III.

DAS FREUDIGE DARIN, DASS DU,

JE ÄRMER DU BIST,

DESTO REICHER ANDERE MACHEN KANNST.

 

Es gibt viele Wege zum Reichtum. Und ob es nun einem Menschen glückt, einen von diesen vielen Wegen zu gehen, um reich zu werden, oder ob es ihm nicht glückt, gleichviel – in der Welt wird doch immer viel darüber geredet und ist hinreichende Kenntnis von diesen vielen Wegen vorhanden. Aber der Weg zu dem Reichtum – und das ist doch wahrlich der höchste Reichtum – andere reich machen zu können, der Weg zum Reichtum, indem einer selbst arm wird, dieser Weg, der doch „der Weg“ ist, wird selten besprochen, betreten, angepriesen! Ach, in der Welt ist es beinah, als sei er nicht vorhanden, in der Welt hat man ja auch keine Vorstellung davon, daß das eben Reichtum ist, nicht selber reich zu werden oder zu sein, sondern andere reich machen zu können!

Und doch ist jener wunderliche Weg zum Reichtum wirklich vorhanden! Man versteht das aber, wenn man in Erzählungen und Märchen liest, wie derjenige, der sich in eine Räuberhöhle hineingewagt hat, bei jedem Schritt, den er macht, in Angst sein muß, daß nicht irgend eine heimliche Falltür verborgen angelegt ist, durch welche er in einen Abgrund hinunterstürzen kann. Man versteht das, wenn der Unglaube oder die Furchtsamkeit ihre Lehre von des Lebens Unsicherheit vortragen – denn man ist nur zu sehr geneigt, an die Möglichkeit eines Untergan-ges zu glauben! Daß aber das Leben, daß die Existenz mit Hilfe der Ewigkeit selig gesichert ist, daß gerade in der Gefahr eine Falltür, ein Schwungbrett, – zum Aufrichten verborgen ist: Daran glaubt man nicht! Gerade wenn ein Mensch am nächsten dran ist zu verzweifeln, so gibt es eine Stelle, auf die er treten soll (und in der Verzweiflung ist er so nah als möglich dahin gebracht, auf dieselbe zu treten) – und alles verändert sich unendlich. Er geht dann wohl denselben Weg, aber umgekehrt: Statt voller Sorge darüber zu seufzen, daß er den Weg der Armut, der Niedrigkeit, des Verkanntseins, der Verfolgung geht, geht er freudig diesen selben Weg; denn er glaubt und versteht glaubend, daß je ärmer er wird, desto reicher kann er andere machen. Wird hier denn auch nicht vom Wege zum Reichtum geredet, so wollen wir doch reden über:

 

Das Freudige darin, daß du, je ärmer du wirst,

desto reicher andere machen kannst.

 

Es ist ein innerer Unterschied, der alles unendlich verändert, ob der Leidende besorgt fortfahren will, mit starrem Blick darauf hinzustieren, wie arm er ge-worden ist, wie gering, wie verkannt; oder ob er, der alles Irdischen beraubt ist, darüber hinwegsehen will, und nun seine Lage von der schönen, ja der seligen Seite ansieht. Gilt es schon für den Künstler, daß er, wenn er einen Einäugigen darstellen soll, ihn von der Seite zeichnet, auf der er das Auge hat, – sollte da nicht der schwer-Leidende über das Schwere hinwegsehen wollen, um auf das Selige hinzublicken? Äußerlich gibt es allerdings dabei keine Veränderung, der Leidende bleibt auf derselben Stelle, in derselben Lage; und doch ist eine Ver-änderung da, des Wunders Veränderung, des Glaubens Zeichen. Von der einen Seite gesehen ist es der Arme, der immer ärmer und ärmer wird; von der andern Seite gesehen ist es der Arme, der je ärmer er wird, andere desto reicher macht – im Äußeren ist es aber immer derselbe Mensch!

