Ursinus - Zehn Gebote
Ursinus, Zacharias / Olevian, Caspar
Der Heidelberger Katechismus (1563)
Ursinus und Olevian im Heidelberger Katechismus über die Zehn Gebote:
Von der Dankbarkeit
86. Wenn wir aus unserem Elend ohne all unsere Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?
Weil Christus, nachdem er uns mit seinem Blut erkauft hat, uns auch durch seinen heiligen Geist erneuert zu seinem Ebenbild, damit wir mit unserem gan-zen Leben uns dankbar gegen Gott für seine Wohltat erzeigen und er durch uns gepriesen werde. Aber auch, damit wir bei uns selbst unseres Glaubens aus seinen Früchten gewiß seien und mit unserem gottseligen Wandel unseren Nächsten auch für Christus gewinnen.
87. Können denn die nicht selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbuß-fertigen Wandel zu Gott nicht bekehren?
Keineswegs; denn die Schrift sagt: Kein Unkeuscher, Abgöttischer, Ehebrecher, Dieb, Geiziger, Trunkenbold, Lästerer, Räuber und dergleichen wird das Reich Gottes ererben.
88. In wieviel Stücken besteht die wahrhaftige Buße und Bekehrung des Men-schen?
In zwei Stücken: In der Absterbung des alten und Auferstehung des neuen Men-schen.
89. Was ist die Absterbung des alten Menschen?
Sich die Sünde von Herzen leid sein lassen und sie je länger je mehr hassen und fliehen.
90. Was ist die Auferstehung des neuen Menschen?
Herzliche Freude in Gott durch Christus und Lust und Liebe haben nach dem Willen Gottes in allen guten Werken zu leben.
91. Welches sind aber gute Werke?
Allein die aus wahrem Glauben nach dem Gesetz Gottes ihm zu Ehren gesche-hen, und nicht, die auf unser Gutdünken oder Menschensatzung gegründet sind.
92. Wie lautet das Gesetz des Herrn?
Gott redete also diese Worte:
2 Mose 20,1-17
Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Dienst-hause, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen; und tue Barmherzigkeit an vielen Tausenden, die mich liebhaben und meine Gebote halten. Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht. Gedenke des Sabbattags, daß Du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle dein Dinge beschicken; aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes; da sollst du kein Werk tun noch dein Sohn noch deine Tochter noch dein Knecht noch deine Magd noch dein Vieh noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, daß dir der HERR, dein Gott, gibt. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Laß dich nicht gelüsten deines Nächsten Hauses. Laß dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes, noch seines Knechtes noch seiner Magd, noch seines Ochsen noch seines Esels, noch alles, was dein Nächster hat.
93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?
In zwei Tafeln, von denen die erste in vier Geboten lehrt, wie wir uns gegen Gott verhalten sollen; die andere lehrt in sechs Geboten, was wir unserem Nächsten schuldig sind.
94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?
Daß ich bei Verlust meines Seelenheils und meiner Seligkeit alle Abgötterei, Zauberei, abergläubische Segen, Anrufung der Heiligen oder anderer Kreaturen meiden und fliehen soll, und den einigen, wahren Gott recht erkennen, ihm allein vertrauen, in aller Demut und Geduld von ihm allein alles Gute erwarten und ihn von ganzem Herzen lieben, fürchten und ehren soll, so daß ich eher alle Krea-turen preisgebe, als in dem Geringsten wider seinen Willen handele.
95. Was ist Abgötterei?
Anstatt des einzigen, wahren Gottes, der sich in seinem Wort offenbart hat, oder neben ihn etwas anderes stellen oder haben, worauf der Mensch sein Vertrauen setzt.
96. Was will Gott im zweiten Gebot?
Daß wir Gott unter keinen Umständen abbilden noch auf irgend eine andere Weise, als er es in seinem Wort befohlen hat, verehren.
