Die Kirche als Braut Christi
Christus und Ecclesia

Die Kirche als Braut Christi

Es wird sie vielleicht überraschen. Aber eine Hochzeit steht bevor. Und wenn sie‘s noch gar nicht wussten – als Christ sind sie nicht nur eingeladen. Sondern sie sind die Braut! Wir als Kirche sind die Braut. Und wir erwarten demnächst die Ankunft des Bräutigams, der Jesus Christus heißt. Denn das ist im Neuen Testament ein geläufiges Bild für das Reich Gottes, dass der Bräutigam (Jesus Christus) kommt, um seine Braut (die Kirche) zur Hochzeit zu führen. Vielleicht wundert man sich über den romantischen Vergleich – so mit Hochzeitsjubel und Glockenklang. Aber die Bibel findet die Analogie passend. Denn so wie die Liebe Mann und Frau zueinander treibt, so wie sie das Getrenntsein schmerzt, weil Liebende eben nur beieinander Glück und Erfüllung finden – eben so verhält es sich zwischen Christus und seiner Kirche, dass sie es kaum erwarten können, sich in der Hochzeit endgültig zu finden, sich in Treue zu verbinden und dann ewig zusammen zu sein. Genau darum geht es bei Jesu Ankunft in der Welt – und ebenso bei seiner Wiederkunft. Darum geht es sowohl in der Erwartung des Advents wie in der Erwartung des Reiches Gottes. Der Bräutigam sucht seine Braut, und Vorfreude liegt in der Luft. Denn bei einer rechten Hochzeit findet zusammen, was zusammengehört und seelisch längst eine Einheit bildet. All das quälende Warten dient nur der Vorbereitung auf die glückliche Vereinigung. Und Braut und Bräutigam nehmen sie gedanklich vorweg. Sie träumen davon, vereint zu sein – darauf leben sie hin. Denn sie wissen sich füreinander bestimmt und zählen die Tage bis zur Hochzeit, nach der sie dann nichts mehr trennt. Ja, Christus und seine Gemeinde wollen sich zärtlich in den Armen liegen. Und bis es soweit ist, sind sie voller Ungeduld und Sehnsucht. Davon redet das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen, die gemeinsam auf die Ankunft des Bräutigams warten (Mt 25,1-13). Und darum geht es auch im Gleichnis von dem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtet und dazu viele Gäste lädt (Mt 22,1-14). Jesus bezeichnet sich einmal selbst als „Bräutigam“ (Mt 9,15). Er wird von Johannes dem Täufer so genannt (Joh 3,29). Und besonders das Buch der Offenbarung spricht des Öfteren von der Hochzeit des Lammes mit seiner herrlich geschmückten Braut, dem neuen Jerusalem (Offb 19,7; 21,2.9-10; 22,17). Schon im Alten Testament werden Mann und Frau als Gleichnis herangezogen für Gott und sein Volk. Und im Hohelied Salomos geschieht das sogar in Form von Liebesliedern, die unübersehbar erotische Anspielungen enthalten. Wir finden den Vergleich bei Jesaja, Hosea und Jeremia (Jes 61,10; 62,5; Hos 2,21-22; Jer 3,1). Am eindrücklichsten sagt es aber Paulus im Brief an die Epheser, weil er dort alle Ehemänner auffordert, ihre Frauen so zu lieben, wie Christus seine Gemeinde geliebt hat. Christus hat sich nämlich „selbst für sie dahingegeben, um sie zu heiligen. Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, damit er sie vor sich stelle als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und untadelig sei“ (Eph 5,25-27). Durch die Heirat werden Mann und Frau „ein Fleisch“, sagt Paulus, sie verschmelzen geradezu. Und er deutet dieses Geheimnis auf Christus und seine Gemeinde (Eph. 5,31-32; vgl. 2. Kor 11,2). Christus ist also unterwegs zu seiner Braut, für deren Erlösung er am Kreuz sein Leben gegeben hat. Und als stolzer Bräutigam will er sie heimführen, um sich dann nie wieder von ihr zu trennen. Die Kirche aber möchte sich für ihren Bräutigam schön machen, um ihm zu gefallen, um ihn treu zu lieben und nie mehr einen anderen anzusehen. Ging alledem ein Heiratsantrag voraus? Ja! Überall, wo Christus sich durch Wort und Sakrament seine Gemeinde sammelt, ruft er Menschen dazu auf, mit ihm diese eheliche Verbindung einzugehen. Das ist sein Heiratsantrag, den die Prediger der Gemeinde übermitteln dürfen. Und folgt dann ein Verlöbnis? Ja! Durch den Kuss des Glaubens gibt die Gemeinde ihre Zustimmung, durch denselben