Das zweiundzwanzigste Kapitel.
(Von der Wiedergeburt.)
Die bekehrten Menschen gebiert Gott von neuem nicht durch wesentliche Veränderung ihrer Natur, sondern durch Ertötung der sündlichen Art und ihrer bösen Werke, auch durch Erweckung aller menschlichen Kräfte zu heiligen Werken und einem neuen Leben.
567. Die Wiedergeburt wird mit der natürlichen Geburt verglichen, dass, wie ein Mensch von Vater und Mutter zu diesem natürlichen Leben geboren wird, also wird er von Gott zum geistlichen Leben gleichsam von neuem und zum andern Mal geboren, darum diese Handlung nicht schlechthin eine Geburt, sondern eine Wiedergeburt genannt wird. Davon sind diese drei Punkte zu merken: 1) dass dieselbe nicht sei eine wesentliche Veränderung dessen, der wiedergeboren wird, 2) was die Wiedergeburt sei und worin sie eigentlich bestehe, 3) dass die Wiedergebornen von ihrem guten und glückseligen Stand wiederum zur Sünde fallen und in derselben verderben können.
568. Das erste: dass die Wiedergeburt nicht sei eine wesentliche Veränderung dessen, der wiedergeboren wird. Obwohl die natürliche Geburt dem Menschen sein Wesen gibt und von der Wiedergeburt gesagt wird, es entstehe dadurch ein neuer Mensch und eine neue Kreatur, so ist sie doch nicht eine neue wesentliche Verwandlung der Menschen, als hätte er nach der geistlichen Geburt nicht mehr einen irdischen Leib aus Adam, hingegen einen andern geistlichen Leib aus Christo. Denn
569. 1) wird von dem Wiedergebornen gemeldet, dass er verneuert werde. Wie aber ein neues Gebäude, so an die Stätte des alten und abgerissenen gesetzt wird, nicht heißt verneuert; aber wie das verneuert ist, dessen Wesen für sich bleibt, aber ausgebessert wird und ein anders und neues Ansehen gewinnt; also werden die Menschen in der Wiedergeburt verneuert nicht durch wesentliche Veränderung ihrer Substanz, sondern dass dieselbe zwar bleibt, aber vor Gottes Augen verbessert wird und eine neue und ihm wohlgefällige Gestalt empfäht.
570. 2) befindet sich in den wiedergebornen Menschen noch etwas, das vom alten Sündenstand übrig geblieben ist. Denn kein Mensch lebt so rein und heilig, der nicht hätte die Sünde ankleben, so lang er in diesem Leben ist. Niemand kann sagen: ich bin rein in meinem Herzen und lauter von Sünden, Sprüchw. 20,9. Sie sind allesamt wie die Unreinen und alle ihre Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid, Jes. 64,6. Wenn nun die Wiedergeburt das ganze Wesen des Menschen veränderte und himmlisch machte, so könnten ja diese bösen Lüste und andere Sünden in demselben himmlischen Wesen nicht gefunden werden.
571. 3) in den Wiedergebornen hat das Fleisch und der Geist stätig zu streiten; Gal. 5,17: „das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch, dieselben sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollet“. Wo ein Streit ist, da sind zwei Feinde. Weil denn im wiedergebornen Menschen ein Streit ist zwi-schen dem Geist Gottes und dem sündigen Fleisch, so folgt gewisslich, dass in dem wiedergebornen Menschen nicht allein der Geist Gottes oder das geistliche zu finden sei, sondern auch das sündhafte Fleisch.
572. 4) so zeugen die wiedergebornen Menschen nicht solche Kinder, die von Natur heilig sind, sondern die sowohl als anderer Leute Kinder in Sünden em-pfangen und geboren werden, deren Dichten und Trachten immerdar und von Jugend auf nur zum bösen geneigt ist. Wenn nun der Wiedergebornen ganzes Wesen also verändert würde, dass nichts irdisches, sondern alles lauter himmlisch wäre; wie könnte ihre reine und himmelische Natur irdische, unreine und sündhafte Kinder zeugen?
