen bis in jenes Leben, so bleibt er doch noch in diesem leiblichen Leben auf Erden, und muss seinen eigenen Leib regieren und mit Leuten umgehen. Da heben sich nun die Werke an; hie muss er nicht müßig gehen, da muss fürwahr der Leib mit Fasten, Wachen, Arbeiten und mit aller mäßiger Zucht getrieben und geübt sein, dass er dem innerlichen Menschen und dem Glauben gehorsam und gleichförmig werde, nicht hindere noch widerstrebe, wie seine Art ist, wo er nicht gezwungen wird. Denn der innerliche Mensch ist mit Gott eins, fröhlich und lustig um Christi willen, der ihm so viel getan hat, und steht alle seine Lust darin, dass er wiederum möchte Gott auch umsonst dienen in freier Liebe; so findet er in seinem Fleische einen widerspenstigen Willen, der will der Welt dienen und suchen, was ihn lüstet. Das mag der Glaube nicht leiden und legt sich mit Lust an seinen Hals, ihn zu dämpfen und wehren. Wie St. Paulus sagt Röm. 7,22.23.: „Ich habe eine Lust in Gottes Willen nach meinem innern Menschen; so finde ich einen andern Willen in meinem Fleische, der will mich mit Sünden gefangen nehmen“; item 1 Kor. 9,27.: „Ich züchtige meinen Leib und treibe ihn zum Gehorsam, auf dass ich nicht selbst verwerflich werde, der die andern lehren soll“; item Gal. 5,24.: „Alle, die Christum angehören, kreuzigen ihr Fleisch mit seinen bösen Lüsten.“ (…)

Aber dieselben Werke müssen nicht geschehen in der Meinung, dass dadurch der Mensch fromm werde vor Gott, denn die falsche Meinung kann der Glaube nicht leiden, der allein ist und sein muss die Frömmigkeit vor Gott, sondern nur in der Meinung, dass der Leib gehorsam werde und gereinigt von seinen bösen Lüsten, und das Auge nur sehe auf die bösen Lüste, sie auszutreiben. Denn dieweil die Seele durch den Glauben rein ist und Gott liebt, wollte sie gern, dass auch also alle Dinge rein wären, zuvor ihr eigener Leib, und jedermann Gott mit ihr liebte und lobte. So geschieht's, dass der Mensch seines eigenen Leibes halben nicht kann müßig gehen, und muss viel guter Werke drüber üben, dass er ihn zwinge; und doch die Werke nicht das rechte Gut sind, davon er fromm und gerecht sei vor Gott, sondern tue sie aus freier Liebe umsonst, Gott zu gefallen; nichts darin anders gesucht noch angesehen, denn dass es Gott also gefällt, welches Willen er gerne täte aufs allerbeste. 

Daraus denn ein jeglicher kann selbst nehmen die Maß und Bescheidenheit, den Leib zu kasteien; denn er fastet, wacht, arbeitet, so viel er sieht dem Leib not sein, seinen Mutwillen zu dämpfen. Die andern aber, die da meinen, mit Werken fromm zu werden, haben keine Acht auf die Kasteiung, sondern sehen nur auf die Werke, und meinen, wenn sie derselben nur viel und große tun, so sei es wohl getan und sie fromm würden; zuweilen zerbrechen sie die Köpfe und ver-derben ihre Leiber drüber. Das ist eine große Torheit und Unverstand christliches Lebens und Glaubens, dass sie ohne Glauben durch Werke fromm und selig werden wollen. (…)

Dass wir deß etliche Gleichnisse geben, soll man die Werke eines Christen-menschen, der durch seinen Glauben und aus lautern Gnaden Gottes umsonst ist rechtfertig und selig worden, nicht anders achten, denn wie die Werke Adams und Evä im Paradies gewesen wären. Davon 1 Mos. 2,15. steht geschrieben, „dass Gott den geschaffenen Menschen setzte ins Paradies, dass er daselbst arbeiten und hüten sollte“. 

Nun war Adam von Gott fromm und wohl geschaffen ohne Sünde, dass er durch sein Arbeiten und Hüten nicht durfte fromm und rechtfertig werden; doch dass er nicht müßig ginge, gab ihm Gott zu schaffen, das Paradies zu pflanzen, bauen und bewahren. Welches wären eitel freie Werke gewesen, um keines Dinges willen getan, denn allein Gott zu gefallen und nicht um Frömmigkeit zu erlangen, die er zuvor hatte; welche uns auch allen natürlich wäre angeboren gewesen. 

Also auch eines gläubigen Menschen Werk, welcher durch seinen Glauben ist wiederum ins Paradies gesetzt und von neuem geschaffen, darf keiner Werke, fromm zu werden, sondern dass er nicht müßig gehe und seinen Leib arbeite und bewahre, sind ihm solche freie Werke zu tun, allein Gott zu gefallen, befohlen. Item, gleichwie ein geweihter Bischof, wenn der Kirchen weiht, firmelt, oder sonst seines Amts Werk übt, so machen ihn dieselben Werke nicht zu einem Bischofe; ja, wenn er nicht zuvor ein Bischof geweiht wäre, so taugte derselben Werke keines und wäre eitel Narrenwerk. Also ein Christ, der, durch den Glauben ge-weiht, gute Werke tut, wird durch dieselben nicht besser oder mehr geweiht (welches nichts denn des Glaubens Mehrung tut) zu einem Christen; ja, wenn er nicht zuvor glaubte und (ein) Christ wäre, so gälten alle seine Werke nichts, sondern wären eitel närrische, sträfliche, verdammliche Sünden. (…)

