Sünde wider den Heiligen Geist

„Ich sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern lästerliche Namen … Und es tat sein Maul auf zur Lästerung gegen Gott, zu lästern seinen Namen und sein Haus und die im Himmel wohnen.“ (Offb 13,1.6)

Sünde wider den Heiligen Geist

Bei Matthäus im 12. Kapitel werden Ereignisse geschildert, die schwer zu deuten sind, obwohl die Sache mit einer schönen Machttat Jesu beginnt. Man bringt einen Besessenen zu ihm, der blind und stumm ist. Jesus aber gebietet dem bösen Geist auszufahren und heilt damit den Mann, so dass er wieder reden und sehen kann (Mt 12,22). Man darf annehmen, dass er sich drüber freute! Doch haben einige Pharisäer die Sache mit angesehen, denen Jesus nicht geheuer ist. Sie sind wohl auch neidisch, weil Jesus dem Volk so großen Eindruck macht. Da sie aber um keinen Preis anerkennen wollen, dass Jesus seine Macht von Gott hat, suchen sie eine andere Erklärung für das Wunder und sagen: „Naja, niemand kann leugnen, dass hier übermenschliche Kräfte im Spiel sind. Aber vielleicht kommen die gar nicht von Gott, sondern vom Teufel. Wenn die Dämonen Jesus gehorchen, steht er wohl mit ihrem Fürsten im Bunde und hat seine Macht vom Teufel selbst!“ Das ist sehr boshaft gedacht – aber auch nicht komplett abwegig. Denn das Neue Testament selbst warnt vor falschen Propheten, die sich durch große Wundertaten als Gesandte des Himmels ausweisen wollen, obwohl sie tatsächlich Agenten der Hölle sind (Mt 24,24). Dergleichen von Jesus zu behaupten, ist aber sehr schändlich. Und so gibt er ihnen die passende Antwort und sagt: „Was ihr mir da unterstellt, macht keinen Sinn. Denn wenn der Satan Dämonen austriebe, handelte er ja gegen die eigenen Interessen und wäre mit sich selbst uneins geworden. Er befreite dann Menschen von ihrer Besessenheit. Er zerstörte dadurch sein eigenes Reich. Und das glaubt ihr ja wohl selbst nicht, dass der Teufel angefangen hat, gegen seine böse Natur so etwas Gutes zu tun, wie ich es tat an jenem Mann!“ Das ist ein schlagendes Argument, das den Verdacht hinreichend widerlegt. Aber vielleicht hat Jesus in den grimmigen Gesichtern seiner Jünger gelesen, dass sie auf jene Pharisäer nach wie vor zornig waren. Die hatten Jesus schwer beleidigt! Den Jüngern war vielleicht anzusehen, dass sie diese Frechheit gern mit den Fäusten vergolten hätten. Und so fügt Jesus noch ein paar beschwichtigende Worte über Vergebung hinzu und sagt: „Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird‘s nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt“ (Mt 12,31-32).

