Chemnitz - Glaube

 

 VON DEM RECHTEN ALTEN GLAUBEN.

 

SOLL MAN AUCH EINE NEUE LEHRE IN DIE KIRCHE EINFÜHREN ODER EINEN NEUEN GLAUBEN ANNEHMEN? 

In keinem Wege. Denn wie ein Gott ist, also ist auch ein Glaube, Eph. 4, und das ist der einige, wahre, uralte Glaube, 2 Kor. 5, der kommt aus der rechten alten Lehre und ist in der wahren, alten katholischen Kirche. Denn Gott, Wort, Glaube, Kirche und Seligkeit sind an einander gefasset. 

 

SO MÜSSTE MAN JA BILLIG IN DES PAPSTES KIRCHE, BEI DES PAPSTES LEHRE UND BEI DEM PAPISTISCHEN GLAUBEN BLEIBEN, DENN DAS IST JA VIEL HUNDERT JAHRE SO GEWESEN? 

Marci 1 schreien die Pharisäer, Christi Lehre sei neu, weil sie mit den Traditionibus ihrer Alten, welche nun viel Jahre im Schwange gewesen, Matth. 5 und 15, nicht übereinstimmte. Und die Heiden schelten Pauli Lehre für neu, und ihre lange gebrauchte Abgötterei halten sie für den rechten alten Glauben. Aber wenn man erweisen will, welches da sei der rechte, wahre, uralte Glaube, Lehre und Kirche, so muss man nicht von etlichen hundert Jahren sagen, sondern es muss so weit zurück geführt werden, dass es die Lehre und der Glaube sei, welche Christus und die Apostel gelehret, die Propheten bekannt und die Erzväter bezeuget haben, ja welche verordnet ist von der Welt her. Eph. 2. 1 Kor. 2. Welches aber derselbige rechte, alte Glaube sei, das haben wir nirgends beständig und gewiss, denn in den biblischen Schriften. Und derhalben, weil der Papst von demselbigen alten Glauben abgewichen und eitel andre, neue, fremde Lehre ohne und wider die Schrift der Kirche aufgedrungen hat, müssen wir nach Gottes Befehl davon abtreten, Joh. 10, Gal. 1, Hebr. 13, und uns wieder finden zu dem rechten, wahren, uralten Glauben, der in der h. Schrift begriffen ist. 2 Petr. 1. 2 Tim. 3. 

 

ES IST ABER DER STREIT NICHT VON DER SCHRIFT (DENN DIE BIBEL NIMMT MAN ZU BEIDEN TEILEN AN), SONDERN WELCHES DA SEI DER RECHTE, WAHRE, ALTE VERSTAND DER SCHRIFT. WIE KANN EIN EINFÄLTIGER SICH DARIN RICHTEN? 

Gar wohl; denn die Schrift, weil sie ist ein Licht, das im Finstern scheinet und die Augen erleuchtet, Ps. 19, 2 Petr. 1, legt sich selbst aus mit deutlichen, klaren Worten, wie denn derhalben eine Lehre in der Schrift an vielen Örtern wiederholet und immer deutlicher erkläret wird. Über das hat Gott selbst aus der ganzen Bibel einen kurzen Auszug gemacht und darin ein einfältiges Summarium gestellet, welches die Hauptstücke sein der ganzen Lehre, so in der Schrift verfasset und einem Jeden zu seiner Seligkeit zu wissen vonnöten sind. Dies Summarium haben die Alten sehr fein genannt der Laien Bibel und den Katechismus. Und wenn die Schrift nach diesen Hauptstücken verstanden wird, so kann die Auslegung nicht fehlen. 

 

SOLL MAN DENN DIE LEUTE DAZU HALTEN, VERMAHNEN UND WEISEN, DASS SIE SOLCH SCHRIFTLICH UND MÜNDLICH WORT SOLLEN LESEN, HÖREN, BEDENKEN UND BETRACHTEN? 

In allewege; denn die Schrift kann uns unterweisen zur Seligkeit, 2 Tim. 3, und alles, was zur Lehre, zur Geduld, zum Trost, zur Warnung, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch zu allen guten Werken geschickt sei, vorgeschrieben. Röm. 15. 1 Kor. 10. 2 Tim. 3. Und dasselbige gepredigte Wort ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben, Röm. 1; es ist der Same, dadurch wir geboren werden, 1 Petr. 1. Denn da sie das Wort höreten, ging es ihnen durch’s Herz, Act. 2. Aus dem Gehör des Worts kommt der Glaube, Röm. 10, und von Betrachtung des Worts reden gar schön die Psalmen 77 und 119.

