Glaube und Revolte

Glaube und Revolte

Kommen sie klar mit der Welt? Erscheint sie ihnen rund und akzeptabel? Und verstehen sie, was da so alles vorgeht? Falls sie es verneinen, haben wir etwas gemeinsam. Denn dieses Leben ist alles andere als „selbsterklärend“. Und wer mit offenen Augen hindurchgeht, entdeckt große Widersprüche – nicht nur in der Welt, sondern auch in sich selbst. Denn was man ersehnt und erwartet, deckt sich nicht mit dem, was man sieht und erfährt. Der Mensch verspürt ein großes Verlangen nach Sinn und Vernunft, nach Gemeinschaft und Güte, Wahrheit und Vollkommenheit. Die Welt aber konfrontiert ihn mit jeder Menge Unsinn, Unrecht, Gewalt und Falschheit. Sie folgt entweder keinen Regeln (denkt man) – oder wenn, sind es wohl die falschen. Denn während wir es gern übersichtlich und begreiflich hätten, verlässlich und berechenbar, werden wir doch immer wieder getäuscht, enttäuscht und verwirrt. Schon der Prediger Salomo im Alten Testament beklagt das. Er sagt im selben Atemzug, Gott habe alles schön gemacht – und er habe den Menschen auch die Ewigkeit ins Herz gelegt (nämlich eine Ahnung davon und die Sehnsucht danach), nur dass der Mensch leider von Gottes Werken weder den Anfang noch das Ende ergründen könne (Pred 3,10-11). Der Mensch ist so geschaffen, dass er sich auf alles einen Reim machen möchte. Und doch findet er das Dasein ziemlich irrational und absurd. Liebend gern würde er Gottes Pläne verstehen. Und doch scheint ihm die Welt, als seien diese Pläne schwer durcheinandergeraten. Er hat ein Verlangen nach Transparenz und kann die Welt doch nicht auf rationale Prinzipien zurückführen. Er sehnt sich nach Absolutem, findet aber überall nur Relatives. Und auf die Dauer kommt er mit diesem Widerspruch nicht gut zurecht, sondern ist verstört und empört. Denn kurz gesagt ist die Welt so nicht „in Ordnung“. Man wünschte sich so sehr Klarheit und Einheit, Vertrautheit und Verlässlichkeit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit – dann wäre das Leben schön und machte Sinn! Tatsächlich erfährt man aber täglich Falschheit und Streit, Versagen und Enttäuschung, Unrecht, Grausamkeit und Not. So scheint das Leben absurd. Und wer darüber nicht abstumpft, sondern sensibel bleibt, der leidet darunter, dass seine innersten Erwartungen im Gegensatz stehen zu dem Schauspiel, das die Welt ihm bietet. Ja er fühlt sich fremd in einer Welt voller Bosheit und Lüge. Er kann sich nicht mit ihr abfinden. Er hat das klare Empfinden, dass sie nicht „richtig“ ist. Und er mag sie sich auch nicht schönreden, sondern erklärt sich mit der Welt, wie sie ist, nicht einverstanden. Er verweigert ihr die Anerkennung, er spricht ihr in diesem Zustand jede Legitimität ab und revoltiert. Ja, dieser Mensch befindet sich im Aufstand gegen die Gegebenheiten, von denen er spürt, dass sie so nicht sein sollten – denn die Welt ist zerrissen, sie blutet aus tausend Wunden. Und niemand soll ihm einreden, das sei „normal“ oder „in Ordnung“. Darum scheint ihm der Protest die einzig ehrliche Haltung. Und wo er keinen Sinn sieht, weigert er sich, Sinn zu unterstellen oder sich darüber zu beruhigen. Denn, nein: Das Wünschenswerte ist nicht wirklich. Und das Wirkliche ist nicht wünschenswert. Das Unrecht stinkt zum Himmel. Und wer mit den gequälten Kreaturen Mitgefühl hat, will vor dieser schmerzlichen Wahrheit nicht in Illusionen fliehen oder sich mit Erklärungen trösten, die