Chemnitz - Heilige

 

VON ANRUFUNG DER HEILIGEN.

 

SOLL MAN AUCH DIE HEILIGEN, SO AUS DIESEM LEBEN ABGESCHIEDEN SIND, ANRUFEN?

Nein; denn es ist eine Sünde wider das erste Gebot, etwas Anderes anbeten, denn allein den einigen Gott, Matth. 4. Nun begreift Anbeten die Anrufung des Namens des Herrn in allen Nöten, Ps. 50, und Gott will seine Ehre keinem Andern, der nicht Gott ist, geben, Jes. 48, wie denn Christus die Form des Gebets also gestellet hat, dass wir den sollen anrufen, der da ist und heißt: Vater unser im Himmel, und beschließt es damit: Denn die Herrlichkeit ist dein, etc. 

 

WIR SIND ABER ARME SÜNDER, SIND DER ERHÖRUNG NICHT WERT; DERHALBEN BEDÜRFEN WIR EINER FÜRBITTE, DIE BEI GOTT STATTHABEN MÖGE, UND WIR SOLLEN SOLCHE UNSERE UNWÜRDIGKEIT ERKENNEN. 

Das ist alles wahr, und aus dem Argument hat alle, heidnische Abgötterei ihren Ursprung genommen, wie Ambrosius schreibet in 1. Cap. ad Rom. (Anm.: zum 1. Kap. des Briefs an die Römer). Aber die Schrift zeiget uns hie einen gewissen Weg, nämlich dass wir haben einen einigen Mittler und Fürsprecher zwischen Gott und uns, 1 Tim. 2, der nicht allein unser Mittler ist, so viel die Erlösung anlanget, sondern auch also, dass er unser Fürsprecher, ist, 1 Joh. 2, uns vertritt, Röm. 8, vor Gottes Angesicht erscheinet für uns, Hebr. 9, für uns bittet, dass wir durch ihn zu Gott kommen, Hebr. 7. Denn durch Christum haben wir, einen freudigen Zugang zu Gott in aller Zuversicht, Eph. 3. Darum hat er uns befohlen in seinem Namen zu bitten, Joh. 14. 15 und 16. Und weil sein Verdienst und Fürbitte bei Gott angenehm, stark und kräftig genug ist, so haben wir über dem Befehl eine gewisse, sichere Verheißung der Erhörung, Joh. 15 und 16. Denn er kann immerdar helfen, die durch ihn zu Gott kommen, Hebr. 7. Nun bedenke ein jedes christliches Herz, was das für ein Greuel sei, der Heiligen Verdienst und Fürbitte entweder an Christi Statt setzen oder neben ihn setzen. 

 

CHRISTUS ABER IST UNS ALLZU HOCH UND ZU HERRLICH; SONDERN DIE HEILIGEN, DIE IN GLEICHER SCHWACHHEIT GESTECKT SIND WIE WIR, WERDEN SICH UNSERER NOT VIEL EHER UND FLEIßIGER ANNEHMEN. 

Hebr. 2 und 4 stehet geschrieben: Wir haben nicht einen Hohepriester, der nicht könnte Mitleiden mit uns haben; sondern er ist versucht allenthalben, auf dass er barmherzig würde und ein treuer Hohepriester in den Sachen, die wir mit Gott zu handeln haben. Darum lasst uns hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl, auf dass wir Gnade finden, wenn uns Hilfe vonnöten ist. Item, er ist uns nicht zu herrlich; denn er ruft selber: Kommet zu mir etc. Matth. 11; item: Was zu mir kommt, das stoße ich nicht von mir, Joh. 6. Ja in seinem Reiche gedenkt er eines armen Schächers, Luk. 23. Also haben wir Gottes Befehl und Verheißung in Christi Namen zu bitten, Joh. 16, von den Heiligen aber haben wir in Gottes Wort dessen keines. 

 

ES KANN JA NICHT FEHLEN, DIE HEILIGEN, SO BEI GOTT LEBEN, WERDEN UNS, DIE WIR AUF ERDEN SIND, ALLES GUTE GÖNNEN UND WÜNSCHEN, WIE DIE LIEBEN ENGEL. WARUM SOLLTEN WIR SIE DENN NICHT ANRUFEN? 