97. Soll man denn gar kein Bildnis machen?
Gott kann und soll keineswegs abgebildet werden; die Kreaturen aber dürfen abgebildet werden, doch verbietet Gott, die Bilder zu machen oder zu besitzen, damit man sie verehre oder ihm damit diene.
98. Mögen aber nicht die Bilder als der Laien Bücher in den Kirchen geduldet werden?
Nein; denn wir sollen nicht weiser sein als Gott, der seine Christenheit nicht durch stumme Götzen, sondern durch die lebendige Predigt seines Wortes unter-wiesen haben will.
99. Was will das dritte Gebot?
Daß wir nicht allein mit Fluchen oder mit falschen Eid, sondern auch mit un-nötigem Schwören den Namen Gottes nicht lästern oder mißbrauchen noch uns mit unserem Stillschweigen und Zusehen solcher schrecklichen Sünden teilhaftig machen; und in Summa, daß wir den heiligen Namen Gottes nicht anders als mit Furcht und Ehrerbietung gebrauchen, damit er von uns recht bekannt, angerufen und in allen unseren Worten und Werken gepriesen werde.
100. Ist denn mit Schwören und Fluchen Gottes Namen lästern eine so schwere Sünde, daß Gott auch über die zürnt, die, soviel an ihnen ist, dieselbe nicht wehren und verbieten?
Ja freilich, denn keine Sünde ist größer noch Gott heftiger erzürnt, als die Lästerung seines Namens; darum hat er auch befohlen, sie mit dem Tode zu strafen.
101. Darf man aber gottselig bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?
Ja, wenn es die Obrigkeit von ihren Untertanen oder sonst die Not erfordert, Treue und Wahrheit zu Gottes Ehre und des Nächsten Heil dadurch zu erhalten und zu fördern. Denn solch ein Schwören ist in Gottes Wort begründet und des-halb von den Heiligen im alten und neuen Testament recht gebraucht worden.
102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Kreaturen einen Eid schwö-ren?
Nein, denn ein rechtmäßiger Eid ist eine Anrufung Gottes, daß er, als der einzige Herzenskündiger, die Wahrheit bezeugen wolle und mich strafe, wenn ich falsch schwöre. Diese Ehre gebührt keiner Kreatur.
103. Was will Gott im vierten Gebot?
Zum Ersten will Gott, daß das Predigtamt und die Schulen erhalten werden und ich besonders am Feiertage regelmäßig zur Gemeinde Gottes komme, um das Wort Gottes zu lernen, die heiligen Sakramente zu gebrauchen, den Herrn öffentlich anzurufen und das christliche Almosen zu geben. Zum Zweiten will er, daß ich alle Tage meines Lebens von meinen bösen Werken feiere, den Herrn durch seinen Geist in mir wirken lasse und so den ewigen Sabbat in diesem Le-ben anfange.
104. Was will Gott im fünften Gebot?
Daß ich meinem Vater und meiner Mutter und allen, die mir vorgesetzt sind, alle Ehre, Liebe und Treue beweise und mich aller guten Lehre und Strafe mit ge-bührendem Gehorsam unterwerfe und auch mit ihren Gebrechen Geduld habe, weil uns Gott durch ihre Hand regieren will.
105. Was will Gott im sechsten Gebot?
Daß ich meinen Nächsten weder mit Gedanken noch mit Worten oder Gebärden, viel weniger mit der Tat durch mich selbst oder andere schmähen, hassen, be-leidigen oder töten soll, sondern alle Rachsucht ablege. Zum anderen verlangt dieses Gebot, daß ich mich nicht selbst verletzen oder mutwillig in Gefahr bege-ben soll. Deshalb hat auch die Obrigkeit das Schwert, um dem Totschlag zu wehren.
106. Redet dieses Gebot allein vom Töten?
Nein, sondern Gott will uns durch das Verbot des Totschlags lehren, daß er die Wurzel des Totschlags, also Neid, Haß, Zorn, Rachgier haßt und daß dieses alles vor ihm ein heimlicher Totschlag ist.