Laß uns nun in der Rede also vorgehen, laß uns zuerst den Unterschied zwi-schen Reichtum und Reichtum erklären (dem irdischen – dem geistigen), und was aus diesem Unterschiede für den Besitzenden folgt; um alsdann zu ver-stehen, daß man gerade arm sein muß, um andere reich zu machen, und daß ein Mensch, je ärmer er also wird, andere desto reicher machen kann.

Jedes irdische oder weltliche Gut ist an sich selbstisch, neidreich, sein Besitz voller Mißgunst, es muß auf die eine oder andere Weise andere ärmer machen. Denn was ich habe, kann ein anderer nicht haben, je mehr ich habe, desto weniger muß ein anderer haben. Der „ungerechte Mammon“, ohne daß hier deshalb davon die Rede ist, daß wir ihn in ungesetzlicher Weise erwerben oder besitzen – und mit diesem Wort könnten wir ja meinetwegen jedes irdische Gut bezeichnen, auch weltliche Ehre, Macht usw. ist in sich selbst ungerecht – tut Unrecht. Er kann an und für sich nicht von allen gleichmäßig erworben oder besessen werden, denn soll der eine viel haben, so muß notwendigerweise ein anderer wenig haben, und was der eine hat, kann der andere unmöglich haben. Ferner, all die Zeit und all der Fleiß, all die Fürsorge und Bekümmerung der Gedanken, die darauf verwandt wird, irdisches Gut zu erwerben oder zu be-sitzen, ist selbstsüchtig; man hat in einem jeden solchen Augenblick keine Ge-danken für andere, sondern arbeitet in einem jeden solchen Augenblick selbst-süchtig für sich selbst, oder selbstsüchtig für einige wenige andere. Ob ein Mensch auch gern bereit ist, von seinem irdischen Gut mitzuteilen – jeden Augenblick, in welchem er damit beschäftigt ist, es zu erwerben oder bei dessen Besitz verweilt, ist er selbstsüchtig wie dasjenige, was er besitzt oder erwirbt. Anders verhält es sich mit Geistesgütern (Anm.: Hier im religiösen Sinne von „geistlichen Gütern“. 1. Kor. 12,1). Ein Geistesgut ist schon nach seinem Begriff – Mitteilung, Gemeingut, sein Besitz mitfühlend, es ist an und für sich Mitteilung. Wenn ein Mensch Glauben hat, so hat er dadurch wahrlich anderen nichts genommen, im Gegenteil (ja es ist sonderbar und doch ist es so) damit, daß er Glauben hat, hat er (sogar abgesehen von dem, was er direkt tut um anderen etwas mitzuteilen!) für alle anderen gearbeitet; während der Zeit, wo er arbeitete, um selbst Glauben zu erlangen, hat er auch für alle anderen gearbeitet. Denn das ganze Geschlecht und jeder einzelne im Geschlecht nimmt daran teil, daß einer Glauben hat. Indem er Glauben hat, drückt er das rein-Menschliche aus oder das, was jedes Menschen wesentliche Möglichkeit ist. Sein Glaubensbesitz mißgönnt wahrlich anderen nichts, wie ja doch des Reichen Geldbesitz eine Art Mißgunst ist, da er denselben dem Armen genommen hat, welcher letztere ihn vielleicht wiederum dem Reichen mißgönnt. Denn Neid und Mißgunst ist auf beiden Seiten, da irdischer Reichtum in sich selbst Mißgunst ist. Nein, der Glau-bende hat niemand etwas genommen, er besitzt im Glauben nichts zu Beneiden-des; und keiner kann ihm denselben mißgönnen, eher sollte jeder sich mit ihm freuen. Denn der Glaubende besitzt nur was jeder Mensch besitzen kann; und je größer sein Glaube ist, desto deutlicher wird jenes für alle Menschen gemein-samen Eigentums Herrlichkeit und Seligkeit, auf