Chemnitz - Vom Glauben

 

 VOM GLAUBEN.

 

WAS IST DENN EIN SOLCHER GLAUBE, DER DA LAUT DER SCHRIFT GERECHT MACHT? 

Einfältig kann mans gemeinen Leuten erklären: wir sollen allem Wort, das Gott gegeben und offenbaret hat, glauben; aber der Glaube, der da gerecht machet, hat ein eigenes, sonderliches objectum (Anm.: Gegenstand), das er in der ganzen Schrift suchet, das er ergreift, darauf er siehet, daran er sich hält, nämlich Christum, als unsern Mittler und Erlöser, und die Verheißung der Gnaden um Christus willen, Röm. 3 und 4, Gal. 3. An dasselbige objectum aber hält sich der Glaube also, dass er erstlich aus Gottes Wort erkennet die Person, Amt, Verdienst und Wohltaten Christi und die Verheißung der Gnaden um Christus willen, dass er das alles für wahr, fest und gewiss hält, Eph. 1 und 4. Kol. 2. – Zum andern ergreift der Glaube dies alles nicht schlecht wie eine Historie, oder dass es insgemein hin also wahr sei, sondern er fasset und schließt dich für deine Person insonderheit mit in die gemeine Verheißung, also dass du Christum mit allen seinen Wohltaten, so dir der Vater im Wort und Sakramenten vorstellet, reichet und gibt, mit herzlichem Begehr, Verlangen, Vertrauen und Zuversicht für deine Person ergreifest und annehmest und also dich daran hältst, dass du dein Vertrauen und Zuversicht, ob es gleich oft in schwerer Anfechtung und großer Schwachheit geschieht, darauf setzest, dass Gott dir für deine Person um Christus willen deine Sünde vergebe, dich zu Gnaden annehme und dich mache zu seinem Kinde und Erben des ewigen Lebens. Joh. 1 und 3. Röm. 1. 3. 4. 5. 8.10. 1 Tim. 1. Matth. 9. Luk. 7. 

 

WENN NUN EIN SICHERER EPICURÄER OHNE BUßE VORSÄTZLICH IN SÜNDEN VERHARRET UND SCHÖPFET IHM DEN WAHN, GOTT WERDE IHM GLEICHWOHL GNÄDIG SEIN UND DAS EWIGE LEBEN GEBEN: IST DENN DAS EIN RECHTER SELIGMACHENDER GLAUBE? 

Nein; denn der Glaube ist nicht ein solcher Wahn, es sei unserm Herrn Gott gleich, es bleibe einer in Sünden oder stehe davon ab, es sei einem die Sünde lieb oder leid. Auch suchet der Glaube das nicht in Christo, dass er sicher und frei ohne alle Furcht und Scheu in Sünden möge bleiben und fortfahren, wie droben von der Buße aus der Schrift beweiset. Sondern des rechten Glaubens Art und Eigenschaft kennet und merket man daran, wenn das Herz seine Sünde erkennet, also dass es sich vor Gottes Zorn, den es mit der Sünde verdienet hat, fürchtet, und derhalben ihm nun bei der Sünde nicht wohl, sondern angst und bange ist, dass er nicht möge verloren werden; wenn in solcher Buße der Glaube sich umsiehet nach Christo, bittet, flehet, hoffet und trauet, dass ihm Gott um Christus willen, wolle gnädig sein etc.: das ist das rechte Merkzeichen eines wahren, seligmachenden Glaubens. Jes. 61. 66. Matth. 9. 

 

WIE DENN, WENN EINER SICH DES GLAUBENS RÜHMET, VERACHTET ABER DAS WORT UND DIE SAKRAMENTE? 

Da fehlets abermal; denn wer Christum ergreifen will, der muss wissen, wo er ihn suchen solle und finden könne. Item, wenn der Glaube als unsere Hand etwas von Gott empfangen soll, so muss ers nicht aus der Luft ergreifen, sondern muss es suchen und nehmen aus Gottes Hand, damit er uns seine Fülle anbeut, vorträgt und darreicht; denn durchs Wort des Evangelii und durch die Sakramente will Gott in diesem Artikel mit uns handeln. Röm. 10. Tit. 3.

