Das achte Kapitel. 

(Vom Sündenfall unserer ersten Eltern.)

 

Der Mensch ist in der angeschaffenen Vollkommenheit nicht bestanden, sondern in die Sünde gefallen, und hat dadurch das göttliche Ebenbild samt allen dazu gehörigen schönen Gaben verloren.

 

169. In solcher Vollkommenheit und Herrlichkeit ist der Mensch nicht bestanden, sondern hat durch Ungehorsam gegen Gott das göttliche Ebenbild verloren, dagegen sich und alle seine Nachkommen in äußerstes, zeitliches und ewiges Verderben gestürzt. Solches tiefer zu beherzigen, ist zu handeln, 1) von der ersten Menschen Fall, 2) von dieses Unglücks Fortpflanzung an die Nach-kommen. Im ersten sind abermal zwei Punkte zu betrachten, einmal der Sünden-fall, hernach das Unglück, so dem Menschen daraus entstanden ist.

 

170. Mit dem Sündenfall verhält sichs also. Gott hatte mitten im Paradies gesetzt einen Baum, den er genannt den Baum des Erkenntnis gutes und böses, und den Menschen geboten, sie sollten nichts davon essen, sonst würden sie des Todes sterben, 1 B. Mos. 2,17. Er hat also damit von ihnen gefordert, den Ge-horsam dem Herrn zu erweisen, weil sie ihm sonst für alle seine Wohltaten nichts erstatten noch geben könnten.

 

171. Aber der Satanas verführte aus Neid, mit dem er dem Menschen seine Seligkeit missgönnte, durch die Schlange mit ihrer Schalkheit die Eva, 2 Kor. 11,3., dass sie vom göttlichen Gebot sich abwendete und von dem verbotenen Baum aß, auch ihren Mann gleiches zu tun vermochte. So sind sie beide in Sünden gefallen, 1 B. Mos. 3,1ff. Damit haben sie den göttlichen Bund über-treten, sich von Gott abgekehrt, sind von der Gerechtigkeit abgetreten und haben unter der Sünde Dienstbarkeit sich begeben, wie jetzt weiter soll dargetan werden.

 

172. Das Unglück, so auf die Sünde erfolgt, ist geistlich und leiblich. Das geistlich Unglück ist zweierlei, denn erstlich hat der Mensch das Gute, so ihm gegeben war, verloren, und dann ist ihm Böses, davon er befreiet war, widerfahren.

 

173. Das Gute, welches der Mensch verloren hat, ist erstlich das Ebenbild Gottes. Denn da hat Adam verloren

1) die Erkenntnis Gottes und seiner Geschöpfe. Darum hat er sie nicht erblich auf die Nachkommen bringen können, als die mit natürlicher Blindheit und Unwissen-heit geschlagen sind; Ephes. 4,18: „sie (die Heiden) wandeln in Eitelkeit ihres Sinnes, welcher Verstand verfinstert ist und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens“. Insonderheit bezeugt Sct. Paulus die verlorne Erkenntnis Gottes 1 Kor. 2,14: „der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes, es ist ihm eine Torheit und kann es nicht vernehmen“. Und 2 Corinth 3,5: „wir sind nicht tüchtig von uns selber, etwas zu denken als von uns selber“. Weil denn Adam seine Kinder nach seinem Ebenbilde gezeugt hat, 1 Mos 5,3., so folgt, weil die Kinder solchen natürlichen Unverstand in sich haben, dass er denselben gleichfalls an sich gehabt und auf sie geerbt habe. Wie der Kreaturen Wissenschaft verloren sei, bezeugt die Erfahrung einem jeden, denn was er davon zu wissen begehrt, dasselbe muss er mit großer Mühe und Beschwerung lernen, und befindet doch großen Mangel und Unvollkommenheit darinnen.

 

174. 2) die Heiligkeit und Gerechtigkeit. Denn wo Sünde ist, da kann weder Ge-rechtigkeit noch Heiligkeit bestehen.

 

175. 3) den freien Willen, das gute zu tun und das böse zu meiden. Denn wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht, Joh. 8,34. Wer aber der Sünde Knecht wird, der ist nicht frei, das gute zu tun und das böse zu meiden, sondern er ist gefan-gen in der Sünde Gesetz, Röm. 7,23.