versuchen, an all dem Schlechten etwas „gut“ zu finden. Nein – er hat ein großes Heimweh nach dem Vollkommenen, sieht sich aber umgeben von Unrecht, Angst und Ohnmacht. Und keiner soll ihm einreden, es habe damit seine Richtigkeit. Sondern, wenn er’s schon nicht ändern kann, will er der Absurdität des Lebens wenigstens offen ins Auge blicken und gegen das Schicksal Klage führen. Solche Auflehnung hat heroische Größe. Der Mensch schleudert dem unzulänglichen Dasein ein „Nein“ entgegen. Und wenn‘s auch nichts nützen mag, erklärt er sich mit dem Unrecht doch nicht einverstanden. Nur: woher kommt eigentlich dieser Zorn? Und aus welchen Quellen speist sich das Aufbegehren? Woher weiß der Mensch denn, wie es „richtig“ wäre? Und unter Berufung auf was erlaubt er sich eine so fundamentale Kritik an der Welt? Muss er nicht, wenn er urteilt, urteilen „im Namen von“ etwas? Er meint, die Kreaturen hätten ein Recht auf etwas, das die Welt ihnen schuldig bleibt! Aber, bitte: woher nimmt er das? Woraus leitet sich der Anspruch ab, der hier enttäuscht wurde, und auf welche Instanz beruft sich der Protest? Etwa auf die Natur selbst, die doch an Grausamkeit keiner übertreffen kann? Ist der Grund der Empörung einfach nur, dass es dem Menschen nicht nach seinem Willen geht? Oder gibt es sonst noch eine Ordnung, in deren Namen man die Welt beschuldigen könnte, „in Unordnung“ zu sein? An welchem Maßstab orientiert der Empörte seine Kritik? Etwa nur an den eigenen Wünschen? Oder gibt es da einen höheren Maßstab, dem sich die Welt beugen und den sie anerkennen muss, weil er ihr von höherer Stelle vorgegeben ist? „Jede revoltierende Bewegung ruft stillschweigend einen Wert an“ (Albert Camus). Und ohne solche Berufung macht die Revolte gar keinen Sinn. Denn bevor der Mensch der Welt gegenüber den Mund aufreißt, muss er eine Instanz kennen, die der Welt gegenüber im Recht sein kann. Diese Instanz muss eine höhere Autorität haben als die Welt selbst. Aber kann das wohl der Mensch sein, der sich doch (dem modernen Weltbild nach) ganz und gar der Welt verdankt? Kann denn der Mensch die Natur kritisieren, von der er doch meint, sie habe ihn hervorgebracht? Von Gott will er nichts mehr wissen, dieser moderne Mensch – darüber lacht er! Aber fällt dann nicht jede Beschwerde über das Gegebene auf ihn selbst zurück? Kann denn der Mensch, während er selbst unvollkommen ist, der Welt ihre Unvollkommenheit vorwerfen? Tut er selbst Unrecht – und empört sich dann, dass die Welt voller Unrecht ist? Irrt er sich, trickst und täuscht – und beklagt dann, die Welt sei voller Lügen? Ist er selbst unzuverlässig – und macht der Welt eben dasselbe zum Vorwurf? Fügt er andere Leid zu – und jammert anschließend, dass in der Welt so viel gelitten wird? Hier hat die heroische Klage im Namen der Menschlichkeit ihren Haken. Denn im Wesentlichen ist die Welt so schlecht, weil der Mensch es ist. Und damit fällt dem Empörten seine Empörung auf die Füße. Denn jede Revolte muss sich gegen jemand richten. Sie revoltiert immer gegen einen Schuldigen. Und wenn der Mensch Gottes Dasein bestreitet – gegen wen kann er seine Vorwürfe dann noch richten, außer gegen sich selbst? Die Welt ist, wie sie ist, weil wir sind, wie wir sind. Richtet man die Anklage also gegen den, in dessen Namen man klagt? Fällt der Vorwurf nicht in sich zusammen, wenn der Mensch sowohl Opfer als auch Täter ist? Nein, so geht es offenbar nicht. Das