 

KANN EIN MENSCH AUS SEINEN EIGENEN KRÄFTEN UND VERMÖGEN ZU SOLCHEM GLAUBEN KOMMEN? 

Nein; denn der Glaube ist nicht eines Jedermanns, 2 Thess. 3, sondern ist eine Gabe Gottes, Phil. 1, nicht aus uns, Eph. 2. Denn wir sind von Natur Toren und träges Herzens zu glauben, Luk. 24. Gott aber muss das Herz und den Verstand eröffnen, erleuchten und darin dann den Glauben anzünden, Luk. 24. Act. 16. 2 Kor. 4. Eph. 1. Denn dass wir glauben, geschieht nicht aus unsern Kräften, sondern nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke. Eph. 1. 

 

TUT, SCHAFFET UND WIRKET DENN DER VERSTAND, HERZ UND WILLE DES MENSCHEN GAR NICHTS IM HANDEL UND ÜBUNG DES GLAUBENS? 

Der natürliche Verstand, Herz und Wille des Menschen, so vom H. Geist nicht erleuchtet ist, kann zum rechten Glauben nichts helfen, schaffen oder wirken, 1 Kor. 2. 2 Kor. 4. Deut. 29, ja ist dem stracks zuwider, Luk. 24. 1 Kor. 2, 2 Kor. 4, und muss gefangen genommen werden, 2 Kor. 10. Und dennoch muss der Glaube sein ein Licht und Bewegung im Verstande, Herzen und Willen des Menschen, dadurch er die Verheißung der Gnaden ergreife und ihm appliciere. Aber solches hat er nicht von und aus ihm selbst, kann auch aus seinen Kräften solches nicht zuwege bringen, sondern es ist eine sonderliche Gabe Gottes, die er durch die Kraft seines Geistes im Verstande, Herzen und Willen des Menschen wirket. 

 

WIE UND WODURCH WILL DENN GOTT DEN GLAUBEN IN UNS WIRKEN UND ANZÜNDEN?

Nicht ohne Mittel, dass wir im Winkel sitzen sollen und warten auf sonderliche Erleuchtung ohne und außer dem Wort und Sakramenten; sondern Gott hat dazu ein sonderliches Mittel verordnet, das da soll ein Amt und Werkzeug sein des H. Geistes, nämlich die Predigt, das Gehör und die Betrachtung des Worts, Röm. 10. 2 Kor. 3. Ps. 119. Denn dadurch will Gott in den Menschen wirken und kräftig sein, den Verstand erleuchten, das Herz eröffnen, dass also und dadurch der Glaube in uns durch den H. Geist gewirket und angezündet werde. Luk. 24. Act. 16. 2 Kor. 3. Phil. 2. 1 Kor. 3. Joh. 1. 

 

WEIL NUN DER GLAUBE SO EINE KÖSTLICHE GABE GOTTES UND SOLCHE HERRLICHE TUGEND IST, MACHET ER DENN DADURCH GERECHT? 

Nein; denn der Glaube bringet oder stellet vor Gott keine Werke oder Tugend zur Rechtfertigung, Röm. 4, ja er bekennet seine Schwachheit und Unvollkommenheit, Mark. 9, Luk. 17; sondern Christum mit seinem Verdienste und Gottes Gnade in Christo, ohne Zutun unser Werk und Verdienst, bringet und stellet er vor Gott zur Rechtfertigung, Röm. 3. 4. 10, und also, darum und dadurch rechtfertiget der Glaube, weil er Christum, der unsere Versöhnung und Gerechtigkeit ist, ergreifet und an dem sich hält. 

 

WARUM LEGET DENN DIE SCHRIFT DEM GLAUBEN DIE RECHTFERTIGUNG ZU? 

Erstlich, dass sie anzeige, dass wir unsere Rechtfertigung nicht auf uns oder unsere Werke setzen sollen, sondern dass wir ohne Verdienst und Zutun unserer Werke, lauter aus Gnaden, allein um Christus willen, durch den Glauben gerecht werden, auf dass die Verheißung fest sei; denn das heißt Paulus durch den Glauben gerecht werden, Röm. 4 und 10. Zum andern, weil die Verheißung muss applizieret und angenommen werden, dass wir gewiss sein mögen, wie, wann und wodurch sie uns applizieret werde, dass sie unser sei und wir uns der fröhlich mögen zu trösten haben, nämlich durch den Glauben. Röm. 5. Eph. 3.

