Luther - Gottes Alleinwirksamkeit
Gottes Alleinwirksamkeit in der Schöpfung
(Martin Luther: Vorrede auf die Predigten über das erste Buch Mosis, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Bd. 3, Sp. 22-24, Rechtschreibung angepasst)
Das andere ist, wie wir gesagt haben, dass ein jeglicher diese Worte soll mit dem Geist fassen und so viel daraus nehmen, dass Gott alle Dinge im Himmel und Erden tue, schaffe und wirke, wie der Text auch will. Wer das versteht, der wird so bald inne, dass er keine Ader regen, auch nicht Einen Gedanken haben kann, Gott muss es wirken; dass sein Leben gar in seiner Hand nicht steht, sondern bloß in Gottes Hand. Denn, so ich das glaube, dass er habe die ganze Welt aus Nichts gemacht, sondern alles allein aus seinem Worte und Gebote gestanden sei, so muss ich ja bekennen, dass ich auch ein Stück von der Welt und seiner Schöpfung sei. Daraus muss folgen, dass in meiner Macht nicht stehe, eine Hand zu regen, sondern dass allein Gott alles in mir tue und wirke. Da will es hinaus, und da muss man es hinlenken, so ist der Verstand recht.
Wenn du nun denn das also fühlst, so wirst du müssen erschrecken; denn die Natur kann es nicht leiden. Tröstlich aber ist es denen, die im Glauben stehen; denn da ist nichts, das sie stärken und trösten möge, denn dass sie wissen, wie sie gar in Gottes Hand stehen, also, dass er auch die geringsten Gedanken in ihnen wirke. Wo nun solcher Glaube ist, der kann sich gar vor nichts fürchten, und sich auch auf nichts verlassen, weder im Himmel noch auf Erden, weder im Leben noch im Tode, weder in Sünde noch Frömmigkeit, denn allein auf Gott. Darum, wenn schon die ganze Welt wider mich stände und mich angriffe, dass ich mitten in ihren Händen wäre, so weiß ich, dass sie doch nichts vermögen, denn so ferne Gott will. Und wenn schon der Feinde so viel wären, als Sandes am Meer, so sind sie ja Gottes Kreatur, so können sie ohne seinen Willen und Sorgen keinen Gedanken haben; geschweige, dass sie mir Schaden tun können, er wolle denn. Will er aber, wohl mir! denn ich weiß, dass es sein gnädiger Wille und väterliche Liebe ist.
Darum steht ein solcher gläubiger Mensch in solcher Freude und Sicherheit, dass er sich vor keiner Kreatur lässt erschrecken, ist aller Dinge ein Herr, fürchtet sich vor keinem Dinge, das ihm möchte zuhanden stehen, denn allein vor Gott, der im Himmel ist. Wiederum, wenn er in der Welt ein großer Herr wäre, und gesetzt würde über alle Königreiche, dass man ihm gäbe alle Wollust und Freude auf Erden, so nimmt er sich sein nichts an; fragt auch nichts darnach, wenn ihm solches alles wieder genommen würde. Denn er setzt sein Vertrauen nicht auf irgend eine Kreatur, sondern allein auf Gott.
Wo aber der Glaube nicht ist, da der Mensch nach seiner Vernunft und Dünkel richtet, und dieser Verstand auch offenbart wird, da ist auch die Hölle selbst, und kann der Mensch nicht größere Marter haben. Denn wie er dort im Glauben ohne Furcht steht, und aller Dinge ein Herr ist, und sich allein in Gottes Hand gibt, also ist es hier wiederum; wenn er nicht glaubt, und doch sieht, dass alle Kreaturen in Gottes Gewalt stehen, so ist keine Kreatur, die ihn nicht erschrecke, dass er sich vor allen fürchten muss. Denn dieweil Gott wider ihn ist, so müssen auch alle Dinge wider ihn sein.
So geht es denn, wie Moses (3 Mos. 26,36.) schreibt, dass die Gottlosen auch ein rauschend Blatt, das vom Baum fällt, erschreckt. Da kann das Herz nicht so viel Muts kriegen, dass es eine Mannheit fasse wider ein solch geringe rau-schend Blatt: was sollte es tun, wenn der Tod kommt? Wo er hingeht oder sieht, so ist ihm Gott entgegen, und denkt, er wolle ihn vor den Kopf schlagen. Darum sind ihm diese Worte nichts Anderes denn ein Blitz und Donnerschlag. Derhalben sagt abermal Moses (5 Mos. 28,65 ff.): „Gott wird dir ein verzagt Herz geben, dass du vor Trauern verschmachten wirst, und deines Lebens nimmer sicher sein. Des Morgens wirst du sagen: “Wer weiß, ob ich den Abend erlebe?” des Abends wirst du sagen: “Ach, möchte ich des Morgens leben!”
Also ist hier auf beiden Seiten in Mose die Hölle und der Himmel. Die es mit dem Glauben fassen, die lernen, dass sie Gott vertrauen, und sich ihm ganz heim-geben, und werden so beherzt, dass sie sich vor keinem Dinge fürchten, denn sie wissen, dass es Gott mit ihnen hält. Die es aber mit der Vernunft, ohne Glauben, fassen und fühlen, dass ihnen das Gewissen sagt, dass ihnen Gott feind ist, die können weder Ruhe noch Freude haben.