Leonhard Hutter (1563-1616):

Inbegriff der Glaubens-Artikel (Compendium locorum theologicorum)


Siebenter Artikel. Von der Vorsehung Gottes.

 

* 1. Gibt es denn eine Sorgfalt und Vorsehung Gottes für die geschaffenen Dinge?

 

Dass es eine göttliche Vorsehung gebe, und dass Gott Sorge trage für die Kreaturen, geht hervor 1) aus der heil. Schrift: Jerem. 10,23. „Ich weiß, Herr, dass des Menschen Tun stehet nicht in seiner Gewalt, und stehet in Niemandes Macht, wie er wandele oder seinen Gang richte.“ Weish. Sal. 14,3. „Deine Vorsichtigkeit, o Vater, regieret Alles.“ Joh. 5,17. „Mein Vater wirket bisher, und Ich wirke auch.“ Apost. Gesch. 17,25. „Er selbst gibt Jedermann Leben und Odem allenthalben.“ Hebr. 1,3. „Gott trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort.“ 2) geht dies hervor aus der wunderbaren Erhaltung der geschaffenen Dinge: besonders aber der Kirche und der Frommen, (S. 41) gegen das Wüten des Teufels und der Welt. S. Melanchth. in den Artikeln.

 

+ 2. Was ist die Vorsehung Gottes?

 

Die Vorsehung ist eine solche Handlung Gottes, nach welcher Gott nicht nur schlechthin alles, sowohl das Gute, als das Böse, was geschieht und getan wird, weiß: sondern auch, mit welcher er alle Dinge, die er geschaffen hat, trägt und erhält, besonders aber für das Heil derer sorgt, die selig werden: die guten Taten der Menschen befiehlt, unterstützt, befördert, die bösen verhütet und verabscheut: und sie entweder verhindert, oder so zulässt, dass er sie, im Bezug auf ihr Ende, auch wider des Teufels und der Gottlosen Willen, zu seiner Verherrlichung und der Auserwählten Heil lenket. D. Hunnius. Art. von der Vorsehung.

 

* 3. Warum sagst du, dass die Vorsehung nicht eine bloße Kenntnis sei?

 

Darum, dass der Unterschied zwischen der Vorsehung und dem Vorherwissen bezeichnet werde. Denn das Vorherwissen weiß nur die Dinge, sowohl die guten, als die bösen, schlechthin voraus, ohne die Ursache der vorausgewussten Dinge zu bezeichnen. Aber die Vorsehung umfasst außer der Kenntnis der Dinge auch die wirksame Sorge, Einrichtung und Anordnung derselben.

 

* 4. Gibt es denn gewisse Grade der göttlichen Vorsehung?

 

Es werden vorzüglich drei Grade bestimmt. Der erste von ihnen heißt die allgemeine Vorsehung, welche im Allgemeinen an derjenigen Erhaltung der Dinge wahrgenommen wird, in welcher Gott die Ordnung oder Wirkungsweise der Natur unversehrt bewahrt und erhält, als z.B. die regelmäßige Ordnung in den Bewegungen der Himmelskörper, den Wechsel der Zeiten, die fortwährende Dauer der Flüsse, die Fruchtbarkeit der Erde, der Tiers, und dergl. Anderes. Der zweite Grad wird die besondere genannt, nach welcher alle Kreaturen Gott, wenn er befiehlt und will, gehorchen und seine Gebote vollziehen. Der dritte Grad heißt die ganz besondere Vorsehung, welche sich nur auf die Auserwählten bezieht, und zu dem Artikel von der Prädestination gehört. D. Hunnius.

 

+ 5. In welchen Rücksichten trifft Gott mit seiner Vorsehung mit den Handlungen aller Menschen zusammen?

 

In dreien vorzüglich. Denn erstens trägt Gott die tätige Natur, welche ohne diese Unterstützung Gottes nicht nur nichts (S. 42) tun, sondern nicht einmal einen Augenblick bestehen könnte: „in Ihm leben, weben, und sind wir.“ Ap. Gesch. 17,28. Dann teilt er den Trieb mit, oder die Kraft, etwas zu tun; also die Grundlagen und Werkzeuge der Handlungen, den Verstand, den Willen, und die übrigen Geistesvermögen, und die Glieder des Leibes. Endlich ist Gott auch zugleich tätig in Rücksicht der Endzwecke, was nämlich alle Handlungen der Menschen betrifft, welche er zu gewissen bestimmten und zwar guten, nützlichen und heilsamen Endzwecken richtet.