 

IST ES AUCH RECHT GEREDET, DASS WIR ALLEIN DURCH DEN GLAUBEN GERECHT WERDEN? 

Ja; denn die Schrift brauchet und setzet mit allem Fleiß bei dem Artikel der Rechtfertigung die particulas exclusivas (Anm.: die ausschließenden Wörtlein), und alle exclusivae particulae, so die Schrift gebrauchet, als: „aus Gnaden“, Röm. 3, Eph. 2, „nach seiner Gnade und Barmherzigkeit“, 2 Tim. 1. Tit. 3, „ohn Verdienst“, Röm. 3, „nicht auf uns und unsern Werken“, Röm. 3, „ohne Gesetz und Werk“, Röm. 3. 4, werden fein einfältig und klar begriffen und erkläret in der Proposition, die fast bei allen Patribus (Anm.: Vätern) im Brauch gewesen: „Sola fide justificamur, allein durch den Glauben werden wir gerecht.“ 

 

WENN PAULUS DIE WERKE DES GESETZES VON DER RECHTFERTIGUNG AUSSCHLIEßT, MEINET ER ALLEIN DIE LEVITISCHEN ZEREMONIEN ODER DIE WERKE, SO OHNE GEIST UND GLAUBEN GESCHEHEN? 

Paulus redet vom ganzen Gesetze, und sonderlich von den Werken der Zehn Gebote, Röm. 3. 7. Gal. 3, und begreift auch die Werke der Gläubigen, wie solches klar ist Röm. 4. 1 Kor. 4, etc.

 

MACHET DENN EIN SOLCHER GLAUBE GERECHT, DER DA IST OHNE BUßE, OHNE GUTEN VORSATZ UND OHNE FOLGENDE GUTE WERKE? 

Nein; denn wo keine Buße ist, sondern bleibet ein böser Vorsatz, in Sünden zu verharren, da kann auch kein rechter Glaube sein, und wenn der Glaube nicht tätig ist durch die Liebe, sondern bleibet ohne gute Werke, so ist er ein gefärbter, toter Glaube. 1 Tim. 1. Jak. 2. 1 Tim. 5. 2 Petr. 1. 

 

WAS WIRD DENN DURCH DIE PARTICULAS EXCLUSIVAS AUSGESCHLOSSEN? 

Erstlich, dass weder Buße, noch guter Vorsatz, noch Neuerung, Tugend oder gute Werke das Verdienst oder die Ursache seien unserer Rechtfertigung oder Versöhnung, sondern das Verdienst sei allein Christi und die Ursache allein lauter Gnade Gottes um Christi willen. Zum andern, dass wir solches ergreifen, uns applicieren, annehmen und empfangen nicht durch einig Werk, sondern dass allein der Glaube zu solchem Mittel und Werkzeug von Gott verordnet sei. Zum dritten, dass unsere Rechtfertigung und Versöhnung nicht stehe auf unsere Erneuerung, Heiligung, Tugend oder gute Werke, sondern allein auf gnädiger Verzeihung der Sünde um Christi willen, den wir allein durch den Glauben ergreifen, Röm. 4. Nostra enim bona opera non ingrediuntur circulum, articulum seu actum justificationis, sed ibi sola gratia, solus Christus, sola fides, sola remissio peccatorum regnant (Anm.: denn unsere guten Werke haben in dem Cirkel, dem Artikel oder Handel der Rechtfertigung nichts zu schaffen, sondern da regiert allein Christus, allein der Glaube, allein die Vergebung der Sünden). Also ist ein wahrer, lebendiger Glaube nicht ohne gute Werke, und gleichwohl macht er gerecht ohne Werke. 

 

KANN DER ARTIKEL DER RECHTFERTIGUNG AUCH GELEHRET WERDEN OHNE DIE PARTICULAS EXCLUSIVAS? 

