Chemnitz - Sünde wider den Geist

 

VON DER SÜNDE 

WIDER DEN HEILIGEN GEIST.

 

WEIL CHRISTUS SAGT MATTH. 12. MARK. 3. LUK. 12, DASS DA SEI EINE SÜNDE ODER LÄSTERUNG WIDER DEN H. GEIST, WELCHE WEDER IN DIESER, NOCH IN JENER WELT VERGEBEN WERDE, KANN ODER SOLL MAN AUCH BALD UND LEICHT URTEILEN, DASS JEMAND SOLCHE SÜNDE HABE? 

In dieser Frage muss man sich gar wohl und fleißig vorsehen, dass nicht wider die allgemeine Verheißung des Evangelii gelehret werde, als wären etliche Sünden so groß und schwer, dass sie dem Sünder, wenn er gleich Buße täte und an Christum glaubte, nicht könnte vergeben werden. Denn das wäre nichts anders, als hätte Christus dafür nicht genug getan, dadurch arme Gewissen in Verzweiflung möchten geraten, wie in der alten Kirche hievon allerlei falsche und schädliche opiniones (Anm.: Meinungen) erreget worden sind. Denn etliche haben gedisputieret, wer nach empfangener Taufe in Sünde fiele, dass ihm solches nicht könnte vergeben werden. Aber der Opinion widerspricht Paulus öffentlich mit dem Exempel seines Corinthers und seiner Galater, welche nach der Taufe gefallen und gleichwohl wiederum mit Gott versöhnet sind, 2 Kor. 2. Gal. 4. So spricht auch Christus von denen, so Brüder, das ist, Christen sind: Nicht siebenmal, sondern sieben und siebenzigmal sieben, Matth. 18. Luk. 17. Die Novatianer haben gestritten, wer die erkannte Wahrheit des Evangelii zur Zeit der Verfolgung verleugnete, dass einem solchen, wenn er gleich hernach Buße täte und Versöhnung mit Gott durch den Glauben um Christus willen suchte und begehrete, seine Sünde nicht könnte vergeben werden. Diese Meinung hat die alte rechtgläubige Kirche als falsch und schädlich mit großem Ernst verworfen und aus gewaltigem Grunde der Schrift widerlegt, wie denn auch der Fall der Verleugnung Petri davon Zeugnis gibt. Es haben auch etliche hievon gefährlicher Weise also gedisputieret, dass die Sünden, so aus Schwachheit geschehen, wider Gott den Vater seien, und die aus Unwissenheit geschehen, wider Gott den Sohn seien, und dass dieselbigen allein vergeben können werden; die aber wissentlich oder vorsätzlich geschehen, sollten wider den Heiligen Geist sein, also, dass sie nicht könnten vergeben werden, wenngleich der gefallene Sünder Buße täte und an Christum glaubte. Aber das ist wider die ganze Summa des Evangelii, welches lehret: 1., dass Christus die Versöhnung sei nicht für etliche allein, sondern für alle, der ganzen Welt Sünde. 2., dass Christus befohlen hat insgemein allen Sündern Buße und Vergebung der Sünde zu predigen, und ist ein allgemeiner Befehl: Tut Buße und glaubet dem Evangelium; item: Kommet zu mir, alle etc. 3., dass die Verheißung des Evangelii insgemein lehret, wer Buße tut und an Christum glaubt, solle nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 4., dass die Schlüssel des Himmelreichs einen gemeinen Befehl und Verheißung haben: Quorumcunque, welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben. 5., so haben wir auch Adams und Davids Exempel, welche traun wissentlich gesündiget und dennoch zur Buße wieder kommen und durch den Glauben Vergebung der Sünden erlanget haben. Hieraus ist klar, wie gefährlich es sei, allzu scharf und genau von derselben Sünde disputieren, welche nach Christi Urteil weder in dieser, noch in jener Welt vergeben solle werden. Und sind diese der Alten disputationes derhalben allhie erzählet worden, auf dass die Pastores Warnung haben mögen, vor welchen disputationibus et opinionibus sie sich in dieser Frage hüten sollen und, da etwa geängsteten Gewissen solche Gedanken einfallen würden, dass sie wissen möchten, aus was Grunde sie dieselbigen trösten sollen. 

