Chemnitz - Gebet

 

VON RECHTEM, WAHREM GEBET.

 

DARF EIN CHRIST AUCH BETEN, ODER STEHTS IHM FREI? 

Beten ist dem Christen in keinem Wege ein frei oder Mittelding, sondern es ist Gottes Wille und Befehl, dass die Kinder Gottes ihren Gott und Vater anrufen sollen, und dasselbige nicht ein oder zweimal, sondern allewege und immerdar, 1 Thess. 5: Betet ohne Unterlass; seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch. Luk. 18. Man soll allzeit beten und nicht laß werden. 1 Tim. 2: Ich vermahne, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung. Deut. 6: Du sollst Gott deinen Herrn anbeten. Ps. 50: Rufe mich an in der Zeit der Not. Matth. 7: Bittet, so werdet ihr empfangen; suchet, so werdet ihr finden. Und die den Namen des Herrn nicht anrufen, die rechnet Gott unter die Heiden, welche vor ihm ein Greuel sind, über welche er auch seinen Grimm ausgießen will, Ps. 14 und 79. Jerem. 10, wie hinwieder der wahren Kirche und Heiligen Gottes Merkzeichen gesetzt wird, 1 Kor. 1: Die den Namen des Herrn anrufen. 

 

WAS IST ODER HEIßT DENN BETEN? 

Beten heißt nicht, wenn der Mund viel Worte macht ohne Verstand und Gedanken, Matth. 6. 1 Kor. 14. Denn davon spricht Gott: Dies Volk nahet sich zu mir mit seinem Munde und ehret mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir, Jes. 29. Matth. 15 – sondern wenn die Seele oder das Herz sich erhebet zum Herrn, Ps. 25. 86. 143, hinzutritt zu dem Gnadenstuhl, Hebr. 5, Gott, der gegenwärtig ist und höret, in kindlicher Demut und herzlicher Andacht anspricht, Gal. 4, unsere Not ihm auf seinen Befehl und Verheißung vorträgt, Barmherzigkeit, Gnade und Hilfe in wahrem Glauben durch Christum zu dem, was ihm löblich, uns nütz, nötig und seliglich ist, bittet, Hebr. 5. Joh. 16, oder für empfangene Wohltat ihm dankt, seinen Namen lobet und preiset. 1 Tim. 2. 1 Kor. 14. 

 

WIE MANCHERLEI IST UND GESCHIEHT DENN SOLCH GEBET? 

Paulus hats fein einfältig ausgeteilet Phil. 4. 1 Tim. 2. 1 Kor. 14. Eph. 5, nämlich dass wir bitten entweder, dass Gott das Gute uns geben, erhalten, stärken und mehren wolle, oder das Böse von uns abwenden, davor behüten, davon erlösen, im Kreuz Rettung, Linderung, Geduld und Trost geben. Oder dass wir ihm für empfangene Wohltat danken oder seinen Namen, als Allmacht, Herrlichkeit, Gerechtigkeit, Gnade, Güte etc. rühmen, loben und preisen. Oder dass wir ihm unsere Sünde bekennen und unsere Not klagen, Dan. 9. Und solch Beten, Danken, Loben und Klagen geschieht entweder in genere (Anm.: im Allgemeinen), insgemein für alles, oder in specie (Anm.: im Besonderen), wenn insonderheit im Gebet etwas ausgedrückt oder namhaftig gemacht wird. Und in diesem allen beten und danken wir entweder für uns selbst oder für andere, und geschieht, entweder, wenn ein jeglicher bei sich betet oder danket, oder wenn zwei oder drei oder eine ganze Gemeine oder Versammlung eins werden um etwas zu bitten und also ihre Gebete zusammen setzen und ein gemeines Gebet machen. Matth. 18. Item, solch Beten und Danken geschieht entweder allein innerlich mit Seufzen, Verlangen und Bewegung des Herzens, oder zugleich innerlich und äußerlich mit Herz und Mund. Und das Äußerliche geschieht entweder mit Sprechen oder mit Singen 1 Kor. 14. Eph. 5. Es werden auch zum Gebet entweder äußerliche Geberden gebraucht, als Kniebeugen, Eph. 3, Hände aufheben, 1 Tim. 2, die Augen aufschlagen, Ps. 123, an die Brust schlagen, Luk. 18, oder kann auch wohl ohne solche äußerliche Geberden ein rechtes Gebet im Geist und in der Wahrheit geschehen, Joh. 4; denn die äußerlichen Geberden sind entweder nur Anzeigung oder Anreizung der innerlichen Andacht. 

