Chemnitz - Rechtfertigung

 

VON DER RECHTFERTIGUNG.

 

WORIN STEHET DENN NUN DIE RECHTFERTIGUNG DES MENSCHEN NACH DEM EVANGELIUM? 

Darin, dass uns Gott die Gerechtigkeit des Gehorsams und Leidens des Mittlers Christi zugerechnet und allein um derselbigen willen, lauter aus Gnaden, ohne Zutun unserer Werke und Verdienste, allein durch den Glauben die Sünde vergibt, uns zu Gnaden aufnimmt, macht uns zu Kindern und Erben des ewigen Lebens. Röm. 3. 4. 10. Gal. 3. Eph. 2. Tit. 3.

 

HEIßT DOCH JUSTIFICARE GERECHT MACHEN; UND WEIL DER HEILIGE GEIST DIE GLÄUBIGEN ERNEUERT, DASS SIE IHRE GLIEDER BEGEBEN ZUR GERECHTIGKEIT, RÖM. 6, SO WIRD JA IHRE RECHTFERTIGUNG STEHEN AUF SOLCHEM IHREM NEUEN GEHORSAM? 

Justificare, rechtfertigen, ist ein sonderliches, eigenes Wort der Schrift und heißt, einen von angestellter Klage und von Verdammnis lossprechen, wie denn in der Schrift gegen einander gesetzet werden rechtfertigen und verdammen, Deut. 25. Proverb. 16. Röm. 5 und 8. Und wird der ganze Handel einfältig und klar mit dem Worte justificari uns vorgebildet, nämlich, dass es nicht liederlich oder leichtfertig zugehe, sondern mit solchem Ernst, dass uns erstlich das Gesetz vor Gottes Gericht zitiert, daselbst beklaget, beschuldiget und überweiset der Sünde halben. Und weil da aller Mund verstopfet und die ganze Welt Gott schuldig wird, Röm. 3, so spricht Moses über uns das Urteil des Todes und der Verdammnis, 2 Kor. 2. Deut. 27. Da stellet alsdann Gott durchs Evangelium seinen Sohn vor zum Gnadenstuhl, Röm. 3, und die nun durch den Glauben den ergreifen, an den sich halten, die spricht er wiederum los von der Anklage und Verdammnis des Gesetzes um Christus willen und verspricht ihnen das ewige Leben, Röm. 8; und das ist der Handel der Rechtfertigung. 

 

RECHTFERTIGT DENN GOTT DEN SÜNDER UM SEINER SÜNDEN WILLEN ALSO, DASS ZU SOLCHER RECHTFERTIGUNG GAR KEINER GERECHTIGKEIT VONNÖTEN SEI? 

Gott spricht selber, dass solche Rechtfertigung ein Greuel sei, Exod. 22. Prov. 16. Jes. 5. Darum muss eine solche Gerechtigkeit vor Gottes Gericht dargestellet werden, um welcher willen, mit und durch welche Gott den Gottlosen rechtfertige; denn rechtfertigen geschieht nicht ohne Gerechtigkeit. Röm. 3. 

 

WELCHES IST DENN SOLCHE GERECHTIGKEIT, DIE DER GLAUBE VOR GOTT BRINGEN MUSS, DASS UM DERSELBIGEN WILLEN ER DEN ARMEN SÜNDER RECHTFERTIGE? 

Der neue Gehorsam der Gläubigen heißt ja auch wohl Gerechtigkeit, Röm. 6. 1 Joh. 2; aber er kann die Gerechtigkeit nicht sein, dadurch wir vor Gott gerechtfertiget werden zum ewigen Leben; denn es muss die Person vorhin gerecht sein, ehe sie könne Gerechtigkeit tun, 1 Joh. 2. Auch so ist unser neuer Gehorsam in diesem Leben von wegen der Sünde im Fleisch unrein und unvollkommen, dass wir dadurch nicht können gerechtfertiget werden, Ps. 143. 1 Kor. 3. Derhalben, weil der Glaube siehet und weiß, dass er in des Menschen Natur und bestem Leben, oder bei einiger Creatur solche Gerechtigkeit nicht finden kann, dadurch der Mensch vor Gott könne gerechtfertigt werden, so ergreift er im Wort und Sakramenten Christum mit seinem heiligen Gehorsam und unschuldigen Leiden, damit er das Gesetz für uns erfüllet hat, als die Gerechtigkeit, die allein vor Gott gilt, bringet und stellet die vor Gottes Gericht, wünschet, begehret, bittet, flehet, glaubet und trauet, dass um desselbigen willen Gott den armen Sünder wolle rechtfertigen, das ist, seine Sünde ihm vergeben, ihn zu Gnaden annehmen und das ewige Leben geben. Und weil das ist eine völlige, reiche, überschwengliche Gerechtigkeit, für uns geleistet, die vor Gottes Gericht bestehen kann, so hat Gott verheißen, dass er den Gläubigen solche Gerechtigkeit seines Sohnes zurechnen wolle, als hätten sie selbst dieselbige geleistet, Röm. 3. 4 und 5. Also haben wir in Christo eine gute, starke Gerechtigkeit, um welcher willen uns Gott rechtfertiget. 

 

WERDEN ALLE MENSCHEN AUF ERDEN GERECHTFERTIGET UND SELIG? 

Der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführet, und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Matth. 7.

 

WIE KÖMMT DAS? HATS DENN CHRISTUS NICHT ALLEN VERDIENET? ODER GÖNNETS DER VATER NICHT ALLEN? 

Der Mangel ist nicht an unserm Herrn Gott; denn Christus ist die Versöhnung für der ganzen Welt Sünde, 1 Joh. 2, und Gott gönnet die Seligkeit allen Menschen wohl. 1 Tim. 2. 2 Petr. 3. Hes. 18. Sondern an den Menschen ist der Mangel; die nehmens nicht alle an, Joh. 1 und 3. Denn das Verdienst Christi muss unser werden, Röm. 8, und einem jeden applizieret werden, dass ers empfange und annehme. Joh. 1, und also Christus in uns sei, Joh. 6, und wir in ihm gefunden werden. Phil. 3. 

 

WAS GEHÖRT DENN DAZU, DASS CHRISTUS MIT SEINEM VERDIENST UNSER WERDE? 

Zweierlei; erstlich, dass uns Gott dasselbe vortrage, anbiete, reiche, schenke und gebe durch seinen Geist. Und dazu hat Gott ein sonderlich Mittel oder Werkzeug verordnet, nämlich das Wort des Evangelii und die Sakramente, das ist Gottes seine gnädige, milde Hand, welche er zu uns ausstrecket und auftut, dadurch uns vorträgt, reichet und gibt die Verdienste und Wohltaten seines Sohnes zu unserer Seligkeit. Röm. 10. 2 Kor. 5. Tit. 3. Zum andern gehöret dazu, dass wir dasselbige ergreifen, an und zu uns nehmen und das applizieren. Und das geschieht durch den Glauben, Röm. 1. 3. 4. Joh. 3. Gal. 3; denn der Glaube ist gleichwie unsere Hand, dadurch wir als dürftige Bettler Christi Wohltaten zu uns nehmen, Joh. 1, und ist das Band, dadurch Christus in uns wohnet, Eph. 3, und wir in ihm gefunden werden, Phil. 3.

 

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