Silvester
Immer wenn es Silvester wird, stehen wir auf der Schwelle zwischen Abschied und Aufbruch. Wir gehen hinüber von einem ins andere Jahr. Und stärker als sonst spüren wir, wie uns der unaufhaltsame Lauf der Zeit doch seltsam berührt. Denn so leicht es auch ist, die Uhr und den Kalender zu lesen, so schwer bleibt doch zu verstehen, was Uhr und Kalender eigentlich messen. Wir reden zwar von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Aber wie die sich zueinander verhalten, ist durchaus nicht so klar. Denn die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht. Und allein die Gegenwart scheint wirklich „da“ zu sein. Gerade diese Gegenwart ist aber ein so kurzer Moment, dass sie gar keine Ausdehnung besitzt. In derselben Sekunde, in der ich das Gegenwärtige wahrnehme, verwandelt es sich auch schon in Vergangenes. Und bevor ich es als Gegenwart greifen und beschreiben kann, ist’s schon nicht mehr Gegenwart. Das Vergangene und das Künftige scheint aber nur in der Weise vorhanden zu sein, dass ich es mir gedanklich zurückrufe oder es gedanklich vorwegnehme. Denn ich erlebe ja nie einen gestrigen oder einen morgigen Tag. Sondern, was ich erlebe, ist immer „heute“. Und wenn ich in diesem „heute“ nicht zurück- oder vorausdächte – was gäbe es dann überhaupt, außer dem jetzigen Moment? Damit die Vergangenheit nicht vergangen, sondern „präsent“ sein kann, muss ich sie mir erst erinnernd vergegenwärtigen. Und auch die Zukunft kann heute nur eine Rolle spielen, wenn ich sie mir, der Zeit vorauslaufend, vorstelle. Ein Tier hat solche Vorstellungen vom „Früheren“ und „Künftigen“ nicht. Darum lebt das Tier immer nur „jetzt“. Es greift gedanklich nicht über die aktuelle Zeit hinaus und weiß daher weder von seiner Geburt noch von seinem Tod. Der Mensch aber weiß davon. Und durch ihn geschieht dies Wunderliche, dass Ereignisse der Vergangenheit und der Zukunft – obwohl sie „nicht mehr“ oder „noch nicht“ sind – doch in der Gegenwart Wirkungen hervorbringen. Man könnte also meinen, Vergangenheit und Zukunft seien überhaupt nur in dem Maße „wirklich“, wie der Mensch ihrer gedenkt! Scheinbar gibt es zwischen den beiden keine andere Brücke als nur die kurze Sekunde der Gegenwart, die unablässig Zukunft in Vergangenheit verwandelt! Und obwohl uns diese Bewegung so offensichtlich erscheint, kann man nicht mal genau sagen, ob sich die Zukunft aus der Vergangenheit ergibt, oder ob die herandrängende Zukunft ihrerseits immer neue Vergangenheit produziert. Denken wir in kausalen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung, so hat das Morgen seine Ursache im Gestern, und die Vergangenheit erschafft sich ihre Zukunft. Und trotzdem muss alle Vergangenheit zuerst Zukunft gewesen sein, bevor sie Vergangenheit werden konnte. Denn Ereignisse kommen uns ja „von vorn“ entgegen, wie das neue Jahr oder unser nächster Geburtstag. Aus der ferneren Zukunft rücken sie näher und näher, werden Gegenwart und verschwinden dann – je länger, je ferner – in der Vergangenheit! Wie ist das also? Resultiert die Vergangenheit aus der Zukunft, die sie mal war? Oder resultiert die Zukunft aus der Vergangenheit, die ihr vorausging? Ist die Frage falsch gestellt? Oder ist es überhaupt eine irrige Annahme, dass eins aus dem anderen „hervorgehen“ müsste? Dass jede neue Stunde die vorangehende zunichtemacht, könnte eine Täuschung sein, die bloß aus der subjektiven Wahrnehmung entspringt! Denn wenn ich in einem großen Schloss von