573. 5) wird dasjenige von den Wiedergebornen gesagt, das allein von denen kann ausgesprochen werden, die aus Adam Fleisch und Blut haben. Als: wenn der wiedergeborne David spricht: „ich bin aus sündlichem Samen gezeugt und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen“ (Ps. 51,7.), so muss er ja dasselbe Fleisch noch an sich haben, nach welchem er von seinen Eltern sündhaft ist geboren worden. Wenn der wiedergeborne Paulus von ihm selber schreibt, er habe die Gemeine Gottes verfolgt (Gal. 1,13.), so muss Paulus, welcher dieses schreibt, seinem Wesen nach eben derselbe noch sein, welcher er zuvor war, als er Gottes Gemeine verfolgte; darum ist Pauli Natur wesentlich nicht verwandelt.
574. Der andere Punkt ist: was die Wiedergeburt sei und worin sie eigentlich be-stehe? Deren Stück sind zwei:
eines, die Ertötung der sündlichen Natur, davon bei Betrachtung der Erneuerung Meldung geschehen ist. Solche Ertötung aber geschieht nicht, dass die leiblichen Gliedmaßen sollten natürlicher Weise ertötet werden, sondern, dass man sie gefangen nehme unter den Gehorsam Christi, 2 Kor. 10,5.; dass man die Sünde nicht herrschen lässt in den Gliedmaßen, sondern sie begiebet Gott zu Waffen der Gerechtigkeit, Röm. 6,12.13.; dass die, so Christo angehören, ihr Fleisch kreuzigen samt den Lüsten und Begierden, Gal. 5,24.; dass man der Sünde nicht ihren Willen lässt, sondern über sie herrscht, 1 Mose 4,7.; dass man sich enthalte der fleischlichen Lüste, welche wider die Seele streiten, 1 Petr. 2,11. Dadurch werden die menschlichen, zur Sünde geneigten Kräfte gehemmt, geschwächt, gebunden, ja gleichsam getötet, abgehauen und hinweggeworfen, wie der Herr Christus davon redet Matth. 5,29.30. Kap. 18,8.9. Denn es wird ihnen die bösen Werke zu vollbringen hiermit also verboten, als ob sie gänzlich wären getötet worden. In solchem Verstand schreibt St. Paulus von ihm selber, die Welt sei ihm gekreuziget und er der Welt, Gal. 6,14.; weil er der Welt böse Lust und vergäng-liche Herrlichkeit so wenig achtete, als ein Toter und Gekreuzigter. Dies ist das eine, so zu der Wiedergeburt gehört, dass nämlich geistlicher Weise ertötet werde, was uns als sündlich von unsern Eltern ist angeerbt worden.
575. Das ander Stück ist die Erweckung der Seele und aller ihrer Kräfte zu einer Gott wohlgefälligen Wirkung. Wer nichts tut noch verrichtet, ist einem Toten gleich. Weil denn wir Menschen von Natur untüchtig sind zu allem guten, so nennt uns darum der heilige Geist „Tote“, Eph. 2,1. Kol. 2,13: „da ihr tot waret durch Übertretung und Sünden“. Wenn nun Gott unsern Kräften das Vermögen gibt, geistliche und gute Werke zu vollbringen, so macht er uns lebendig, indem wir als die Lebendigen das gute verrichten.
576. Der Verstand wird lebendig, wenn er von seiner natürlichen Blindheit und Unwissenheit zu der Erkenntnis Gottes erneuert wird, Kol. 3,10.; wenn er an-fängt, alle geistlichen Dinge zu verstehen und zu richten, 1 Kor. 2,15.; wenn er Gott in seinem Wort erkennt und ihn gleichsam sieht, obwohl in dieser Zeit allein durch einen Spiegel und im dunkeln Wort, 1 Kor. 13,12.
577. Der Wille wird lebendig, wenn ihm Gott anstatt des steinernen ein fleischern Herz gibt, auf dass er nach seinen Rechten tue, Hesek. 11,19.20.; wenn Gott in ihm schafft ein rein Herz und gibt ihm einen neuen gewissen Geist, Ps. 51,12.; wenn das Gemüt erneuert wird, zu wandeln in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, Eph. 4,23.24.; wenn das Gemüt bekehrt wird, zu dienen dem leben-digen Gott und zu warten seines Sohnes vom Himmel, 1 Thess. 1,9.10.
