Luther - Glaube

 

Der große Katechismus Dr. Martin Luthers

nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches ( Dresden 1580 )

 

Was Luther unter "Glaube" versteht, zeigt seine Auslegung des ersten Gebots:

 

Das erste Gebot

Du sollst nicht andere Götter haben

 

Das ist: du sollst mich allein für deinen Gott halten. Was ist das gesagt, und wie versteht mans? Was heißt, einen Gott haben, oder was ist Gott? Antwort: ein Gott heißt das, dazu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten; also dass einen Gott haben nichts anders ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben; wie ich oft gesagt habe, dass allein das Trauen und Glauben des Herzens beide macht, Gott und Abgott. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht; und wiederum, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der rechte Gott nicht. Denn die zwei gehören zu Haufe, Glaube und Gott. Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott. Darum ist nun die Meinung dieses Gebots, dass es fordert rechten Glauben und Zuversicht des Herzens, welche den rechten einigen Gott treffe und an ihm allein hange. Und will so viel gesagt haben: siehe zu und lasse mich allein deinen Gott sein und suche ja keinen andern; das ist was dir mangelt an Gutem, des versieh dich zu mir und suche es bei mir, und wo du Unglück und Not leidest, kriech und halte dich zu mir. Ich, ich will dir genug geben und aus aller Not helfen, lass nur dein Herz an keinem andern hangen noch ruhen. Das muss ich ein wenig grob ausstreichen, dass mans verstehe und merke an gemeinen Exempeln des Widerspiels. Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verlässt und brüstet sich darauf so steif und sicher, dass er auf niemand etwas gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißt Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzt, welches auch der allergewöhnlichste Abgott ist auf Erden. Wer Geld und Gut hat, der weiß sich sicher, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies; und wiederum, wer keins hat, der verzweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man wird ihrer gar wenig finden, die guten Mutes sind, nicht trauern noch klagen, wenn sie den Mammon nicht haben; es klebt und hängt der Natur an bis in die Grube. Also auch, wer darauf traut und trotzt, dass er große Kunst, Klugheit, Gewalt, Gunst, Freundschaft und Ehre hat, der hat auch einen Gott, aber nicht diesen rechten, einigen Gott. Das siehst du abermal dabei, wie vermessen, sicher und stolz man ist auf solche Güter, und wie verzagt, wenn sie nicht vorhanden oder entzogen werden. Darum sage ich abermal, dass die rechte Auslegung dieses Stückes sei, dass einen Gott haben heißt: etwas haben, darauf das Herz gänzlich traut. Item, siehe, was wir bisher getrieben und getan haben in der Blindheit unter dem Papsttum: wenn jemand ein Zahn weh tat, der fastete und feierte S. Apollonia; fürchtete er sich vor Feuersnot, so machte er S. Lorenz zum Nothelfer; fürchtete er sich vor Pestilenz, so gelobte er sich zu S. Sebastian oder Rochius, und des Greuels unzählig viel mehr, da ein jeglicher seinen Heiligen wählt, anbetet und anruft in Nöten zu helfen. Hierher gehören auch, die es gar zu grob treiben und mit dem Teufel einen Bund machen, dass er ihnen Geld genug gebe oder zur Buhlschaft helfe, ihr Vieh bewahre, verlorenes Gut wiederschaffe usw., wie die Zauberer und Schwarzkünstler. Denn diese alle setzen ihr Herz und Vertrauen anderswo denn auf den wahrhaftigen Gott, versehen sich kein Gutes von ihm, suchens auch nicht bei ihm. Also verstehst du nun leichtlich, was und wie viel dies Gebot fordert, nämlich das ganze Herz des Menschen und alle Zuversicht auf Gott allein und niemand anders. Denn Gott zu haben kannst du wohl abnehmen, dass man ihn nicht mit Fingern ergreifen und fassen noch in Beutel stecken oder in Kasten schließen kann. Das heißt ihn aber gefasst, wenn ihn das Herz ergreift und an ihm hängt. Mit dem Herzen aber an ihm hängen ist nichts anders, denn sich