Das zwanzigste Kapitel. 

(Von der Bekehrung zu Gott.) 

 

Gott bekehrt den bußfertigen Sünder, dass sein Verstand zur Erkenntnis Gottes und seines gnädigen Willens erleuchtet, der Wille und alle Kräfte von der Sünde zu Gottes Liebe, Gehorsam und Gerechtigkeit gewendet werden, und er, so viel möglich, nach göttlichem Wohlgefallen alle sein

Tun und Leben anstelle.

 

537. In des Menschen Bekehrung zu Gott ist Achtung zu geben, 1) auf die Be-kehrung selber, was sie sei, 2) auf Gott, der die Bekehrung wirkt, 3) auf den Menschen, welcher bekehrt wird, 4) auf die Frucht der Bekehrung.

 

538. Das erste: was die Bekehrung sei. Die Bekehrung wird beschrieben, dass sie geschehe, wenn den Menschen das göttliche Wort durchs Herz geht, Apost. Gesch. 2,37.; das Herz ihnen schlägt, 2 Sam. 24,10.; das Herz ihnen eröffnet wird, dass sie die Sünde erkennen und des Herrn Wort hören, Ap. Gesch. 16,14.; das steinerne Herz aus ihrem Leib genommen, hingegen ein neues und reines Herz, ein neuer gewisser Geist gegeben wird, dass sie Gottes Volk werden und in seinen Wegen wandeln, Hesek. 11,19. Kap. 36,26. Psalm 51,12.

 

539. Demnach besteht die Bekehrung darin, dass, wie ein Mensch von Natur Gott nicht kennt, sein Verstand verfinstert und er entfremdet ist von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihm ist, durch die Blindheit seines Herzens, Eph. 4,18.; wie er durch Widerwillen, Feindschaft, Ungehorsam und Widerspenstigkeit von Gott abgewendet ist; also wird er von Christo, als dem großen Licht der Welt (Joh. 1,9.) erleuchtet, Ephes. 5,14., dass er, da er zuvor war Finsternis, nun ein Licht ist in dem Herrn, v. 8.; er wandelt im Licht, Joh. 12,35.36.; er tut die Werke des Lichts, Joh. 3,21.; er legt ab die Werke der Finsternis und legt an die Waffen des Lichts, dass er ehrbarlich wandelt als am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den Herrn Jesum Christ, Röm. 13,12.13. Und wie er vor der Bekehrung von Gott abgewendet war, also wird er durch demüti-gen Gehorsam, Untertänigkeit, Zuversicht und Liebe zu Gott gewendet. Wie er zuvor trachtete nach dem irdischen, also trachtet er forthin nach dem himmli-schen. Wie er zuvor liebte böses zu tun, also hasst und flieht er nunmehr die Sünde, liebt aber dagegen die erkannte Wahrheit, freut sich darüber in Gott, hangt ihr an und folgt ihr so viel möglich nach.

 

540. Das andere: wenn man auf Gott sieht, der die Bekehrung wirkt, so befinden sich zwei Punkte:

erstlich: was Gott bei des Menschen Bekehrung tue, solches ist aus dem kund, dass Gott alles guten ein Anfänger ist, Jak. 1,17. Wir sind von uns selber un-tüchtig, auch etwas gutes zu denken, und dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 2 Kor. 3,5. So ist er in unserer Bekehrung der Anfang und das Ende und also die einige Ursach, wie die Schrift vielfältig bezeugt; Jer. 31,18: „bekehre du mich, so werde ich bekehret“; Joh. 6,44: „es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat“; v. 29: „das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubet, den er gesandt hat“; Phil. 2,12: „Gott ists, der in euch wirket beide das Wollen und das Tun nach seinem Wohlgefallen“; Ap. Gesch. 15,9: „Gott reiniget die Herzen durch den Glauben“; 2 Thess. 3,5: „der Herr richte eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu der Geduld Christi“. Also fängt Gott das gute Werk an und vollendet es, Phil. 1,6., er ist der Anfänger und Vollender unsers Glaubens, Hebr. 12,2. Und (wie beim ersten Punkt angezeigt ist) rührt Gott die Herzen, er öffnet sie, er nimmt hinweg das steinerne Herz und gibt ein fleischern Herz, er schafft ein rein Herz und gibt einen neuen Geist.

