Neid
Es gibt ein Gefühl, das jeder kennt, obwohl es keiner so recht zugeben will. Und dies verleugnete, etwas peinliche Gefühl ist der Neid. „Ach was“, sagen die meisten, „ich bin doch nicht neidisch, das hab‘ ich doch gar nicht nötig!“ Und trotzdem – so im Stillen wurmt es uns, wenn ein anderer den Posten ergattert, den wir gern gehabt hätten, oder die Weltreise macht, die wir uns nicht leisten können. Das mit dem Neid beginnt schon in der Schule, wenn der Nebenmann immer viel bessere Noten bekommt. Und natürlich beneiden die eher Unscheinbaren die Sportlichen und Schönen. Es gibt nun mal Begabte und Unbegabte, Arme und Reiche, Hübsche und Hässliche. Da ist es nicht zu vermeiden, dass man an sich selbst Defizite bemerkt. Und gleich malt man sich aus, wie glücklich man sein könnte, wenn man hätte, was der andere hat. Sehen wir ihn vom Schicksal bevorzugt, gibt uns das einen Stich ins Herz. Denn die Zurücksetzung, das „im Schatten stehen“, scheint uns nicht gerecht. Wir wollen auch selbst glänzen, wollen Tore schießen und bejubelt werden! Man denkt doch, man hätte es verdient! Und der giftige Stachel der Missgunst, die Verbitterung darüber, dass wir „zu kurz kommen“, wird dann zur Wurzel des Neides. Neid ist der Hass auf das Gute, das mir ein anderer voraus hat. Er ist „die Unlust über die Vorzüge oder das Wohlergehen anderer“ (F. Kirchner). Er ist der Hang, das Wohl dieser anderen mit Schmerzen wahrzunehmen, bzw. der Unwille, das eigene Wohl durch fremdes Wohl in den Schatten gestellt zu sehen (I. Kant). Häufig überspielen wir dieses Gefühl, tun ganz locker und sagen, man müsse auch „gönnen können“! Doch der Hang zum Neid ist im Menschen tief verwurzelt – und zeigt schon in den biblischen Berichten vielfach böse Wirkung. Denn warum sonst wäre Satan, dieser gut geschaffene Engel, von Gott abgefallen, wenn nicht aus Neid? Trotz seiner großen Kraft und Herrlichkeit konnte er‘s nicht ertragen, dass Gott ihm immer noch die Gottheit voraus hatte. Und als er sich rebellierend gegen seinen Schöpfer kehrte und verstoßen wurde, da konnte er‘s wiederum den Menschen nicht gönnen, dass sie nach wie vor mit Gott in Gemeinschaft standen. Darum pflanzte er Adam und Eva denselben Neid ins Herz, der schon sein eigenes Verhängnis war, und zog sie in seinen Untergang hinein, damit auch der Mensch der Seligkeit verlustig ginge – und ihm diesbezüglich nichts voraus habe (1. Mose 3,1-6; Weish 2,24). Kain erschlägt dann aus Neid den Abel, weil Abels Opfer freundlicher aufgenommen wird als seins (1. Mose 4,1-16). Und Neid treibt die Söhne Jakobs, den vom Vater bevorzugten Bruder Joseph nach Ägypten zu verkaufen (1. Mose 37,3-4.11). Die „Rotte Korach“ neidet Mose die von Gott anvertraute Leitungsfunktion (4. Mose 16,1ff.). Und auch Mirjam missgönnt ihrem Bruder seine Vorrangstellung (4. Mose 12,1-16). Weil Davids Heldentaten lauter bejubelt werden als die von König Saul, entbrennt Sauls Eifersucht (1. Sam 18,5-11). Absalom möchte auf seines Vaters Thron gelangen, indem er die Gunst des Volkes stiehlt (2. Sam 15,1-6). Und später neidet König Ahab dem Nabot seinen Weinberg und bringt ihn unrechtmäßig in seinen Besitz (1. Kön 21,1-29). Missgunst ist ein zentrales Thema in der Geschichte vom „verlorenen Sohn“, weil der ältere Bruder dem jüngeren den freundlichen Empfang nicht gönnt (Lk 15,25-32). Um Neid geht es im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, weil es die am Nachmittag Eingestellten leichter haben, ihren Tageslohn zu verdienen, als jene, die schon am Morgen engagiert wurden (Mt 20,1-16). Und auch in der Leidensgeschichte Jesu spielt Neid eine wichtige Rolle, weil ihm