J. Gerhard - Glaube

 

12. VON DEM WESEN UND DEN EIGENSCHAFTEN DES WAHREN GLAUBENS.

 

DER GLAUBE IST LEBENDIG UND SIEGREICH, WENN ER WAHR IST.

 

O geliebte Seele, betrachte die Kraft des Glaubens und sage Gott Dank, dem einigen Geber des Glaubens. Der Glaube allein pflanzt uns unserm Erlöser wieder ein, so dass gleichwie die Reben den Saft aus dem Weinstock so wir aus ihm das Leben, die Gerechtigkeit und das Heil schöpfen Joh. 15,4. Adam ging der Gnade Gottes verlustig und verlor das göttliche Ebenbild durch seinen Unglauben; in die Gnade werden wir wieder aufgenommen und das Ebenbild Gottes beginnt in uns wieder hergestellt zu werden durch den Glauben. Durch den Glauben wird Christus unser und wohnet in uns Eph. 3,17; wo aber Christus, da ist die Gnade Gottes, wo die Gnade Gottes, da ist das Erbe des ewigen Lebens. Durch den Glauben hat Abel Gott ein größer Opfer getan denn Kain Hebr. 11,4: so bringen wir Gott geistliche Opfer durch den Glauben, nämlich die Frucht unserer Lippen Hebr. 13,15. Durch den Glauben ward Enoch weggenommen Hebr. 11,5: so versetzt uns der Glaube aus der menschlichen Gesellschaft in die himmlische Gemeinschaft auch jetzt in diesem Leben. Denn Christus wohnet bereits in uns, das ewige Leben ist bereits in uns, aber verborgen Kol. 3,3. Durch den Glauben hat Noah die Arche zubereitet Hebr. 11,7: so gelangen wir durch den Glauben in die Kirche, in der die Seelen bewahret werden, während alle Übrigen in dem weiten Meere der Welt untergehen. Durch den Glauben ist Abraham aus dem götzendienerischen Lande gegangen Hebr. 11,8: so gehen wir aus der Welt, verlassen Eltern, Geschwister und Verwandte, und folgen der Stimme Christi, der uns ruft. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen und hat des verheißenen Landes gewartet Hebr. 11,9: so warten wir im Glauben des himmlischen Jerusalem Off. Joh. 21,2, welches Gott uns droben bereitet hat. Wir sind Gäste und Fremdlinge in dieser Welt Hebr. 11,13, und sehnen uns im Glauben nach dem himmlischen Vaterland. Durch den Glauben empfing Sara im hohen Alter ihren Sohn Isaak Hebr. 11,11: so empfangen auch wir geistlicher Weise getötet die Kraft, Christum geistlich zu empfangen. Denn wie Christus in dem heiligen Leibe der Jungfrau Maria einmal empfangen worden ist, so wird er in der gläubigen Seele, die sich rein bewahret von aller Vermengung mit der Welt, geistlicher Weise täglich geboren. Durch den Glauben opferte Abraham den Isaak Hebr. 11,17: so töten auch wir geistlicher Weise den eigenen Willen, den geliebten Sohn unsres Herzens, und opfern ihn; denn wer Christo nachfolgen will, der muss sich selbst verleugnen Matth. 16,24, das ist auf den eigenen Willen, auf die eigene Ehre, auf die eigene Liebe verzichten. Durch den Glauben hat Isaak den Jakob gesegnet Hebr. 11,20: so werden wir durch den Glauben aller göttlichen Segnungen teilhaftig; denn in dem Samen Abrahams, das ist in Christo, werden alle Völker gesegnet 1 Mos. 22,18. Durch den Glauben redete Joseph von dem Auszuge der Kinder Israel aus Ägypten, und tat Befehl von seinen Gebeinen Hebr. 11,22: so hoffen wir im Glauben auf den Ausgang aus diesem geistlichen Ägypten, nämlich aus der Welt, und auf eine selige Auferstehung des Leibes. Durch den Glauben ward Mose drei Monden bewahret Hebr. 11,23: so verbirgt uns der Glaube vor der Tyrannei des Satans, bis wir endlich in das königliche Gemach Gottes kommen und zu geistlichen Königen angenommen werden. Durch den Glauben erwählete Mose viel lieber das Ungemach seines Volkes zu teilen, als in der Pracht Ägyptens zu leben Hebr. 11,25: so erweckt der Glaube in uns die Verachtung der Herrlichkeit, der Ehre, des Reichtums und der Lüste dieser Welt, und das Verlangen nach dem Himmelreiche. Durch den Glauben erwählen wir viel lieber die Schmach Christi, als die Schätze dieser Welt. Durch den Glauben verließ Mose Ägypten und fürchtete nicht des Königs Grimm Hebr. 11,27: so stärkt und kräftiget uns der Glaube, dass wir uns nicht durch die Drohungen der