 

541. Zum andern: was Gott zu des Menschen Bekehrung bewege. Dass Gott die Menschen zu sich zeucht und bekehrt, ist ein Werk seiner Güte und Barmherzig-keit, wie denn auch das ganze Werk unserer Seligkeit allein von göttlicher Gnade herrührt. Wenn nun gefragt wird, was Gott bewege, dass er den Menschen zu sich bekehre, so ist zu antworten, dessen habe Gott keine höhere Ursach, denn allein seine Güte und Barmherzigkeit, wie denn dieselbe in dem ganzen Werk unserer Seligkeit der Anfang und das Ende wohl zu nennen ist. Und weil Gottes Gnade und der Menschen eigene Verdienste nicht mögen bei einander stehen, so wird geschlossen, dass Gott nicht ansehe im Menschen vor der Bekehrung einige Tugend, Würde, noch Verdienst, die ihn bewegte, in demselbigen Men-schen die Bekehrung zu wirken. Denn wie der Hirte das verirrte Schäflein zum Schafstall bringt, da es nichts um ihn verdient hatte, Luk. 15,4.5.; wie das Weib den verlornen Groschen wieder sucht ohne vorhergehendes Verdienst des-selben, v. 8.; wie der König zu seines Sohnes Hochzeit und der Hausvater zu seinem Abendmahl einladet die Fremdlinge, Krüppel, Lahme und Blinde, die auf den Straßen saßen und eine solche Guttätigkeit nicht verdient hatten, Matth. 22,9. Luk. 14,21.: also ruft, führt und kehrt Gott uns zu sich, dass wir seiner Güte und Gnade genießen, da wir doch unserm Herrn Gott nichts anders denn ewiges Verderben abverdienen können, nach des Apostels Ausspruch Ephes. 2,4: „Gott, der da reich ist von Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns ge-liebet hat, da wir tot waren in Sünden, hat er uns lebendig gemacht“.

 

542. Das dritte betrifft den Menschen, welcher bekehrt wird. Allhie sind drei Punkte zu merken 1) was sie bei ihrer Bekehrung zu tun vermögen, 2) was sie bei ihrer Bekehrung nicht vermögen. 3) was an ihnen erfordert werde, dass sie zur Bekehrung tüchtig seien.

1) was der Mensch bei seiner Bekehrung zu tun vermöge. Diejenigen Werke, so bei der Bekehrung vorlaufen, sind zweierlei. Etliche sind solche Handlungen, die vor der Bekehrung hergehen, und sind äußerlich; andere gehören wesentlich zur Bekehrung und sind innerlich.

 

543. Die äußerlichen Handlungen sind: das Wort Gottes hören; auch wohl das-selbe mit Fleiß und mit dem Vorsatz hören, dass man etwas daraus lernen, zum wenigsten, dass man vernehmen wolle, was dieses für eine Rede und Lehre sei. Solches beides ist mit Schriftzeugnissen und Exempeln zu erweisen.

Mit Zeugnissen, als: wenn St. Paulus von verführischen Lehrern schreibt: „sie lernen immerdar und können nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“, 2 Tim. 3,7.; von den Israeliten Röm. 9,31: „Israel hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgestanden und hat das Gesetz der Gerechtigkeit nicht überkommen, denn sie haben sich gestoßen an den Stein des Anstoßens“. Von den Juden in der babylonischen Gefängnis spricht Gott Amos 8,11.12: „siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn zu hören, dass sie hin und her von einem Meer zum andern, von Mitternacht gegen Morgen laufen und des Herrn Wort suchen und doch nicht finden werden“.