einem Raum in den anderen gehe – und dann wieder weiter in den nächsten – denke ich ja auch nicht, dass nur der eine Saal existierte, in dem ich gerade bin. Die Räume hinter mir sind sehr wohl noch „da“, nachdem ich sie verlassen habe, wie auch die vor mir liegenden schon „da“ sind, bevor ich sie betrete. Und so könnte es sich auch bei den Zeiträumen, durch die wir hindurchgehen, so verhalten wie bei einer Wanderung in freier Natur. Auch da nimmt der Wanderer nur das wahr, was aktuell um ihn herum zu sehen ist. Die Landschaft, die er vor zwei Stunden sah, wirkt nicht mehr auf ihn. Und die Landschaft, die er erst zwei Wegstunden weiter zu sehen bekommt, wirkt noch nicht. Aber sind diese Wegstrecken darum weniger „wirklich“? Der Wanderer wird vernünftiger Weise nicht annehmen, dass die Welt hinter ihm aufhörte zu existieren, wenn er hindurchgewandert ist! Und ebensowenig wird er denken, dass die Welt vor ihm erst dadurch entstünde, dass er in sie hinläuft. Vielmehr geht er davon aus, dass die Landschaft ganz unabhängig von seinem Besuch „da“ ist, und dass zwar von seinem aktuellen Standort abhängt, was er wahrnehmen kann, dass davon aber keineswegs abhängt, was vor und hinter ihm existiert. Wenn das aber so ist – warum unterstellen wir dann, dass vor und nach dem Zeitpunkt, den wir Gegenwart nennen, nichts real sei? Natürlich befindet sich jeder Mensch auf der Zeitleiste der Jahrtausende immer nur an einem Punkt, so wie er sich ja auch räumlich immer nur an einem Ort, nämlich entweder „hier“ oder „dort“ befindet. Doch könnte das ein Merkmal unserer Beschränktheit sein. Und für ein weniger beschränktes Wesen – wie z.B. Gott – stellt es sich ganz anders da. Denn so wie Gott allgegenwärtig im Raum überall zugleich ist, so ist er auch simultan in jeder Zeit. Wie ein Adler aus großer Höhe den gesamten Weg des Wanderers auf einmal überschaut und mit einem Blick erfasst, was der Wanderer immer nur abschnittsweise zu sehen bekommt – so gibt es für Gott kein „gestern“ und kein „morgen“, sondern ihm ist jeder erdenkliche Zeitpunkt gleich gegenwärtig und präsent. Wie der Mittelpunkt des Kreises kein Teil der Kreisbahn ist, so ist Gott kein Teil der von ihm geschaffenen Zeit. Er kennt weder Jugend noch Alter, weder Anfang noch Ende. Und wie der Mittelpunkt des Kreises zu jedem Punkt auf der Kreisbahn denselben Abstand hat, ist für Gott auch kein Zeitpunkt „präsenter“ als ein anderer, sondern sie alle sind ihm gleichermaßen „aktuell“. Wie der Raum nicht Gott umfasst, sondern Gott den Raum, so ist Gott auch nicht irgendwo in der Zeit, sondern steht darüber in der Gleichzeitigkeit des Ewigen, für den es kein „zu spät“ und kein „zu früh“ geben kann. Und so ist unser Eindruck vom Zeitenlauf durchaus verkehrt – und sagt mehr über unseren engen Horizont als über die Zeit selbst. Denn wir sind wie Autofahrer, die nachts über die Autobahn brausen, und denen immer nur wirklich erscheint, was gerade vom Scheinwerferlicht des eigenen Fahrzeugs beleuchtet wird. Wir meinen dann, es sei die Zeit, die rast! Doch die Unruhe des steten Wechsels ist nur der Bewegung des Betrachters geschuldet, während die Straße selbst ruht. Für den Autofahrer folgt auf Kilometer 11 der Kilometer 12. Aber ist deswegen 12 eine Konsequenz von 11? Der Autofahrer muss 12 hinter sich bringen, um Kilometer 13 zu erreichen. Aber folgt daraus, dass es den Streckenabschnitt 13 ohne 12 nicht gäbe? Tatsächlich bringt die Fahrbahn eines Streckenabschnitts