Luther - Gewissheit der Erwählung

 

Auslegung zu 1. Mose 26,9 

( zitiert nach: Walch 2, Bd. 2, Sp. 174-185,

der aktuellen Rechtschreibung angenähert ) 

 

Ich höre, dass hin und wieder unter denen vom Adel und andern großen Herren etwa böse Worte fallen und ausgebreitet sollen werden von der Prädestination oder Versehung Gottes. Denn also sollen sie reden: Wenn ich versehen bin, so mag ich Gutes oder Böses tun, ich werde doch selig werden; bin ich aber nicht versehen, so muss ich verdammt werden, unangesehen meiner Werke. Wider solche gottlose Worte wollte ich gerne lange disputieren, wenn ich es meiner schwankenden Gesundheit halben tun könnte. Denn wenn die Worte wahr sind, wie sie sich dünken lassen, so wird damit die Menschwerdung des Sohnes Gottes, sein Leiden und Auferstehung, und alles, was er getan hat um der Welt Heil und Seligkeit willen, gar aufgehoben und hinweg genommen. Was werden uns dann die Propheten und die ganze heilige Schrift nütze sein? Wozu dienen uns dann die heiligen Sakramente? (.....). 

Es ist aber dir nicht befohlen, dass du davon urteilen sollst; denn das Urteil oder Gericht Gottes ist unerforschlich. Warum zweifelst du oder verwirfst den Glauben, den dir Gott geboten hat? Denn wozu dient es, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, dass er für uns leiden und gekreuzigt sollte werden? Wozu ist es nütze gewesen, dass er die heiligen Sakramente eingesetzt hat, wenn es alles ungewiss und gar vergeblich ist zu unserer Seligkeit? Denn sonst, wo jemand wäre versehen worden, der wäre ohne den Sohn und ohne die Sakramente oder die heilige Schrift selig geworden. Derhalben so muss Gott nach dieser Leute Lästerung ein gräulicher Narr gewesen sein, dass er seinen Sohn gesandt, das Gesetz und Evangelium gegeben und die Apostel gesandt hat, wenn er nur das hat haben wollen, dass wir ungewiss sein und daran noch zweifeln sollten, ob wir selig oder verdammt werden. Aber dies ist des Teufels Gespenst und Betrug, dadurch er sich untersteht, uns zweifelhaftig und ungläubig zu machen; so doch Christus darum in diese Welt gekommen ist, dass er uns der Seligkeit hat wollen ganz gewiss machen (.....).