die Priester und Pharisäer den großen Zulauf des Volkes nicht gönnen. Anders als die Schriftgelehrten predigt Jesus mit Vollmacht (Mt 7,29), die Menschen strömen ihm zu, seine Taten wecken Begeisterung (Joh 11,46-48; 12,19). Und Jesus weiß sehr gut, dass ihn seine Feinde aus Neid zum Tod überantworten (Mt 27,18). Was ist das also für ein merkwürdiges Gefühl, von dem keiner zugeben will, dass er es kennt, und das doch so viel Böses wirkt? Neid ist der Hass auf das Gute, das mir ein anderer voraus hat. Und der Neid hasst dieses Gute aus dem einzigen Grund, dass es nicht mein eigenes ist. Umgekehrt liebt er aber das Schlechte, sobald es einem anderen widerfährt. Und er liebt es aus dem einzigen Grund, dass es eben den andern trifft. Das Glück anderer Menschen betrübt den Neider, doch über ihren Schaden kann er sich freuen. Und der Ursprung dieser Gesinnung ist nicht schwer zu erraten. Denn der Neider denkt stets in Kategorien der Konkurrenz – und kann nicht mehr anders denken. Er versteht das Leben insgesamt als einen großen Wettbewerb, in dem es gilt, andere Menschen an Besitz, Macht, Klugheit oder Ansehen zu übertreffen. Der Neider bestimmt seine Position in der Rangfolge durch ständiges Vergleichen. Und dann folgt er der Logik eines Autorennens oder eines anderen Wettbewerbs, in dem man alles gut findet, was die Konkurrenten bremst – oder den eigenen Wagen beschleunigt nach vorne bringt. Weil der Neider in Kategorien der Konkurrenz denkt, empfindet er den Vorteil eines anderen als Nachteil für sich selbst, während er den Nachteil des anderen für sich als Vorteil wertet. Und das macht es ihm unmöglich, sich mit anderen zu freuen – oder mitfühlend mit ihnen zu trauern. Denn er unterstellt immer, dass der Gewinn des Nebenmanns auf seine Kosten geht, wie er auch meint, selbst nur auf Kosten des anderen gewinnen zu können. Und das macht den Neidischen zu einem sehr einsamen Menschen. Nur dort ist er zur Gemeinschaft fähig, wo er in der Solidarität einer angeblich benachteiligten Gruppe die Mitglieder einer angeblich bevorzugten Gruppe hassen kann. Da fühlt er sich allen verbunden, die mit ihm gemeinsam „zu kurz kommen“. Sonst ist er aber keine angenehme Gesellschaft, weil er fremde Erfolge herabsetzt, fremde Leistungen madig macht und fremdes Glück zu trüben versucht. Gern hört er Berichte von den Fehlleistungen seiner Mitmenschen. Vollbringt aber jemand Großes, kann er seine Verbitterung kaum verbergen. Sich ständig vergleichend ist der Neider selten zufrieden. Und nichts ist ihm „genug“, solang ein anderer „mehr“ hat. Vielleicht baut er sich ein Haus und legt einen schönen Garten an. Doch wenn der Nachbar ein größeres Haus baut, mit einem noch tolleren Garten, ist sein Seelenfrieden dahin. Ja, warum denn? – könnte man fragen. Sein eigenes Haus ist doch nicht schlechter geworden, und der Erholungswert seines Gartens nicht geschmälert. Alles erfüllt nach wie vor seinen Zweck! Aber eben das ist die Krankheit des Neidischen, dass er das ihm Gegebene nicht an realen Bedürfnissen misst und Dinge nicht um ihrer Qualitäten willen schätzt, sondern sie bloß braucht, um im Vergleich mit anderen besser dazustehen. Nur im Überbieten findet er Bestätigung. Und er hätte nicht das Gefühl etwas zu gelten, wenn er nicht weiter spuckte, lauter lachte und schlauer redete als andere. Selbst an den Äpfeln seines Gartens hat er keine Freude, wenn die Äpfel des Nachbarn einen Tick größer oder grüner sind! Und das heißt – der neidische Mensch ist wirklich arm dran. Er muss immer irgendwen unter sich oder hinter sich lassen, um sich gut zu fühlen. Er misst das ihm Gegebene nicht an seinem