Pathos, mit dem die Welt einer Kritik unterzogen wird, kann nicht bloß darauf beruhen, dass der Mensch sie sich anders wünschte. Denn die Welt formt ihn, und er formt seine Welt. Ich meine aber, dass jenes Empfinden von Unordnung, dass jenes Protestgeschrei aus tausend Kehlen auf der Kenntnis einer höheren Ordnung beruht. Denn wer die Welt radikal in Frage stellt, muss mehr kennen als nur die Welt. Und wenn sie ihm nicht genügt, muss er eine Idee von dem haben, was denn ihm und seiner (in der Tat) höheren Bestimmung gerecht würde. Denn man kann ja nichts verneinen, ohne das Gegenteil zu bejahen. Alle Negation impliziert eine Position. Und mit dem, was man leidenschaftlich vermisst, muss man schon irgendwie vertraut sein, um es zu vermissen. Oder könnte jemand Appetit auf Erdbeeren haben, wenn er sein Leben lang noch nie Erdbeeren gegessen hätte? So verrät der Mensch, dem die Welt nicht genügt, dass er mehr kennt als nur die Welt. Das Unrecht beklagend verrät er einen Instinkt für höhere Gerechtigkeit. Er zeigt, wie der Prediger Salomo sagt, dass ihm Gott die Ewigkeit ins Herz gelegt hat. Nur dass er sie eben in der Welt nicht findet und sie darum bei Gott suchen muss. Um es mit Pascal zu sagen: „In jedem Menschen ist ein Abgrund; den kann man nur mit Gott füllen.“ Gott selbst hat in die Herzen der Menschen eine Lücke eingebaut, die sich mit nichts anderem füllen lässt als nur mit Gott selbst. Und indem er dort fehlt, ist er den Menschen gegenwärtiger, als sie es wissen. Denn sie leugnen zwar seine Existenz. Aber die Lücke, die sie dann vergeblich mit etwas anderem zu füllen versuchen, ist dennoch da. Und ihr leidenschaftlicher Protest gegen die Unordnung der Welt verrät eine Kenntnis der höheren, gottgewollten Ordnung, die eigentlich herrschen sollte. Denn zur Gemeinschaft mit Gott sind die Menschen bestimmt – auch wenn sie nichts davon wissen (oder wissen wollen). Sie sind sich dessen nicht bewusst. Denn es ist ein Heimweh von unbestimmter Art. Und doch halten sie dem Leid dieser Welt etwas entgegen, rufen laut nach Heilung – und meinen damit den Heiland, ohne sich darüber im Klaren zu sein. Denn eine massive Negation ohne Position ist schon logisch nicht möglich. Und so berufen sie sich eigentlich auf Gott, geben sich aber keine Rechenschaft darüber. Sie haben das Beten verlernt und appellieren darum an die Menschheit, an das Universum oder an die UNO! Doch von wem kann wohl Heilung kommen, wenn nicht von unserem Gott, der selbst der Inbegriff des Guten und Wahren, der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit ist? Der Gott, der die Welt geschaffen hat, ist auch nach dem Sündenfall noch die Instanz, an der sie sich messen lassen muss. Gott ist das „Woher“ aller berechtigten Kritik, er ist der Grund aller Fraglichkeit. Und nur gemessen an der Rechtsgrundlage seines Willens ist das Böse überhaupt „böse“. Nur im Bezug auf Gottes Zielen und Planen kann menschliches Tun „sinnvoll“ oder „sinnlos“ sein. Und nur Gott verleiht dem Menschen jene unverlierbare Würde, von der die Natur nichts weiß – und die auch noch kein Physiker messen konnte. Wer diese Würde aber empfindet und eben darum gegen die absurde und grausame Welt revoltiert, tut das (wissend oder unwissend) im Namen Gottes. Er mag sich hundert Mal einen „Atheisten“ nennen und glauben, er glaubte an nichts. Doch in leidenschaftlichem Engagement auf eine höhere Ordnung pochend glaubt er viel