Inbegriff der Glaubens-Artikel

aus der heiligen Schrift und den symbolischen Büchern zusammengestellt

von Leonhard Hutter.

Von neuem aus dem Lateinischen treu übersetzt

von Carl Emil Francke,

Leipzig bei Karl Franz Köhler. 1837

 

Sr. Hochwürden dem Herrn Prof. und Doct. der Theologie H. G. F. Guerike, meinem innig geliebten und verehrten Lehrer und väterlichen Freunde in Christo Jesu, als geringes Zeichen des herzlichsten und aufrichtigsten Dankes. Francke.

 

V o r r e d e.

Wohl könnte es überflüssig erscheinen, bei der Menge der vorhandenen Lehrbücher der Religion, eine Übersetzung des vorliegenden Werkes unternommen zu haben. Allein ob es wohl viele Religions-Lehrbücher gibt, und von Zeit zu Zeit immer neue erscheinen, so ist doch fast kein einziges rein lutherisches vorhanden, da beinahe alle durch gröberen oder feineren Unglauben mehr oder weniger verderbt sind, so dass durch dieselben die liebe Jugend, und die, welche sich selbst weiter belehren wollen, mehr in Irrtum und Seelengefahr geführt, als zur wahren Gottseligkeit unterrichtet werden. Dies nun ist ein nicht geringer Beweggrund, warum ich zu der Übersetzung des Hutter'schen Werkes mich entschlossen habe. Ein anderer Grund liegt darin, dass jetzt, durch Gottes unendliche Gnade, Viele wieder erweckt sind, und nach der Aneignung der reinen, vollen Wahrheit, wie sie die lutherische Kirche allein bietet, eifrig streben und verlangen. Diesen nun unter die Arme zu greifen, und in ihrem löblichen Bemühen zu Hilfe zu kommen, tut ein Lehrbuch, welches die reine Lehre in klarer, einfältiger Nüchternheit enthält, nötig; denn es vermögen nicht Alle aus den umfangreicheren symbolischen Büchern, oder den tiefgelehrten Dogmatiken der Theologen unserer Kirche die reine, nüchterne Erkenntnis der lutherischen Wahrheit sich zu erholen. – Nun dürfte es zwar angemessener erscheinen, lieber ein neues, für die Verhältnisse der Zeit gänzlich passendes Lehrbuch abzufassen, als ein altes zu übersetzen; allein hier bekenne ich ehrlich, dass mir die Schwierigkeit eines solchen Unternehmens zu lebendig vor die Seele trat, als dass ich mit meinen geringen Kräften mich hätte daran wagen sollen. Viel mehr habe ich daher ein älteres, schon bewährtes Lehrbuch der lutherischen Christenheit übergeben wollen, und ich glaube, dass auch dieses nicht unnütz sein wird. Denn es enthält ja die ewige, unveränderliche Wahrheit, wie sie das allmächtige Wort des Herrn uns gibt, und trägt somit den kräftigen Samen zur künftigen Frucht noch immer in sich, weshalb es nur abermals in den zubereiteten Acker ausgestreut werden darf. Und dies allein habe ich gewollt. – Zwar hat von vorliegendem Werkchen schon Hutter selbst eine Übersetzung gefertigt, so dass eine neue unnütz und unnötig zu sein scheint: allein diese alte Übertragung ist im Ausdruck und in der Redeweise von der heutigen Sprache so sehr entfernt, dass ein neuer Abdruck derselben kaum würde genießbar sein; und da sie überdem mehr eine umschreibende, als treue Übersetzung und im Betreff der Stellen aus den symbolischen Büchern ziemlich ungenau ist, habe ich es nicht für überflüssig erachtet, eine neue anzufertigen, welche die Mängel der alten ersetze. Meine Übersetzung nun ist nach der mir bekannten letzten Ausgabe des lateinischen Textes von Abrah. Schutze, 1772, verfertigt, wobei ich vom dritten Bogen an die Übersetzung Hutters sorgfältig verglichen habe. Die Anordnung desselben ist völlig beibehalten; auch die Kreuzchen und Sternchen sind stehen geblieben, damit dadurch – wozu sie ursprünglich geordnet waren – die Leser erinnert würden, dass die mit denselben bezeichneten Fragen einige Schwierigkeit enthalten, und so zu näherem Nachdenken darüber sich bewogen finden möchten. – Weil es aber heut zu Tage für jeden Lutheraner äußerst notwendig ist, sich mit den symbolischen Büchern unserer Kirche so vertraut, wie möglich, zu machen: habe ich, diesem Bedürfnis einiger Maaßen entgegen zu kommen, die meisten Stellen der symbolischen Bücher, auf welche Hutter sich nur durch die Seitenzahl bezieht, wörtlich nach der Leipziger Ausgabe des Christlichen Concordienbuchs vom J. 1766 ausgeschrieben und unter den Text gesetzt, wie auch die in den Fragen selbst vorkommenden Stellen und Worte der symbolischen Bücher, nach dieser Ausgabe, treu beibehalten sind. – Die Bibelstellen sind nach Luthers Übersetzung angeführt; wo sie, wegen der Ungenauigkeit der Übersetzung, Veränderung erleiden mussten, ist es durch eine Anmerkung angegeben. – Die Nachrichten über Hutters Leben, und die Geschichte vorliegenden Büchleins sind zum größten Teil aus dem entnommen, was Friedr. Jani, weil. Konrektor zu Bautzen, über beide zusammengestellt hat; doch sind auch andere Notizen benutzt worden. So möge denn der barmherzige Gott, um Jesu willen, Seinen Segen geben, dass das Büchlein, wie einst, so auch heute Seiner jetzt so sehr zerrütteten Kirche zu reichlichem Nutzen gedeihe. Amen! – Halle, am 23. Februar 1837. Dr. Francke.  