Bedarf, sondern an dem, was andere haben. So schmälern ihm dann die Vorzüge fremder Frauen die Freude an der eigenen. Und die Lust am Singen vergeht ihm einfach nur, weil‘s ein anderer besser kann. Zufrieden ist er, wenn er zu gleichem Glanz aufsteigt, oder wenn der andere verliert, was er ihm voraus hat. Gelingt aber weder dies noch das, nimmt er das Wohl der anderen mit Schmerzen wahr und leidet unter fremdem Glück. Statt das Gute zu genießen, das er hat, fragt er, ob’s anderen noch besser geht. Und natürlich findet er auf diese Weise keinen Frieden. Denn er mag so schön und reich sein, wie er will – ist es ein anderer in noch höherem Grade, ist ihm die Freude verdorben. Wahrlich, das sind die hässlichen Gefühle einer hässlichen Seele, die sich durch das stetige Vergleichen selbst unglücklich macht! Aber wir müssen darauf achten, den unseligen Neid von anderen Gefühlen zu unterscheiden, die nicht gleichermaßen verwerflich sind. Denn nur weil ein Mensch erstrebt, was ein anderer hat, ist er noch nicht „neidisch“ zu nennen – und nicht jeder, der etwas begehrt, ist darum schon zerfressen vom „Geist der Konkurrenz“. Wir dürfen da nicht alle in einen Topf werfen. Denn wenn ein Mensch wirklich arm ist und sieht, wie der Nachbar mit einem kleinen Geschäft seine Familie ernährt – wer würde dem „Neid“ vorwerfen, wenn er nun auch gern ein Geschäft hätte? Es geht ihm ja gar nicht um die Konkurrenz mit dem Nachbarn, dem er sein Einkommen sehr wohl gönnt. Der arme Mann will nur eben seine Kinder kleiden und ernähren können! Sein Maßstab ist nicht irgendein Vergleich, sondern der realer Bedarf. Darum hätte er gern ein Geschäft und beginnt dafür zu arbeiten. Und das ist kein „Neid“, wie die Gegenprobe zeigt. Denn anders als einen Neider würde es den armen Mann ja nicht mit Befriedigung erfüllen, wenn der Nachbar morgen sein Geschäft verlöre und dann genauso arm wäre wie er selbst. Nein, was hätte er davon? Was würde es ihm helfen, da Konkurrenz doch gar nicht sein Thema ist? Das Gleiche gilt übrigens, wenn ein Schüler die Kunst des Lehrers erstrebt, oder ein Geselle sich die Fertigkeiten seines Meisters aneignen möchte. Auch von denen gilt zwar, dass sie „haben wollen, was ein anderer hat“. Doch wenn die Bewunderung für das, was ihr Vorbild kann, den persönlichen Ehrgeiz weckt und sie anspornt fleißig zu üben, dann ist das kein „Neid“, sondern den Meister nachahmend machen sie ihm das schönste Kompliment! Sie sagen: „Ach, könnte ich nur so malen, tanzen oder schreiben, könnte ich so Klavier spielen oder so mit dem Schmiedehammer umgehen – das wär’s!“ Sie begehren, was ihr Vorbild hat und kann. Aber es wäre nicht fair, das „Neid“ zu nennen. Denn in der Bewunderung für den Meister steckt keine Missgunst. Und die Gegenprobe zeigt das. Denn der Schüler träumt zwar davon, in seiner Kunst auf das Niveau des Vorbilds „hinaufzukommen“. Aber wenn es dadurch gelänge, dass das Vorbild seine Fähigkeiten durch Alter oder Krankheit einbüßte, würde der auf diesem Weg erzielte „Gleichstand“ den Schüler nicht mit Befriedigung erfüllen, sondern mit Bedauern. Das bloße „Streben nach dem, was ein anderer hat“ reicht also nicht aus, um den Neid zu definieren, wenn nicht die Missgunst hinzukommt und der Wunsch, andere in den Schatten zu stellen. Neid ist nicht einfach das Streben nach dem Guten, das ich bei anderen sehe, sondern der Zorn darüber, dass mir überhaupt jemand Guten voraus hat. Neid ist „Unlust über die Vorzüge oder das Wohlergehen anderer“. Der Neider meint nicht, dass man im Leben dann und wann mit anderen konkurrieren muss, sondern er verallgemeinert das: Er denkt, das Leben sei insgesamt ein Wettbewerb – und eben das mache Sinn und Ziel des Lebens aus, dass man sich im „Ranking“ gut platziert. Dementsprechend wertet der Neider den Vorteil des Konkurrenten als Nachteil für sich selbst – und umgekehrt. Doch wie kommt man zu so einem Weltbild? Und warum ist es so verbreitet? Warum beglückt es uns, anderen überlegen zu sein? Ist das wirklich so selbstverständlich, wie es uns vorkommt? Von Diogenes wird erzählt, dass er auf der Straße einen jungen Mann traf, der vor Freude strahlte. „Warum freust du dich?