mehr, als er zu glauben meint. Oder könnte so ein Idealist anders protestieren als im Namen einer Norm, die ihm „heilig“ ist? Und muss diese Norm, um ihn wirklich zu verpflichten, nicht viel mehr sein als bloß ein subjektiver Wunsch, eine Konvention oder ein Mehrheitsbeschluss? Brauche ich nicht einen Begriff des Vollkommenen, um das Unvollkommene zu kritisieren? Kann ich das Böse verdammen, ohne mich zum Guten zu bekennen? Oder könnte je etwas „falsch“ sein, wenn es das „Richtige“ gar nicht gäbe? Ich kann etwas nur suchen, wenn ich weiß, dass es bei aller Verborgenheit doch real ist. Alles Aufbegehren „gegen“ ist ein Einstehen „für“ etwas. Es muss da immer ein Positives geben, um dessentwillen sich der Aufstand lohnt. Alle Verkehrung ist nur als Verkehrung einer Ordnung denkbar – anders würde man sie nicht mal erkennen! Denn wovon soll man etwas abgrenzen, wenn man von einer Alternative nichts weiß? Man kann A nicht vorziehen, wenn es B gar nicht gibt. Und ein Protest gegen B lässt sich ohne A nicht mal artikulieren. Nun ist die Welt aber voll von empörten Protesten, Klagen und Appellen. Man muss nur das Radio anmachen! Und das zeigt, dass der Mensch der Gegenwart (an das Gute glaubend) viel mehr glaubt, als ihm bewusst ist – und faktisch gar nicht in der Lage ist, mit dem eigenen Unglauben ernst zu machen. Er hat ein leidenschaftliches Verhältnis zu bestimmten Werten und zeigt sich als verbissener Idealist, obwohl er angeblich alle Werte bloß für Konventionen hält und meint, alle Ideale seien nur zeitbedingte Produkte des kulturellen Wandels. Der Mensch der Gegenwart streitet vehement für Gerechtigkeit, obwohl er für sie keinen objektiven Maßstab zu benennen vermag. Er eifert für seine Sicht der Wahrheit, obwohl doch angeblich jeder eine eigene Wahrheit hat. Er streitet mit absolutem Ernst für das Gute, obwohl doch angeblich alles relativ ist. Und obwohl er behauptet, nicht an Gott zu glauben, hört er nicht auf, den lauthals anzuklagen, der doch angeblich nicht da ist. Der Mensch der Gegenwart sucht beharrlich nach einem Lebenssinn, obwohl das Leben unter atheistischen Prämissen gar keinen Sinn haben kann. Und er revoltiert so entschlossen gegen unmenschliche Zustände, als glaubte er fest an ein kommendes Reich der Gerechtigkeit. Er pocht auf Freiheit und Verantwortung, obwohl sein Weltbild eigentlich nur Platz hat für Zufall und Notwendigkeit. Und für seine Verstorbenen erhofft er ewige Geborgenheit, obwohl er gewöhnlich versichert, „das mit dem Himmel“ könne ja gar nicht sein. Ist das aber nur Inkonsequenz? Zeigt es nur, dass die Leute mit ihrem relativistischen Weltbild ebenso wenig ernst machen wie früher mit dem christlichen – und ihren Unglauben nicht zu Ende denken? Nein, positiv gewendet scheint es mir zu beweisen, dass die meisten mehr von Gott wissen, als sie bewusst wissen. Und noch im Entbehren und im Leugnen Gottes, noch im Suchen nach einem Ersatz, zeigt sich, wie stark sie an ihn gebunden sind. Denn man kann nicht entbehren, was man nicht kennt. Und man kann die Welt auch nur kritisieren, wenn man höhere Maßstäbe anlegt, als sie sich aus der Welt selbst ableiten lassen. Man kann nicht ernsthaft auf Menschenrechte pochen, hinter denen keine weitere Autorität steht als nur der Mensch, der diese Rechte gerne hätte und sie sich darum selbst verleiht. Man kann sich nicht über Sinnloses empören, wenn die Welt doch insgesamt kein Ziel verfolgt. Und