J. Gerhard - Busse

 

3. VON DER FRUCHT DER WAHREN UND ERNSTEN BUSSE.

 

CHRISTUS RUFT: TUT BUSSE!

 

Der Grund und Anfang eines heiligen Lebens ist die selige Buße. Denn wo wahre Buße, da ist Vergebung der Sünden; wo Vergebung der Sünden, da ist die Gnade Gottes; wo die Gnade Gottes, da ist Christus; wo Christus, da ist sein Verdienst; wo das Verdienst Christi, da ist Genugtuung für die Sünden; wo Genugtuung für die Sünden, da ist Gerechtigkeit; wo Gerechtigkeit, da ist ein fröhliches und ruhiges Gewissen; wo Ruhe des Gewissens, da ist der heilige Geist; wo der heilige Geist, da ist die ganze heilige Dreieinigkeit; wo die heilige Dreieinigkeit, da ist das ewige Leben. Also wo die wahre Buße, da ist das ewige Leben; wo die wahre Buße nicht ist, da ist weder Vergebung der Sünden, noch die Gnade Gottes, noch Christus, noch sein Verdienst, noch Genugtuung für die Sünden, noch Gerechtigkeit, noch ruhiges Gewissen, noch der heilige Geist, noch die heilige Dreieinigkeit, noch das ewige Leben. Was also zögern wir mit unserer Buße? Warum verschieben wir sie auf Morgen? Weder der morgende Tag, noch die wahre Buße stehet in unserer Kraft und Gewalt. Und nicht bloß von dem morgenden Tage, sondern auch von dem heutigen werden wir einst Rechenschaft geben müssen im Gericht. Der morgende Tag ist nicht so sicher, als das Verderben denen gewiss ist, die keine Buße tun. Gott hat dem Bußfertigen Vergebung zugesagt, aber den morgenden Tag hat er nicht zugesagt. Die Genugtuung Christi gilt nur dem in Wahrheit zerknirschten Herzen. Unsere Untugenden scheiden uns und unsern Gott von einander, zeuget der Prophet Jesaia (59,2.); aber durch die Buße kehren wir wieder zurück zum Herrn. Erkenne die Schuld deiner Sünde und traure darüber; so wirst du merken, dass Gott in Christo dir wieder gnädig geworden ist. Ich vertilge deine Missetat, spricht der Herr Jes. 44,22. Also unsere Sünden waren zur Strafe aufgeschrieben im Himmel. Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden, bittet der Prophet Ps. 51,11. Also stellet Gott unsere Missetat vor sich Ps. 90,9. Herr, kehre dich doch wieder zu uns, bittet Mose Ps. 90,14. Also die Sünden scheiden uns und unsern Gott von einander. Unsere Sünden antworten wider uns, klaget Jesaia 59,12. Also klagen sie uns an vor dem Richterstuhle der göttlichen Gerechtigkeit. Reinige mich von meiner Sünde, bittet David Ps. 51,4. Also die Sünde ist die hässlichste Unreinigkeit vor Gott. Heile meine Seele, denn an dir allein hab ich gesündiget, bittet derselbe Ps. 51,6. Also die Sünde ist eine Krankheit der Seele. Ich will den aus meinem Buche tilgen, der an mir sündiget, spricht der Herr 2 Mos. 32,33. Also um der Sünden willen werden wir aus dem Buche des Lebens getilgt. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, bittet der Psalmist Ps. 51,13. Also um der Sünden willen werden wir von Gott verworfen. Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir Ps. 51,13. Also durch die Sünden wird der heilige Geist aus dem Tempel des Herzens getrieben, wie die Bienen durch den Rauch, und die Tauben durch üblen Geruch verscheucht werden. Gib mir Freude und Wonne Ps. 51,10. Also die Sünden ängsten die Seele und saugen das Mark des Herzens aus. Das Land ist entheiliget von seinen Einwohnern, denn sie übergehen das Gesetz, ruft Jesaia 24,5. Also die Sünde ist ein ansteckendes Gift. Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, spricht der heilige Sänger Ps. 130,1. Also durch die Sünde werden wir hinunter gezogen zur Hölle. Ehedem waren wir tot in Sünden, spricht der Apostel Eph. 2,1. Also die Sünde ist der geistliche Tod der Seele. Durch die Sünde, die den Tod gebiert, verliert der Mensch Gott. Gott ist das unendliche und unbegreifliche Gut; Gott also verlieren ist das unendliche und unbegreifliche Übel. Wie Gott das höchste Gut, so ist die Sünde das höchste Übel. Züchtigungen und Trübsale sind keine wahren Übel, weil aus ihnen viel Gutes hervorgeht. Ja, weil sie selbst gut sind, so ist offenbar, dass sie vom höchsten Gute, von Gott nämlich, herrühren, von dem nichts kommen kann als Gutes; sie waren im höchsten Gut, nämlich in Christo; das höchste Gut aber ist nicht teilhaftig wahren Übels; sie führen auch zum höchsten Gut, nämlich zum ewigen Leben. Durch das, was er litt, ist Christus zu seiner Herrlichkeit eingegangen Luk. 24,26.; durch viel Trübsal müssen die Christen in das Reich Gottes gehen Ap. Gesch. 14,22. Das höchste Übel ist also die Sünde, weil sie vom höchsten Gute abziehet. Um wie viel du dich Gott nahest, um so viel entfernst du dich von der Sünde. Um wie viel du dich der Sünde nahest, um so viel weichst du von Gott. Wie heilsam ist also die Buße, die uns von der Sünde entfernet und uns zu Gott zurückführt! In Wahrheit die Sünde ist eben so groß, als der groß ist, der durch die Sünde beleidiget wird; den aber mögen Himmel und Erde nicht fassen. Wiederum aber ist auch die Buße so groß, als der groß ist, zu dem wir durch die Buße zurückkehren. Den Sünder klagt an das Gewissen, das er beschweret, der Schöpfer, den er beleidiget, das Vergehen, deß er sich schuldig gemacht, das Geschöpf, das er gemissbraucht, der Teufel, dem er Gehör gegeben hat. Wie heilsam die Buße, die von solchen Anklagen befreiet! Darum lasst uns eilen, eilen zu dem so gesegneten Heilmittel wider solche Krankheit! Wenn du erst im Tode Buße tuest, so verlässest du nicht die Sünden, sondern die Sünden verlassen dich. Du wirst kaum einen finden, der im Tode wahre Buße getan, außer jenem einzigen Schächer am Kreuze. Vierzehn Jahre habe ich dir gedient, sprach Jakob zu Laban 1 Mos. 31,41., es ist nun Zeit, dass ich für mein Haus sorge; und du, wenn du so viele Jahre der Welt und dem zeitlichen Leben gedienet hast, ist’s nicht billig, dass du anfangest für deine Seele zu sorgen? Unser Fleisch mehret Tag für Tag die Sünde, darum möge der heilige Geist Tag für Tag von derselben uns reinigen. Christus ist gestorben, auf dass die Sünde in uns stürbe, und wir wollen, dass das lebe und herrsche in unsern Herzen, was zu ertöten der Sohn Gottes selbst gestorben ist. Christus ziehet mit seiner Gnade nicht eher ein in das Herz eines Menschen, als bis Johannes der Täufer ihm den Weg bereitet durch die Buße. Gott schüttet das Öl seiner Erbarmung nur in ein gründlich gereinigtes Gefäß. Gott tötet zuerst durch Zerknirschung, um nachmals lebendig zu machen durch den Trost des heiligen Geistes; zuerst führet er in die Hölle durch ernsten Schmerz, um nachmals durch Mitteilung der Gnade herauszuführen aus der Hölle 1 Sam. 2,6. Elias hörete erst einen großen starken Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, und nach dem Winde ein Erdbeben, und nach dem Erdbeben ein Feuer; hernach aber kam ein stilles, sanftes Sausen 1 Kön. 19,11ff.: so auch gehet der Empfindung der göttlichen Liebe ein Schrecken, dem Troste eine Trübsal voraus. Gott verbindet deine Wunden nicht eher, als bis du sie erkennst und beweinst; er deckt nicht eher zu, als bis du deine Blöße offenbarest; er verzeiht nicht eher, als bis du anerkennst; er rechtfertiget nicht eher, als bis du dich verdammst; er tröstet nicht eher, als bis du alles Trostes dich entledigest. Solche Buße wirke Gott in uns durch den heiligen Geist!