107. Ist es aber genug, daß wir unseren Nächsten, wie verlangt, nicht töten?
Nein, denn dadurch, daß Gott Neid, Haß und Zorn verdammt, will er von uns haben, daß wir unseren Nächsten lieben wie uns selbst, gegen ihn Geduld, Friede, Sanftmut, Barmherzigkeit und Freundlichkeit zeigen, seinen Schaden, so weit es für uns möglich ist, abwenden und auch unseren Feinden Gutes tun.
108. Was will das siebente Gebot?
Daß alle Unkeuschheit von Gott verflucht ist, und daß wir ihr darum von Herzen feind seien und keusch und züchtig leben sollen, es sei im heiligen Ehestand oder als Ledige.
109. Verbietet Gott in diesem Gebot nichts mehr als Ehebruch und ähnliche Schandtaten?
Weil beide, unser Leib und unsere Seele, Tempel des heiligen Geistes sind, so will er, daß wir sie beide sauber und heilig bewahren; er verbietet deshalb alle unkeuschen Taten, Gebärden, Worte, Gedanken, Lust und was den Menschen dazu reizen mag.
110. Was verbietet Gott im achten Gebot?
Er verbietet nicht allein den Diebstahl und Räuberei, die die Obrigkeit straft, sondern Gott nennt auch Diebstahl alle bösen Stücke und Anschläge, mit denen wir unseres Nächsten Gut an uns zu bringen gedenken, es sei mit Gewalt oder unter dem Deckmantel des Rechts, wie z.B. falschem Gewicht, Elle, Maß, Ware, Münze, Wucher oder durch irgendein Mittel, das von Gott verboten ist; dazu ver-bietet er auch allen Geiz und unnütze Verschwendung seiner Gaben.
111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?
Daß ich den Nutzen meines Nächsten, wo ich kann, fördere, gegen ihn so hande-le, wie ich möchte, daß man an mir handelt, und treu arbeite, damit ich dem Be-dürftigen in seiner Not helfen kann.
112. Was will das neunte Gebot?
Daß ich wider niemand falsches Zeugnis gebe, niemandes Worte verkehre, kein Nachredner und Lästerer sei, niemand ungehört und leicht verdammen helfe, sondern alle Lüge und Betrug als eigene Werke des Teufels bei schwerem Gotteszorn vermeide, in Gerichts- und allen anderen Handlungen die Wahrheit liebe, aufrichtig sage und bekenne sowie meines Nächsten Ehre und Ruf nach meinem Vermögen rette und fördere.
113. Was will das zehnte Gebot?
Daß auch die geringste Lust oder Gedanken wider irgend ein Gebot Gottes unter keinen Umständen in unser Herz kommen soll, sondern wir für und für von gan-zem Herzen aller Sünde feind sind und Lust zu aller Gerechtigkeit haben.
114. Können aber die, die zu Gott bekehrt sind, die Gebote vollkommen halten?
Nein, sondern es haben auch die Allerheiligsten, so lange sie in diesem Leben sind, nur einen geringen Anfang dieses Gehorsams; doch es soll so sein, daß sie mit ernsten Vorsatz nicht allein nach einigen, sondern nach allen Geboten Gottes anfangen zu leben.
115. Warum läßt uns denn Gott so scharf die zehn Gebote predigen, wenn sie in diesem Leben niemand halten kann?
Erstens, damit wir unser ganzes Leben lang unsere sündige Art immer mehr er-kennen und um so begieriger die Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit in Christus suchen. Zum anderen, damit wir uns ohne Unterlaß befleißigen und Gott bitten, er möge die Gnade des heiligen Geistes geben, damit wir mehr und mehr zu dem Ebenbild Gottes erneuert werden, bis wir das Ziel der Vollkommenheit nach diesem Leben erreichen.