Puh, die Botschaft hat schon manchen in Unruhe versetzt. Denn – entgegen anderslautenden Gerüchten – hat Gottes Geduld wohl doch Grenzen. Seine Liebe gilt nicht „bedingungslos“ allen. Es existiert eine Sünde, für die er keine Vergebung gewährt. Und das ist die Lästerung gegen den Heiligen Geist. Aber will Jesus sagen, jene Pharisäer hätten diese spezielle Sünde begangen – und was sie taten, sei darum unverzeihlich? Obwohl viele das so verstehen, leuchtet es mir nicht ein. Denn die Verleumdung der Pharisäer richtet sich gegen Jesus. Und wenn sie jene unvergebbare Sünde begangen hätten, wär’s auch ganz sinnlos gewesen, sich noch argumentierend um sie zu bemühen. Nicht gegen den Geist, sondern gegen Jesus haben sie ihren bösen Verdacht geäußert. Und der sagt ausdrücklich, was gegen ihn gerichtet sei, könne genauso vergeben werden wie all die anderen Sünden gegen Gott und sein Gesetz. Nur eben die eine Sünde, dass jemand den Heiligen Geist verlästert, die kann weder in dieser noch in der kommenden Welt vergeben werden. Warum ist aber gerade diese Sünde unverzeihlich? Und worin genau besteht sie? Schon die Frage versetzt Menschen in Angst, weil manche meinen, sie hätten in dunklen Stunden verwirrter Glaubenszweifel diese Sünde vielleicht begangen. Um deren Not nicht zu vergrößern, wollen viele Pfarrer auch gar nicht drüber reden. Aber was hilft das, wenn‘s doch Jesus zu sagen für nötig hielt? Da es nun geschrieben steht, können wir nicht umhin, uns den Fragen zu stellen. Und die erste ist, warum eigentlich eine Lästerung des Heiligen Geistes soviel schwerer wiegen soll als eine Lästerung Jesu Christi oder seines himmlischen Vaters. Natürlich gebührt dem Heiligen Geist als der dritten Person der Trinität dieselbe Ehre wie dem Vater und dem Sohn. Der Geist ist mit ihnen gleichen Wesens und gleicher Würde! Doch steht die dritte Person der Trinität nicht über den anderen. Und so schlimm es auch ist, Gott zu beleidigen, findet sich doch kein Grund, warum es gerade beim Heiligen Geist (und nur bei ihm) „unverzeihlich“ sein sollte. Wäre die Lästerung Gottes immer verzeihlich oder niemals, würden wir das verstehen. Aber hier wird der Heilige Geist herausgehoben. Und man hat zu Recht gefolgert, dass es dann wohl nicht an der Größe dieser Sünde liegen kann, sondern nur daran, dass sie just das Mittel verwirft, durch das ein Mensch zur Vergebung gelangt. Die Lästerung betrifft nicht die Person des Hl. Geistes (denn die des Vaters oder des Sohnes wäre nicht geringer), sondern sie betrifft des Geistes Amt und Funktion. Worin besteht die aber? Es ist dies Doppelte, dass der Heilige Geist dem Sünder einerseits die Augen für das Gesetz öffnet, damit er seine Sünde wirklich als Sünde erkennt (A), und dass er ihm andererseits die Augen für das Evangelium öffnet, damit er den Ausweg sieht und erkennt, dass ihm Gott in freier Güte um Christi willen Vergebung anbietet (B). Durch beides will der Geist das harte Herz des Sünders zur Reue erweichen, so dass der seine Adams-Natur verwirft, sein Heil in Christus ergreift – und somit Gott sowohl in seinem richtenden (A) wie auch in seinem rettenden Urteil (B) Recht haben lässt. Wo das geschieht, ist die Seligkeit gewonnen. Ohne den Heiligen Geist kommt es aber nicht dazu. Denn solange Sünde nicht als solche erkannt ist, kann sie auch nicht vergeben werden. Ohne Einsicht gibt es keine Reue, ohne Reue keine Vergebung – und ohne das Angebot der Gnade kann auch keiner bei Gottes Gnade Zuflucht suchen. Für die Notwendigkeit (A) wie für die Möglichkeit dieser Flucht (B) öffnet uns erst der Heilige Geist die Augen. Denn genau das ist seine Funktion und sein Anteil am Werk der Erlösung. Doch wer den Boten von sich stößt, kann das Gute nicht empfangen, das er bringen will. So ein Mensch verweigert sich der einzigen Medizin, die seine Krankheit heilen könnte, und schließt sich damit von der Vergebung aus. Denn das ist so folgerichtig wie das Wort aus dem 109. Psalm: „Er liebte den Fluch, so komme er auch über ihn; er wollte den Segen nicht, so bleibe er auch fern von ihm“ (Ps 109,17). Doch geben wir uns damit nicht schon zufrieden! Die Sache ist noch nicht geklärt. Denn – ist es nicht ganz normal, dass wir als Sünder dem Geist widerstreben? Besteht nicht alle Sünde in eben diesem Streben, dass wir der Wahrheit Gottes ausweichen wollen? Kein Sünder will sich vor dem Gesetz Gottes beugen! Keiner will den Zuspruch des Evangeliums nötig haben! In diesem Sinne leisten wir dem Geist doch alle Widerstand, bis er uns die Waffen aus der Hand schlägt und uns niederringt! Und wenn solcher Widerstand schon „die Sünde wider den Heiligen Geist“ wäre, müsste man dann nicht folgern, dass alle Sünde unvergebbar ist und überhaupt niemand gerettet wird, weil doch alle Sünde eine Verhärtung gegen den Heiligen Geist mit einschließt? Wir alle widerstreben ihm! Und das für sich genommen kann nicht „unvergebbar“ sein, weil wir ja viele kennen, die dem Heiligen Geist sehr heftig widerstrebten und danach trotzdem noch bekehrt wurden – wie etwa Paulus. Der war vor seiner Bekehrung