“ fragte Diogenes. Und der junge Mann antwortete stolz: „Ich habe den Sieg bei der Olympiade errungen, ich habe alle Mitstreiter besiegt!“ Diogenes aber war wenig beeindruckt und erwiderte: „Was für eine Ehre ist es, Schwächere zu besiegen?“ Der junge Sportler hat den Einwand wahrscheinlich nicht verstanden. Aber Diogenes meint die Frage ernst. Warum soll es eine Ehre oder eine Freude sein, im Wettkampf zu demonstrieren, dass die anderen schwächer sind? Wenn der Stärkere den Schwächeren unterläge, hätte er doch wohl etwas falsch gemacht! Man kann vom Stärkeren erwarten, dass er gewinnt. Und erstaunlich wäre nur der umgekehrte Fall, wenn der Schwächere über den Stärkeren siegte. Aber damit wäre dann nur bewiesen, dass der Schwächere in Wahrheit der Stärkere war. Und warum sollte ihn das freuen? Was ist ehrenhaft daran, wenn der mit den schnellsten Beinen als erster ins Ziel kommt? Und warum macht es ihn stolz, Menschen zu überbieten, die sportlich weniger begabt sind? Was kann denn einer für die ihm von Gott mitgegebenen Möglichkeiten und Grenzen? Hat er sich etwa selbst gemacht? Wenn aber nicht – warum prahlt er dann mit Begabungen, die ihm sein Schöpfer schenkte? Hätte ich eine Stimme wie Caruso, wollte ich auch singen wie Caruso. Und hätte ich Einsteins großen Verstand, würde ich ebenso große Forschung betreiben. Wäre mir Rembrandts Genie gegeben, könnte ich auch so herrlich malen. Und mit Shakespeares Talent fiele es mir nicht schwer, ebensolche Stücke zu schreiben. Hätte ich Adleraugen, bräuchte ich keine Brille. Wäre ich schnell wie ein Windhund, bräuchte ich kein Fahrrad. Und hätte Gott mich zum Bären gemacht, wäre ich stärker als ein Hase. Das alles ist ebenso wahr wie banal! Aber was besagt es schon – außer, dass wir verschieden sind? Besagt es etwa, dass der Adler mehr wert ist als der Bär, oder dass Einstein sich schämen muss, weil er nicht Shakespeare war? Soll ich mich bei Gott beschweren, weil er die Rolle Carusos an Caruso vergeben hat? Oder wird Gott mir vorwerfen, dass ich kein Windhund war? Bei all dem Vergleichen kommt nur Blödsinn heraus! Jeder von uns soll tun, was er kann, und wer viel kann, soll auch viel tun – das ist er den anderen schuldig. Aber mit einer großen Begabung die minder Begabten in den Schatten zu stellen, ist keine Kunst und ist auch nicht ehrenvoll. Denn niemand hat sich mit seinen Talenten selbst erschaffen oder selbst begabt. Gott ist Herr über unsere Möglichkeiten und Grenzen. Und wenn er jemand mit geistigen oder körperlichen Gaben reichlich ausgestattet hat, dann sind das Geschenke, für die man doch sinnigerweise nicht den Beschenkten lobt, sondern den Spender, der sie so großzügig gegeben hat. Wenn Applaus angebracht ist, dann gebührt er Gott! Welchen Sinn hat also das ewige Vergleichen und Überbieten, dieses verkniffene Denken in Kategorien des Wettbewerbs und der Konkurrenz? Haben wir nicht am Neider gesehen, wie ihn das einsam und hässlich macht? Gott selbst ist der Ursprung aller Ungleichheiten, weil er die Menschen so bunt verschieden macht. Doch er schafft nicht Ungleichheiten, damit einer den