Leonhard Hutter (1563-1616):

Inbegriff der Glaubens-Artikel (Compendium locorum theologicorum)


Achtundzwanzigster Artikel. Von der Ehe und der Priesterehe.

 

1. Was ist die Ehe?

 

Die Ehe ist die gesetzmäßige und unauflösliche Verbindung eines Mannes, und eines Weibes, von Gott selbst eingesetzt zur Gemeinschaft des ganzen Lebens und Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts.

 

2. Wer ist der Urheber der Ehe?

 

Gott selbst; 1 Mos. 2,18: „Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“

 

+ 3. Warum erklärst du die Ehe durch die Verbindung eines Mannes und eines Weibes?

 

Damit dadurch ausgeschlossen werde, dass ein Mann zwei, oder mehre Weiber auf einmal haben könne: weil, der im Anfang den Mann und das Weib gemacht hat, sprach: Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, und werden die zwei Ein Fleisch sein.

 

+ 4. Warum nennst du die Ehe eine gesetzmäßige Verbindung?

 

Weil die Personen, welche sich durch die Ehe verbinden können, durch gewisse Grade unterschieden sind, so dass im verbotenen Grad nicht erlaubt ist, die Ehe zu schließen, wie man sehen kann 3 Mos. 18 und 20.

 

+ 5. Darf man sich verheiraten?

 

„Alle die, so zum ledigen Stande nicht geschickt sind, haben Macht, Fug und Recht, sich zu verehelichen. Denn die Gelübde vermögen nicht Gottes Ordnung und Gebot aufzuheben. Nun lautet Gottes Gebot also 1 Kor. 7,2: Um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eignen Mann. Dazu dringet, zwinget und treibet nicht allein Gottes Gebot, sondern auch Gottes Geschöpf und Ordnung alle die zum Ehestand, die ohne sonder Gottes-Werk mit der Gabe der Jungfrauschaft nicht begnadet sind, laut dieses Spruchs Gottes selbst, 1 Mos. 2,18: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, wir wollen ihm einen Gehil- (S. 166) fen machen, der um ihn sei.“ Augsb. Conf. Art. 27. S. 76.

 

+ 6. Ist denn die Ehe aber ihrer Natur nach nicht unrein?

 

Gewiss nicht; denn sie ist Gottes Ordnung. Und ob sie gleich öfter unrein wird durch das Hinzutretende, nämlich durch die Unreinigkeit der gottlosen Menschen selbst: so ist sie doch bei den Gläubigen rein, weil sie durch das Wort Gottes geheiligt ist. Und Christus selbst nennt die Ehe eine göttliche Verbindung, wenn er spricht: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Matth. 19,6. Und Paulus sagt von der Ehe, den Speisen und ähnlichen Dingen: „es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“ 1 Timoth. 4,5. Und 1 Kor. 7,14: „Der ungläubige Mann ist geheiligt durch das (gläubige) Weib.“ Und Tit. 1,15: „Dem Reinen ist alles rein,“ das ist denen, die an Christum glauben und durch den Glauben gerecht sind. Wie daher die Jungfrauschaft bei den Ungläubigen unrein, so ist bei den Gläubigen die Ehe rein, wegen des Wortes Gottes und des Glaubens.

 

* 7. Sonach würde also auch den Priestern erlaubt sein, sich zu verheiraten?

 

Ganz gewiss; denn auf sie eben so gut, wie auf andere, bezieht sich das Wort des Apostels 1 Kor. 7,2: „Die Unzucht zu vermeiden, Hab' ein jeglicher sein eigen Eheweib. Item V. 9: es ist besser, ehelich werden, denn brennen. Und nachdem Christus sagt: Sie fassen nicht alle das Wort (Matth. 19,11); da zeigt Christus an (welcher wohl gewusst hat, was am Menschen sei), dass wenig Leute die Gabe, keusch zu leben, haben, denn Gott hat den Menschen Männlein und Fräulein geschaffen. 1 Mos. 1,28.“ Augsb. Conf. Art. 23. S. 58.

 

* 8. Kannst du mit andern Gründen deine Behauptung beweisen?