Paulus, wenn er den Grund leget und wider die falschen Lehrer streitet, braucht und treibet er immer die particulas exclusivas, und zeiget damit an, dass der Artikel der Rechtfertigung nicht könne rein behalten werden, wo man die particulas exclusivas fallen lässt und hinweg tut. Auf dass nun Christo und der Gnade Gottes seine gebührliche Ehre gegeben werde, die Gewissen einen beständigen Trost haben und behalten mögen, das Gesetz und Evangelium klar unterschieden bleibe und das Gebet einen freudigen Zutritt zu Gott haben möge, um der Ursachen willen muss man die particulas exclusivas treiben und behalten in articulo justificationis (Anm.: im Artikel von der Rechtfertigung). 

 

DIE LEUTE MISSBRAUCHENS ABER, ALS DÜRFTE MAN GAR NICHTS GUTES TUN. 

Dies kann wohl und soll auch mit allem Fleiß in allen Predigten und Lehren verwahret werden, wie die Apostel getan haben, nämlich dass man zum ersten gründlich, deutlich und klar anzeige, wie die particulae exclusivae sollen verstanden werden, wie jetzund gemeldet ist. Zum andern, dass man die Leute fleißig vermahne, dass sie sich selbst prüfen, 2 Kor. 13, dass sie nicht einen falschen Wahn, einen gefärbten, toten Glauben haben, 2 Kor. 13. 1 Tim. 1. Jak. 2. Die Probe aber stehet darin: wo keine Buße, sondern ein böser Vorsatz ist, da ist kein rechter Glaube, welcher nicht tätig ist durch die Liebe, oder da keine guten Werke folgen, da ist ein toter Glaube. Es rechtfertiget aber der Glaube nicht also und darum, dass er durch die Liebe tätig ist oder gute Werke gebieret, sondern darum allein, dass er Christum mit seinem Verdienst in der Verheißung des Evangelii ergreift. Wenn dies also deutlich erkläret und unterschieden wird, wer es darüber missbrauchet, der hat sein Urteil Röm. 3, nämlich dass seine Verdammnis ganz recht sei. Um des Missbrauchs willen aber soll man reine nötige Lehre nicht hinter halten oder verstümmeln. 

 

WERDEN WIR DENN ALLEIN DURCH DEN GLAUBEN GERECHT NUR IM ANFANG UNSERER BEKEHRUNG, ALSO, DASS WIR NACH DER ERSTEN BEKEHRUNG NICHT DURCH DEN GLAUBEN ALLEIN, SONDERN ZUGLEICH DURCH DEN GLAUBEN UND GUTE WERKE GERECHT SIND, UND DASS ALSDANN UNSERE RECHTFERTIGUNG STEHE NICHT IN GNÄDIGER VERZEIHUNG DER SÜNDEN, SONDERN ZUGLEICH IN DER VERSÖHNUNG UND HEILIGUNG ODER VERNEUERUNG? 

Der Glaube allein aus lauter Gnade Gottes allein um Christi willen macht gerecht im Anfang, Mittel und Ende, wie denn Paulus Röm. 4 darum den Abraham vor sich nimmt, nicht da er erst bekehret ward, Gen. 12, sondern Gen. 15, da er etliche Jahre Gott im neuen Gehorsam gedienet hatte, Hebr. 11. Allda stellet Paulus die Frage, wodurch Abraham gerecht sei, worinnen und worauf seine Rechtfertigung vor Gott stehe, da er nicht allein den Glauben, sondern auch viel gute Werke hat, da er nicht allein die Versöhnung, sondern auch die Verneuerung hat. Er spricht aber rund und klar, dass auch allda Abraham allein lauter aus Gnaden, allein durch den Glauben, ohne Zutun der Werke vor Gott gerecht sei, und dass seine Gerechtigkeit und Seligkeit nicht auf seiner Verneuerung, sondern allein in gnädiger Versöhnung oder Verzeihung der Sünde. Röm. 4 und 5 fasset er fein zusammen den Anfang, Mittel und Ende. Durch den Glauben haben wir durch Christum erstlich einen Zugang zu Gottes Gnade. Zum andern dadurch stehen wir in der Gnade. Zum dritten, dadurch rühmen wir uns der zukünftigen Herrlichkeit; das ist, wenn wir entgegen sollen kommen zur Auferstehung der Toten, so wollen wir nicht gefunden werden in unserer Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christo kommet, Phil. 3. Also will Paulus die Verneuerung, Heiligung und gute Werke nicht mit gestatten oder einflechten in den Handel, oder in den Cirkel und Artikel der Rechtfertigung, weder im Anfang, Mittel oder Ende, sondern in dem Artikel soll alleine Gottes Gnade, allein Christus, allein durch den Glauben regieren. 