 

* 6. Aber scheint denn Gott nicht die Ursache der Sünde zu sein, wenn er den sündhaften Handlungen das Ziel gibt?

 

Ganz und gar nicht; denn erstens enthält das keinen Widerspruch in sich: dass die Substanz von Gott geschaffen sei und getragen werde: und dass doch der verderbte Wille des Teufels und des Menschen die Ursache der Sünde sei. Dann ist ein sehr großer Unterschied zwischen dem Trieb selbst und der anhaftenden Sünde. Denn dass der Mensch seine Hand ausstrecken und mit derselben etwas ergreifen kann, davon ist die nächste Ursache gewiss die Seele des Menschen selbst: die entferntere aber und erste ist Gott selbst, welcher die Seele zu dergleichen Handlungen, welche durch leibliche Werkzeuge bewirkt werden müssen, geschickt gemacht und eingerichtet hat. Wenn aber der Dieb seine Hand ausstreckt nach einer unerlaubten Sache, so ist diese Unordnung, welche zum Trieb hinzutritt, gewiss nicht Gott, sondern dem verkehrten Willen des Diebes zuzuschreiben. Melanchth. in den Artikeln. v. Hunnius.

 

* 7. Aber in der heil. Schrift steht oft, dass Gott verhärte, blind mache, in einen verstockten Sinn dahin gebe: also scheint Gott doch auf irgend eine Weise die Ursache der Sünde zu sein?

 

Durchaus nicht: denn in diesen und ähnlichen Sprüchen wird Gott nicht als Urheber und Ursache der Sünde eingeführt, sondern nur als gerechter Richter, welcher die vorhergehende unbesiegbare Hartnäckigkeit der Menschen so straft, dass er seine Gnade und den heiligen Geist einem solchen Menschen nimmt und ihn der Gewalt des Teufels und seinem eignen Gutdünken überlässt. Und in dieser Hinsicht ist der Wille Gottes zwar zugleich tätig, aber nicht zur Sünde: sondern in Rücksicht des Endes, zu welchem die Sünde von Gott bestimmt ist, wie aus der Geschichte des Königs Pharao von Ägypten deutlich erhellt. (S. 43)

 

* 8. Wenn in der heiligen Schrift gesagt wird, dass nicht nur Gott, sondern auch der Teufel, ja auch der Mensch sich selbst verhärte und blind mache, so möchte ich wissen, wie dies verstanden werden müsse?

 

In ganz verschiedener Hinsicht wird von Gott, vom Teufel und vom Menschen der Verhärtungs-Act ausgesagt. Denn Gott verhärtet nicht dadurch, dass er Bosheit mittheilt, sondern teils dadurch, dass er die Gnade und Barmherzigkeit nicht mittheilt: teils, dass er den Menschen sowohl der Gewalt des Satans, als seinem eignen Gutdünken überlässt: und dies aus völlig gerechtem Gericht, welches die vorhergegangene unüberwindliche Hartnäckigkeit des Menschen auf diese Weise straft. 2 Thessal. 2, 9-11. „Deß, welches Zukunft geschieht nach der Wirkung des Satans, mit allerlei lügenhaften Kräften, und Zeichen, und Wundern, und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden; dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, dass sie selig würden. Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge.“

 

* 9. Wie wird vom Teufel gesagt, dass er verhärte?

 

Der Teufel verhärtet, und macht blind dadurch, dass er antreibt, überredet und Gelegenheit zur Sünde darbietet. 1 Chron. 22,1. „Und der Satan stand wider Israel, und gab David ein, dass er Israel zählen ließ.“

 

* 10. Wie wird vom Menschen gesagt, dass er sich selbst verhärte?

 

Der Mensch verhärtet und macht sich selbst blind, indem er seinen Lüsten, und den Einflüsterungen des Satans gern und begierig folgt, und sich durch eigenen Willen von Gott abwendet. Und so flüstert der Teufel ein: der Mensch stimmt zu: Gott verlässt. — (S. 44)

 

- FORTSETZUNG -