 

ISTS DENN GLEICH VIEL, WIE MAN BITTET? 

Nein; denn es beten auch Heiden und Pharisäer; aber ihr Gebet ist Gott nicht angenehm, Matth. 6. Jakobus spricht am 4. Kapitel: Ihr bittet und krieget nicht, darum, dass ihr übel bittet; ja David spricht im 109. Psalm: Sein Gebet müsse Sünde sein. Derhalben, wer da recht beten will, der soll sich gewöhnen, dass er wohl und fleißig darauf gedenke, wie er sein Gebet also möge anstellen und vorbringen, dass es Gott möge gefällig sein und erhöret werden. Solches aber stehet nicht in vielen Worten, oder in stattlicher, prächtiger Rhetorica (Anm.: Redekunst), sondern dass es also angestellet werde, wie es Gott in seinem Worte vorgeschrieben hat; und dasselbige wird um der Einfältigen willen in diese Stücke kürzlich gefasset. 1. Dass man vor allen Dingen sich erinnere, wen wir im Gebet anrufen, also dass Herz, Sinn und Gemüt mit allen Gedanken gerichtet werden zu dem einigen wahren, lebendigen Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geiste, wie derselbige sein Wesen und Willen in seinem Worte uns geoffenbaret hat. 2. Weil wir ihn auf die Weise anrufen: Abba, Vater, als der nicht ferne abwesend, 3 Reg. 18, sondern gegenwärtig unser Gebet höret, Deut. 4. Ps. 145, so sollen wir unsere Gedanken zusammen fassen und mit herzlicher Andacht, mit kindlicher Reverenz und Demut als vor seinem Angesicht unser Gebet aufstellen und vorbringen, Ps. 119. 143. Hebr. 5. 3. Muss ein rechtes Gebet in wahrer Buße und seligmachendem Glauben geschehen; denn die unbußfertigen Sünder will Gott nicht hören, Joh. 9; und Jes. 1: Wenn ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Bluts. Derhalben, wer recht beten will, muss vor allen Dingen gedenken, wie er mit dem Gotte stehe, den er anrufen will, ob er ihn auch wahrhaftig Vater nennen könne, wie denn in allem Gebet das Vornehmste sein soll, dass wir vor allen Dingen Vergebung der Sünden und einen gnädigen Gott, der sich unser in Gnaden annehme, haben mögen. 4. Muss ein Gebet nicht ein loses Gewäsch sein, sondern soll bei Gott etwas suchen, etwas von ihm bitten und begehren, Matth. 7, und dasselbige nach seinem Willen, 1 Joh. 5, mit der Erinnerung, dass es Gottes Wille und Befehl sei, dass wir solches bei ihm suchen und von ihm bitten sollen. 5. Muss es nicht auf Vertrauen eigener Würdigkeit vorgebracht werden, sondern nach ernster Betrachtung unserer tiefsten Unwürdigkeit, im Namen und auf das Verdienst unsers einigen Mittlers, Fürbitters und Fürsprechers Jesu Christi sollen wir auf Gottes große Barmherzigkeit mit unserm Gebet ihm zu Fuße fallen, Joh. 16. Dan. 9. 6. Muss der Glaube im Gebet die Verheißung, darin uns Gott ohne, ja wider unser Verdienst aus Gnaden um Christus willen gnädige Erhörung zugesaget hat, fassen und daraus das Vertrauen schöpfen, dass Gott uns gewisslich erhöre, sich unser und unserer Not in Gnaden annehme, dass er könne, wolle und werde uns helfen, wie es zu seinen Ehren und zu unserer Seligkeit gereichen möge, Matth. 21: Alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, so werdet ihrs empfangen. Jak. 1: Er bitte im Glauben und zweifele nicht. Denn wer da zweifelt, der denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde. Hieraus ist klar, wie schwer es sei, recht beten, und wie viele Gebete oft mit dem Munde gesprochen werden, die nicht im Geist und in der Wahrheit geschehen. Es ist auch das hieraus klar, dass recht beten nicht sei ein Werk unserer natürlichen Kräfte, sondern wie Paulus sagt Gal. 4: Weil ihr Gottes Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, Vater. Und Sach. 12 spricht Gott: Ich will ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Ob aber gleich solche Andacht zum Gebet schwach ist, sollen wir derhalben nicht ablassen, sondern bitten auf die Zusage, dass Gott seinen Heiligen Geist geben wolle denen, die ihn darum bitten, Luk. 11. Auch wird durch Betrachtung des Worts und durch rechte Übung des Glaubens die Andacht zum Gebet angezündet und gemehret, um welcher Ursache willen Christus befohlen hat, das wir sprechen sollen, wenn wir beten, Luk. 11, und Paulus spricht Röm. 8, wenn wir nicht wissen, was wir beten sollen, wie sichs gebührt, so vertritt uns der Geist selbst mit unaussprechlichem Seufzen. 