 

544. Exempel sind zu sehen am Herodes, der Johannem den Täufer gern hörte und ihm in vielen Sachen gehorchte, Mark. 6,20.; an Sergius dem römischen Landvogt, der Paulum und Barnabam zu sich berief und begehrte das Wort Gottes zu hören, Apost. Gesch. 13,7. Gleicher Maßen geschieht noch heut zu Tag, dass viele Leute das Wort hören und lesen mit dem Vorsatz, etwas daraus zu lernen und zu vernehmen, was darin gelehrt werde, denen aber das gehörte Wort wird ein Geruch des Todes zum Tod, 2 Kor. 2,16., weil der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangelii, 2 Kor. 4,4.

 

545. 2) was der Mensch bei seiner Bekehrung nicht vermöge. Dies weiset uns auf die innerlichen und zur Bekehrung wesentlich gehörende Handlungen, als da sind, den Verstand erleuchten, das Herz vom bösen abkehren und zum guten wenden, dass es Gott und Gottseligkeit liebe, den Sünden feind werde und ab-sage. Hier vermag kein Mensch weder den Anfang zu machen, noch auch diese hohen Werke zu vollführen. Denn

 

546. a. wir können viel geringere Dinge nicht einmal tun. Niemand vermag ein einiges Haar weiß oder schwarz zu machen, Matth. 5,36.; keiner kann sein Herz, Gehirn, Leber, Lungen etc. ändern, so sie mangelhaft und gebrechlich sind; und wer ist, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorgt? Matth. 6,27. Wer nun dieses geringe nicht vermag, wie will derselbe seine Seele, seinen Willen und Verstand ändern und sie abwenden von dem, das ihnen natür-lich und angeboren ist?

 

547. b. es benimmt die hl. Schrift den Menschen alle Verrichtung guter geistlicher Werke, insonderheit die zur Bekehrung und Seligkeit dienen, indem sie bezeugt,

dass wir nichts gutes können tun; Joh. 15,5. spricht der Herr Christus: „ohne mich könnet ihr nichts tun“. So vermag ja ein fauler Baum nicht gute Früchte zu brin-gen“ Matth. 7,18. Wir sind aber von Natur alle miteinander faule Bäume, denn unser Dichten und Trachten ist böse immerdar und von Jugend auf, 1 Mose 6,5. Kap. 8,21.

dass wir nichts gutes können reden; Matth. 12,34: „wir könnt ihr gutes reden, dieweil ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über“; 1 Corinth 12,3: „niemand kann Jesum einen Herrn heißen, ohne durch den heil. Geist“.

dass wir nichts guts können gedenken; 2 Kor. 3,5: „wir sind nicht tüchtig von uns selber, etwas zu denken, als von uns selber“. Daraus wird geschlossen: wer aus eigenen Kräften nicht kann gutes tun, gutes reden noch gedenken, der vermag auch bei seiner Bekehrung durchaus nichts zu verrichten, als welches gute Ge-danken und gute Werke sein müssten.

 

548. 3) was an dem Menschen erfordert werde, dass er zur Bekehrung tüchtig sei. Dass etliche Menschen zur Bekehrung nicht kommen, dessen sind sie selber Schuld. Denn wie ein frommer fleißiger Präzeptor und Lehrmeister alle seine Schüler von der Unwissenheit zur Geschicklichkeit, von Lastern zur Tugend gern bekehrte, darum ers an keinem dazu dienlichen Mittel mangeln und fehlen lässt, so werden sie gleichwohl nicht alle gelehrt. Nicht als wäre der Lehrmeister Schuld daran, sondern dass die Schüler den Präzeptor nicht wollen hören, seine Vermahnungen auslachen und sich verständiger achten als ihn, andern bösen Buben folgen, durch ihre Exempel sich verderben lassen, oder durch dergleichen Ursachen des Präzeptors guter Lehre nicht folgen und also in Unwissenheit und Lastern stecken bleiben. Gleich also tut Gott das seine, damit er allen Menschen helfe und er an keines Menschen Untergang nicht in der geringsten Schuld er-funden werde, dass er vielmehr zu allen Menschen sagen könne, was er zu den Juden gesprochen: „nun richtet ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Juda zwischen mir und meinem Weinberge. Was sollt man doch mehr tun an meinem Weinberge, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn Herlinge ge-bracht, da ich wartet, dass er Trauben brächte?“ Jes. 5,3.4.