seine Möglichkeit gesehen. Wenn ein Mensch die Liebe hat – soll ich nun sagen, ja selbst wenn er sie über alle Maßen hätte? Nein, dieses Steigern in der Rede wäre ja verkehrt! Es könnte wohl scheinen, daß, in je höherem Grade er dieses Gut, die Liebe, hat, desto mehr hätte er andere berauben müssen; doch ist es gerade umgekehrt, in je höherem Maße er die Liebe hat, desto weiter ist er davon entfernt, anderen etwas genommen zu haben. Also, ob ein Mensch über alle Maßen die Liebe hat, so hat er damit keinem etwas genommen, er hat im Gegenteil damit für alle anderen gearbeitet (sogar davon abgesehen, was er anderen aus Liebe wirklich tut!); während der ganzen Zeit, in der er gearbeitet hat, um selbst die Liebe zu erwerben, hat er für alle anderen gearbeitet. Ob wir auch einen Augenblick noch von der Anwendung absehen, die er von seiner Liebe macht, so hat er sie schon beim bloßen Besitz nicht für sich selbst; denn das ganze Geschlecht, und jeder einzelne im Geschlecht, nimmt daran teil, daß er Liebe hat. Wenn ein Mensch die Hoffnung hat, der Ewigkeit überschwengliche Hoffnung, damit hat er keinem andern Menschen das Geringste genommen, damit im Gegenteil für alle gear-beitet. Denn daß ein Mensch die Hoffnung hat, oder daß es einen Menschen gibt, der die Hoffnung hat, das ist für alle anderen Menschen eine viel freudigere Nachricht, weil es eben eine viel beruhigendere Nachricht ist, als es z. B. für alle die anderen Segler ist, die auf dasselbe Ziel hinsteuern, daß der eine es erreicht hat! Im Verhältnis zu den Seglern nämlich können für jeden einzelnen zufällige Umstände den Ausschlag geben, und „die anderen“ Segler sind nicht durch eine wesentliche Möglichkeit Teilnehmer an dem Glück des einen Seglers. Daß es aber einen Menschen gibt, der Hoffnung hat, oder jedesmal, wenn es einen Menschen gibt, der Hoffnung hat, dies ist entscheidend für alle, daß sie nämlich dieselbe auch haben können! Hier gilt es, einer für alle und alle für einen. Also sind die Geistesgüter an und für sich wesentlich Mitteilung, deren Erwerb, deren Besitz an und für sich eine Wohltat gegen andere. Wer diesen Gütern nachstrebt oder sie besitzt, tut darum nicht nur sich selbst wohl, sondern er erweist allen eine Wohltat, er arbeitet für alle, sein Streben, diese Güter zu erwerben, ist an und für sich unmittelbar andere bereichernd. Denn in ihm, wie die Zuschauer es mit dem Helden im Schauspiel tun, erblicken die anderen sich selbst. Dies ist die Menschlichkeit (humane Art) der geistigen Güter, im Gegensatz zur Unmensch-lichkeit (inhumanen Art) der irdischen Güter. Denn was ist „Menschlichkeit“? Die menschliche Gleichheit oder Gleichmäßigkeit! Selbst in dem Augenblick, wo es den größten Anschein hat, daß er beim Erwerben dieser Güter nur für sich selbst arbeitet, ist er mitteilend; das liegt an den Gütern selbst, deren Wesen, deren Besitz ist Mitteilung. Du erwirbst nicht bloß dir selbst die Hoffnung dadurch, daß du sie erwirbst, sondern dadurch, daß du sie erwirbst (o, seliger Erwerb!), bist du mitteilend, denn sogar schon unmittelbar ist die Ewigkeitshoffnung Mitteilung. Du besitzest nicht bloß die Hoffnung, sondern schon dadurch, daß du sie besitzest (o, seliger Besitz!), bist du mitteilend, erweist du anderen eine Wohltat.