wenn das mit „gut und böse“ reine Ansichtssache ist, weil die Moral je nach Zeit und Kultur variiert, was soll dann die moralische Empörung? Warum nimmt man das Individuum wichtig, wenn es die Natur doch nicht tut? Warum behandelt man Menschen so grundlegend anders als Tiere, wenn die Biologen doch versichern, der Mensch sei auch nur ein Tier? Und was erlaubt man sich noch vom Menschen zu erhoffen, nachdem er über Jahrtausende bewiesen hat, dass er nicht die Lösung, sondern der Ursprung der eigenen Probleme ist? Nein, all dies leidenschaftliche Hoffen und Protestieren setzt eine Instanz voraus, die zu Hoffnung und Protest berechtigt. Und das ist die gute Nachricht bei alledem: Diese Instanz gibt es wirklich, weil es Gott gibt. Er steht auf der Seite der Klagenden, denn er ist mit dem Zustand dieser Welt mindestens so unzufrieden wie wir. In ihrer derzeitigen Verfassung ist sie längst nicht das, was er schaffen wollte. Aktuell ist sie bloß das, was aus Gottes guten Schöpfung wurde, nachdem der Mensch sie mit dem Bösem infiziert und verdorben hat. Aber der Schöpfer hat sie darum nicht etwa aus der Hand gegeben. Nein! Er tut, was nötig ist, um die Welt zu erhalten. Doch so wie jeder mitfühlende Mensch will er ihr Leid überwinden. Der vorfindliche Zustand der Welt ist auch in Gottes Augen nicht legitim, sondern ist ihm unerträglich, so dass er der Welt nicht erlaubt, so zu bleiben, sondern daran arbeitet, sie in das Reich Gottes zu überführen. Und darum darf man den Revoltierenden sagen: Gott ist einer von euch! Auch er gedenkt sich mit dem Unrecht nicht abzufinden und dem Teufel nicht freie Hand zu lassen. Die Wahrheit soll einmal über alle Täuschung siegen, alle Wunden sollen verbunden und alle Tränen getrocknet werden. Denn Gott wird nicht ruhen, bis die Welt in Ordnung kommt. Auch er weigert sich, am Schlechten etwas „gut“ zu finden. Der große Unterschied ist aber, dass Gott, anders als wir, das Krumme auch wirklich begradigen kann. Seine Schöpfung hat sich mit ihm entzweit und ist darüber recht hässlich geworden. Doch Gott wäre nicht Gott, wenn er’s dabei beließe. Er selbst ist ja der Grund, weshalb sie uns verkehrt vorkommt. Er selbst ist das „Woher“ ihrer Fraglichkeit (W. Weischedel). Er zeigt dieser Welt, von welcher Spur sie abgewichen ist. Er besteht darauf, dass sie in die Spur zurückkehrt. Und das ist die gute Nachricht für alle, die an dieser Welt leiden, dass gegen Gottes Beharrlichkeit im Guten kein Kraut gewachsen ist. Die aber meinen, dass sie nicht an ihn glaubten, sollten nochmal drüber nachdenken. Denn eine Norm, von der der Mensch selbst weiß, dass er sie sich nur ausgedacht hat, wird nie die Kraft haben, eine tiefgreifende Revolte zu begründen. Da muss schon ein höheres Recht im Spiel sein! Nimmt der protestierende Mensch das aber in Anspruch, indem er Gut und Böse mit unbedingtem Pathos unterscheidet, so muss er vom Unbedingten wohl mehr wissen, als er sich eingesteht. Denn was wäre „unbedingt“, wenn nicht Gott? Denkt jemand ernsthaft, die Sklaverei sei erst zum Unrecht geworden, als die Staaten anfingen sie zu verbieten – oder sie wäre wieder „in Ordnung“, wenn ein Staat sie durch Mehrheitsbeschluss legalisierte? Nein. Es ist eine höhere Instanz, auf die wir uns dabei berufen – eine höhere, die uns unbedingt verpflichtet. Und es wird Zeit, sich das wieder bewusst zu machen. 

 

 

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