ganz sicher ein Sünder gegen den Heiligen Geist, weil er die Christen als Ketzer verfolgte, weil er sie ins Gefängnis warf und zur Hinrichtung der Glaubenszeugen seine Zustimmung gab (Apg 26,9-11). Schlimmer geht‘s doch nicht! Und trotzdem wurde dem Paulus Gnade zuteil. Denn „Saulus“ wurde bekanntlich zum „Paulus“ und als er bereute, wurde ihm vergeben! Ja, generell gilt, dass alle noch so großen Sünden vergeben werden können, wenn ein reuiges Herz dazu kommt. Und die Lästerung gegen den Geist macht nur darum eine Ausnahme, weil sie sich nicht mehr mit Reue verbinden und nicht erleuchtet werden kann, da der Lästerer bereits erleuchtet ist – und der offen zu Tage liegenden Wahrheit dennoch nicht gehorcht. Es geht also nicht um den ganz „normalen“ Widerstand des Sünders gegen den Heiligen Geist, den alle haben (Apg 7,51). Und es sind auch nicht die gemeint, die „nicht wissen, was sie tun“ (Lk 23,34). Der Blick richtet sich nicht auf die Verblendeten, die irrtümlich annehmen, Gottes Wort sei nur menschliches Gerede, nicht auf die Zweifler, die denken, Gottes Wahrheit sei ihr eigenes Wunschbild, nicht auf die Triebhaften, die um ihre Freiheiten fürchten, und nicht auf die Moralisten, die Gott vorwerfen das Falsche zu tun. Sondern es geht um jene, denen die Wahrheit gerade nicht fern, sondern nahe liegt, weil ihnen Gott gerade nicht unbekannt, sondern bekannt ist, so dass sie durch keine Verwirrung entschuldigt sind, sondern als solche dastehen, die vom Heiligen Geist erleuchtet wurden – und dann doch (statt zu glauben) sehenden Auges alles verwerfen, was sie als gut und heilig erkannt haben. Den anderen kann man immer zugute halten, dass der Teufel sie an der Nase herumführt. Aber jene Erleuchteten tun das Böse nicht, weil sie es vom Guten nicht unterscheiden könnten, sondern weil sie das Böse dem Guten bewusst vorziehen. Und das mag Gott ihnen nicht vergeben. Denn das ist nicht bloß eine beharrliche Form der gewöhnlichen Sünde, sondern eine Sünde von anderer Qualität. Warum aber? Wie kommt es da zu einem qualitativen Sprung? Es liegt einfach daran, dass mit dem Maß der Erkenntnis, die ein Mensch hat, auch seine Verantwortung wächst, so dass man ihn gemäß seiner höheren Kompetenz auch entsprechend strenger beurteilt. Stellen sie sich einen Menschen vor, der etwas steif und fest behauptet, das nicht wahr ist. Der kann entweder ein Irrender sein – oder ein Lügner. Kennt er die Wahrheit selbst nicht, so irrt er sich bloß, und wir nehmen ihm das nicht besonders übel, denn er hatte ja keineswegs die Absicht, jemand zu täuschen, sondern meinte die Wahrheit zu sagen. Kennt der Mensch aber die Wahrheit und behauptet dennoch das Gegenteil, so ist er ein Lügner – und wir nehmen ihm das sehr übel, denn er hatte ja die bewusste Absicht, uns zu täuschen. Anders als der Irrende handelt der Lügner mit böser Intention. Das hat eine andere Qualität, als wenn ein Dummkopf redet, was er nicht besser versteht! Und so hat es für Gott auch eine andere Qualität, ob ein Verblendeter gegen ihn redet, der die Wahrheit nicht kennt, oder ob es jemand tut, den Gottes eigener Geist erleuchtet hat – und der es darum besser wissen müsste. Wie nur lügen kann, wer die Wahrheit kennt, so kann auch nur der wirklich schmähen, beleidigen und lästern, der weiß, wen er vor sich hat. Man muss erkannt haben, was Gott zukommt, um es ihm mutwillig verweigern zu können! Nenne ich den Knecht einen „Knecht“, weil ich ihn zurecht dafür halte, ist es keine Beleidigung. Nenne ich den König einen „Knecht“, weil ich ihn irrtümlich dafür halte, ist es ein peinlicher Irrtum. Nenne ich aber den König einen „Knecht“, obwohl ich ihn als König erkannt habe, so verweigere ich mutwillig den gebührenden Respekt. Und so steht der Erleuchtete Gott gegenüber in einer Gefahr, die der Ahnungslose gar nicht kennt. Wer die Wahrheit nicht hat, kann sie nicht boshaft verdrehen. Wer aber – vom Heiligen Geist belehrt – in Gottes Ehre Einsicht hat und dennoch dagegen lästert, der handelt nicht dumm, sondern absichtsvoll böse. Er weiß genau, was er tut. Weil ihm viel anvertraut ist, wird auch viel von ihm erwartet (Lk 12,48). Und wenn er dennoch das Helle dunkel und das Dunkle hell nennt, hat das eine andere Qualität und ist unentschuldbar. Wohl ist auch die Sünde des Verblendeten gefährlich. Erst wenn er drüber erschrickt, kann sie ihm vergeben werden! Ist einer aber der vollen Wahrheit schon überführt und erschrickt dennoch nicht, ja, hat ihm der Geist sogar Gnade in Aussicht gestellt, und er will sie nicht, so ist diese Sünde „unverzeihlich“, und nichts mehr zu hoffen. Denn das ist die eigentliche Lästerung wider den Heiligen Geist, wenn jemand volle Einsicht hat und doch der Wahrheit Gottes ins Gesicht spuckt, wenn er also nicht aus irgendeinem Missverstand oder aus Schwäche, sondern um der Bosheit willen bei der Bosheit bleibt. Das tut der „normale“ Sünder nicht. Der begreift oft gar nicht, wie sehr er Gott beleidigt. Und wenn er’s erkennt, rutscht ihm das Herz in die Hose. Jene Lästerer aber wissen sehr wohl, was sie tun. Und