O, wie ist doch von Anfang bis zu Ende des Himmels Segen mit diesen Geistes-gütern! Denn – „ich werde nicht müde, dasselbe zu wiederholen“, und der Ge-danke erscheint mir so selig, daß er nicht oft genug wiederholt werden kann; es wäre ja auch nicht zu oft, wenn eines Menschen Leben, täglich eine Wieder-holung dieses Gedankens sein würde. Während die irdischen Güter an sich mißgünstig sind (o, welch’ großer Spielraum für zufällige Möglichkeiten, welche Unsicherheit!) ob nun auch zufälligerweise ein solcher in ihrem Besitz ist, der wohltätig sein will, – und während nur allzuoft der Besitzer versucht wird, ebenso mißgünstig zu werden wie die Güter – sind die Geistesgüter dermaßen ein Segen, daß deren Besitz (ohne daß wir irgend von dem Gebrauch reden, den der Besitzer von ihnen macht!) anderen zum Segen, zur Mitteilung wird. Wie es unmöglich ist, die Luft zu hindern selbst durch die dicksten Mauern einzudringen, ebenso unmöglich ist es, für sich selbst in selbstsüchtigem Sinn, die Geistes-gaben zu besitzen. Das liegt – und das ist ja eben das ewig Beruhigende – das liegt, wenn wir so sagen dürfen, nicht einmal am Besitzer, es liegt vielmehr an den Gütern selbst, sie sind Mitteilung; wenn es auch wohl von selbst folgt, daß, wenn der Besitzer nicht der Entsprechende ist, er auch nicht die Geistesgüter wirklich „besitzt“. Wie der kostbare Wohlgeruch nicht nur wenn er ausgeschüttet wird Wohlgeruch verbreitet, sondern dermaßen Wohlgeruch enthält, Wohlgeruch ist, daß er das Gefäß durchdringt, in dem er aufbewahrt wird, und sogar ver-schlossen Wohlgeruch verbreitet: So sind die Geistesgüter dermaßen Mitteilung, daß der bloße Besitz Mitteilung ist, daß das reine Erwerben selbst andere be-reichern heißt. Daraus folgt denn, daß du die ganze Zeit über, die du darauf verwendest, diese Güter zu erwerben, jeden Augenblick, in welchem du dich ihres Besitzes freust, daß du stets weit entfernt davon bist, dich selbstsüchtig mit dir selbst zu beschäftigen, sondern unmittelbar mitteilend dich verhältst. Also ist es in Wahrheit mit des Geistes wahren Gütern, welche zugleich das Beruhigende haben, der Wahrheit Merkmal, daß sie nur in Wahrheit besessen werden können! Will jemand sie selbstsüchtig besitzen, sie für sich selbst besitzen, sie für sich selbst, im selbstsüchtigen Sinn, haben – so besitzt er sie auch nicht. Doch gibt es ja auch im Gegensatz zu den bloß irdischen und weltlichen Gütern, allgemeinere geistige Güter, unvollkommenere geistige Güter. So sind Einsicht, Wissen, Bega-bung, Talent usw. geistige Güter. Aber hier gilt doch noch der unvollkommene Umstand, daß der Besitzer den Ausschlag gibt, oder daß das den Ausschlag gibt, wie der Besitzer ist, ob er wohlwollend und mitteilend ist, oder ob er selbstsüchtig ist; denn diese Güter sind noch nicht an sich Mitteilung. Ist denn derjenige, welcher solche unvollkommeneren geistigen Güter besitzt, selbstsüchtig, so erweist es sich auch, daß die Güter selbst mißgünstig werden durch ihn, und andere ärmer machen! Der Besitzer schließt sich dann eben ein mit diesen seinen Gütern; die ganze Zeit über, während welcher er arbeitet um sie zu erwerben oder zu bewahren, ist er selbstsüchtig verschlossen, hat weder Zeit noch Gelegenheit, sich um andere zu kümmern oder an sie zu denken. Der Kluge wird wohl immer klüger, aber in mißgünstigem Sinn, so daß er eben davon Vorteil haben will, daß andere einfältiger werden im Vergleich mit seiner zunehmenden Klugheit, und diese einfältigen Anderen je mehr und mehr – unmenschlich! – in seiner Macht haben will. Der Gelehrte wird wohl immer gelehrter, aber in mißgünstigem Sinn, und zuletzt so gelehrt, daß keiner ihn verstehen kann, so gelehrt, daß er sich gar nicht mehr mitteilen kann! Auf diese Weise, indem sie in unwahrer Weise besessen werden, werden diese unvoll-kommeneren geistigen Güter in irdische und weltliche verwandelt, deren Eigen-tümlichkeit ist, daß deren Besitz auf die eine oder andere Weise andere immer ärmer macht. Aber von den wahren Geistesgütern gilt es, daß sie nur in Wahrheit besessen werden können, daß derjenige, der sie nicht in Wahrheit besitzt, sie überhaupt nicht besitzt!