Dass die Heiligen, so bei Gott leben, wie die lieben Engel, der Kirche Gottes, so noch auf Erden im Jammertal ist, insgemein alles Gute gönnen und wünschen, darauf gehen etliche Sprüche in der Schrift. Es folget aber daraus nicht, dass wir sie in unsern Nöten anrufen sollen, weil wir davon keinen Befehl noch Verheißung haben; und die Schrift saget ausdrücklich, dass wir darum Gott, und nicht die Heiligen, die in jener Welt sind, anrufen sollen; denn sie wissen von uns und von unserer Not nichts, Jes. 64. So können sie auch, weil sie in jener Welt sind, unserer Herzen Gedanken, Seufzen und Klagen nicht sehen und die Gedanken kennen; denn solches gehöret allein Gotte und dem einigen Menschen Christo, Jerem. 17. Röm. 8. Apoc. 1. Joh. 2. Luk. 24.

 

SOLLTE DENN GOTT DEN HEILIGEN UNSERE NOT, UNSER SEUFZEN UND BITTEN NICHT OFFENBAREN KÖNNEN? UND WER WEIß, OB NICHT GOTT DIE HEILIGEN ALS MITTEL UND DIENER DAZU BRAUCHE, WENN ER UNS HELFEN WILL, WIE ER DES DIENSTES DER ENGEL DAZU BRAUCHT? 

Das Gebet und die Anrufung muss nicht auf einen ungewissen Wahn gesetzt werden, sondern muss ausdrücklichen Befehl und Verheißung in Gottes Wort haben; denn es muss im Glauben geschehen, Jak. 1. Nun sind dies von den Heiligen menschliche, ungewisse Gedanken ohne Gottes klare Worte, Befehl und Verheißung, ja wider den klaren Text, Jes. 64. Act. 15. Und wenn es gleich mit den Heiligen aller Dinge sich so verhielte wie mit den Engeln, so folgete doch daraus das Anbeten und Anrufen nicht; denn die Engel, so doch verkündigen, dass das Gebet erhöret sei, Dan. 9 und 10, Luk. 1, wollen dennoch das Anbeten und Anrufen nicht haben. Apoc. 19. 22. 

 

BETEN ABER DOCH DIE KINDER ISRAEL OFT ALSO: GEDENKE, HERR, DEINER KNECHTE ABRAHAM, ISAAC UND JAKOB ETC. 

Sie erinnern Gott seiner gnädigen Zusage, so den Erzvätern geschehen, von dem gebenedeiten Samen und von der Kindschaft, und auf dieselbige Verheißung gründen sie ihre Gebete. Sie rufen aber nirgends die verstorbenen Erzväter an, dass um ihres Verdienstes und Fürbitte willen Gott sie erhören wolle; sondern das Widerspiel bekennen sie, Jes. 64, da sie wohl der Erzväter gedenken, aber nicht sie, sondern Gott anrufen. Dass auch angezogen wird Genes. 48: Invocetur meum patrumque nomen super eos (Anm.: es wird gerufen werden mein und meiner Väter Name über sie), heißt nichts Anderes, denn dass sie sollen unter sein Geschlecht gerechnet und nach seinem Namen genennet werden, wie solche Auslegung klar erweiset wird Jes. 7. Desgleichen der Spruch Jer. 15: Wenn gleich Moses und Samuel vor mir wären etc., bestätiget nicht der Verstorbenen Fürbitte, sondern saget allein so viel: Wenn gleich unter ihnen einer wäre, der so wohl beten könnte wie Moses und Samuel, so will ich doch der Buben nicht schonen, wie solche Auslegung klar erweiset wird Hes. 14. 

 

SOLL MAN DENN DIE HEILIGEN GOTTES NICHT EHREN? 

Ja; aber also, wie sie Gott will geehret haben, und wie sie selber wollen geehret sein, wie Maria spricht: Sie werden mich selig preisen, nicht, dass ich große Dinge tun könne, und dass mein Name heilig solle sein, sondern dass der Herr große Dinge an mir getan hat, und dass sein Name heilig sei. Und die rechte Ehre der Heiligen wird in Apologia also gefasset, nämlich: dass wir erstlich Gott preisen, der die Heiligen mit großen Gaben gezieret hat. Dieselbigen Gaben sollen wir rühmen und die Heiligen loben, die solche Gaben treulich gebrauchet haben, wie Christus lobet den treuen Knecht, Matth. 25. Zum andern sollen wir aus ihrer Lehr und Bekenntnis, aus ihrem Kreuz und Leiden, aus ihrer Beständigkeit, uns Linderung, Trost und Hoffnung nehmen. Röm. 15. Zum dritten, dass wir ihnen im Glauben und in andern gottseligen, löblichen Tugenden folgen. Das ist die rechte Ehre der Heiligen. Denn die Ehre, die Gott gebührt, als in Anbeten und Anrufen, die soll weder Engeln noch Heiligen gegeben werden; auch kann sie den lieben Heiligen nicht angenehm noch gefällig sein.

 

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