anderen beneiden muss, während dieser prahlen kann. Sondern Gott schafft uns verschieden, damit wir Gelegenheit haben, einander freundlich zu ergänzen, zu kooperieren und einander mit unseren vielfältigen Gaben zu helfen und zu dienen. Und so ist die von Gott gebotene Liebe in jeder Hinsicht das Gegenteil des Neids und zugleich die rechte Antwort auf alle Neidereien, weil die Liebe das Gute, das einem anderen widerfährt, mit Freude sieht und es ihm von Herzen gönnt. Die Liebe ist nicht schadenfroh, sondern mitfühlend. Sie freut sich nicht an Siegen, die auf Kosten anderer errungen werden. Und die Liebe vergleicht auch keine „Leistungen“. Sie veranstaltet kein „Wettrennen“, bei dem jemand auf der Strecke bleibt. Und sie zeigt nicht mit dem Finger auf die abgehängten Verlierer. Sondern die Liebe freut sich mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden (Röm 12,15). Der Neid kann das nicht verstehen – er will dem anderen sein Gutes nehmen. Die Liebe dagegen will dem, der nichts hat, Gutes schenken. Der Neid will allen Applaus für sich. Die Liebe dagegen spendet ihr Lob gern den anderen. Der Neid ist stets gekränkt und verbittert. Die Liebe dagegen ist langmütig und freundlich. Und während der Neid verzweifelt „das Seine“ sucht (von dem er meint, dass die Welt es ihm schuldig sei), sucht die Liebe gerade nicht „das Ihre“ und fordert auch gar nichts (1. Kor 13,4-7). Sie will nichts „von“ dem anderen, sondern will alles Gute „für“ den anderen. Und so ist die Liebe das beste Gegenmittel gegen den Neid – und trägt den Frieden in sich, der dem Neidischen fehlt. Denn während der sich vergeblich müht, die eigene Geltung sicherzustellen durch überlegenes Haben, Können und Wissen, überlässt die Liebe das Gott. Nicht Christen setzen ihre Geltung durch – mit Hilfe irgendwelcher Leistungen. Sondern Christus setzt unsere Geltung durch – mit dem, was er am Kreuz für uns geleistet hat. Und das Problem der Konkurrenz, an dem sich der Neidische abarbeitet, plagt uns darum nicht mehr. Die uns umfangende Liebe Gottes hat es für uns gelöst. Denn als Christen müssen wir unseren Wert nicht an unserer Platzierung innerhalb einer menschlichen „Vergleichsgruppe“ bemessen, sondern bemessen unseren Wert an der Mühe, die Gott es sich hat kosten lassen, uns zu erlösen. Und damit sind wir auf einen Schlag aller Konkurrenz enthoben und in den Stand der Gotteskindschaft versetzt. Denn christliches „Selbstwertgefühl“ stammt nicht aus dem Vergleich mit anderen Menschen, sondern allein aus der von Gott zugesagten Gnade. Wir müssen da nicht erst an einem Wettrennen teilnehmen. Christus hat längst für uns gesiegt. Und das macht uns frei, uns an den Erfolgen anderer neidlos zu freuen, weil wir durch ihren Vorteil kein bisschen schlechter dastehen – und durch ihren Nachteil nicht besser. So ist der Satz völlig richtig: „Man muss auch gönnen können“! Doch niemandem wird das so leicht gemacht, wie gerade Christen. Denn Christus hat vor uns den großen Schatz seiner Gnade aufgetan – Gott selbst ist unser Ruhm, unser Sieg, unsre Ehre! – und mit ihm beschenkt laufen wir nun „außer Konkurrenz“. Wir wünschten aber sehr, dass auch alle anderen Anteil bekämen am Reichtum der Gnade und darin ihren Frieden fänden. Denn es ist ein Jammer, mit anzusehen, wie so viele sinnlos um das Falsche konkurrieren und sich an falschen Maßstäben messen. Bitten wir also Gott, den Neid nicht nur in uns, sondern in allen Menschen zu überwinden – und das hässliche Geschwür zu entfernen, das an so vielen Herzen nagt.
Bild am Seitenanfang: Kains und Abels Opfer
Bilderbibel von Julius Schnorr von Carolsfeld (private Bilddatei)