gänzlich auf ihn verlassen. Darum will er uns von allem andern abwenden, das außer ihm ist, und zu sich ziehen, weil er das einzige ewige Gut ist. Als sollte er sagen: Was du zuvor bei den Heiligen gesucht oder auf den Mammon und sonst vertraut hast, des versiehe dich alles zu mir und halte mich für den, der dir helfen und mit allem Guten reichlich überschütten will. Siehe, da hast du nun, was die rechte Ehre und Gottesdienst ist, so Gott gefällt, welchen er auch gebeut bei ewigem Zorn, nämlich dass das Herz keinen andern Trost noch Zuversicht wisse denn zu ihm, lasse sich auch nicht davon reißen, sondern darüber wage und hintenansetze alles, was auf Erden ist. Dagegen wirst du leichtlich sehen und urteilen, wie die Welt eitel falschen Gottesdienst und Abgötterei treibt. Denn es ist nie ein Volk so ruchlos gewesen, das nicht einen Gottesdienst aufgerichtet und gehalten habe; da hat jedermann zum sonderlichen Gott aufgeworfen, dazu er sich Gutes, Hilfe und Trost versehen hat. Als nämlich: die Heiden, so ihr Datum auf Gewalt und Herrschaft stellten, warfen ihren Jupiter zum höchsten Gott auf; die andern, so nach Reichtum, Glück oder nach Lust und guten Tagen standen, Herkules, Mercurius, Venus oder andere, die schwangeren Frauen Diana oder Lucina, und so fort. Es machte sich jedermann das zum Gott, dazu ihn sein Herz trug. Also dass eigentlich auch nach aller Heiden Meinung einen Gott haben heißt: trauen und glauben. Aber daran fehlt es, dass ihr Trauen falsch und unrecht ist, denn es ist nicht auf den einigen Gott gestellt, außer welchem wahrhaftig kein Gott ist im Himmel noch auf Erden. Darum die Heiden eigentlich ihren eigenen erdichteten Dünkel und Traum von Gott zum Abgott machen und sich auf eitel nichts verlassen. Also ist es um alle Abgötterei getan, denn sie steht nicht allein darin, dass man ein Bild aufrichtet oder anbetet, sondern vornehmlich im Herzen, welches anderswohin gafft, Hilfe und Trost sucht bei den Kreaturen, Heiligen oder Teufeln und sich Gottes nicht annimmt, noch so viel Gutes zu ihm versieht, dass er wolle helfen, glaubt auch nicht, dass von Gott komme, was ihm Gutes widerfährt. Darüber ist auch ein falscher Gottesdienst und die höchste Abgötterei, so wir bisher getrieben haben und noch in der Welt regiert, darauf auch alle geistlichen Stände gegründet sind, welche allein das Gewissen betrifft, das da Hilfe, Trost und Seligkeit sucht in eignen Werken, vermißt sich, Gott den Himmel abzuzwingen, und rechnet, wieviel es gestiftet, gefastet, Messe gehalten hat usw. Verlässt sich und pocht darauf, als wolle es nichts von ihm geschenkt nehmen, sondern selbst erwerben oder überflüssig verdienen, gerade als müßte er uns zu Dienst stehen und unser Schuldner, wir aber seine Lehnsherrn sein. Was ist das anders, denn aus Gott einen Götzen, ja einen Apfelgott gemacht und sich selbst für Gott gehalten und aufgeworfen? Aber das ist ein wenig zu scharf, gehört nicht vor die jungen Schüler. Das sei aber den Einfältigen gesagt, dass sie den Verstand dieses Gebotes wohl merken und behalten, dass man Gott allein trauen und sich eitel Gutes zu ihm versehen und von ihm gewarten soll, als der uns gibt Leib, Leben, Essen, Trinken, Nahrung, Gesundheit, Schutz, Friede und alle Notdurft zeitlicher und ewiger Güter, dazu bewahrt vor Unglück und, so etwas widerfährt, rettet und aushilft; also dass Gott (wie genug gesagt) allein der ist, von dem man alles Gute empfängt und alles Unglücks los wird. Daher auch, achte ich, nennen wir Deutschen Gott eben mit dem Namen von alters her (feiner und artiger denn keine andere Sprache) nach dem Wörtlein „gut“, als der ein ewiger Quellbrunn ist, der sich mit eitel Güte übergießt und von dem alles, was gut ist und heißt, ausfließt. Denn ob uns gleich sonst viel Gutes von Menschen widerfährt, so heißt es doch alles von Gott empfangen, was man durch sein Befehl und Ordnung empfängt. Denn unsere Eltern und alle Obrigkeit, dazu ein jeglicher gegen seinen Nächsten, haben den Befehl, dass sie uns