J. Gerhard - Nachfolge

 

30. VON DER HEILIGEN NACHAHMUNG DES LEBENS CHRISTI.

 

CHRISTUS SEI DIE REGEL DES LEBENS.

 

Das heilige Leben Christi ist das vollkommenste Muster der Tugenden, jede Handlung Christi ist eine Unterweisung für uns. Viele wollen Christum haben, aber sie verschmähen es ihm nachzufolgen: wollen sich Christi freuen, aber ihm nicht auch nachahmen. Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig, und von Herzen demütig Matth. 11,29, spricht der Heiland. Wenn du Christi Schüler nicht sein willst, so wirst du nimmermehr ein wahrer Christ sein. Laß nicht bloß das Leiden Christi dein Verdienst, sondern auch das Tun Christi das Vorbild deines Lebens sein. Dein Freund ist weiß und rot Hohel. 5,10: sei auch du rot kraft der Besprengung mit dem Blute Christi, und weiß kraft der Nachahmung des Lebens Christi. Wie aber liebst du Christum, wenn du sein heiliges Leben nicht liebst? Lieber ihr mich, spricht der Heiland Joh. 14,15, so haltet meine Gebote. Wer also seine Gebote nicht hält, der liebt ihn auch nicht. Das heilige Leben Christi ist die vollendete Regel unsers Lebens. Allen Regeln des Franziskus und Benedictus ist die einzige Regel des Lebens Christi vorzuziehen. Willst du ein zu Gnaden angenommenes Kind Gottes sein, so siehe, wie jener eingeborne Sohn wandelt. Willst du Christi Miterbe sein, so musst du auch Christi Nachahmer sein. Wer mit den Lüsten leben will, der hat sich in den Gehorsam des Teufels begeben. Wer wirklich mit dem Teufel sein will, wie wird der mit Christo sein können? 2 Kor. 6,15. Die Lüste lieben heißt den Teufel lieben, weil alle Sünden vom Teufel sind 1 Joh. 3,8; wie also wird der ein wahrer Liebhaber Christi sein können, der ein Liebhaber des Teufels ist? Gott lieben heißt das heilige Leben lieben, weil von Gott alles heilige Leben ist; wie also wird der ein Liebhaber Gottes sein können, der nicht ein Liebhaber des heiligen Lebens ist? Der Prüfstein der Liebe ist die Tat: der wahren Liebe ist es eigen dem Geliebten zu gehorchen, mit dem Geliebten eins zu sein im Wollen, mit dem Geliebten eins zu sein im Empfinden. Liebst du Christum in Wahrheit, so wirst du seinen Geboten gehorsam dich beweisen, wirst mit ihm das heilige Leben lieben und, erneuert im Geiste deines Gemütes Eph. 4,23, auf das deine Gedanken richten, was droben ist. Das ewige Leben stehet in der Erkenntnis Christi Joh. 17,3: wer aber Christum nicht liebt, der erkennt ihn auch nicht: wer die Demut, Keuschheit, Sanftmut, Geduld, Freundlichkeit nicht liebt, der liebt auch Christum nicht, denn das Leben Christi war nichts als Demut, Keuschheit, Sanftmut, Geduld, Freundlichkeit. Christus sagt, dass er die nicht kenne, welche den Willen seines Vaters nicht tun Matth. 7,21.23; also kennen auch die Christum nicht, welche den Willen des himmlischen Vaters nicht tun. Welches ist aber der Wille des Vaters? Unsere Heiligung, sagt der Apostel 1 Thess. 4,3. Der ist nicht Christi, der Christi Geist nicht hat Röm. 8,9; wo aber der heilige Geist ist, da ist er auch mit seinen Gaben und Früchten. Welche sind aber die Früchte des Geistes? Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit Gal. 5,22. Wie auf Christo der heilige Geist ruhete Jes. 11,2, so ruhet er auch auf allen denen, die in Christo sind, durch den wahren Glauben, denn die Braut Christi gehet einher im Wohlgeruche der Salbe Christi Hohel. 1,3. Wer dem Herrn anhanget, der ist ein Geist mit ihm 1 Kor. 6,17. Wie das fleischliche Band des Mannes und Weibes aus ihnen ein Fleisch macht Matth. 