Darum habe ich in meinem Buche De servo arbitrio (dass der freie Wille nichts sei) wider Erasmus, und an andern Orten mehr also gelehrt, dass man unterscheiden soll, wenn man von der Erkenntnis oder vielmehr von dem Wesen der Gottheit handelt. Denn man muss entweder disputieren von dem verborgenen Gott, oder aber von dem geoffenbarten Gott. Von Gott, sofern er nicht geoffenbart ist, ist kein Glaube und keine Erkenntnis und man kann von solchem Gott nichts wissen, und da muss man sich nach dem Spruche halten: Quae supra nos, nihil ad nos: Was über uns ist, das geht uns nichts an. Denn solche Gedanken, die über oder außerhalb der Offenbarung Gottes etwas Höheres forschen wollen, sind gar teuflische Gedanken, damit man nichts mehr ausrichten kann, denn dass wir uns selber in das Verderben hinein stürzen; denn sie halten uns einen solchen Gegenstand vor, der unerforschlich ist, nämlich, Gott, der nicht geoffenbart ist. Man lasse viel lieber Gott seine Schlüsse und Geheimnisse im Verborgenen behalten. Wir dürfen uns darum, dass uns dieselbigen sollten geoffenbart werden, so sehr nicht bemühen. Mose begehrte auch 2 Mos. 33,18., dass ihn Gott sein Angesicht oder Herrlichkeit wollte sehen lassen; aber der Herr antwortete ihm darauf also, V. 20.: „Du wirst mir hinten nachsehen, aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“ Denn dieser Vorwitz ist die Erbsünde selbst, dadurch wir getrieben und gereizt werden, dass wir durch natürliche Spekulation einen Weg suchen zu Gott. Es ist aber eine große Sünde und ist ein unnütz und vergeblich Ding, dass man sich dessen unterstehen will. Denn also spricht Christus Joh. 6,65. Kap. 14,6.: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Darum wenn wir zu dem Gott, der sich nicht geoffenbart hat, treten, so ist da kein Glaube, kein Wort oder gar keine Erkenntnis. Denn es ist ein unsichtbarer Gott, den wirst du nicht sichtbar machen. Darnach hat Gott auch ganz ernstlich verboten, dass man sich dermaßen nicht soll gelüsten lassen, seine Gottheit zu erkennen. Wie Christus zu den Aposteln sagt, Ap. Gesch. 1,7., da sie fragten: „Herr, ist es nicht also versehen, dass auf diese Zeit das Reich Israel soll wieder aufgerichtet werden?“: „Es gebühret euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde“ etc. Lass mich, spricht Gott, verborgen sein, da ich mich dir nicht geoffenbart habe, oder du wirst dir selbst eine Ursache sein deines eigenen Verderbens, wie Adam gräulich gefallen ist. „Denn wer schwere Dinge forschet, dem wird es zu schwer“, Spr. 25,27. Und anfänglich hat Gott zwar alsbald diesem Vorwitze wollen zuvorkommen. Denn also hat er uns seinen Willen und Rat vorgehalten und sagt nämlich also: Siehe, Mensch, ich will dir die Vorsehung und Prädestination herrlich offenbaren; aber nicht auf dem Wege deiner Vernunft und fleischlicher Weisheit, wie du dir träumen lässest und denkst. Ich will also tun: aus einem Gott, der nicht geoffenbart ist, will ich ein geoffenbarter Gott werden, und will doch derselbige Gott bleiben. Ich will Mensch werden, oder will meinen Sohn senden, der soll für deine Sünde sterben und wieder vom Tode auferstehen; und also will ich deine Begierde erfüllen, auf dass du wissen mögest, ob du versehen seiest oder nicht. „Siehe, das ist mein Sohn, den sollst du hören“, Matth. 17,5., den siehe an, wie er in der Krippe liegt und auf der Mutter Schoße, dazu auch, wie er am Kreuze hängt; siehe, was derselbe tue, was er rede. Da wirst du mich gewisslich ergreifen. Denn „wer mich siehet“, spricht Christus Joh. 14,9., „der siehet den Vater.“ Wo du diesen hören und in seinem Namen getauft werden, dazu sein Wort lieben wirst, alsdann bist du gewisslich versehen und deiner Seligkeit ganz gewiss. Wenn du aber das Wort lästerst oder verachtest, so bist du verdammt: „Denn wer nicht glaubet, der wird verdammt werden“, Mark. 16,16. Die andern Gedanken und Wege, so deine Vernunft oder Fleisch dir vorgibt, sollst du töten. Denn Gott ist denselben feind. Das allein lasse dir angelegen sein, dass du meinen Sohn annehmest, dass dir Christus in deinem Herzen wohlgefalle in seiner Geburt, Wunderwerken und Kreuz. Denn da ist das Buch des Lebens, darin du geschrieben bist. Und dieses ist der einzige und gewisseste Rat wider diese gräuliche Seuche, damit die Menschen immer nach ihrer Spekulation und hohen Gedanken, Gott in seiner hohen Majestät zu erforschen, wollen fortfahren, und endlich darüber in Verzweiflung oder Verachtung Gottes fallen. Willst du nun der Verzweiflung, der Feindschaft und Lästerung Gottes entfliehen, so lass die Spekulation und hohe Gedanken von dem verborgenen Gott fahren, und höre auf, dessen vergeblich zu begehren und darnach zu streben, dass du das Angesicht oder die Herrlichkeit Gottes sehen wolltest; sonst wirst du für und für im Unglauben und Verdammnis hängen bleiben und verloren werden. Denn wer da zweifelt, der glaubt nicht, und wer nicht glaubt, wird verdammt werden. Darum sollen wir diesen schändlichen bösen Worten feind sein und uns davor hüten, welche die Epikurer führen, wenn sie sagen: Wo dieses ja notwendig also geschehen muss, so geschehe es immerhin. Denn Gott ist nicht darum vom Himmel herab gekommen, dass er dich der Versehung wolle ungewiss machen, und dass er dich lehrete die Sakramente, Absolution und andere göttliche Ordnungen mehr verachten; ja, er hat dieses alles darum eingesetzt, dass er dich damit wollte ganz gewiss machen, und aus deinem Herzen den großen Mangel und Fehler des Zweifels wegnehmen, auf dass du nicht allein im Herzen glauben, sondern auch mit leiblichen Augen sehen und dazu mit den Händen greifen möchtest. Warum verwirfst du nun dieses alles, und klagst, dass du nicht wissen könnest, ob du zur Seligkeit versehen seiest? Du hast ja das Evangelium, bist getauft, hast die Absolution, bist ein Christ und zweifelst doch noch und sagst, du wissest nicht, ob du glaubest oder nicht glaubest, ob du das auch für wahrhaftig haltest, was dir im Wort und Sakramenten von Christo gesagt und gepredigt wird (.....).