 

(...)

6. TROST DES BUSSFERTIGEN IM LEIDEN CHRISTI.

(ZUMEIST NACH ANSELM.)

 

DAS KREUZ CHRISTI IST UNSERE KRONE.

 

Aller Ruhm der Frommen stehet in der Schmach des Leidens des Herrn. Alle Ruhe der Frommen stehet in den Wunden unsers Heilandes. Unser Leben in seinem Tode, unsere Herrlichkeit in seiner Erhöhung. Wie groß ist dein Erbarmen, himmlischer Vater, allmächtiger Gott! Aus eigener Macht habe ich’s vermocht dich zu beleidigen; aber in meiner Macht hat es nicht gestanden dich mir wieder freundlich zu stimmen, darum gewinnst du mich dir wieder in Christo. Siehe also an, heiliger Gott, das Opfer des Fleisches 1 Petr. 2,24, und vergib mir die Schuld meines Fleisches. Siehe an, was der liebe Sohn gelitten, und vergiss, was der böse Knecht getan hat. Mein Fleisch hat zum Zorne gereizt, das Fleisch Christi neige dich, ich flehe in Demut, zur Barmherzigkeit. Groß ist’s, was meine Gottlosigkeit verdient, aber viel größer, was die Treue meines Erlösers erworben hat. Groß ist meine Ungerechtigkeit, aber viel größer die Gerechtigkeit meines Erlösers. Denn so viel Gott höher ist als der Mensch, so viel ist meine Bosheit niedriger als seine Güte, wie der Art so der Menge nach. Alles, was ich bin, ist dein nach meinem Verhältnis zu dir: gib, dass auch alles dein sei nach meiner Liebe. Du heißest mich bitten, laß mich auch nehmen; du gestattest mir das Suchen, gewähre mir auch das Finden; du lehrest mich anklopfen, tue mir, dem Anklopfenden, auch auf Matth. 7,7. Von dir habe ich das Verlangen, ich möchte von dir auch das Erlangen haben; von dir habe ich das Wollen, ich möchte von dir auch das Vollbringen haben Phil. 2,13. Heiliger Gott, gerechter Richter, wenn meine Sünden verschwiegen werden, sind sie unheilbar Ps. 32,3; wenn sie offenbar werden, sind sie abscheulich, peinigen mich mit Schmerzen, schrecken mich aber noch mehr mit Furcht. Ach versage deine so gründliche Barmherzigkeit nicht, wo du so gründliches Elend siehest. Große Sünde findest du hier, laß deine Gnade noch größer und überströmender sein. Heiliger Vater, ich bitte dich, gieß nicht aus über mich deinen Zorn, da du um meiner Sünden willen deinen Sohn zerschlagen hast. Heiliger Jesu, befreie mich von dem göttlichen Zorne, der du denselben um meinetwillen auf dich genommen hast am Kreuze. Heiliger Geist, schirme mich mit deinem Troste wider den Zorn Gottes, der du im Evangelio den Bußfertigen und Geängsteten Erbarmen zugesaget hast. Heiliger Gott, gerechter Richter, ich finde keinen Ort, dahin ich fliehen möchte vor dem Angesichte deines Zornes. Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mir in die Hölle, siehe so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch daselbst deine Hand führen und deine Rechte mich halten. Ps. 139,8 - 10. Zu Christo will ich darum fliehen, und in seinen Wunden mich verbergen. O barmherziger Gott, siehe an den Leib deines Sohnes, mit Wunden allenthalben bedeckt, und die Wunden meiner Sünden wollest du nicht ansehen! Das Blut deines Sohnes wasche mich von allen Flecken meiner Sünden 1 Joh. 1,7! Höre sein heißestes Flehen, das er dir dargebracht hat für das Heil seiner Erwählten Joh. 17,9! Heiliger Gott, gerechter Richter, mich schreckt mein Leben, denn wird es gründlich nach allen Seiten hin untersucht, so wird entweder Sünde oder Unfruchtbarkeit offenbar; und wird etwa einige Frucht in ihm geschaut, so ist sie entweder reiner Trug, oder Unvollkommenheit, oder irgendwie mit Flecken behaftet, dass sie nichts kann als deinen Augen entweder nicht gefallen, oder geradehin missfallen. Ja, mein ganzes Leben ist Sünde und verdammenswert, oder unfruchtbar und der Achtung unwert. Aber was mache ich Unterschied zwischen dem unfruchtbaren und dem verdammenswerten? Ist es unfruchtbar, so ist es allewege auch verdammenswert; denn jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird in’s Feuer geworfen werden Matth. 3,10. Nicht bloß der Baum, welcher schlechte, sondern auch der, welcher keine Frucht bringt, wird dem Feuer übergeben. Mich schrecken die Böcke, die zur Linken des Richters gestellt werden Matth. 25,32, nicht weil sie Böses begangen, sondern weil sie nichts Gutes getan, die Hungernden nicht gespeist und die Durstenden nicht getränket haben. O dürres und unnützes und der ewigen Flammen wertes Holz! Was wirst du antworten an jenem Tage, wenn die ganze dir verliehene Lebenszeit bis zu dem Augenblicke von dir gefordert und darauf angesehen werden wird, wie sie von dir verwendet ist? Ein Haar vom Haupte wird nicht verloren gehen, und auch ein Augenblick nicht von der Zeit. O Bedrängnis über Bedrängnis! Hier werden sein die Sünden, die dich anklagen, dort die Gerechtigkeit, die dich schrecket; unter dir die Hölle, die mit ihren Martern sich auftut, über dir der Richter, der zürnt; in dir das Gewissen, das foltert, außer dir die Welt, die brennt. Der Gerechte wird kaum erhalten werden 1 Petr. 4,18: wohin wird der Sünder, der also in die Enge getrieben ist, sich wenden? Sich verbergen wird unmöglich, hervorgehen unerträglich sein. Woher also kommt meiner Seele Heil, woher Rat? Wer ist’s, der der Engel von großem Rat genannt wird? Jes. 9,6. Jesus ist es, der ist der Richter, unter dessen Händen ich zittere. Atme wieder auf, o Seele, dass du nicht verzagest! Hoffe auf den, vor dem du dich fürchtest; fliehe zu dem, von dem du dich weggewendet hast. Jesu Christe, um dieses deines Namens willen tue mir nach deinem Namen; siehe mich Elenden an, der ich deinen Namen anrufe. Wenn du mich in den so weiten Schoß deiner Barmherzigkeit wirst haben eingehen lassen, so wird er um meinetwillen nicht enger sein. Wahr ist es, o Herr, mein böses Gewissen hat die Verdammnis verdient, und meine Reue reicht nicht hin zur Genugtuung; aber es ist gewiss; dass deine Barmherzigkeit größer ist als alle Beleidigung. Auf dich, Herr, setze ich meine Zuversicht, ich werde nicht zu Schanden werden in Ewigkeit.