578. Alle innern und äußern Kräfte werden lebendig, wenn wir unsere Leiber begeben zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, Röm. 12,1.; wenn wir in einem neuen Leben wandeln, Röm. 6,4.; wenn wir Ostern halten im Süßteig der Lauterkeit und Wahrheit, 1 Kor. 5,8.
579. In solchem geistlichen Leben ist der hl. Geist, gleichwie die Seele in dem natürlichen Leben, denn also werden wir geistlich wiedergeboren aus dem heil. Geist, Joh. 3,5. Wo die Seele sich geschäftig erzeigt, da ist das Leben; also, wo der Geist Gottes ist, da ist auch Leben und Seligkeit, als geschrieben steht Röm. 8,14: „die der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder“. Wenn nun das ganze Gemüte samt allen Kräften des Leibes und der Seele also verändert ist, dass, der zuvor zum guten tot war, jetzt zu demselben lebendig und darin geschäftig ist; dass, der zuvor zum bösen lebendig und darin geschäftig war, jetzt demselben abgestorben ist; so ist ein solcher, als ob er neu geboren und ein anderer Mensch worden wäre. Wie die Schrift vom Saul redet: „der Geist des Herrn wird über dich geraten, dass du mit den Propheten weissagest, da wirst du ein ander Mann werden“,1 Sam. 10,6. Nicht dass seine Substanz, sondern seine Gedan-ken, Leben und Vorhaben sollen geändert werden.
(Von der Wiedergebornen Beständigkeit.)
580. Der dritte Punkt handelt von der Beständigkeit und Verharren in der Wieder-geburt. In heiliger Schrift befinden sich stattliche Verheißungen, die Gott den Gläubigen gegeben hat, dass sie von ihm nicht sollen verworfen werden, als Ps. 37,24: „fället er (der Gerechte), so wird er nicht weggeworfen, denn der Herr erhält ihn bei der Hand“; Joh. 10,28: „ich gebe meinen Schafen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“. Solche Verheißungen, wie auch dergleichen andere, verursachen diesen Gedanken, als ob die, so einmal geistlich wiedergeboren sind, sich nicht wieder von der göttlichen Gnade abkehren, in Unglauben fallen und also ewig um-kommen möchten. Demnach hat solcher Punkt allhier nicht sollen vorüber ge-lassen werden. Und es ist davon also zu halten.
581. So viel Gott betrifft, tut er das seine, dass der Gerechte in seinem Glauben beständig verharre; denn er ruft, lehrt, vermahnt, warnt, bedräuet, damit ja das angefangene Werk nicht umgestoßen werde. Welches alles aus dem klar ist, was zuvor ausgeführt worden, dass nämlich an Gott keineswegs der Mangel sei, dass nicht alle Menschen selig werden.
582. Weil denn die Ursache, dass der Gläubige nicht beständig bleibt, allein an dem Menschen zu finden, so ist als gewiss zu achten: so lang der gerechte an Gott hält und sich von ihm nicht absondert, so lang mag er von seiner Gerechtig-keit nicht abgetrieben werden. Und davon reden die angezogenen Verheißungen: der Herr erhält den Gerechten bei der Hand; niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Denn so viel an Gott ist, wo nur sie von Gott nicht abfallen, kann sie keine Gewalt von ihm abreißen.
583. Weil aber Gott nicht ohne Mittel, sondern durch sein Wort die Gläubigen führt, so können sie zwar von ihrer Gerechtigkeit nicht abgedrungen werden, so lang sie sich an Gottes Wort halten; aber wo sie dasselbe verlassen, (wie sie wohl können), so fallen sie auch ab von der einmal erlangten Wiedergeburt. Gleichwie ein Vater sein Kind an einem unwegsamen Ort bei der Hand leitet, da dasselbe aus eigenem Vermögen nicht fortkommen kann, und er es tröstet: du kannst nicht fallen, denn ich halte dich bei der Hand; so ist das Kind, so lang es bei dem Vater fest hält, vor allem Fall gesichert. Wo es aber aus Mutwillen, Fürwitz, Vertrauen auf eigene Kräfte oder Zorn von des Vaters Hand abließe und sich von ihm risse, so würde es leichtlich fallen und doch des Vaters Vertröstung wahr bleiben, es könnte nicht fallen, weil er es bei der Hand führe. Wie nun dies Kind nicht fallen mag, so lang es sich den Vater führen lässt, aber doch einen gefährlichen Fall tun kann, nachdem es sich von des Vaters Hand losgerissen; gleichalso kann ein wiedergeborner Mensch von seinem seligen Zustand nicht abfallen, so lang er sich Gott mit seinem Wort, (das gleichsam Gottes Hand ist,) leiten lässt. Er kann aber fallen, sobald er sich von seinem Wort abreißt. Solches wird damit erwiesen:
584. 1) weil die Schrift ausdrücklich lehrt, dass etliche Wiedergeborne von ihrem Glauben abfallen, Luk. 8,13: „das auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an, eine Zeit lang glauben sie und zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab“.
