Die Demutspforte
Bethlehem Church of the Nativity entrance, Foto: Abraham, CC0, via Wikimedia Commons
Das Bild zeigt den Eingang zur Geburtskirche in Bethlehem. Seit Jahrhunderten pilgern Christen zu dieser heiligen Stätte. Und der Andrang ist entsprechend groß. Doch wie man sieht, wurde der Zugang bewusst erschwert. Denn der Rundbogen im Mauerwerk lässt noch erkennen, dass die Pforte einmal deutlich größer war. Man hat sie nachträglich so verkleinert, dass der Durchgang heute nur noch 1,20m hoch ist, und kein Erwachsener hineinkommt, ohne sich tief zu bücken. Die Gründe sind aber nicht ganz klar. Vielleicht war es so leichter, die Kirche bei einem Angriff zu verteidigen. Oder man wollte einfach verhindern, dass jemand Tiere mit hineinbringt. Besucher haben die verkleinerte Pforte aber oft als Botschaft verstanden. Denn so niedrig, wie sie ist, kann niemand „erhobenen Hauptes“ hineinstolzieren oder gar „hoch zu Ross“ hineinreiten. Egal, welcher Würdenträger da kommt – Präsident, General, König, Papst – wer hinein will, muss sich bücken. Denn nur mit gebeugtem Haupt hat man Zugang zum Heiligen. Wer zu stolz ist, um sich vor dem Heiligen zu verneigen, muss draußen bleiben. Und so ist diese Tür auch als „Demutspforte“ bekannt. M.a.W.: Wer die Kirche als Ort des Heiligen betreten will, wird gefragt, ob er dafür klein genug ist. Gewöhnlich kennen wir die Frage andersherum. Denn ein Kind wird immer mal gefragt, ob es für dies und das „schon groß genug“ ist. Das Kind stellt sich dann auf Zehenspitzen, um möglichst groß zu wirken. Doch in der Christenheit läuft es andersherum. Da erkennt man Reife nicht am stolz erhobenen Haupt, sondern daran, dass der Mensch in den eigenen Augen immer kleiner wird. Je weiter er im Glauben vorankommt, desto weniger erwartet er von sich selbst – und umso mehr von Gott. Je tiefer er sich selbst erkennt, desto weniger setzt er auf die eigene Leistung – und umso mehr auf Gottes Gnade. So einer pocht am Ende gar nicht mehr auf Rechte, sondern bittet nur noch um Erbarmen. Er fordert nicht mehr, sondern vertraut. Denn in Wahrheit ist die Himmelspforte so niedrig, dass nur Demütige hindurchkommen. Die Aufgeblasenen mit dem großen „Ego“ im Gepäck, sind für den Himmel nicht klein genug. Und wenn sie mit stolzgeschwellter Brust Ansprüche anmelden, bleiben sie draußen. Jenen hingegen, die sich gescheitert wissen, jene, die mit leeren Händen zu Gott kommen, um bescheiden anzuklopfen und zu erbitten, was sie nicht verdienen – denen gewährt der Himmel Asyl. Wo stehen wir also? Und worauf haben wir es abgesehen? Denken wir noch, der Himmel sollte uns einen roten Teppich ausrollen und uns zu Ehrenplätzen geleiten, weil wir an Verdiensten so reich sind? Oder sind wir in den eigenen Augen klein und arm genug, um durch die Demutspforte zu schlüpfen und mit jedem Platz Vorlieb zu nehmen, den man uns anweist? Versuchen wir noch Gott zu imponieren? Oder haben wir das als anmaßend erkannt und eingestellt? Ein Kind braucht viele Jahre, bis es (leiblich) groß genug ist, um als erwachsen zu gelten. Der Erwachsene braucht aber noch einmal viele Jahre, bis er (geistlich) klein genug ist, um durch die Demutspforte zu passen. Es ist auch oft kein freiwilliger Schrumpfungsprozess! Aber er bringt uns der Wahrheit näher. Und anders kommen wir nie dort hinein, wo das Heilige auf uns wartet.