 

WARUM MUSS DENN DIE VERNEUERUNG ODER HEILIGUNG UND DIE GUTEN WERKE, SO DOCH AUCH GOTTES GABEN SIND, AUS DEM CIRKEL DER RECHTFERTIGUNG, WIE LUTHERUS REDET, AUSGESCHLOSSEN WERDEN? 

Darum: denn die Verneuerung wird in diesem Leben nur angefangen und ist nicht vollkommen, 2 Kor. 4. Die guten Werke sind in diesem Leben von wegen der Sünde im Fleisch nicht vollkommen noch rein, Röm. 7. Jes. 64. Auf dass nun die Verheißung der Gerechtigkeit, der Seligkeit und des ewigen Lebens fest und gewiss möge sein, und Christo seine Ehre bleibe, so muss unsere Rechtfertigung stehen allein auf lauter Gnade, allein um Christus willen, allein durch den Glauben im Anfang, Mittel und Ende. Röm. 4. 

 

WER NUN ALSO AUS GNADEN, UM CHRISTUS WILLEN, DURCH DEN GLAUBEN IST GERECHTFERTIGET, IST DEM AUCH NOCH ETWAS ANDERS UND MEHR ZUR SELIGKEIT VONNÖTEN? 

Paulus spricht: Nein, Röm. 4; denn es ist ein Weg und eine Weise zur Gerechtigkeit und zur Seligkeit, dass eben, wie wir gerecht werden, also werden wir auch selig; ja wenn wir die Gerechtigkeit des Glaubens haben, so haben wir eben damit und dadurch auch die Kindschaft, die Seligkeit und das Erbe des ewigen Lebens. Wie wir nun gerecht werden allein durch den Glauben, aus Gnaden, um des Herrn Christi willen, ohne unsere Werke, eben also werden wir auch selig allein durch den Glauben, aus lauter Gnade, allein um Christus willen, ohn unser Werk, wie das Paulus aus gewaltigem Grunde erweiset Röm. 4: Auf dass die Verheißung nicht allein der Gerechtigkeit, sondern auch der Seligkeit, gewiss sei. Gleichwie es nun unrecht ist, wenn man lehret, dass zu unserer Rechtfertigung unsere guten Werke vonnöten seien, und dass niemand könne gerecht werden ohne seine guten Werke, also ists auch falsch, wenn man saget, dass zu unserer Seligkeit unsere guten Werke vonnöten seien, und dass niemand könne selig werden ohne seine guten Werke. Denn wiewohl ein rechter Glaube nicht kann noch soll ohne gute Werke sein, dennoch gehören die guten Werke nicht mit hinein in den Artikel oder Cirkel der Rechtfertigung und der Seligmachung; denn die Schrift setzt die particulas exclusivas ja so wohl und so stark bei dem Artikel der Seligkeit, als bei dem Artikel der Rechtfertigung, Röm. 4 und 11. Eph. 2. 2 Tim. 1. Tit. 3 etc. Der Ursachen halben hat Lutherus gemeldte propositiones (Anm.: Sätze) öffentlich aus der Kirche ausgeweiset und verworfen. 

 

WAS IST FÜR EIN UNTERSCHIED ZWISCHEN DER PAPISTISCHEN UND DER EVANGELISCHEN LEHRE VON DER RECHTFERTIGUNG UND SELIGMACHUNG? 

Die Papisten setzen den Grund, dass der Mensch in diesem Leben könne dem Gesetz Gottes genug tun. Und derhalben lehren etliche, dass der Mensch durch seine Werke bei Gott verdienen und erwerben könne Gerechtigkeit und Seligkeit. Andere, die es so grob nicht machen dürfen, die lehren, Christus habe es uns wohl verdienet; aber wenn wirs teilhaftig wollen werden, so müssen wir dazu Glauben und gute Werke haben, dass durch die beiden zugleich und zusammen die Gerechtigkeit uns applizieret werde. Die Dritten sagen, dass unsere Rechtfertigung solle nicht allein auf gnädiger Versöhnung, sondern zugleich auch auf unserer Verneuerung und Heiligung stehen. Dagegen lehret das Evangelium, dass die Heiligen in diesem Leben dem Gesetz nicht können genug tun, Ps. 31. 143. Jes. 64. Röm. 7, und derhalben sei die Gerechtigkeit und Seligkeit Christi, und nicht unser Verdienst, Röm. 3. 4. 11, eine Gnade und Geschenk Gottes, Röm. 6, und das Mittel, dadurch wirs ergreifen und teilhaftig werden, sei allein der Glaube, Röm. 3 und 4, stehe auch nicht auf unserer Erneuerung, Tugenden und guten Werken, sondern allein auf gnädiger Versöhnung durch Christum, Röm. 4, wie dies alles droben aus der Schrift erweiset. 