 

WAS SOLL ODER MAG MAN DENN VON GOTT BITTEN? 

Christus spricht Matth. 18 und 21. Mark. 11. Joh. 16: Alles, was ihr den Vater in meinem Namen im Glauben bitten werdet, das wird er euch geben. Das wird also erkläret: 1 Joh. 5: Die Freudigkeit haben wir zu Gott, dass so wir etwas bitten nach seinem Willen, dass er uns höret. Denn was Gott verboten hat, ihm zuwider und entgegen ist, können oder sollen wir ja nicht bitten. Was aber solcher Gotteswille sei, hat Christus in der forma des Gebets, welche er den Aposteln vorgeschrieben, Matth. 6. Luk. 11, erkläret, welches in diese Hauptstücke gefasset wird, nämlich, was zu Gottes Ehren und zu unserer Notdurft, Nutz und Seligkeit dienet und gehöret. Und was uns belanget, sinds entweder geistliche oder leibliche Güter an Leib, Seel, Gut, Ehre etc. zu diesem oder zum ewigen, Leben, für andere oder für uns selbst, insgemein oder insonderheit, wie in den Bitten des Vater Unsers solches ordentlich gefasset ist. 

 

MAG ODER MUSS MAN DENN KEINE ANDEREN WORTE IM GEBET BRAUCHEN, DENN DIE WORTE, DIE IM VATER UNSER STEHEN? 

Die Propheten, Christus selbst und die Apostel haben in ihren Gebeten auch anderer Worte gebraucht. Derhalben sind wir nicht stracks an die Worte gebunden, sondern an die Meinung, dass wir nach den Hauptstücken, auf die Weise, in der Ordnung und zu dem Ende bitten, wie es Christus in der forma seines Gebets oder des Vater Unsers gefasset hat. Derhalben ists nützlich und gut, dass alles, was wir bitten wollen, in eine der Bitten eingeschlossen werde, und dass man in allen andern Psalmen und reinen Gebeten darauf sehe, in welche Bitte des Vater Unser sie gehören. Denn die forma des Gebets, so von Christo selbst vorgeschrieben ist, soll ja billig, für die vornehmste und beste gehalten werden, die eine regula und Richtschnur soll sein aller anderen Gebete. Denn Christus spricht nicht vergebens: Wenn ihr betet, so sprecht: Unser Vater. 

 

MIT WAS BESCHEIDEN UND UNTERSCHEID SOLLEN WIR DENN GEISTLICHE UND LEIBLICHE GÜTER BITTEN? 