Dies also sind die inneren Verhältnisse, die den einen und den andern Reichtum betreffen, und dieselben müssen ja dem zu Grunde liegen und den Gedanken dabei bestimmen, wenn es sich darum handelt, andere zu bereichern. Auf der einen Seite die irdischen Güter (oder doch die unvollkommen-geistigen!), deren Besitz, deren Erwerb an sich Mißgunst ist, und wo darum jede Stunde, jeder Gedanke, der damit zugebracht wird, dieselben zu besitzen oder zu erwerben, mißgünstig wird. Auf der anderen Seite die wahren Geistesgüter, deren Besitz, deren Erwerb an sich Mitteilung ist, und bei denen darum jede Stunde, jeder Ge-danke, der damit beschäftigt ist, dieselbe zu besitzen oder zu erwerben, andere bereichert. Wie kann nun der eine Mensch den andern reich machen? Ja, wer irdische Güter hat, der kann sie direkt mitteilen! Gut, laß uns annehmen, daß er es tut, laß uns einen Augenblick vergessen, daß irdische Güter doch nicht der wahre Reichtum sind. Er teilt also mit und tut wohl mit dem, was er von irdischen Gütern hat. Das läßt sich ganz schnell machen, er kann es einmal im Monat oder eine Stunde jeden Tag tun und doch sehr viel weggeben. Aber siehe, all’ die Stunden und Tage, wo er beschäftigt ist mit dem Erwerben, Sammeln, Bewahren der irdischen Güter, ist er selbstsüchtig! Ja, sammelte er auch, um mitzuteilen, so lange sein Gedanke mit den irdischen Gütern beschäftigt ist, ist er selbstsüchtig! Dies liegt (in einem gewissen Sinne!) sozusagen nicht einmal an ihm, es liegt an der wesentlichen Beschaffenheit der irdischen Güter. Dies erweist sich also als ein sehr unvollkommener Weg andere reich zu machen; selbst angenommen, daß, wer die irdischen Güter besitzt, von diesen nicht verdorben wird, sondern gern bereit ist zu geben und mitzuteilen, und selbst wenn wir einen Augenblick vergessen wollen, daß irdische Güter nicht der wahre Reichtum sind.

Nein, der wahre Weg, der Weg der Vollkommenheit, um in Wahrheit andere reich zu machen, muß dieser sein: Geistesgüter mitzuteilen, wobei man übrigens selbst damit beschäftigt ist, diese Güter zu erwerben und zu besitzen. Wenn das letztere der Fall ist, so macht ein Mensch in Wahrheit andere reich, und das ist das Eigentliche, was er tut, sein einziges Werk, und doch seines ganzen Lebens Werk. Die Güter sind der wahre Reichtum: In der Zeit bereits, wo er selbst sie erwirbt, ist er mitteilend und macht unmittelbar andere reich. In der Zeit schon, wo er sie besitzt, ist er mitteilend und macht unmittelbar andere reich. Und da er einzig und allein sich mit diesem Reichtum beschäftigt und sich um ihn kümmert, wird er ja darnach streben, ihn zu vermehren. Aber im Verhältnis zum wahren Reichtum, dessen Wesen Mitteilung ist, ist das Vermehren wesentlich weder mehr noch weniger als die direkte Mitteilung überhaupt, sofern dieselbe – nur noch vermehrt. Denn hier ist es nicht so, wie es kleinlich im Verhältnis zum un-wahren Reichtum ist, der wahrlich dadurch nicht vermehrt wird, daß er wegge-geben und verschenkt wird. Wenn er nun lehrend, ermahnend, aufmunternd, tröstend diese Güter mitteilt, so macht er schon ganz direkt andere reich.