nicht den nächsten Kilometer hervor, wie sie auch nicht aus dem vorangegangenen resultiert. Vielmehr liegen die Abschnitte einfach wohlgeordnet hintereinander. Und nur weil der Autofahrer darüber hinwegeilt, entsteht bei ihm der Eindruck einer Bewegung. Alles, was sein Scheinwerfer aktuell nicht beleuchtet, scheint „weg“ zu sein, weil’s im Dunklen versinkt. Doch die Abschnitte hinter und vor ihm sind keineswegs „weg“. Sondern sie sind nur für ihn nicht da, weil er nicht dort ist, wo sie sind. Aus der übergeordneten Perspektive Gottes sind aber alle zugleich „jetzt“. Und aus seiner simultanen Perspektive bringt auch weder die Vergangenheit die Zukunft noch die Zukunft die Vergangenheit hervor. Sondern der gesamte Zeitenlauf ist so und bleibt so, wie Gott selbst ihn gefügt und schon vor aller Zeit in Voraussicht aller Dinge geordnet hat. Im Blick auf die Vergangenheit ist uns das auch geläufig. Wir sehen ein, dass sich Vergangenes nachträglich nicht mehr ändern lässt. An dem, was wir heute taten, kann morgen keiner mehr etwas drehen! Wenn Gott aber genauso fest auch schon über die Zukunft verfügt hat, gilt für sie dasselbe. Und dass wir durch unsere Aktivitäten die Zukunft ändern könnten, erweist sich damit als Illusion. Denn wie die Bibel sagt, erdenkt der Mensch zwar seinen Weg, Gott aber lenkt seinen Schritt (Spr 16,9 vgl. Spr 19,21 u. Jer 10,23). Und wie Gott uns einst den Tag der Geburt bestimmt hat, so kennt er auch schon den Tag unseres Todes – und jede Wendung, die unser Weg bis dahin noch nehmen wird. „Es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht schon wüsstest“ sagt Psalm 139,4. Und er fährt fort: „Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war“ (Ps 139,15-16). Der Psalmbeter nimmt selbstverständlich an, dass Gott schon vor seiner Geburt alle Tage kannte, die er im Laufe seines Lebens einmal erleben sollte! Und so versteht er „Zu-kunft“ konsequent als das, was dem Menschen von Gott „zu-kommt“. Denn käme sie von uns her, hieße sie ja „Her-kunft“. Und „Schick-sal“ ist, was dem Menschen von Gott „zu-geschickt“ wird. Denn könnten wir’s machen, hieße es passender „Mach-sal“! In biblischer Sicht ist demnach das „Heute“ so wenig ein hinreichender Grund für das „Morgen“ wie umgekehrt. Sondern beide haben ihren Grund in Gottes Vorsehung. Und so ist das Kommende ebenso wenig variabel wie das Vergangene. Denn Gott überlässt nicht dem Zufall, was seinen Geschöpfen begegnen soll. Sondern „ein jegliches hat seine Zeit“ und seine ihm von Gott bestimmte Stunde (Pred 3,1). Wenn sich‘s schließlich anders verhielte, und die Zukunft wäre auch für Gott offen und unbekannt – wie könnte die Bibel dann so randvoll sein von Prophezeiungen, festen Verheißungen und klaren Voraussagen? Mit der Offenbarung des Johannes liegt uns ein ganzes biblisches Buch vor, das nicht damit rechnet, dass irgendetwas, was es beschreibt, auch anders kommen könnte! Ein Gott, der nicht wüsste, was kommt, dürfte gar nicht wagen Propheten zu schicken, die über das kommende Weltgeschehen verbindliche Aussagen machen! Er wäre überhaupt ein recht lächerlicher Gott, weil er immer wieder von den spontanen Aktionen seiner Geschöpfe überrascht würde! Statt den Schicksalsmächten zu gebieten, wäre Gott ihnen ausgeliefert – und müsste hektisch reagieren! Doch so etwas wird in der Bibel nicht einmal erwogen. Denn sie bekennt, dass des Menschen Zeit in Gottes Händen steht (Ps 31,16). Und im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit flieht der Psalmbeter zu seinem Gott, der als einziger davon nicht betroffen ist: „Herr, du bist unsre Zuflucht für und für“ sagt Psalm 90. „Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Ps 90,1-2). Himmel und Erde werden vergehen und werden veralten wie Gewänder, Gott aber bleibt, wie er ist, und seine Jahre nehmen kein Ende (Ps 102,26-28). Dem Menschen sind Anfang und Ende gesetzt. Er kann seines Lebens Länge keine Spanne hinzufügen (Mt 6,27). Er empfängt das Gute ebenso aus Gottes Hand wie das Böse (Hiob 2,10). Und ohne den Vater fällt nicht mal ein Sperling zu Boden (Mt 10,29-31). Gott verrät zwar nicht im Voraus, was er für welchen Tag in seinen Kalender geschrieben hat (Apg 1,7 / Mt 24,36). Ihm selbst aber steht es fest. Und sämtliche Verheißungen, die er Abraham, Isaak, Jakob, David und anderen gegeben hat, setzen voraus, dass Gott die Zukunft überschaut und bestimmt. Du „hast dem Hause deines Knechtes sogar für die ferne Zukunft Zusagen gegeben“, sagt David (2. Sam 7,19). Und wie wäre das möglich, wenn die Zukunft für Gott unbekannte Variablen enthielte? Tatsächlich liegt sie ihm genauso offen vor Augen wie die Vergangenheit und birgt für ihn keinerlei Überraschungen. Denn die wahre Herkunft der Zukunft ist er selbst. Und für uns ist das eine tröstliche Feststellung. Denn Gottes grenzenloses Wissen ist immer auch ein Vorauswissen der Fallstricke, Wendungen und Gefahren, die unser persönlicher Weg noch bereit hält. So stellt Gottes Wissen nicht nur sicher, dass der, der alles sieht, auch uns nicht übersehen wird – es garantiert nicht nur, dass wir bei Gott nicht vergessen sind. Sondern es schenkt uns auch die Gewissheit, dass keine Kreatur Gottes Rat und Willen zunichtemachen kann. Mag uns der böse Feind noch so viele Fallen stellen, gibt es doch keinen Hinterhalt, den Gottes Auge nicht längst vorausgesehen hätte. Und Gott lässt uns da nur hineintappen, wenn er‘s für gut oder nötig befindet. Selbst dann bleibt er noch hilfreich an unserer Seite. Nichts kann ihn verblüffen. Und insofern ist es wirklich Gottes Ewigkeit, die uns die Zukunft verbürgt – ja, Gottes Ewigkeit ist die Zuflucht des Betenden (Hermann Cremer). Denn Gott hat jederzeit den Überblick, der uns fehlt. Und was er heute zusagt, wird er sich morgen nicht anders überlegen. Gott ist nicht in der Zeit beschlossen, sondern alle Zeit in ihm. Er hält seinen Zusagen so unverbrüchlich, wie er sich selbst die Treue hält. Und während bei uns auch die Treuesten durch Umstände gehindert werden können, ihre Zusagen wahr zu machen, ist das bei Gott ausgeschlossen. Denn den Allmächtigen kann niemand davon abhalten, seinen Willen in die Tat umzusetzen. Will er aber unser Heil, wie es das Evangelium ausdrücklich sagt – wie könnte unser Verhängnis noch triumphieren? Der Allwissende stümpert und stolpert nicht. Und so ergibt sich aus den biblischen Voraussetzungen nicht etwa eine vage Hoffnung, sondern es ergibt sich die logisch zwingende Erwartung, dass Gott, was er will und kann, auch tun wird. Schließlich ist Christus derselbe – gestern und heute und auch in Ewigkeit (Hebr 13,8). Er ist „das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ (Offb 22,13). Er ist lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und hat die Schlüssel des Todes und der Hölle (Offb 1,18). Ihm ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden (Mt 28,18). Und jedes Knie wird sich ihm beugen (Phil 2,10). Hat er sich aber