Das weiset uns die Form des Gebets Christi, nämlich dass wir nicht allein des Zeitlichen im Gebet gedenken sollen, oder dass dies das Erste und Vornehmste sein solle, sondern dass wir zugleich beide, geistliche und leibliche Güter, bitten, und dass wir zum ersten und vornehmsten das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen sollen; darnach sollen wir das Zeitliche nicht auf uns selbst setzen oder von jemand anders bitten, sondern auch dasselbige bei Gott suchen und also, dass es Gott zu Ehren und uns zu Gute und unserm Nächsten zu Frommen gereichen möge. Und was die geistlichen Güter anlanget, die sollen wir ohne Condition oder Geding im gewissen Vertrauen bitten; was aber anlanget die leiblichen oder zeitlichen Güter, weil Gott die Seinen im Kreuz üben will und wir selbst nicht wissen, was uns in dem nützlich und seliglich sein möchte, so hat es Christus im Vater Unser vorgeschrieben, das tägliche Brot also und mit solcher Condition zu bitten: 1. wo es Gottes gnädiger Wille sei, da wir sagen: Dein Wille geschehe; 2. wo es uns nützlich und seliglich sein sollte, da wir sagen: Erlöse uns vom Bösen; 3. wo es zu Gottes Ehren dienen sollte, da wir sagen: Dein ist die Ehre und Herrlichkeit. Derhalben sollen wir Gott kein Ziel stecken, weder Zeit, Weise oder Maß setzen, sondern uns seinem Willen untergeben und zum kindlichen Gehorsam erbieten, da es ihm anders, als wir bitten, gefallen würde, wie also Christus selbst bittet Matth. 26, David 2 Reg. 15 und Dan. 3. Item Matth. 8: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen. Und bleibt gleichwohl die Verheißung und das Vertrauen der Erhörung gewiss auch in solchem Gebet, nämlich dass Gott auch in solchen leiblichen Sachen sich unsers Anliegens in allewege gewisslich als ein Vater mit Gnaden annehmen und darin schaffen werde und wolle, was nach seinem väterlichen Willen er weiß, was uns nütz und seliglich sein möge. Daher haben die Alten in solchen Anliegen ihre Gebete kurz, aber gar schön gefasset: Aut liberet, aut mitiget, aut donata patientia et consolatione salvet. Et Augustinus dicit: Deus etiam in corporalibus semper exaudit, si non ad nostram voluntatem, at certe secundum suam voluntatem ad nostram utilitatem. Item in hujusmodi petitionibus Deus misericorditer facit, quando exaudit, et misericorditer facit etiam, quando non exaudit (Anm.: Entweder er befreie, oder er lindere, oder er erlöse, indem er Geduld und Trost schenkt. Und Augustinus spricht: Gott erhört auch im Leiblichen immer, wenn nicht nach unserm Willen, doch gewiss nach seinem Willen uns zum Nutzen. Und wiederum: In solchen Bitten handelt Gott barmherzig, wenn er erhört, und barmherzig, auch wenn er nicht erhört). 

 

WAS SIND FÜR URSACHEN, DIE UNS ZUM GEBET REIZEN UND TREIBEN SOLLEN, WENN WIR FAUL DAZU SIND? 

Weil wir fast alle zum Gebet kalt, faul und nachlässig sind, ist gar gut, dass man solche Ursachen wisse und gleich zur Hand habe, durch welcher Betrachtung der Heilige Geist uns, zum Gebet anreizen und aufmuntern möge. Als erstlich, weil es Gottes Wille und Befehl ist, dass wir sollen beten, so ist Unterlassung desselben eine große, schwere Sünde. 2. soll uns die große Not und Gefahr, darin wir stecken, und die wir nicht genugsam verstehen, davor wir uns selbst nicht hüten, noch daraus retten können, dazu treiben. 3. der große Nutz und Frucht des Gebets soll uns dazu reizen; denn die geistlichen Güter müssen wir durchs Gebet empfangen, Luk. 11, und die zeitlichen können uns nicht seliglich sein, wenn sie nicht durchs Gebet geheiliget werden, 1 Tim. 4, wie Jak. 5 von der Kraft des Gebets weiter geschrieben stehet. 4. es sollen uns auch dazu reizen die herrlichen Verheißungen, dass Gott der Vater in Christo uns so lieb hat, da ers gerne hat, dass wir vor und zu ihm mit unserm Gebet kommen, dass er seine Ohren dazu neigen und in Gnaden erhören will; 5. und dass Christus, der Mittler, wenn wir beten, bei uns sein, Matth. 18, unser Gebet als unser Advokat, Fürsprecher und Beistand dem Vater vortragen und vertreten und neben uns den Vater für uns bitten will; 6. dass auch der Heilige Geist als ein Geist des Gebets wahre Andacht zum Gebet in uns anzündet, dass wir in ihm rufen: Abba, Vater, Gal. 4; ja er vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen, Röm. 8, und derhalben betrüben wir den Geist des Gebets, wenn wir nicht beten. 7. Weil ein gemeines Gebet ist aller Gliedmaßen Christi. Wer nun nicht betet, der sondert sich von dem Leibe und von der Gemeine der Heiligen ab, und Gott, Jerem 10. Ps. 29, hält dieselbigen, die seinen Namen nicht anrufen, für Heiden. 8. Im Gebet haben wir die rechte nützliche Übung des ganzen Christentums, als der Buße, des Glaubens, der Geduld, des Trostes, der Hoffnung etc., welche Gaben der H. Geist durch die Übung des Gebets erhält und mehret; da man sie aber im Gebet nicht fleißig übet, werden sie abgeschwächt und endlich verloren. 9. wo man nicht betet, da stehet dem bösen Feinde zu aller Anfechtung Tür und Fenster offen, Matth. 26. Luk. 22.