 

WAS DIE LEHRE VOM GLAUBEN BELANGET, WAS IST DA FÜR EIN UNTERSCHIED ZWISCHEN DER PÄPSTISCHEN UND EVANGELISCHEN LEHRE? 

Die Papisten lehren, dass der Glaube sei allein eine Wissenschaft der Historien und ein gemeiner assensus (Anm.: Beifall), dass dasselbe wahr sei, was in Gottes Wort geschrieben stehet, und dass derselbige Glaube also und dadurch rechtfertige, wenn er viel und genug guter, köstlicher Werke bei sich habe. Weil aber niemand weiß, ob und wann er so viel guter Werke, als genug ist, habe, so lehren sie, der gläubige Mensch möge sich wohl alles Gutes zu Gott versehen und vertrösten; aber des könne er nicht gewiss sein, sondern solle immer im Zweifel stehen, ob er wahrhaftig und gewiss einen gnädigen Gott, Vergebung der Sünden und die Erbschaft des ewigen Lebens habe. Dargegen lehret das Evangelium, dass der Glaube über den gemeinen assensum auch das Amt, die Art und Eigenschaft habe, dass er Christum ergreife und einem jeden Gläubigen insonderheit appliciere und zueigne die gemeine Verheißung des Evangelii von Gottes Gnade, und dass er die Gerechtigkeit setze nicht auf die Liebe, oder auf die guten Werke, dadurch er tätig ist, sondern allein auf Christum, den er im Wort und Sakramenten ergreift. Und weil Gottes Zusage in Christo fest, Ja und Amen ist, 2 Kor. 1, soll der Glaube nicht sehen auf seine Schwachheit und Unvollkommenheit, und also in Zweifel bleiben, sondern soll auf Christum und auf die verheißene Gnade in Christo sehen und also festiglich glauben, dass er einen gnädigen Gott und Vergebung der Sünden habe.

 

ES HAT ABER MANCHER EINEN FALSCHEN, IRRIGEN GLAUBEN, MANCHER HAT EINEN LEDIGEN EPIKUREISCHEN WAHN, UND VERTRAUET GLEICHWOHL FESTE. 

Wir reden nicht von einem ketzerischen Glauben, der außer und wider die Schrift ist; denn der machet ohne Zweifel nicht selig. Wir reden auch nicht von einem epikureischen Wahn in vorgefasster, verstockter Unbußfertigkeit: denn da stehet Gottes Urteil: die solches tun, haben kein Teil am Reich Gottes. Sondern wir reden von einem wahren, seligmachenden Glauben, wie der droben beschrieben ist, dass der nicht zweifeln, sondern gewiss vertrauen soll, dass ihm also geschehe, wie er nach Gottes Wort glaubet. 

 

WAS HAT DENN DER GLAUBE FÜR GRUND UND URSACH SEINES GEWISSEN VERTRAUENS? 