in freier Gnade selbst dazu bestimmt, unser Erlöser zu werden, steht dieser Beschluss genauso fest wie der, der ihn gefasst hat. Und dann wird auch unsere Zukunft keineswegs von Moment zu Moment jeweils neu „erfunden“, sondern sie wird nur „enthüllt“. Der morgige Tag deckt nur auf, was auch vorgestern schon feststand. Und so resultiert unser Schicksal nicht aus den planlosen Verwicklungen der Welt, sondern aus Gottes weiser Fügung. Und haben wir auch den Eindruck, die Welt wollte es böse mit uns machen, so gedenkt Gott doch, es gut zu machen (vgl. 1. Mose 50,20). Ich sage das aber bewusst nach schweren Jahren voller böser Überraschungen. Denn der bedrückenden Vorstellung, dass unser Leben in der Hand von Menschen läge, sollten wir keinen Raum geben. Und wenn’s uns vorkommt, als stürzte die Menschheit planlos einer düsteren Zukunft entgegen (als fielen wir in ein großes, dunkles Loch), so muss man dem als Christ widersprechen. Denn als gläubige Menschen stürzen wir allenfalls unserem Gott entgegen. Und dessen guter Wille stand schon fest, bevor die Weltgeschichte überhaupt anfing. Sein Ziel war schon damals, dass wir zu ihm finden, und er zu uns. Sein Reich kommt zu uns – oder wir in sein Reich. Das ist unausweichlich! Und darum überlassen wir es den Heiden, eine „Heidenangst“ zu haben. Denn es ist genau so, wie es Corrie ten Boom einmal sagte: Wenn unser Zug in einen Tunnel fährt, kann es sehr finster werden. Aber wegen dieser Finsternis wirft man nicht die Fahrkarte weg und man versucht auch nicht aus dem Zug zu springen, sondern man vertraut dem Zugführer. Solches Vertrauen dürfen wir zu unserem Gott doch wohl auch haben! Und so mag das neue Jahr dann bringen, was immer es will. Wir wollen uns nicht fürchten. Denn unser Gott ist auch der Gott des kommenden Jahres – und tut nichts ohne Grund.
Gebet zu Silvester
Allmächtiger Gott, barmherziger Vater,
wir danken dir dafür, dass du im vergangenen Jahr mit uns gegangen bist. Von Jugend auf hast du uns begleitet und auch im Alter nicht verschmäht. Wenn wir dich abschütteln wollten, warst du immer noch da. Wenn wir betriebsblind waren, hast du uns dennoch gesehen. Und wenn unsere Gebete leiser wurden, hast du sie trotzdem gehört. Wohin wir auch liefen, du warst gegenwärtig. Und wenn wir ehrlich fragten, hat dein Wort nie geschwiegen. Unsere Gedanken waren oft töricht, deine Pläne aber waren weise. Unsere Herzen waren oft feige, du aber bliebst treu. Und selbst wenn wir nicht nach dir suchten, hast du uns dennoch gefunden. Statt dem, was wir verdienten, hast du uns immer wieder gegeben, was wir brauchten. Und weil wir nun schon so lange von deiner Gnade leben, wagen wir, sie auch für die Zukunft zu erbitten: Vergib uns die Eigenmächtigkeit, die Großtuerei, den Kleinglauben und den törichten Eigensinn. Schenke uns aber Erneuerung und Belebung durch deinem Heiligen Geist. Damit wir endlich lernen zu lieben, was du liebst, und zu verabscheuen, was du verabscheust. Damit wir das Richtige wichtig, und das Richtige locker nehmen. Damit wie Strenge zeigen, wo sie nötig, und Milde zeigen, wo sie möglich ist. Du, Herr, bist unser Gestern und unser Morgen, unser Ursprung und unser Ziel. Lass uns im neuen Jahr die Konsequenzen ziehen. Denn dass wir dein sind und bleiben – das allein ist wichtig. Und darum bitten wir dich durch Jesus Christus unseren Herrn. Amen.
Bild am Seitenanfang: Clock with Heads of Prophets
Paolo Uccello, Public domain, via Wikimedia Commons