 

IST AUCH EINE STÄTTE ODER ZEIT ZUM GEBET HEILIGER ODER BESSER DENN DIE ANDERE? 

Im Neuen Testament ist das Gebet an keine Stätte gebunden, wie Christus ausdrücklich saget Joh. 4, und Paulus spricht 1 Tim. 2, dass man an allen Orten beten könne, auch ein jeder in seinem Kämmerlein, Matth. 6, ja auf seinem Bette, Ps. 63. Und weil wir allezeit beten sollen, Luk. 18, so ist alle Zeit zum Gebet geheiliget. Aber wenn man in christlicher Freiheit guter Pädagogik und Ordnung halben ohne Aberglauben gewisse Zeit zum Gebet nimmt, das ist nicht unrecht. Also wenn man einen Ort dazu erwählet, da man ohne äußerliche Hindernisse das Gebet tun möge, ist recht. Item, dass man das Gebet tue, da die Gemeine Gottes zusammenkommt, da Gottes Wort geprediget, gehöret, die Sakramente gehandelt werden, geschieht nach dem Exempel der apostolischen Kirche, Act. 2 und 1 Kor. 14. Wenn aber solches der Meinung geschieht, als wäre das Gebet von wegen der Stätte oder Zeit heiliger oder besser, das ist ein falscher, schädlicher Aberglaube. 

 

WAS IST FÜR EIN UNTERSCHIED ZWISCHEN EINEM CHRISTLICHEN UND HEIDNISCHEN GEBET, ITEM ZWISCHEN EINEM EVANGELISCHEN UND PAPISTISCHEN GEBET? 

Die wahren Anbeter, so Gott im Geist und in der Wahrheit wollen anrufen, sollen darauf gedenken, dass sie ihre Anrufung und Gebet von allen abgöttischen und abergläubischen Gebeten unterscheiden und absondern, Matth. 6; ist derhalben gut, dass man von den Punkten, darin solcher Unterschied stehet, Bericht habe. Denn die Heiden und alle Unchristen rufen entweder ihre erdichteten Abgötter an, oder den Gott, den sie nicht kennen, wer er sei, Joh. 4. Den wahren Gott aber, welcher ist Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, rufen sie nicht an; denn sie kennen ihn nicht. Auch rufen sie ihn nicht an im Namen und auf das Verdienst Christi, des Mittlers, und Christus spricht Joh. 14: Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Das Vertrauen der Erhörung setzen sie auf ihre Opfer und vermeinte Gottesdienste, oder auf ihre langen, schönen Gebete, Matth. 6, und bleiben doch immer im Zweifel der Erhörung und Hilfe halben. So wissen sie auch die wahren geistlichen Güter nicht zu bitten, und wenn es nach ihrem Willen und Begehr nicht gerät, so schelten sie auf ihre Götter. Die Papisten aber rufen Gott nicht allein an, sondern neben ihm die Heiligen als Patrone und Nothelfer. Auch bitten sie nicht allein in Christi Namen, sondern ziehen an viel mehr Mittler und Fürbitter von den verstorbenen Heiligen. Das Vertrauen der Erhörung setzen sie entweder auf ihre eigenen oder anderer Heiligen Verdienst, und daher lehren sie, dass man an Gottes Gnade zweifeln solle. Sie halten, dass das Gebet, wenn es geschieht vor gewissen Bildern, in gewissen Kirchen und Örtern daher angenehmer sei, denn sonst. Sie beten oft in fremder, unbekannter Sprache, setzens auf viel Plappern, Matth. 6, auf gewisse Anzahl Pater noster und Ave Maria (Anm.: „Vater Unser“ und „Gegrüßet seist du, Maria“), machen aus dem Gebet ein Werk, dadurch Gnade und Seligkeit zu verdienen, so wir doch im Gebet Gott nicht etwas geben, sondern von ihm aus Gnaden um Christus willen etwas empfangen wollen etc. Wie aber hiegegen ein rechtes, wahrhaftiges Gebet gerichtet solle sein, ist aus dem Vorigen klar; und wenn das Gebet soll rein sein, so muss aller Sauerteig davon ausgesäubert werden.

 

- Fortsetzung -