Erstlich, die Verheißung der Gnade ist fest und gewiss allensamt, welchen es durch den Glauben zugerechnet wird, Röm. 4, und ist durch einen göttlichen Eid bestätiget, auf dass wir, so wir unsere Zuflucht dazu haben und uns daran halten, einen festen, starken Trost haben. Hebr. 6. Zum andern ist des Glaubens rechte Art und Eigenschaft, nicht zweifeln, sondern gewiss sein und vertrauen. Eph. 3. Hebr. 3. 10 und 11. 1 Joh. 3 und 5. Röm. 4. 5 und 8. 1 Petr. 1. Zum dritten, dass das Vertrauen desto fester und gewisser sein möge, so versiegelt Gott die Gerechtigkeit des Glaubens durch die Sakramente, Röm. 4. 1 Petr. 3, und mit dem Heiligen Geiste in der Gläubigen Herzen, 2 Kor. 1. Eph. 1 und 4. Zum vierten, die Gläubigen in der Schrift haben nicht gezweifelt, sondern festiglich geglaubt, Röm. 4 und 8. Matth. 9. Luk. 7. Zum fünften, der Zweifel wird in der Schrift öffentlich gestraft, Matth. 6. 14. Mark. 11. Röm. 4. Jak. 1. Zum sechsten, die Lehre von solchem Zweifel ist ein alter verdammter Irrtum der Pharisäer. Matth. 9. Luk. 7. 

 

ES WERDEN ABER VIEL SPRÜCHE AUS DER SCHRIFT OBJIZIERET, DIE SICH ANSEHEN LASSEN, ALS GÄBEN SIE DIE GERECHTIGKEIT DER VERNEUERUNG UND DEN GUTEN WERKEN. 

Solche Sprüche können alle fein gründlich explizieret und die objectiones solvieret (Anm.: die Einwürfe gelöset) werden, wenn man diese distinctiones (Anm.: Unterscheidungen) gebraucht und recht accommodieret. Denn erstlich reden etliche Sprüche von dem Verdienst und von der Ursache unserer Rechtfertigung, welche ist Christi Gehorsam und Gottes Gnade; item, wie solche Rechtfertigung applizieret, ergriffen und angenommen werde, nämlich durch den Glauben, und dass sie stehe in gnädiger Versöhnung und Verzeihung um Christus willen. Von den Sprüchen ist bisher gehandelt. Zum andern reden etliche Sprüche von der Gerechtigkeit des Gesetzes, also, dass wer dieselbige vollkommen hätte, der würde dadurch gerecht und selig. Röm. 2 und 10. Matth. 19. Luk. 10. Zum dritten beschreiben etliche Sprüche die Art und Eigenschaft derer, so durch den Glauben gerechtfertiget sind, nämlich dass die gute Früchte bringen. 1 Joh. 1. 2. 3. 4. 5. 2 Petr. 1. Eph. 4. Röm. 12. Zum vierten beschreiben etliche Sprüche die äußerlichen Merkzeichen, nämlich Liebe und gute Werke, dabei man einen rechten, wahren Glauben und die, so wahrhaftig durch den Glauben gerechtfertigt sind, kennet und unterscheidet von denen, so einen falschen Wahn des Glaubens und der Gerechtigkeit haben; darauf gehet die ganze Epistel Johannis, item Jakobi und Petri. Daher gehören die Sprüche Matth. 5. 20. 24. 25. Joh. 6. Röm. 6. Gal. 6. Ps. 15 und dergleichen. Zum fünften, etliche Sprüche reden davon, wie Gott denen, so lauter aus Gnaden um Christus willen durch den Glauben Gerechtigkeit, ewiges Leben und Seligkeit haben, auch ihre guten Werke belohnen wolle in diesem und im ewigen Leben. Matth. 5. 19. 2 Kor. 5. 2 Tim. 4. Zum sechsten, etliche Sprüche reden nicht eigentlich von Vergebung der Schuld und ewigen Pein, welche allein aus Gnaden, um Christus willen, durch den Glauben geschieht, sondern sie reden davon, dass Gott denen, so wahre, ernste Besserung beweisen, gnädige Nachlassung der zeitlichen Strafe um Christus willen erzeigen wolle. Daniel 4. Tob. 4. 12. Ps. 41. Zum letzten wird in etlichen Sprüchen beisammen gesetzt die Predigt der Buße und die Verheißung, dass Gott denen, so wahre Buße tun, gnädig wolle sein und die Sünde vergeben, Matth. 7. Jes. 1. Warum aber Gott gnädig sei und Sünde vergebe, wie die Verheißungen applizieret werden, nämlich durch den Glauben um Christus willen, das muss aus der Lehre des Evangelii genommen und erkläret werden.

Und hier sollen die Superintendenten in examine den Pastoribus etliche solche Sprüche opponieren und verhören, wie sie dieselbigen declarieren und solvieren (Anm.: erklären und auflösen) können. 

 

- Fortsetzung -