 

549. Dass nun der Mensch zur Bekehrung tüchtig werde, ist nicht von nöten,

a. dass er ihm vornehme, Gottes Wort zu dem Ende zu hören, damit er dadurch bekehrt werde; denn das Wort ist ihm noch eine Torheit und er kann nicht ver-nehmen, wie ihm dieselbe Predigt zu Gott helfen solle, 1 Kor. 2,14. Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott, Röm. 8,7. Und wenn der Mensch einen solchen Vorsatz haben könnte, so vermöchte er auch von sich selber etwas gutes zu denken, welches ihm doch unmöglich, 2 Kor. 3,5. Er hätte von ihm selber das Wollen zum guten, das doch allein Gott wirkt, Phil. 2,13.

 

550. b. vielweniger ist nötig, dass ein Mensch sich zu göttlicher Wirkung selber bequeme. Denn solches ist aus angezeigten Ursachen allen Menschen unmög-lich und also würde kein einiger bekehrt werden. Zudem geschieht die Bekehrung also, wie ein Fisch mit dem Hamen gefangen und aus dem Wasser gezogen wird, dazu er sich selber nicht bequemen darf, Matth. 4,19. Kap. 13,47.48. Auch haben dergleichen nicht getan der Schächer, so mit dem Herrn Christo ge-kreuzigt ward, Luk. 23,42.; nicht der Hauptmann, welcher bei des Herrn Christi Kreuz stund, Matth. 27,54.; nicht der Kerkermeister, so Paulum und Silam ver-wahren musste, Ap. Gesch. 16,29.ff. Derhalben ist von den Leuten vor ihrer Bekehrung dergleichen nichts zu fordern.

 

551. Aber dies einige wird vom Menschen erfordert, dass, wenn er das Wort hört, er der göttlichen Wirkung keine mutwilligen Hindernisse stelle. Zwar von Natur sind wir alle der göttlichen Wirkung zuwider, denn es ist uns allen das Wort eine Torheit, 1 Kor. 2,14. Aber diese natürliche Widerspenstigkeit mag niemanden hindern, weil sonst kein einiger bekehrt würde. Mutwillige Hindernisse aber, die ein jeder selber der göttlichen Wirkung entgegen stellt, sind teils äußerliche, welche die notwendige Vorbereitung verhindern; als: dass einer in Sicherheit dahin geht, bekümmert sich um seine Nahrung, lebt in Wollüsten und achtet des göttlichen Wortes nicht. Der kann zur Bekehrung nicht kommen, denn er erstickt das göttliche Wort, dass es nicht Früchte bringt, Luk. 8,14. Kap. 14,18.ff. Dazu gehört auch die große Nachlässigkeit, dass die Leute, da sie des Herrn Wort nicht haben, aber von weitem etwas davon hören, dennoch nicht darnach trach-ten, wie sie es überkommen möchten, ob sie schon zeitliche Güter zu erlangen keine Mühe, Sorge und Gefahr sparen. Teils sind es innerliche Hindernisse, so die zur Bekehrung eigentlich und wesentlich gehörigen Werke verhindern, als da sind:

 

552. a. Atheismus, Gottlosigkeit, wenn der Gottlose in seinem Herzen sagt: es ist kein Gott, Ps. 14,1. Denn wer also in dem gottlosen Leben ersoffen ist, dass er auf Gott nicht achtet, der hat sich in des Teufels Strick ergeben, von dem er sehr hart gebunden ist, dass er schwerlich kann zur Buße gebracht werden, 2 Tim. 2,26.

 

553. b. eine alte eingewurzelte Meinung, von der man sich nicht will abtreiben lassen, wie die Juden ihre Gedanken auf einen Messias gesetzt haben, der ein weltlicher Potentat sein solle; und weil sie sich davon nicht abtreiben lassen, so können sie auch zu dem Jesu von Nazareth, dessen Reich nicht ist von dieser Welt, keineswegs gebracht werden.