Glauben ergreift sie die Hand, die Christus ihr bietet, nimmt seinen Antrag an und verspricht ihm die Ehe. Gibt dann auch Christus als Bräutigam ein Eheversprechen? Ja! Er steckt der Kirche schon mal einen Ring an den Finger – das ist die Taufe. Er macht ihr das Abendmahl zum Brautgeschenk. Und er gibt ihr den Heiligen Geist als Unterpfand seiner Liebe. Wer ist es dann, der die Hochzeit ausrichtet und die Gäste lädt? Das ist natürlich Gott selbst, der Vater Jesu Christi. Denn Gottes Sohn handelt im Einverständnis mit dem Vater, so dass die Verbindung mit der Kirche auch den väterlichen Segen hat. Und wo findet die Hochzeit letztlich statt? Na, im Himmel natürlich, in Gottes Reich, wo diese Verbindung niemals enden wird. Wann soll das aber geschehen, wann beginnt das Fest? Die Vorbereitungen laufen längst, aber die Hochzeit beginnt erst, wenn in dieser Welt der letzte Vorhang fällt. Wenn wir aber keinen genauen Termin kennen, was soll die Braut solange tun? Die Kirche als Braut soll sich für ihren Bräutigam jederzeit bereithalten und währenddessen nicht etwa nachlässig verlottern, sondern soll immer frisch und vorbereitet sein, den Bräutigam guten Mutes zu empfangen. Sie soll nach Christus Ausschau halten, den Horizont nach ihm absuchen und darüber alles andere vergessen! Wenn sich aber Christus und die Kirche vermählen, was werden sie sich vor Gott versprechen? Sie versprechen, in Liebe und Treue füreinander da zu sein. Christus schützt seine Gemeinde, er leitet, ernährt und erhält sie, er steht ihr jederzeit bei und wacht eifersüchtig darüber, dass sie nicht mit anderen Männern flirtet. Die Kirche dagegen soll (ganz im Geiste Christi lebend) ihm allein hingegeben sein. Sie darf sich aber keinesfalls zu sehr mit der Welt einlassen. Denn Christus duldet keine Nebenbuhler. Er will für seine Braut der Einzige sein. Er überschüttet sie dafür aber auch mit Gaben des Heiligen Geistes – macht sie also reich an Glaube, Liebe und Hoffnung. Wie ein verliebter junger Mann bringt Christus seiner Braut Blumen und schmückt sie mit kostbaren Juwelen, die da heißen Güte und Gehorsam, Barmherzigkeit und Treue, Demut, Weisheit und Wahrhaftigkeit. Die Kirche aber, von ihrem Bräutigam so reich beschenkt, trägt den Schmuck dieser Tugenden herzlich gern und oft, denn sie will ihrem Bräutigam gefallen und hat die größte Freude daran, sich von ihm geliebt zu wissen. Wie mit den Liebesbriefen ihres Verlobten, so geht die Kirche mit der Bibel um, trägt sie an ihrem Herzen und liest die Worte des Bräutigams immer und immer wieder. Sie hält den Verlobungsring der Taufe in höchsten Ehren. Sie feiert das Abendmahl als sichtbares Zeichen seiner Zuneigung. Und andere Männer würdigt sie keines Blickes. Denn die Kirche will genauso exklusiv für Christus da sein, wie er für sie. Er ist ihr ganzer Stolz – sie sein ganzes Glück. Wie steht‘s aber um eine Mitgift? Bringt die Kirche etwas mit in die Ehe? Nein, leider ist die Kirche sehr arm. Und so kommt die Mitgift in diesem Fall vom Bräutigam. Denn Gottes Sohn bringt alles mit in die Ehe, was er an Gerechtigkeit und Heiligkeit, Macht und Herrlichkeit besitzt. Von Gütertrennung will er aber gar nichts wissen, sondern alles, was ihm gehört, soll künftig auch seiner Frau der Kirche gehören. Er überreicht ihr gern die Schlüssel für Haus und Hof und lässt sie in Freiheit darüber walten, damit ihre arme Herkunft bald vergessen sei. Wer wird aber bei der Hochzeit dabei sein? Da ist nicht jeder geladen – das versteht sich. Denn wer den Brautleuten ihr Glück nicht gönnt oder ihre Verbindung stören möchte, wird schon an der Tür zum Festsaal abgewiesen. Und wer sich nicht dem Anlass entsprechend festlich kleiden mag, kommt am Türsteher nicht vorbei (Mt 22,11-14). Wer den Bräutigam nicht ehrt, wir zur Party gar nicht erst geladen. Und wer kein Freund der Braut ist, muss draußen bleiben. Denn sobald das Reich Gottes gekommen ist, werden hinter dem Brautpaar die Türen zugemacht. Und dann feiert im Himmel eine geschlossene Gesellschaft, zu der man verspätete Gäste nicht mehr einlässt. 