 

Ja; denn das päpstliche Gesetz von der Ehelosigkeit der Priester widerstreitet dem göttlichen und natürlichen Recht: dem göttlichen deshalb, weil Moses im 1.Buch 1,28 lehret, dass Mann und Weib also von Gott geschaffen sein, dass sie sollen fruchtbar sein, Kinder zeugen etc., das Weib geneigt sein zum Manne, der Mann zum Weibe; dem natürlichen Rechte aber, weil diese Ordnung und Erschaffung des Menschen natürlich Recht und Gesetz ist. Weshalb die Rechtsgelehrten richtig gesagt haben, dass des Mannes und Wei- (S. 167) bes bei einander sein, und zusammen gehören, ist natürlich Recht. So aber das natürliche Recht niemand verändern kann, so muss je einem jeden die Ehe frei sein. Denn wo Gott die Natur nicht verändert, da muss auch die Art bleiben, die Gott der Natur eingepflanzt hat, und sie kann mit Menschengesetz nicht verändert werden. Apol. Art. 11. S. 401-403.

 

* 9. Hast du noch einen andern Beweisgrund?

 

Den, welchen Paulus angibt: Zu vermeiden die Hurerei habe ein jeglicher sein eigen Eheweib. 1 Kor. 7,2. Das ist ein gemein Befehl und Gebot, und gehet alle diejenigen an, die nicht vermögen, ohne Ehe zu bleiben, und verpflichtet mithin alle, welche die Gabe der Enthaltsamkeit nicht haben. Apol. a. a. O. S. 404.

 

* 10. Aber könnten die Priester sich diese Gabe nicht vielleicht erwerben?

 

Die Katholischen zwar sagen: Man soll Gott um Keuschheit bitten und anrufen, man soll den Leib mit Fasten und Arbeit kasteien. Aber sie meinen diese Sache nicht mit Ernst, sie spielen und scherzen ihres Gefallens. Wenn Jungfrauschaft einem jeden möglich wäre, so dürft's keiner sondern Gottesgabe. Nun sagt der Herr Christus Matth. 19,11., es sei eine besondere hohe Gottesgabe, und nicht jedermann fasse das Wort. Die andern nur will Gott, dass sie sollen brauchen des Ehestandes, den Gott hat eingesetzt. Denn Gott will nicht, dass man sein Geschöpf und Ordnung verachten soll. – Und Gerson zeigt an, dass viel frommer großer Leute gewesen sein, die durch Leibeskasteien haben wollen Keuschheit halten, und haben dennoch nichts geschafft. Ebend. S. 405 ff.

 

* 11. Lobt denn aber nicht Christus selbst die, welche sich wegen des Himmelreichs verschneiden?

 

Er lobt sie zwar, fügt aber zugleich hinzu: nicht alle fassen dies Wort. Matth. 19,12. Das ist, nicht alle haben die Gabe der Keuschheit. Und sogleich setzt er hinzu: Wer es fassen kann, der fasse es, womit er nicht undeutlich andeutet, dass ihm eine rechte Ehe mehr gefalle, als eine unreine Keuschheit, wie die der Priester im Papsttum meistens ist. Ebend.

 

* 12. Hast du vielleicht noch andere Gründe, mit denen du das päpstliche Gesetz von der Ehelosigkeit der Priester umstoßen kannst?

 

Folgende habe ich noch: 1) Dies Gesetz ist abergläubisch, indem es vorgibt, dass die Ehelosigkeit die Gerechtigkeit und Seligkeit mehr verdiene, als die Ehe. Ebend. S. 410 ff. (S. 168) 2) Ist es mit Seelengefahr und öffentlichem Ärgernis verbunden, indem es unzählige Laster und schändliche Lüste gebiert. Ebend. 3) Ist es ganz heuchlerisch. Denn dies Gesetz ist von den Katholischen gegeben, nicht der Religion, sondern der Herrschaft halber, welcher auf gottlose Weise die Religion zum Vorwande dienen muss. Ebend. S. 415 ff.

 

- FORTSETZUNG -