 

WIE KANN MAN ABER GLEICHWOHL EINFÄLTIG UND GRÜNDLICH SOLCHE SÜNDE WIDER DEN HEILIGEN GEIST, DIE NICHT VERGEBEN WIRD, BESCHREIBEN? 

Der allereinfältigste, gewisseste und sicherste Weg in dieser Frage ist, den Augustinus weiset und folget. Denn der hat erstlich das wohl gesehen, dass es müsse eine Sünde sein wider das Amt, wider die Gaben und Wirkungen des Heiligen Geistes. Weil aber auch denen, die dem Heiligen Geiste widerstreben, Act. 7, Buße geprediget wird zur Vergebung der Sünden, Luk. 24, und auch Stephanus für sie bittet, Act. 7, solls nun eine solche Sünde sein wider den Heiligen Geist, die ewiglich nicht vergeben werde, so muss zum andern, spricht Augustinus, dazu kommen und dabei sein finalis impoenitentia (Anm.: Unbußfertigkeit bis ans Ende), da nämlich jemand in solcher Sünde ohne Buße sein Leben endet und darin stirbt. Libro 1. Retract. cap. 19. Germ. 11. de verbis Domini in Enchirid. cap. 83, et Epist. 50 (Anm.: Angabe der Stellen seiner Schriften, wo Augustin davon redet), dass man also a posteriori (Anm.: nachher), wenn Gott sein Gericht über jemand durch einen unbußfertigen Tod in solchen Sünden erkläret, am besten und sichersten urteilen kann von solcher Sünde wider den Heiligen Geist, die nicht vergeben wird. Hieraus haben die Alten nützliche Lehre, Warnung und Vermahnung genommen, nämlich, dass nicht alle Sünden, so wider des Heiligen Geistes Amt und Werk geschehen, unvergeblich sind. Denn viele von denen, so dem Heiligen Geist widerstrebet haben, ihn betrübt und verbittert, werden durch Gottes Gnade wieder bekehret und selig. Es sind aber solche Sünden, dadurch dem Heiligen Geist in seinem Amt und Wirkung widerstrebet wird, viel schwerer und gefährlicher, denn andere Sünden, aus Ursachen, denn von anderen Sünden kann uns der Heilige Geist helfen, wenn er durch sein Amt und Wirkung in den Herzen wahre Buße erwecket und rechten Glauben anzündet, dadurch Vergebung der Sünden erlanget wird. Wer aber solchem Amt des Heiligen Geistes widerstrebet, wo er darin verharrt, kann er zu keiner Vergebung kommen. Und dass ein jeder davor verwarnet sei und davor sich hüten möchte, haben die Alten solche Sünden wider des Heiligen Geistes Amt und Wirkung einfältigerweise also gezählet: 1. Praesumptio de misericordia Dei vel de impunitate peccati (Anm.: Vermessenheit auf Gottes Barmherzigkeit oder der Sünden Straflosigkeit), wenn einer auf Gottes Gnade sündiget und solchen Wahn hat, dass ihn Gott nicht verdammen, sondern selig machen werde, wenn er gleich in Sünden ohne Buße und Bekehrung immer verharret und fortfähret. 2. Obstinatio (Anm.: Hartnäckigkeit), wenn einer wider alle Bußpredigten und Vermahnungen aus Gottes Wort ein solches hartes, verstocktes Herze hat, und einen solchen bösen Vorsatz fasset, dass er weder hören noch folgen wolle, sondern wird dadurch noch immer boshaftiger; item, wer Sünde nicht will für Sünde halten und erkennen, sondern verteidiget sie, rühmet sich derselbigen etc. 3. Impugnatio agnitae veritatis (Anm.: Bekämpfung der erkannten Wahrheit), wenn jemand die erkannte Wahrheit des göttlichen Wortes wissentlich und vorsätzlich, wider sein Gewissen lästert, verfolget, anfeindet etc. und des Heiligen Geistes Werk dem Teufel zuschreibet. 