585. 2) weil Gott die Seligkeit verheißt denen, so bis ans Ende verharren; Matth. 10,22: „wer bis an das Ende beharret, der wird selig“; Hebr. 3,14: „wir sind Christi teilhaftig worden, so wir anders das angefangene Wesen bis an das Ende fest behalten“. Wenn nun alle Gläubigen beharreten und nicht abfallen könnten, so hätte die Beständigkeit nicht mögen als eine nötige und doch an dem Menschen zweifelhafte Bedingung angezogen werden.
586. 3) weil wir vermahnt werden, fleißig zuzusehen, dass wir nicht abfallen; 1 Kor. 9,24: „laufet also, dass ihrs ergreifet“; Kap. 10,12: „wer sich lässet dünken, er stehe, mag wohl zusehen, dass er nicht falle“; Offenb. 2,10: „sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“; Kap. 3,11: „halt, was du hast, dass niemand deine Krone nehme“. Wie aber niemand vermahnen darf dasjenige zu behalten, das zu verlieren unmöglich ist, also folgt, es sei möglich, dass ein Wiedergeborner abfalle; denn er muss zu der Beständigkeit vermahnt werden.
587. 4) weil Gott sein Gericht offenbart über die, so von der Wiedergeburt abfallen; Hesek. 18,24: „wo sich der Gerechte kehret von seiner Gerechtigkeit und tut böses und lebet nach allen Greueln, die ein Gottloser tut, sollte der leben? Ja aller seiner Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünden, die er getan hat, soll er sterben“; Röm. 11,20.21: „du stehest durch den Glauben; sei nicht stolz, sondern fürchte dich. Hat Gott der natürlichen Zweige nicht verschonet, dass er vielleicht dein auch nicht verschone“; 2 Petr. 2,20.21: „so sie entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in dieselbigen geflochten und überwunden, ist mit ihnen das letzte ärger worden, denn das erste. Denn es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn dass sie ihn erkennen und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist“; Hebr. 6,4.ff.: „es ist unmöglich, dass die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlischen Gaben und teilhaftig worden sind des heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, wo sie abfallen und wiederum ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten, dass sie sollten wiederum erneuert werden zur Buße“. Diese ernsten Warnungen hatte Sct. Paulus in guter Acht, dass er von sich schreibt: „ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde“, 1 Kor. 9,27.
588. 5) weil ausdrückliche Exempel vorhanden sind derer, die von ihrer Wieder-geburt abgetreten sind. Also war Aaron wiedergeboren, fiel aber ab, da er das abgöttische Kalb aufrichtete, 2 Mose 32,4.5.21. David war wiedergeboren und fiel davon ab durch Ehebruch und Totschlag, an Uria und dessen Weib begangen, 2 Sam. 11,4.15. Kap. 12,7.9. Petrus war als ein Jünger Christi wiedergeboren und fiel davon ab durch Verleugnung seines Herrn, Matth. 26,69.ff. Hymeneus und Alexander haben Glauben und gut Gewissen von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten, die hatte Paulus in den Bann getan, 1 Tim. 1,19.20. Hymeneus und Philetus haben etlicher Glauben verkehrt, wenn sie lehrten, die Auferstehung sei schon geschehen, 2 Tim. 2,18. Was nun diesen widerfahren ist, das kann einem jeden Wiedergebornen auch begegnen.