Luther - Papsttum
Martin Luther
Die schmalkaldischen Artikel (1537)
Luther führt in den schmalkaldischen Artikeln aus, weshalb die Ansprüche des Papsttums abzuweisen sind:
4. Der vierte Artikel: Vom Papsttum.
Dass der Papst nicht „jure divino“ oder aus Gottes Wort das Haupt der ganzen Christenheit sei – denn das gehört einem allein zu, der heißt Jesus Christus – sondern allein Bischof oder Pfarrherr der Kirche zu Rom und derjenigen, die sich freiwillig oder durch menschliche Kreatur – das ist weltliche Obrigkeit – zu ihm begeben haben, um nicht unter ihm als einem Herrn, sondern neben ihm als einem Bruder und Gesellen, Christen zu sein, wie solches auch die alten Konzi-lien und die Zeit St. Cyprians beweisen. Jetzt aber wagt kein Bischof den Papst „Bruder“ zu heißen wie zu der Zeit, sondern muss ihn seinen „allergnädigsten Herrn“ heißen, wenn's auch ein König oder Kaiser wäre. Das wollen, sollen und können wir nicht auf unser Gewissen nehmen. Wer es aber tun will, der tue es ohne uns. Hieraus folgt, dass alles dasjenige, was der Papst aus solcher fal-schen, frevelhaften, lästerlichen, angemaßten Gewalt getan und vorgenommen hat, eitel teuflische Geschichte und Geschäft gewesen und noch ist – außer was das leibliche Regiment anbelangt, worin Gott auch wohl durch einen Tyrannen und Buben einem Volk viel Gutes geschehen lässt – zur Verderbung der ganzen heiligen christlichen Kirche, soviel an ihm gelegen, und zu zerstören den ersten Hauptartikel von der Erlösung Jesu Christi. Denn da stehen alle seine Bullen und Bücher, worin er brüllt wie ein Löwe – wie der Engel Apokalypse 12 bildet – dass kein Christ selig werden könne, er sei denn ihm gehorsam und untertan in allen Dingen, was er will, was er sagt, was er tut. Welches alles nichts anderes ist, als so viel gesagt: „Wenn du gleich an Christus glaubst und alles an ihm hast, was zur Seligkeit nötig ist, so ist es doch nichts und alles umsonst, wenn du mich nicht für deinen Gott hältst, mir untertan und gehorsam bist“. Wo es doch offen-bar ist, dass die heilige Kirche ohne den Papst gewesen zum wenigsten über 500 Jahre, und bis auf diesen Tag die griechische und vieler anderer Sprachen Kirchen noch nie unter dem Papst gewesen und noch nicht sind. So ist es, wie oft gesagt, ein Menschengedichtetes, das nicht geboten, ohne Not und vergeblich. Denn die heilige christliche Kirche kann ohne solch Haupt wohl bleiben und wäre wohl besser geblieben, wenn solch Haupt durch den Teufel nicht aufgeworfen wäre, und es ist auch das Papsttum kein Nutzen in der Kirche; denn es übt kein christliches Amt aus, und die Kirche muss also bleiben und bestehen ohne den Papst. Und ich setze, dass der Papst sich des begeben wollte, dass er nicht „jure divino“ oder aus Gottes Gebot der Oberste wäre; sondern damit die Einigkeit der Christenheit wider die Rotten und Ketzerei desto besser erhalten würde, müsste man ein Haupt haben, woran sich alle anderen hielten. Solches Haupt würde nun durch Menschen erwählt, und es stände in menschlicher Wahl und Gewalt, dasselbe Haupt zu ändern und abzusetzen. Wie zu Konstanz das Konzil fast diese Weise hielt mit den Päpsten, setzten deren dreie ab und wählten den vierten. Ich setze nun – sage ich –, dass sich der Papst und der Stuhl zu Rom solches begeben und annehmen wollte, welches doch unmöglich ist; denn er müsste sein ganzes Regiment und Stand umkehren und zerstören lassen mit allen seinen Rechten und Büchern. Summa, er kann's nicht tun. Dennoch wäre damit der Christenheit nichts geholfen, und es würden viel mehr Rotten werden als zuvor. Denn weil man solchem Haupt nicht aus Gottes Befehl untertan sein müsste, sondern aus menschlichem guten Willen, würde es gar leicht und bald verachtet, zuletzt kein Glied behalten, müsste auch nicht immerdar zu Rom oder einem anderen