allerlei Gutes tun sollen, also dass wirs nicht von ihnen, sondern durch sie von Gott empfan-gen. Denn die Kreaturen sind nur die Hand, Röhren und Mittel, dadurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste und Milch gibt, dem Kinde zu reichen, Korn und allerlei Gewächs aus der Erde zur Nahrung; welcher Güter keine Kreatur eines selbst machen kann. Derhalben soll sich kein Mensch unterstehen, etwas zu nehmen oder zu geben, es sei denn von Gott befohlen, dass mans erkenne als seine Gabe und ihm darum danke, wie dies Gebot fordert. Darum auch solche Mittel, durch die Kreaturen Gutes zu empfangen, nicht auszuschlagen sind, noch durch Vermessenheit andere Weise und Wege zu suchen, denn Gott befohlen hat. Denn das hieße nicht von Gott empfangen, sondern von sich selbst gesucht. Darauf sehe nun ein jeglicher bei sich selbst, dass man dies Gebot vor allen Dingen groß und hoch achte und in keinen Scherz schlage. Frage und forsche dein eigenes Herz wohl, so wirst du wohl finden, ob es allein an Gott hange oder nicht. Hast du ein solches Herz, das sich eitel Gutes zu ihm versehen kann, sonderlich in Nöten und Mangel, dazu alles gehen- und fahren lassen, was nicht Gott ist, so hast du den einigen rechten Gott. Wiederum, hangt es auf etwas anderes, dazu sichs mehr Gutes und Hilfe vertröstet denn zu Gott, und nicht zu ihm läuft, sondern vor ihm flieht, wenn es ihm übel geht, so hast du einen andern Abgott. Derhalben, auf dass man sehe, dass Gott solches nicht will in Wind geschlagen haben, sondern ernstlich darüber halten, hat er bei diesem Gebot zum ersten eine schreckliche Drohung, darnach eine schöne, tröstliche Verheißung gesetzt, welche man auch wohl treiben soll und dem jungen Volk einbläuen, dass sie es zu Sinne nehmen und behalten: Denn ich bin der HERR, dein Gott, ein starker Eiferer, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, die mich hassen. Und tue Barmherzigkeit an viel tausend, die mich lieb haben und meine Gebote halten. Wiewohl aber diese Worte auf alle Gebote gehen (wie wir hernach hören werden), so sind sie doch eben zu diesem Hauptgebot gesetzt, darum dass daran am meisten liegt, dass ein Mensch ein rechtes Haupt habe; denn wo das Haupt recht geht, da muss auch das ganze Leben recht gehen, und wiederum. So lerne nun aus diesen Worten, wie zornig Gott ist über die, so sich auf irgend etwas außer ihm verlassen; wiederum, wie gütig und gnädig er ist denen, die ihm allein von ganzem Herzen trauen und glauben. Also dass der Zorn nicht ablässt bis ins vierte Geschlecht oder Glied, dagegen die Wohltat oder Güte geht über viel tausend. Auf dass man nicht so sicher hingehe und sich in die Schanze schlage, wie die rohen Herzen denken, es liege nicht große Macht daran. Er ist ein solcher Gott, der es nicht ungerochen lässt, dass man sich von ihm wendet, und nicht aufhört zu zürnen bis ins vierte Glied, so lange, bis sie durch und durch ausgerottet werden. Darum will er gefürchtet und nicht verachtet sein. Das hat er auch bewiesen in allen Historien und Geschichten, wie uns die Schrift reichlich anzeigt und noch tägliche Erfahrung wohl lehren kann. Denn er alle Abgötterei von Anfang her gar ausgerottet hat und um ihretwillen beide, Heiden und Juden; wie er auch bei heutigem Tage allen falschen Gottesdienst stürzt, dass endlich alle, so darin bleiben, müssen untergehen. Darum, ob man gleich jetzt stolze, gewaltige und reiche Wänste findet, die auf ihren Mammon trotzen, ungeachtet Gott zürne oder lache, als die seinen Zorn wohl trauen auszustehen, so werden sie es doch nicht ausführen, sondern ehe man sichs versieht, zu scheitern gehen mit allem, darauf sie getraut haben; wie alle anderen untergegangen sind, die sich wohl sicherer und mächtiger gewusst haben. Und eben um solcher harten Köpfe willen, die da meinen, weil er zusieht und lässt sie fest sitzen, er wisse nichts darum oder nehme sichs nicht an, muss er also darein schlagen und strafen, dass ers nicht vergessen kann bis auf ihre Kindeskinder, auf dass sich