 

554. c. das äußerliche Ansehen vornehmer und hoher Leute, nach denen man sich richtet. Hiemit hielten die Pharisäer ihre Diener zurück, dass sie dem Herrn Jesu nicht anhängig würden, Joh. 7,47: „da antworteten ihnen die Pharisäer: seid ihr auch verführet? glaubet auch irgend ein Oberster oder Pharisäer an ihn? sondern das Volk, das nichts vom Gesetz weiß“. Und dies verhindert viele im Papsttum, dass, ob sie schon das Licht der Wahrheit sehen, gleichwohl sich dazu nicht bekennen, weil der Papst, Kardinäle, Bischöfe, auch Könige und große Potentaten, so alle zusammenstehen, vor der Welt in großem Ansehen sind, da sich hingegen bei der lutherischen Kirche dergleichen Hoheit und Ansehen nicht befindet.

 

555. d. die allzugroße Liebe der zeitlichen Nahrung, Wollust und hohes Ansehen in der Welt. Die verhinderte den reichen Mann, dass er nicht bekehrt wurde, Luk. 16,19. Sie hinderte den reichen Jüngling, welchen der Herr Jesus alles hieß ver-kaufen und den Armen geben; denn er ging betrübt davon, weil er viel Güter hatte, Matth. 19,21.22. Dies verursachte, dass Demas Christum verließ, weil er die Welt hatte lieb gewonnen, 2 Tim. 4,10. Und wie viel sind heutiges Tages im Papsttum, welche ihre Hoheit und Ansehen, ihre fetten Pfründen und Küchen von der evangelischen Lehre abhalten, dass sie sich von der erkannten Verführung nicht abwenden.

 

556. e. die Klügelung unserer eigenen Vernunft. Wollen wir Christo folgen, so müssen wir die Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangen nehmen, 2 Kor. 10,5. Wer sie aber klügeln lässt, der kann nicht bekehrt werden, bis er davon abstehe; wie Thomas die Predigt von der Auferstehung Christi von sich stieß und so lang im Unglauben blieb, bis die Vernunft in Christi Gehorsam gefangen ge-legt wurde, Joh. 20,25.27.28.

 

557. f. das Ausschlagen der göttlichen Wirkung; wenn der heil. Geist anfängt im Menschen zu wirken, dass er ihm das Herz gerührt hat, und er entschlägt sich der guten Gedanken, will davon weiter nichts hören noch wissen, stößt also die Wahrheit von sich, die er zu erkennen hat angefangen, so folgt die Bekehrung nicht. Dessen ist ein Exempel zu sehen an dem König Agrippa; als der Paulum gehört hatte, bekannte er ihm: es fehlet nicht viel, du überredest mich, dass ich ein Christ würde. Als aber Paulus weiter an ihn setzte, ob er möchte bekehrt werden, stund Agrippa auf, ging davon und dämpfte also das Fünklein, welches der heil. Geist in seinem Herzen angezündet hatte. Apost. Gesch. 26,28.ff.

 

558. g. Die mutwillige Verleugnung und Verfolgung der erkannten Wahrheit. Wenn es mit dem Menschen so weit gebracht ist, dass er in seinem Herzen überzeugt ist, dies, was er gehört, sei die himmlische, ewige Wahrheit; gleich-wohl will er um obgemeldter Verhinderung willen sich nicht gern dazu bekennen, widerspricht also und verfolgt die Lehre, welche er als göttlich erkannt hatte; an demselben ist fast alle Hoffnung der Bekehrung verloren. Solche Leute waren die Pharisäer, welche sahen und bekannten, der Herr Jesus wäre ein Lehrer von Gott kommen, er lehre den Weg Gottes recht, so könnte niemand die Zeichen tun, die er tat, es wäre denn Gott mit ihm, Joh. 3,2. Matth. 22,16. Gleichwohl verfolgten sie ihn feindlich, lästerten ihn, sein Wort und Werke, hörten auch nicht auf, bis sie ihn an das Kreuz gebracht hatten. Damit verstockten sie ihre Herzen und lästerten den heil. Geist, welches der Herr Christus ihnen vorhält Matth. 12,31.32. Und Stephanus führte ihnen zu Gemüt Ap. Gesch. 7,51: „ihr Hals-starrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem heil. Geist, wie eure Väter, also auch ihr“.