Laßt uns denn an unser Thema denken: Das Freudige darin, daß, je ärmer ein Mensch wird, desto reicher er andere machen kann. O, du Leidender, wer du auch bist, wenn das Leben dir deinen Reichtum genommen hat, wenn du vom Wohlstand vielleicht in Armut geraten bist, wohlan, wenn du dir helfen lassen und die Wohlmeinung dabei verstehen willst, wohlan, so bist du nun ja auch davon befreit, deine Zeit und deinen Tag und deinen Gedanken zu vergeuden mit dem, womit man sich nur selbstsüchtig beschäftigen kann! Und du bist um so mehr veranlaßt, dich einzig und allein damit zu beschäftigen, die Geistesgüter zu erwerben und zu besitzen – o, und während eines jeden solchen Augenblicks machst du andere reich! Oder wenn das Leben dir dein weltliches Ansehen, deinen Einfluß genommen hat, wohlan, wenn du dir helfen lassen und das Wohlgemeinte darin verstehen willst, wohlan, so wirst du ja auch davon befreit, Zeit und Gedanken darauf zu verwenden, das zu behaupten und zu genießen, womit man sich nur selbstsüchtig beschäftigen kann. Und du bist um so mehr veranlaßt, dich einzig und allein damit zu beschäftigen, die Geistesgüter zu erwerben und zu besitzen – o, und während eines jeden solchen Augenblicks machst du andere reich!

Vielleicht fällt es dir schwer, so arm zu werden, ärmer und ärmer; denn im äuße-ren Verstande ist es einmal schon entschieden. Vielleicht hängt deine Seele noch am Irdischen, mit dem Verlust selbstsüchtig beschäftigt, wie derjenige, der das Irdische besitzt, mit dem Besitz beschäftigt ist! Ist es denn aber auch so schwer, andere reich zu machen? Laß dich nicht töricht betrügen! Es sieht so leicht, so bequem aus, etwas Geld den Armen zu geben, wenn man selbst reich ist, einem anderen vorwärts zu helfen, wenn man selbst mächtig ist. Laß dich aber nicht betrügen: Derjenige Mensch, der damit beschäftigt ist Glaube, Hoffnung und Liebe zu erwerben, er, er allein macht andere reich!

So werde denn noch ärmer; denn vielleicht unterhältst du noch das Band eines trügerischen Wunsches mit dem Verlorenen, vielleicht nährst du eine gegen dich selbst verräterische Hoffnung, es wiederzugewinnen. Werde noch ärmer, gib das Verlorene ganz auf, und trachte allein nach den Geistesgütern, damit du andere reich machen könntest! Gesegnet sei ein jeder solcher Augenblick, eine jede solche Stunde; du tust da wohl – nicht bloß dir selbst, sondern du machst andere reich, du erweisest anderen eine Wohltat.

Und wenn du dann so recht arm geworden bist, so hast du dir auch je mehr und mehr des Geistes Güter angeeignet. Dann wirst du auch imstande sein, in noch völligerem Maße andere reich zu machen, durch Mitteilen der Geistesgüter, durch Mitteilen dessen, was an sich Mitteilung ist. Je ärmer du wirst, desto seltener werden in deinem Leben die Augenblicke werden, wo du selbstsüchtig mit dir selbst beschäftigt bist, oder mit dem, was an sich selbstsüchtig ist, dem Irdischen, das eines Menschen Gedanken so sehr zu sich zieht, daß er in der Zeit für andere nicht da ist. Je seltener aber solche Augenblicke werden, desto stetiger werden dann die Stunden deines Tages damit ausgefüllt sein, des Geistes Güter zu erwerben und zu besitzen (und vergiß dabei ja nicht, o vergiß nicht, auch wenn du nur dies tust, so machst du andere reich!) oder damit, direkt des Geistes Güter mitzuteilen, und dadurch andere reich zu machen!