jedermann daran stoße und sehe, dass ihm kein Scherz ist. Denn diese sinds auch, die er meint, da er spricht: „die mich hassen“, das ist, die auf ihrem Trotz und Stolz beharren. Was man ihnen predigt oder sagt, wollen sie nicht hören; straft man sie, dass sie sich erkennen und bessern, ehe die Strafe angeht, so werden sie toll und töricht, auf dass sie den Zorn redlich verdienen, wie wir auch jetzt an Bischöfen und Fürsten täglich erfahren. Wie schrecklich aber diese Drohworte sind, so viel mächtiger Trost ist an der Verheißung, dass, die sich allein an Gott halten, sollen gewiss sein, dass er Barmherzigkeit an ihnen erzeigen will, das ist eitel Gutes und Wohltat beweisen, nicht allein für sie, sondern auch an ihren Kindern bis ins tausendste und abermals tausendste Geschlecht. Solches sollte uns ja bewegen und treiben, unser Herz auf Gott zu erwägen mit aller Zuversicht, so wir begehrten, alles Gute zeitlich und ewig zu haben, weil sich die hohe Majestät so hoch erbietet, so herzlich reizt und so reichlich verheißt. Darum lasse es sich ein jeglicher ernstlich zu Herzen gehen, dass mans nicht achte, als habe es ein Mensch geredet. Denn es gilt dir entweder ewigen Segen, Glück und Seligkeit, oder ewigen Zorn, Unglück und Herzleid. Was willst du mehr haben oder begehren, denn dass er dir so freundlich verheißt, er wolle dein sein mit allem Guten, dich schützen und helfen in allen Nöten? Es fehlt aber leider daran, dass die Welt der keines nicht glaubt noch für Gottes Wort hält, weil sie sieht, dass, die Gott und nicht dem Mammon trauen, Kummer und Not leiden, und der Teufel sich wider sie sperrt und wehrt, dass sie kein Geld, Gunst noch Ehre, dazu kaum das Leben behalten. Wiederum, die dem Mammon dienen, haben Gewalt, Gunst, Ehre und Gut und alle Gemach vor der Welt. Derhalben muss man solche Worte fassen, eben wider solchen Schein gestellt, und wissen, dass sie nicht lügen noch trügen, sondern wahr werden müssen. Denke du selbst zurück oder frage ihm nach und sage mir: die alle ihre Sorge und Fleiß darauf gelegt haben, dass sie großes Gut und Geld zusammen scharrten, was haben sie endlich geschafft? So wirst du finden, dass sie Mühe und Arbeit verloren haben. Oder ob sie gleich große Schätze zu Haufe gebracht, es doch zerstoben und verflogen ist. Also dass sie selbst ihres Gutes nie sind froh geworden, und hernach nicht an die dritten Erben gereicht hat. Exempel wirst du genug finden in allen Historien, auch von alten erfahrenen Leuten; siehe sie nur an und habe Achtung darauf. Saul war ein großer König, von Gott erwählt, und ein frommer Mann; aber da er eingesessen war und sein Herz ließ sinken, hing sich an seine Krone und Gewalt, musste er untergehen mit allem, das er hatte, dass auch seiner Kinder keines blieb. Wiederum, David war ein armer verachteter Mann, verjagt und gescheucht, dass er seines Lebens nirgend sicher war; dennoch musste er vor dem Saul bleiben und König werden. Denn diese Worte mussten bleiben und wahr werden, weil Gott nicht lügen noch trügen kann, lasse dich nur den Teufel und Welt mit ihrem Schein, der wohl eine Zeitlang währt, aber endlich nichts ist, betrügen. Darum lasst uns das erste Gebot wohl lernen, dass wir sehen, wie Gott keine Ver-messenheit noch Vertrauen auf irgendein anderes Ding leiden will und nicht Höheres von uns fordert denn eine herzliche Zuversicht alles Guten, also dass wir richtig und stracks vor uns gehen und alle Güter, so Gott gibt, brauchen, nicht weiter denn wie ein Schuster seiner Nadel, Ahle und Draht braucht zur Arbeit und darnach hinweg legt, oder wie ein Gast der Herberge, Futter und Lager, allein zur zeitlichen Notdurft, ein jeglicher in seinem Stand nach Gottes Ordnung, und lasse nur keines seinen Herrn oder Abgott sein. Das sei genug vom ersten Gebot, welches wir mit Worten haben müssen ausstreichen, weil daran allermeist die Macht liegt, darum dass (wie zuvor gesagt), wo das Herz wohl mit Gott daran ist und dies Gebot gehalten wird, so gehen die anderen alle hernach.