Was nun bisher gemeldet worden, muss ein Mensch von sich stellen, dass er sich hingebend halte und allein leide, dass ihn Gottes Geist lehre und unterrichte. Wenn er überzeugt wird und sich nicht lässt etwas in der ganzen Welt davon abhalten, sondern folgt dem heil. Geist, wohin er ihn zeucht, so ist er zur Be-kehrung geschickt genug.

 

559. Dieser Bericht mag die Frage zur Genüge erklären, wie es komme, dass nur etliche bekehrt werden. Denn ob der Mensch nichts tun kann, was ihn zur Be-kehrung fördert, so kann er doch viel tun, das ihn daran hindert. Keineswegs mag er verschaffen, dass er bekehrt werde, aber gar wohl mag er hindern, dass er nicht bekehrt werde. Als wie ein Kranker ihm selber zur Gesundheit nicht helfen kann, aber leichtlich kann er verhindern, dass er nicht zur Gesundheit komme, wenn er den Arzt von sich stößt, seinem Rat nicht folgt, die Arznei wegwirft, hingegen dasjenige tut und vornimmt, das die Krankheit stärkt. Und wie einer, der in eine tiefe Grube gefallen ist, wenn ihm ein Seil hinunter gelassen wird, daran man ihn wiederum herauf ziehen will, er weigert sich aber, dies Mittel zu ge-brauchen und stößt das Seil von sich, der kann leichtlich und wohl verhindern, dass er aus der Grube nicht kommt, wiewohl er ihm selbst nicht zum wenigsten heraus helfen kann. Wie nun an einem Kranken, da er soll genesen, genug ist, dass er sich des Arztes Verordnung unterwerfe und derselben nicht widerstrebe; und wie es dem, so in der Grube steckt, genug ist, dass er sich heraufziehen lasse, da doch ihr keiner etwas bei der Sache tut und sich allein hingebend verhält; gleich also ists einem Menschen genug, dass er dem heiligen Geist nicht widerstrebe und denselben in ihm wirken lasse; so wird er bekehrt werden, ob er schon zu seiner Bekehrung nicht das geringste tun kann.

 

560. Fürs vierte: die Früchte der Bekehrung. Solche sind teils eben diejenigen, davon zuvor angezeigt ist, dass sie aus der Buße und Rechtfertigung folgen, als Gottes Gnade und Barmherzigkeit, Friede des Gewissens, Besserung des Lebens, neuer Gehorsam und gute Werke. Denn ein Bekehrter liebt Gott, darum liebt er auch den Nächsten und begehrt Gott zu erweisen schuldigen Gehorsam und mögliche Dienste; dem Nächsten aber alles das, was er selber wünscht, das ihm geschehen möchte, Matth. 7,12.

 

561. Andernteils ist der Bekehrung Frucht die Freiheit des Willens, dass der Mensch, wie er vor seiner Bekehrung nicht frei war, das Gute zu tun, also nach der Bekehrung durch den heil. Geist vermag das Gute zu verrichten. Von dieser Freiheit wird gelehrt: Röm. 6,12.13: „lasset die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten, sondern begebet euch selbst Gott, als die aus den Toten lebendig sind, und eure Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit“; Ephes. 2,10: „wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken“; Röm. 8,13.14: „wo ihr durch den Glauben des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben; denn welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder“.

 

562. Weil aber in dieser Zeit alles unvollkommen ist, so ist diese Freiheit des bekehrten Menschen auch unvollkommen und nicht ohne Streit, dadurch manches Gute verhindert und das Böse befördert wird, wie der Apostel heftig darüber klagt, Röm. 7,14.ff. Gal. 5,17.

 

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