Darum sind die zwei Sprüche wahr: Gute fromme Werke machen nimmermehr einen guten frommen Mann; sondern ein guter frommer Mann macht gute fromme Werke. Böse Werke machen nimmermehr einen bösen Mann; sondern ein böser Mann macht böse Werke. Also, dass allewege die Person zuvor muss gut und fromm sein vor allen guten Werken, und gute Werke folgen und aus-gehen von der frommen guten Person. Gleichwie Christus sagt Matth. 7,18.: „Ein böser Baum trägt keine guten Früchte. Ein guter Baum trägt keine bösen Früchte.“ Nun ist's offenbar, dass die Früchte tragen nicht den Baum, so wachsen auch die Bäume nicht auf den Früchten, sondern wiederum, die Bäume tragen die Frucht und die Früchte wachsen auf den Bäumen. Wie nun die Bäume müssen ehe sein denn die Früchte, und die Früchte machen nicht die Bäume weder gut noch böse, sondern die Bäume machen die Früchte; also muss der Mensch in der Person zuvor fromm oder böse sein, ehe er gute oder böse Werke tut, und seine Werke machen ihn nicht gut oder böse, sondern er macht gute oder böse Werke. 

Desgleichen sehen wir in allen Handwerken. Ein gutes oder böses Haus macht keinen guten oder bösen Zimmermann, sondern ein guter oder böser Zimmer-mann macht ein böses oder gutes Haus. Kein Werk macht einen Meister, darnach das Werk ist, sondern wie der Meister ist, darnach ist sein Werk auch. Also sind die Werke des Menschen auch; wie es mit ihm steht im Glauben oder Unglauben, darnach sind seine Werke gut oder böse. Und nicht wiederum, wie seine Werke stehen, darnach sei er fromm oder gläubig. Die Werke, gleichwie sie nicht gläubig machen, so machen sie auch nicht fromm. Aber der Glaube, gleich-wie er fromm macht, so macht er auch gute Werke. So denn die Werke niemand fromm machen, und der Mensch zuvor muss fromm sein, ehe er wirkt: so ist's offenbar, dass allein der Glaube aus lautern Gnaden, durch Christum und sein Wort, die Person genugsam fromm und selig macht. Und dass kein Werk, kein Gebot einem Christen not sei zur Seligkeit, sondern er frei ist von allen Geboten und aus lauterer Freiheit umsonst tut alles, was er tut, nichts damit gesucht seines Nutzes oder Seligkeit, denn er schon satt und selig ist durch seinen Glau-ben und Gottes Gnaden, sondern tut gute Werke nur Gott darinnen zu gefallen. (…) 

Wiederum dem, der ohne Glauben ist, ist kein gut Werk förderlich zur Frömmig-keit und Seligkeit. Wiederum kann kein bös Werk ihn böse und verdammt machen, sondern der Unglaube, der die Person und den Baum böse macht, der tut böse und verdammte Werke. Darum, wenn man fromm oder böse wird, hebt sich's nicht an den Werken an, sondern an dem Glauben (oder an dem Un-glauben) wie der weise Mann sagt (Sir. 10,14.): „Anfang aller Sünde ist von Gott weichen, und ihm nicht trauen.“ Also lehrt auch Christus (Matth. 12,33.), wie man nicht an den Werken muss anheben, und sagt: „Entweder machet den Baum gut, und seine Früchte gut; oder machet den Baum böse, und seine Früchte böse“; als sollte er sagen: Wer gute Früchte haben will, muss zuvor an dem Baum an-heben, und denselben gut setzen. 

Also, wer da will gute Werke tun, muss nicht an den Werken anheben, sondern an der Person, die die Werke tun soll. Die Person aber macht niemand gut, denn allein der Glaube, und niemand macht sie böse, denn allein der Unglaube. Das ist wohl wahr: die Werke machen einen fromm oder böse vor den Menschen, das ist, sie zeigen äußerlich an, wer fromm oder böse sei, wie Christus sagt Matth. 7,20.: „Aus ihren Früchten sollet ihr sie erkennen.“ Aber das ist alles im Schein und äußerlich, welches Ansehen irre macht viel Leute, die da schreiben und lehren, wie man gute Werke tun soll und fromm werden, so sie doch des Glau-bens nimmer gedenken, gehen dahin, und führt immer ein Blinder den andern, martern sich mit vielen Werken und kommen doch nimmer zu der rechten Frömmigkeit, von welchen St. Paulus sagt 2 Tim. 3,5.: „Sie haben einen Schein der Frömmigkeit, aber der Grund ist nicht da“, gehen hin und lernen immer und immer, und kommen doch nimmer zur Erkenntnis der wahren Frömmigkeit. 

Wer nun mit denselben Blinden nicht will irren, muss weiter sehen, denn in die Werke, Gebot oder Lehre der Werke. Er muss auf die Person sehen vor allen Dingen, wie die fromm werde. Die wird aber nicht durch Gebot und Werke, sondern durch Gottes Wort (das ist, durch seine Verheißung der Gnaden) und den Glauben fromm und selig; auf dass bestehe seine göttliche Ehre, dass er uns nicht durch unsere Werke, sondern durch sein gnädiges Wort umsonst und (aus) lauter Barmherzigkeit selig mache. (…)