 

176. 4) die Unsterblichkeit. Denn wie der Mensch sterblich worden sei, erweist die Erfahrung. Es hats ihnen auch Gott zuvor gesagt: welches Tages du von dem Baum der Erkenntnis gutes und böses issest, sollt du des Todes sterben (1 Mose 2,17). Und nachdem er die Sünde begangen, spricht ihm Gott dies Urteil: Du bist Erde, und sollt zu Erden werden (Kap. 3,19). Deswegen steht Röm. 5,12 ge-schrieben: „durch einen Menschen ist die Sünde kommen in die Welt und durch die Sünde der Tod“. Und ist also der Tod der Sünden Sold, Röm. 6,23.

 

177. die Beherrschung der leiblichen Geschöpfe. Dieselbe ist dermaßen ver-loschen, dass sich nicht nur vielerlei Ungehorsam, sondern auch eine solche Widerwärtigkeit der Tiere wider den Menschen findet, dass sie einesteils seinem Gebot nicht gehorchen, andernteils Feindschaft wider den Menschen tragen, der sich von ihnen alles bösen und Unglücks zu versehen hat.

 

178. Daraus folgt das andere Gute, welches der Mensch verloren, nämlich die Gnade Gottes. Denn wie Gott aus gerechtem Gericht alle Bosheit hasst, sowie er dem Adam, wo er würde seinen Willen übertreten, den Tod gedräuet hat, also ist derselbe durch die Sünde in Gottes Gericht, Zorn und ernste Strafe gefallen, und hat der großen Gnade, mit welcher ihm Gott zugetan war, sich gänzlich verlustig gemacht.

 

179. Das böse, so dem Menschen widerfahren, ist zum guten Teil aus dem ab-zunehmen, was jetzt von den verlornen Gütern ist gemeldet worden; denn es ist ihm nach dem Sündenfall geistlicher und leiblicher Schade gekommen.

 

180. Der geistliche Schade besteht darin, dass nach dem Bilde Gottes ein ab-scheuliches Bild des leidigen Satans erfolgte, das ist, eine solche Unwissenheit und Unverstand in göttlichen Dingen, dass, die fleischlich gesinnet sind, eine Feindschaft worden sind wider Gott. Anstatt der Heiligkeit ist des Menschen Herz mit Sünden dermaßen durchgiftet und überfüllt worden, dass alles sein Dichten und Trachten nur böse ist immerdar, 1 Mose 3,8. Anstatt des freundlichen Ge-sprächs, das Gott mit den Menschen gehalten, war von Gott anders nichts, denn sein grimmiger Zorn und erschrecklich Gericht zu gewarten, davor Adam sich versteckte, 1 Mose 3,8. Anstatt der Freudigkeit, so er zu Gott hatte, fühlte er ein böses verwundetes Gewissen, welches ihn von Gott schied, Jes. 59,2, und also ängstete, dass er vor Gottes Angesicht nicht erscheinen durfte. Endlich wurde er anstatt der großen ewigen Seligkeit der höllischen Verdammnis unterworfen.

 

181. Der leibliche Schade besteht hierin, dass der Mensch nach begangener Sünde aus dem Paradies gestoßen worden, 1 Mose 3,23, dass ihm auferlegt worden, das Erdreich mit saurer Mühe und Arbeit zu bauen, v. 19.23, dass anstatt des gesunden und von allerlei Krankheit befreiten Wohlstandes der Leib vielen unzähligen Krankheiten unterworfen worden ist, womit ihm nach Sirachs Rede geschehen Kap. 38,15: „wer vor seinem Schöpfer sündiget, der fällt dem Arzt in die Hände“. Endlich anstatt des Leibes Unsterblichkeit hat der Tod über den sündigen Adam geherrscht, davon droben gemeldet worden. Es ist also aus diesem genugsam kund, was unserer ersten Eltern, Adam und Eva, Sündenfall gewesen, und was daraus denselben für Unglück entstanden sei.

 

- Fortsetzung -