 

IST DOCH SOLCHES ALLEIN GOTTES WERK, SO WÄRE ES JA MAGICUM, SOLCHE KRAFT UND WIRKUNG DEN BUCHSTABEN UND SILBEN ODER DER VERGÄNGLICHEN STIMME EINES PREDIGERS ZUZUSCHREIBEN? 

Diese Kraft und Wirkung stehet nicht in den Buchstaben als Charakteren; es hat auch nicht die Meinung, als wäre des Predigers Stimme für sich so kräftig und mächtig. Denn die Herzen erleuchten und bekehren, Buße wirken, Glauben geben, Gehorsam anrichten, sind alles Gottes Werke, die er mit seiner allmächtigen Kraft in den Menschen wirket, und ohne solche Kraft des Geistes ist Schrift und Predigt nur ein toter Buchstabe, 2 Kor. 3. Aber solche Kraft will er wirken nicht ohne Mittel, sondern hat dazu das Mittel des Worts und der Sakramente verordnet, welches er braucht als ein äußerlich Instrument, dadurch er solches in den Herzen wirken, mehren und erhalten will. Denn darum wird das Amt des Neuen Testaments genennet ministerium spiritus vivificantis (Anm.: das Amt des Geistes, der lebendig macht), das dadurch der Geist, der da lebendig machet, das Wort in die Herzen schreibe, dass wir also dadurch vom Herrn verkläret werden zu seinem Bilde, 2 Kor. 3, und 2 Kor. 10. spricht Paulus, dass durch die Waffen unserer Ritterschaft Gott mächtig sei; Gal. 2: Gott ist durch Petrum kräftig gewesen unter der Beschneidung, durch Paulum unter den Heiden. 1 Kor. 3: Paulus pflanzet, Apollo begeußt, und Gott gibt das Gedeihen dazu; denn wir sind Gottes Mitarbeiter, 1 Kor. 3. Also erleuchtet Gott die Herzen, aber durch’s Wort, Ps. 19; er öffnet das Herz, aber durch’s Wort, Act. 19; er bekehret, aber durch’s Wort, Apostelg. 26; er gibt Buße, aber durch’s Gehör des Worts, Apostelg. 2; er wirket Glauben aus dem Gehör des gepredigten Worts; er ist ein Gott des Trostes, aber durch Geduld und Trost der Schrift, Röm. 15; er richtet Gehorsam an, aber durch das Apostelamt, Röm. 1, 15. Derhalben muss man die Leute fleißig vermahnen, dass sie sich zum Gehör und Betrachtung des geschriebenen und gepredigten Worts halten, wo sie wollen, dass Gott in ihnen solche Gaben wirken, mehren, stärken und erhalten möge. Hoc loco in examine proponendae sunt quaestiones quaedam de scriptis utriusque Testamenti. Et quia olim ordo horarum canonicarum et breviarii ideo potissimum institutus fuit, ut ministri ecclesiae ad quotidianam sacrae scripturae lectionem et meditationem assuefierent, injungent Superintendentes singulis Pastoribus, ut quotidie aliquid legant in Veteri et Novo Testamento, et in sequenti examine explorabunt, quot capita perlegerint, quod sit cujusque capitis argumentum, quomodo textum intelligant, ad quos locos communes referendus, quomodo ad usum accommodandus sit. Ita diligentia et profectus cujusque rectissime deprehendi poterit (Anm.: An dieser Stelle sollen im Examen einige Fragen über die Schriften der beiden Testamente gestellt werden. Und weil einst die Ordnung der kanonischen Stunden und des Breviers vornehmlich zu dem Zweck eingeführt worden ist, dass die Diener der Kirche sich an tägliches Lesen und Betrachten der Schrift gewöhnen möchten, so werden die Superintendenten es den einzelnen Pastoren zur Pflicht machen, dass sie jeden Tag etwas im Alten und im Neuen Testamente lesen, und im folgenden Examen nachforschen, wie viele Kapitel sie gelesen haben, welches der Inhalt eines jeden Kapitels sei, wie sie den Text verstehen, auf welches Hauptstück er zu ziehen sei und wie er praktisch anzuwenden sei. So wird man Fleiß und Fortschritte eines jeden am richtigsten ermitteln können).

 

- Fortsetzung -