während man bei den anderen noch zeitlebens auf Erleuchtung hoffen darf, ist es bei jenen vergeblich (Tit 3,10-11; Hebr 6,4-6; 10,26-29; 1. Joh 5,16). Denn der Hl. Geist duldet zwar, dass man vor ihm flieht, solang er unbekannt ist. Wo er aber so bekannt ist, dass es kein Missverstehen geben kann, da will er sich nicht ins Gesicht spucken lassen – und hat es auch nicht nötig. Wer begeht also diese spezielle Sünde? Es sind sicher nicht die Verwirrten, nicht die Zweifler und die Skrupulösen, die selbst mit ihrer geistlichen Not hadern. Vielmehr begeht man diese Sünde mit frechem Trotz im Zustand der Klarheit – und gerade wegen dieser Klarheit ist sie dann unvergeblich. Gewiss begeht sie kein Heide, den der Heilige Geist noch gar nicht berührt hat, und es begeht sie auch kein Christ, den Gott zum Heil erwählt hat. Sondern dergleichen tut nur einer, der von Ewigkeit her nicht erwählt ist, dem aber der Heilige Geist die Augen für die Wahrheit so vollkommen geöffnet hat, dass er anderen tatsächlich als Christ erscheinen konnte (und sich vielleicht voller Vermessenheit selbst dafür hielt) – der sich dann aber freiwillig und im vollen Bewusstsein seines Tuns vom Glauben lossagt. Es geht um Menschen, die vom Heiligen Geist vollständig aufgeklärt, die Qualen der Hölle vor sich sehen und zugleich die offenen Tore des Himmels – und die sich dann trotzdem umdrehen, um mit Anlauf in die Hölle zu springen. Ich bin sehr froh, dass ich ihre Motive nicht nachvollziehen kann! Gott sei Dank verstehe ich nicht, was sie dazu treibt! Man darf es sich aber nicht so vorstellen, als ob der Sünder in selbstherrlicher Freiheit dem Bemühen des Heiligen Geistes einen Riegel vorschöbe, so dass der Heilige Geist (nachdem er seinen letzten Pfeil verschossen hat) frustriert nach Hause gehen muss. Nein! Niemals limitiert unsre Bosheit, was Gott vermag! Sondern im Verhalten des Lästerers gegen den Heiligen Geist manifestiert sich lediglich, dass dieser Mensch von Gott nie zum Heil erwählt worden ist. Er verliert nur seine Maske und zeigt sein wahres Gesicht. Im Blick auf die gequälten Gewissen, die fürchten, diese Sünde begangen zu haben, ist aber wichtig zu bemerken, dass schon ihre ängstliche Sorge, Gott beleidigt zu haben, beweist, dass sie sich einer unvergebbaren Sünde nicht schuldig machten. Denn sie würden sich um all das nicht sorgen und bekümmern, wenn der Heilige Geist nicht nach wie vor in ihnen wirksam wäre. Sie wünschen, sie hätten nie mit Gott gehadert. Sie fürchten den Verlust seiner Gnade. Und das ist ein sicheres Zeichen bereits gewährter Gnade. Denn wären sie wahrhafte Lästerer, wär’s ihnen egal und sie würden alle Bedenken mit kaltem Grinsen von sich weisen. So handeln nicht die Verstörten, die gut und böse verwechseln – so handeln nur die Klarsichtigen, die (das Gute als gut und das Böse als böse erkennend) das Böse wählen. Die wählen es nicht mal um eines vermeintlichen Vorteils, sondern um seiner selbst willen. Das ist wahrhaft diabolisch! Und doch: Ihre unverzeihliche Sünde ist gar nicht das größte Problem, sondern unsere Reaktion ist es. Denn immer wenn davon die Rede ist, gibt es einerseits die Skrupulösen, die ängstlich an den Nägeln kauen, weil sie meinen, sie hätten diese Sünde begangen. Und es gibt andererseits die Selbstsicheren, die sich freuen, bei all ihren Schurkereien doch immerhin diese extremste aller Sünden nicht begangen zu haben. Die einen lassen sich gar nicht beruhigen. Und die anderen freuen sich zu früh. Denn über jene „Ausnahme-Sünde“ sinnierend vergessen beide Seiten, dass auch jede andere Sünde unvergeblich ist, wenn nicht Reue hinzutritt. Und sich das klar zu machen, ist viel wichtiger. Denn sonst entsteht der Eindruck, nur die eine Sünde sei wirklich „schlimm“, und all die anderen seien es nicht – ja, nur vor der einen müsse man sich hüten, weil die anderen ja vergeben werden. Und so ist es wahrlich nicht. Nein! Tatsächlich ist jede Sünde eine Sünde „zum Tode“ und jede ist unverzeihlich, wenn man sie nicht bereut. Der Eindruck, dass unter allen Sünden nur die eine fatale Folgen hätte, ist ganz falsch. Denn jede Sünde könnte vergeben werden, wenn man sie denn bereute. Und keine einzige wird vergeben, wenn Einsicht und Reue fehlen. Darum: Fürchten wir uns besser nicht an der falschen Stelle. Gruseln wir uns nicht vor dieser seltsamen und seltenen Lästerung, bei der einer gleichzeitig ganz erleuchtet und ganz vernagelt ist – das ist nur die äußerste Möglichkeit diabolischer Blasphemie! Sondern fürchten wir die alltägliche Sünde, die uns aus lauter Gewohnheit schon gar nicht mehr Leid tut. Jede Sünde ist unvergeblich, solange nicht ein reuiges Herz dazukommt. Und wenn die Reue dazukommt, kann jede Sünde vergeben werden. Selbst die Lästerung des Geistes könnte Gott nichts „verunmöglichen“, wenn er sie vergeben wollte. Unsre Bosheit limitiert nicht, was Gott vermag. Doch wenn die Reue fehlt, bringt uns schon ein liebloses Wort zu Fall. Wer Vergebung nicht erbittet, dem wird sie auch nicht zuteil. Und das ist es, was uns in Wahrheit erschrecken sollte.