 

Nun, vielleicht haben sie Kirche noch nie so gesehen. Und vielleicht fällt es auch schwer, sie so zu sehen. Denn die Kirche unserer Tage ähnelt gar nicht einer bildhübschen, jugendfrischen Braut, die auf ihren Liebsten wartet. Nein, sie erscheint uns eher wie ein altes Weib mit zwielichtiger Vergangenheit. Statt Christi reine Braut zu sein, hat die Kirche eine Menge „Flecken“ und „Runzeln“ im Gesicht. Und sie wartet auch gar nicht mit leuchtenden Augen auf ihren Bräutigam, sondern hat sich schon mehr als einmal mit Fremden eingelassen. Über ihre Untreue könnte man viele böse Worte verlieren! Doch so traurig das auch ist, verstehen wir das Wesen der Kirche nicht, wenn wir in ihr nicht zuerst und zuletzt die geliebte Braut Christi sehen. Und erst wenn wir sie so zu sehen gelernt haben, begreifen wir, warum man Kirche nicht aufgeben darf, sondern um sie kämpfen muss. Denn Christus will nun mal keine andere als eben diese Braut, die er sich erwählt hat. Es ist seine Gemeinde, sie ist ihm versprochen. Und wer wegen ihres jämmerlichen Zustands auf die Kirche spuckt, sollte auf eine heftige Reaktion ihres Verlobten gefasst sein. Wohl stimmt es, dass die Braut Christi tief gesunken ist. Seine Liebesbriefe im Neuen Testament liest sie kaum noch. Den Verlobungsring hat sie irgendwo verschlampt. Und in ihr schönes Brautkleid passt sie längst nicht mehr hinein! Aber über all dem Schändlichen dürfen wir doch nicht vergessen, mit welch liebevollen Augen Christus seine Kirche sieht – und wie eifersüchtig er über sie wacht. Er hat sich „selbst für sie dahingegeben, um sie zu heiligen. Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, damit er sie vor sich stelle als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und untadelig sei“ (Eph 5,25-27).

Von uns ist da die Rede! Man kann es kaum glauben! Und Christi Gefühle sind durchaus nicht erkaltet. Darum kann ich nur sagen: Lassen sie uns versuchen, dass wir zu unserer Hochzeit mit Christus nicht ungewaschen und in Lumpen erscheinen. Der Bräutigam soll’s ja nicht bereuen, wenn er die Kirche zum Altar führt und dort ihren Schleier lüftet! Er selbst ist ein so strahlender Held wie eh und je. Und mit seiner Ankunft ist täglich zu rechnen. Er freut sich schon auf seine geschmückte Braut! Wollen wir ihn also enttäuschen? Das darf nicht sein. Denn die Hochzeit lässt sich nicht mehr absagen. Im Himmel sind die Tische schon gedeckt. Gott Sohn will seine schöne Frau heimführen, während die Engel dazu singen. Es sollte der denkbar schönste Tag werden! Die Braut aber – unsere Kirche – ist sie bereit, ihrem Bräutigam Ehre zu machen? Oder ist sie völlig auf den Hund gekommen? Hat sie ihre Schönheit samt allem Schmuck verloren und sitz nun heulend in der Ecke? Wenn der Bräutigam aber trotzdem kommt, wenn er plötzlich in der Tür steht und nach der Kirche fragt, nach seiner geliebten „Gemeinschaft der Heiligen“? Fragen sie mich nicht, wie das ausgeht. Ich habe keine Ahnung. Aber dass Christus kommt – das steht fest. Und sollten wir unseren Bräutigam nicht erwarten, so erwartet er doch ganz sicher etwas von uns.

 

 

Bild am Seitenanfang: "Christus und Ecclesia" (Kommentar zum Hohelied)

Mönch Thomas (Kloster Eberbach), Public domain, via Wikimedia Commons