Gott sagt zu dir: Siehe, da hast du meinen Sohn, den höre und nimm ihn an; wenn du das tust, so bist du jetzt schon deines Glaubens und deiner Seligkeit gewiss. Ja, sagst du, ich weiß aber nicht, ob ich im Glauben bleiben kann? Ei, so nimm doch gleichwohl die gegenwärtige Verheißung und Versehung an, und hüte dich, dass du nicht vorwitzig oder zu genau nach den heimlichen Ratschlüssen Gottes forschest. Wenn du an den geoffenbarten Gott glaubst und sein Wort annimmst, so wird dir allgemach auch der verborgene Gott geoffenbart werden. Denn „wer mich siehet“, spricht Christus Joh. 14,9., „der siehet den Vater.“ Wer aber den Sohn verwirft, der verliert mit dem geoffenbarten Gott auch den verborgenen Gott, der sich nicht geoffenbart hat. Wirst du aber mit starkem Glauben dem geoffenbarten Gott anhangen, also dass du in deinem Herzen gesinnet seiest, du wollest Christum nicht verlieren, wenn du auch sonst alles, was du hast, solltest beraubet werden, so bist du gewisslich versehen, und wirst den verborgenen Gott verstehen, ja, du verstehst ihn jetzt schon allbereit: wenn du den Sohn erkennst und seinen Willen, dass er sich dir offenbaren und dein Herr und Heiland sein wolle, so bist du dessen gewiss, dass Gott auch dein Herr und dein Vater sei (.....).

D. Staupitz pflegte mich mit diesen Worten zu trösten und sagte zu mir also: Lieber, warum plagst du dich also mit diesen Spekulationen und hohen Gedanken; schaue an die Wunden Christi, und sein Blut, das er für dich vergossen hat, daraus wird die Versehung hervor scheinen. Derhalben soll man den Sohn Gottes hören, der in das Fleisch gesandt, Mensch geworden, und darum erschienen ist, dass er die Werke des Teufels zerstöre, 1 Joh. 3,8., und dich der Versehung gewiss mache. Und darum sagt er auch zu dir: Du bist mein Schäflein; denn du hörst meine Stimme; und niemand wird dich mir aus meiner Hand reißen, Joh. 10,29 (.....)

Darum ist es uns nicht frei, dass wir mit solchen hohen Gedanken umgehen und zweifeln an der Versehung; sondern dieselbigen Gedanken sind gottlos, böse und teuflisch. Darum wenn dich der Teufel damit anficht, so sage nur: „Ich glaube an Jesum Christum, unsern Herrn“, an dem ich keinen Zweifel habe, dass er Mensch geworden, gelitten hat und für mich gestorben ist, in dessen Tod ich getauft bin. Mit dieser Antwort wird die Anfechtung verschwinden und der Satan wird dir den Rücken zukehren. Wie ich an andern Orten oft ein merklich Exempel von einer Nonne erzählt habe, welche auch eben dieselbige Anfechtung gehabt hat. Denn unter dem Papsttum sind auch viele gottselige Leute gewesen, so diese geistlichen Anfechtungen gefühlt haben, welches rechte höllische und der verdammten Menschen Gedanken sind; denn es ist kein Unterschied zwischen einem, der da zweifelt, und einem Verdammten. Derhalben, so oft dieselbige Nonne gefühlt hat, dass sie mit den feurigen Pfeilen Satans ist angegriffen worden, hat sie anderes nichts gesagt denn: Ich bin eine Christin. Also müssen wir auch tun. Man muss das Disputieren unterwegen lassen und sagen: Ich bin ein Christ, das ist, der Sohn Gottes ist Mensch geworden und auf diese Welt geboren, der hat mich erlöset und sitzt zur Rechten des Vaters und ist mein Heiland. Also treibe den Teufel von dir weg, mit so wenig Worten, als du immer kannst, und sprich: „Heb dich weg von mir, Satan“, Matth. 4,10., mache mir keinen Zweifel; der Sohn Gottes ist in diese Welt gekommen, dass er dein Werk und Zweifel zerstöre; da hört denn die Anfechtung auf, und das Herz kommt wieder zum Frieden, Ruhe und Liebe Gottes (.....).

Er hat seinen Sohn in das Fleisch und in den Tod gegeben, hat dazu die Sakramente eingesetzt, dass du wissen sollst, dass er kein Lügner, sondern wahrhaftig ist. Und das beweist und bestätigt er nicht mit geistlichen, sondern mit greiflichen Argumenten und Wahrzeichen. Denn ich sehe ja das Wasser in der Taufe; ich sehe das Brot und Wein im Abendmahl; ich sehe den Diener des Wortes: welches ja alles leiblich ist; in welchen leiblichen Figuren oder Bildern er sich offenbart. Wenn man mit Menschen handeln soll, da mag man zweifeln, was oder wie weit du einem glauben mögest und wie andere gegen dich mögen gesinnet sein; aber von Gott sollst du das gewiss und ungezweifelt halten, dass er dir um Christi willen gnädig sei, und dass du durch das teure Blut des Sohnes Gottes erlöst und geheiligt seiest; und also wirst du deiner Versehung auch gewiss sein; du wirst alle vorwitzigen und gefährlichen Fragen von den heimlichen Ratschlüssen Gottes fahren lassen (.....).