Tyrannen dieser Welt schrecken lassen, sondern mutigen und festen Geistes der Stimme Gottes gehorchen. Durch den Glauben feierte Israel das Pascha Hebr. 11,28: so feiern auch wir durch den Glauben das Pascha. Unser Pascha ist Christus, für uns geopfert 1 Kor. 5,7, dessen Fleisch die rechte Speise, und dessen Blut der rechte Trank ist Joh. 6,55. Durch den Glauben gingen die Israeliten durch das rote Meer Hebr. 11,29: so gehen wir durch den Glauben durch das Meer dieser Welt. Durch den Glauben fielen die Mauern zu Jericho Hebr. 11,30: so verstören wir durch den Glauben alle Festungen des Satans 2 Kor. 10,5. Durch den Glauben ward Rahab nicht verloren Hebr. 11,31: so werden wir bei dem allgemeinen Untergange dieser Welt durch den Glauben bewahret werden. Durch den Glauben haben die Väter Königreiche bezwungen, der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft ausgelöscht Hebr. 11,33.34: so bezwingen auch wir durch den Glauben das Reich des Satan, entgehen den Nachstellungen und der Wut des höllischen Löwen, und werden von der Glut des höllischen Feuers befreiet. Der Glaube ist aber nicht eine bloße Meinung und Bekenntnis, sondern eine lebendige und wirksame Ergreifung Christi, der sich im Evangelio uns darbietet; er ist die vollste Gewissheit von der Gnade Gottes, eine zuversichtliche Ruhe unsers Herzens und ein Friede, der auf Christi Verdienst sich gründet Hebr. 11,1. Dieser Glaube wird aus dem Samen des göttlichen Wortes geboren, denn der Glaube und der Geist sind eins, das Wort aber ist der Träger des heiligen Geistes. Die Frucht gleicht dem Wesen ihres Samens. Der Glaube ist eine göttliche Frucht, also muss auch göttlicher Same da sein, nämlich das Wort. Wie bei der Schöpfung das Licht durch das Wort Gottes entstand, denn Gott sprach, und es ward Licht 1 Mos. 1,3: so entspringt das Licht des Glaubens aus dem Lichte des göttlichen Wortes: in deinem Lichte sehen wir das Licht Ps. 36,10, spricht der Psalmist. Da der Glaube uns mit Christo verbindet, uns mit Christo vereiniget, darum ist er auch in uns die Mutter aller Tugenden: wo der Glaube, da ist Christus; wo Christus, da ist heiliges Leben, nämlich wahre Demut, wahre Sanftmut, wahre Liebe. Christus und der heilige Geist trennen sich nicht von einander: wo der heilige Geist, da ist wahre Heiligkeit. Also wo kein heiliges Leben ist, da ist auch der heiligende Geist nicht; wo der Geist nicht ist, da ist auch Christus nicht; wo Christus nicht ist, da ist auch der wahre Glaube nicht. Eine jegliche Rebe, die ihr Leben und ihren Saft nicht aus dem Weinstocke ziehet Joh. 15,4, die ist auch nicht anzusehen, als wäre sie mit dem Weinstock verbunden: so sind auch wir durch den Glauben noch nicht mit Christo verbunden, wenn wir nicht das Leben und die Kraft zum Leben aus ihm ziehen. Der Glaube ist ein geistliches Licht; denn durch den Glauben werden die Herzen erleuchtet; darum breitet er um sich her die Strahlen der guten Werke aus. Wo aber die Strahlen des geistlichen Lebens nicht sind, da ist auch noch nicht das wahre Licht des Glaubens. Böse Werke sind Werke der Finsternis Röm. 13,12: der Glaube ist aber ein Licht, was hat aber das Licht für eine Gemeinschaft mit der Finsternis? 2 Kor. 6,14. Böse Werke sind der Same des Teufels Matth. 13,25; der Glaube ist der Same Christi: welche Gemeinschaft hat aber Christus mit dem Satan? 2 Kor. 6,15. Durch den Glauben werden die Herzen gereiniget Ap. Gesch. 15,9: wie aber kann innere Reinheit des Herzens bestehen, wo unreine Worte und unreine Werke äußerlich offenbar werden? Der Glaube ist unser Sieg 1 Joh. 5,4: wie also kann da der wahre Glaube sein, wo das Fleisch den Geist überwindet und gleichwie gefangen führet? Durch den Glauben haben wir Christum und in Christo das ewige Leben: aber kein Unbußfertiger und beharrlicher Sünder ist des ewigen Lebens teilhaftig, wie also Christi? wie des Glaubens? Zünde in uns, o freundlicher Christus, das Licht des wahren Glaubens an, damit wir durch den Glauben die ewige Seligkeit erlangen!