4. Desperatio (Anm.: Verzweiflung), wer an Gottes Gnade und seiner Seligkeit, da ihm doch dieselbige in Christo durchs Wort vorgetragen und durch die Sakramente versiegelt wird, gänzlich verzweifelt. 5. Invidentia fraternae gratiae (Anm.: Missgönnung der den Brüdern widerfahrenen Gnade), wer seinem Nächsten Gottes Gnade, die Gaben des Heiligen Geistes und die Seligkeit aus bitterem, unaussprechlichem Hass missgönnet. 6. Impoenitentia finalis (Anm.: Unbußfertigkeit bis ans Ende), bis ans Ende ohne Buße bleiben, in Unbußfertigkeit sterben und einen bösen Vorsatz haben, von Sünden nimmermehr abzustehen. Und Summa, weil der Heilige Geist durchs Wort wirket Buße, Glauben, Erneuerung etc., wer nun entweder Gottes Wort verachtet, verkehret, missbrauchet, lästert, verfolget etc., oder wer des Heiligen Geistes Werk, wenn er in uns Buße, Glauben, neuen Gehorsam wirken will, vorsätzlich und mutwillig hindert und zerstöret, der versündiget sich an dem Amt und Werk des Heiligen Geistes. Und solchen Sündern soll scharfe, ernste Buße geprediget werden, wie schwere und gefährliche Sünden dies seien. Da auch jemand durch Gottes Gnade von solchen Sünden sich bekehret, soll man in keinem Wege sagen, dass solche Sünden unvergeblich sind. Weil aber diese Sünden wider das Werk und Amt des Heiligen Geistes die böse Art und Eigenschaft haben, dass sie das Herz je länger, je mehr und endlich gar verhärten, wie im Pharao, und auch Gott gemeiniglich sein Gericht darauf legt, dass sie in verkehrten Sinn gegeben, verstockt und verblendet werden, Röm. 11. Joh. 12, daher kommts, dass selten und wenige von solchen Sündern, wenn sie darin verharren, bekehret werden. Und auf diese Meinung saget auch Paulus Tit. 3.: Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und abermal vermahnet ist, und wisse, dass ein solcher verkehret ist und sündiget, als der sich selbst verurteilet hat. Weil aber gleichwohl Gott zu Zeiten aus sonderlichen Gnaden auch solche wieder zurecht bringet, und wir Gott kein Ziel oder Maß setzen sollen, so können und sollen wir, so lange noch der Tag des Heils währet, nicht bald und leicht jemand zu solcher Sünde verurteilen, die unvergeblich sei. Wenn aber jemand in solchen Sünden ohne Bekehrung bis ans Ende bleibet, stirbt und verdirbt, alsdann haben wir Gottes offenbartes Urteil, dass es eine solche Sünde oder Lästerung wider den Heiligen Geist gewesen sei, welche weder in dieser, noch in jener Welt vergeben werde, das ist, wie Chrysostomus spricht, welche hier mit Verstockung und dort mit ewigem Feuer gestraft solle werden. Und dies ist auch die Meinung der Epistel zu den Hebräern in den schweren Sprüchen am 6. und 10. Kapitel, nämlich, dass diejenigen, so von Christo und seinem Evangelio wissentlich, vorsätzlich und gänzlich abfallen und darin also verharren, dass sie Christum wiederum gleich kreuzigen und für Spott halten, item, den Sohn Gottes immer mit Füßen treten und den Geist der Gnaden schmähen, dass solche Sünde ihnen unvergeblich sei; denn sie kommen nicht zur Buße, und außer Christo ist kein Opfer für die Sünde, wie der Text selbst sich also erkläret.

 

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