 Denke dir unser Vorbild, den Herrn Jesus Christus! Er war arm, er machte aber doch wohl andere reich! Und sein Leben drückt ja niemals etwas Zufälliges aus, daß er nur zufälligerweise arm war. Nein, sein Leben ist die wesentliche Wahr-heit, und zeigte deshalb, daß, um andere reich zu machen, man selbst arm sein müsse. Dies ist der Gottheit Gedanke, von dem verschieden, was in des Men-schen Herz aufkam, dem „reichen Mann“, der andere reich macht. Denn nicht nur sind irdische Güter nicht der wahre Reichtum, sondern auch der reiche Mann, wie freigebig er im Geben aus seinem Überfluß auch sei, kann es doch nicht vermeiden, Zeiten zu haben, wo er selbst mit seinem Reichtum beschäftigt ist; und so lange ist er ja nicht damit beschäftigt, andere reich zu machen. Er aber war arm, so lange er hier auf Erden lebte; darum war sein Werk, so lange er lebte, jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick, andere reich zu machen! Selbst arm gab er sich der Arbeit hin, andere reich zu machen, und gerade dadurch, daß er arm war, gab er sich ihr ganz hin. Er stieg nicht vom Himmel herab, um arm zu werden, er stieg aber herab, um andere reich zu machen. Aber um andere reich zu machen, mußte er arm sein. Er wurde arm, nicht als ob dies einmal in seinem Leben geschah, nachdem er vielleicht einige Zeit reich ge-wesen war! Doch wurde er arm, denn das war sein eigener, freier Entschluß, seine Wahl. Er wurde arm, und blieb es in jedem Sinne, in jeder Weise. Er lebte wie ausgestoßen aus der menschlichen „Gesellschaft“. Er verkehrte (o, der Leichtsinn, mit seinem Ansehen so zu spaßen; o, unverantwortliche Gleichgültig-keit gegen das Urteil anderer, gegen das „was man sagt“; o Frechheit, die ja selbstverschuldet ihn tief, tief „in aller Augen“ herabsetzen mußte!), nur mit Sündern und Zöllnern! Also wurde er arm, um andere reich zu machen. – Denke an den Apostel Paulus, der diese Worte eben sagt: „Selber arm, machen wir andere reich.“ Der Apostel fand sich ruhig hinein, arm zu sein, in Armut aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen, ohne auch nur eine Gattin zu haben, der er angehörte, oder die ihm angehörte, er fand sich ruhig darein; und warum wohl, wenn nicht eben darum, daß er hierin den Weg fand, andere reich zu machen? So ist dieses denn das Freudige, daß, je ärmer du wirst, desto reicher kannst du andere machen. O, daß die Welt dir alles nimmt, oder daß du die ganze Welt verlierst, das hat im Grunde nichts zu bedeuten, ja es ist sogar das Beste, wenn du es nur als das Beste für dich annimmst! Im Augenblick der Ver-zweiflung gerade, wenn die Not am größten ist, ist die Hilfe am nächsten, die Veränderung, die unendlich alles verändert: Daß nämlich du, der Arme, der Reiche bist – denn wahrer Reichtum ist das doch wohl, andere reich zu machen! Also liegt auch hierin die Freude verborgen. Denn (und so wünschen wir jede dieser Reden zu beschließen, damit es recht klar werde, worüber wir reden, und klar, weshalb in ganz anderer Weise von ewig-Verschiedenem geredet werden muß) nur die Sünde ist des Menschen Verderben! – – 

 

- Fortsetzung -