Ort sein, sondern wo und in welcher Kirche Gott einen solchen Mann gegeben hätte, der tüchtig dazu wäre. O das wollte ein weitläufiges, wüstes Wesen werden. Darum kann die Kirche nimmermehr besser regiert und erhalten werden, als dass wir alle unter einem Haupt Christus leben und die Bischöfe alle gleich nach dem Amt – ob sie wohl ungleich nach den Gaben – fleißig zusammenhalten in einträchtiger Lehre, Glauben, Sakramenten, Gebeten und Werken der Liebe etc. Wie St. Hieronymus schreibt, dass die Priester zu Alexandria sämtlich und insgemein die Kirche regierten, wie die Apostel auch getan und hernach alle Bischöfe in der ganzen Christenheit, bis der Papst seinen Kopf über alle erhob. Dies Stück zeigt gewaltig, dass er der rechte Endchrist oder Widerchrist ist, der sich über und wider Christus gesetzt und erhöht, weil er die Christen nicht selig sein lassen will ohne seine Gewalt, welche doch nichts ist, von Gott nicht angeordnet noch geboten. Das heißt eigentlich, „über Gott und wider Gott sich setzen“, wie St. Paulus sagt (2 Thess 2,4). Solches tut dennoch der Türke noch Tartar nicht, wie große Feinde der Christen sie auch sind, sondern lassen glauben an Christus, wer da will, und nehmen leiblichen Zins und Gehorsam von den Christen. Aber der Papst will nicht glauben lassen, sondern spricht, man solle ihm gehorsam sein, so werde man selig. Das wollen wir nicht tun oder darüber sterben in Gottes Namen. Das kommt alles daher, dass er jure divino der Oberste hat heißen sollen über die christliche Kirche. Darum hat er sich Christus gleich und über Christus setzen müssen, sich als das Haupt, her-nach als einen Herrn der Kirche, zuletzt auch der ganzen Welt und schlicht als einen irdischen Gott rühmen lassen, bis er auch den Engeln im Himmelreich zu gebieten sich unterstand. Und wenn man des Papstes Lehre von der Heiligen Schrift unterscheidet oder sie dagegen hält, so findet sich's, dass des Papstes Lehre, wo sie am allerbesten ist, aus dem kaiserlichen, heidnischen Recht genommen ist und weltliche Händel und Gerichte lehrt, wie seine Decretales bezeugen. Danach lehrt sie Zeremonien von Kirchen, Kleidern, Speisen, Personen- und des Kinderspiels, Larven- und Narrenwerks ohne Maß; aber in diesem allen gar nichts von Christus, Glauben und Gottes Geboten. Zuletzt ist es nichts als eitel Teufel, da er seine Lügen von Messe, Fegefeuer, Klosterei, eigenen Werken und Gottesdienst – welches denn das rechte Papsttum ist – treibt über und wider Gott, verdammt, tötet und plagt alle Christen, die solchen seinen Greuel nicht über alles heben und ehren. Darum, so wenig wir den Teufel selbst als einen Herrn oder Gott anbeten können, so wenig können wir auch seinen Apostel, den Papst oder Endchrist, in seinem Regiment als Haupt oder Herrn leiden. Denn Lüge und Mord, um Leib und Seele ewig zu verderben, das ist sein päpstliches Regiment eigentlich, wie ich dasselbe in vielen Büchern bewiesen habe. An diesen vier Artikeln werden sie genug zu verdammen haben im Konzil; denn sie nicht das geringste Gliedlein von einem der Artikel uns lassen können noch wollen. Des müssen wir gewiss sein und uns verlassen auf die Hoffnung, Christus, unser Herr, habe seinen Widersacher angegriffen und werde nachdrücken, beide: mit seinem Geist und Zukunft, Amen. Denn im Konzil werden wir nicht vor dem Kaiser oder weltlicher Obrigkeit – wie zu Augsburg –, der ein ganz gnädiges Ausschreiben tat und die Sache in Güte verhören ließ, sondern vor dem Papst und dem Teufel selbst werden wir da stehen, der nichts zu hören gedenkt, sondern schlechtweg zu verdammen, zu morden und zur Abgötterei zu zwingen. Darum müssen wir hier nicht seine Füße küssen oder sagen: „Ihr seid mein gnädiger Herr“, sondern wie in Sacharja (2,3) der Engel zum Teufel sprach: „Strafe dich Gott, Satan“.