19,6: so macht die geistliche Verbindung Christi und der gläubigen Seele aus ihnen einen Geist. Wo aber ein Geist, da ist auch ein Wille; wo ein Wille, da ist auch ein Tun. Wer daher sein Leben nicht nach dem Leben Christi gestaltet, der wird auch weder gedrungen dem Herrn anzuhangen, noch den Geist Christi zu haben. Ist’s denn nicht billig, dass unser ganzes Leben nach dem Leben deß gestaltet werde, der aus Liebe sich selbst uns ganz gleich gemacht hat? Phil. 2,7. Gott hat, indem er sich geoffenbaret im Fleisch 1 Tim. 3,16, uns ein Muster des heiligen Lebens aufgestellt, damit keiner, der das heilige Leben verschmähet, sich mit dem Fleische entschuldige. Kein Leben ist lieblicher und friedevoller als das Leben Christi, denn Christus ist wahrhaftiger Gott: was ist aber lieblicher und friedevoller als der wahrhaftige Gott, das höchste Gut? Das Leben mit der Welt bringt eine kurze Freude, hat aber zum Gefolge eine ewige Traurigkeit 2 Petr. 1,4. 1 Joh. 2,17. Luk. 16,23. Wem du im Leben dich gleich gestaltest, dem wirst du auch in der Auferstehung gleich gestaltet werden. Wenn du hier anfängst, dem Leben Christi dich nachzubilden, so wirst du auch ihm in der Auferstehung in vollkommenerer Maße ähnlich gemacht werden. Wenn du dem Teufel dich gleichest durch Verbrechen, so wirst du in der Auferstehung auch ihm gleich gemacht werden in Qualen. Wer mir will nachfolgen, der verleugne sich selbst, spricht der Erlöser, und nehme sein Kreuz auf sich täglich Matth. 16,24. Wenn du in diesem Leben dich selbst verleugnest, so wird dich Christus im Gericht für den seinen erkennen. Wenn du um Christi willen in diesem Leben der Ehrsucht, der Eigenliebe, dem Eigenwillen entsagst, so wird Christus in dem zukünftigen Leben dich seiner Ehre, seiner Liebe, seines Willens teilhaftig machen. Wenn du in diesem Leben Teil hast am Kreuze, so wirst du in dem zukünftigen Teil haben an dem ewigen Lichte; wenn du in diesem Leben Teil hast an der Anfechtung, so wirst du in dem zukünftigen Teil haben am Troste; wenn du in diesem Leben Teil hast an der Verfolgung, so wirst du in dem zukünftigen Teil haben an der ewigen Vergeltung. Wer mich bekennt vor den Menschen, sagt Christus Matth. 10,32, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Nun aber haben wir Christum nicht bloß durch das Bekenntnis der Lehre, sondern auch durch die gleiche Gestaltung des Lebens zu bekennen; so erst wird er für die seinen uns im Gericht erkennen. Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater Matth. 10,33. Christus wird nicht bloß durch Worte, sondern auch, und noch weit mehr durch gottloses Leben verleugnet. Wer also in dieser Welt Christum durch seine Taten verleugnet, der wird ihn auch im Gerichte durch seine Taten verleugnen. Der ist kein Christ, der den wahren Glauben an Christum nicht hat; der wahre Glaube aber pflanzet uns Christo, dem geistlichen Weinstocke Joh. 15,4, ein als Reben. Einen jeglichen Reben an Christo, der nicht Frucht bringt, den nimmt der himmlische Weingärtner weg Joh. 15,2; wer aber in Christo bleibt Joh. 15,5, und in wem Christus Wohnung macht durch den Glauben Eph. 3,17, der bringt viel Frucht. Es ist kein Rebe an dem Weinstocke, der nicht seinen Saft vom Weinstocke bekäme: es ist keine Seele in Christo durch den Glauben, die nicht den geistlichen Saft der Liebe von Christo bekäme durch den Glauben. Gestalte uns, lieber Jesu, in dieser Zeit nach deinem Leben, auf dass wir dereinst demselben völlig gleich gestaltet werden!