 

Nachbemerkung: 

Mancher wird sich fragen, wie unter diesen Umständen Sünden vergeben werden können, die dem Sünder nicht bewusst sind. Er ist doch gar nicht in der Lage, sie vollzählig zu benennen und zu bereuen, denn „Wer kann merken, wie oft er fehlet?“ Der Psalmist, der das sagt, wendet sich aber gleich an Gott und ruft „Verzeihe mir die verborgenen Sünden!“ (Ps 19,13). Und das sollten wir ihm nachtun. Denn da ist viel Übles, das wir nicht nur vor der Welt, sondern auch vor uns selbst verheimlichen, das wir in seiner Tragweite nicht ermessen oder schlicht übersehen. Und dagegen hilft nichts anderes, als die eigene Schlechtigkeit auch ohne „Einzelnachweis“ in Bausch und Bogen zu gestehen (weil die Zahl unsrer Sünden ja nicht zu zählen ist) und mit Luthers Worten zu bekennen: „Was in mir und all meinen Kräften ist, außer der Gnade, ist alles Sünde und verdammt“. So wirft man dann alles auf einen Haufen, bereut es in Gänze und schließt alles in die Vergebungsbitte mit ein – sei es nun bewusst oder nicht. 

 

Bild am Seitenanfang: Cambell, David, Illustrations of prophecy -

particularly the evening and morning visions of Daniel, and the apocalyptical visions of John (1840);

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