 

Einige Nachrichten über Leonhard Hutters Leben und dessen Inbegriff der Glaubens-Artikel.

 

Leonhard Hutter wurde im Januar 1563 zu Nellingen, einem schwäbischen Dorfe in dem Weichbilde Ulms, zwei Meilen von dieser Stadt, geboren. Sein Vater, Leonhard Hutter, ein frommer, gottesfürchtiger Mann, stammte aus Gredingen, und wurde 1553 zu Ulm als Lehrer an der dasigen Schule angestellt, wo er in der unteren Klasse die lateinische Sprache und andere Gegenstände lehrte. Zwei Jahre darauf vertauschte er das Schulamt mit dem Prediger-Amte, und wurde Pastor zu Nellingen. Doch nicht lange verweilte er hier, indem er schon 1565 nach Ulm zurückkehrte und daselbst Prediger an der Hauptkirche wurde, welches Amt er bis zu seinem Tode, 1601, treu und gottesfürchtig verwaltete. Die Mutter unsres L. Hutter war eine höchst achtbare Frau, Anna Höflich, aus sehr angesehenem Geschlecht. Seine beiden Eltern erzogen ihn nun in wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit, bis sie ihn, zu seiner höheren Ausbildung, der damals blühenden Schule zu Ulm übergaben, wo er treffliche Fortschritte in allen Gegenständen des Unterrichtes machte, so dass feine Lehrer ahnend vorhersagten, dass er einst Großes vollbringen werde. – Nachdem er den Schul-Cursus vollendet, begab sich Hutter, nach dem Willen seines Vaters, auf die Universität zu Straßburg im Elsaß, wo er sich unter der Leitung mehrerer trefflichen Lehrer, unter Andern des Melchior Junius, dem Studium der Philosophie und Theologie ergab, und nach zwei Jahren schon empfing er daselbst am 10. Octobr. 1583 von dem Prof. der Theologie Dr. Pappe die Würde eines Doctors der Philosophie. Von da an blieb er noch zehn Jahre in Straßburg und erwarb sich große Fertigkeit im Disputieren und in der Kunst, einen Gegenstand darzutun und zu beweisen. Bisher hatte er sich meist mit der Philosophie beschäftigt; allein er wollte sein Leben nicht in den Spekulationen des menschlichen Geistes verbringen, sondern die ganze Tiefe seines Geistes lieber auf die Erforschung und Durchdringung der heil. Schrift verwenden. Deswegen wandte er sich an Pappe, der ihm schon lange ein treuer Führer gewesen war, und dieser gab ihm den Rat, wenn er irgend den Namen eines Theologen verdienen wolle, müsse er die heiligen Schriften beider Testamente fleißig lesen, und was er gelesen, mit gottesfürchtigem Gemüte erwägen und wiederholen. Diesem Rate ist Hutter auch so treulich nachgekommen, dass man unter seinen Kleinodien ein Büchlein gefunden hat, in welches er sich den Inhalt aller biblischen Kapitel und die vorzüglichsten Erklärungen schwerer Schriftstellen aufgezeichnet hatte. – Im Jahr 1591 begab er sich von Straßburg nach Leipzig, und besuchte hier die theologischen Vorlesungen des Zacharias Schilter und Burchard Harbart, unter deren Leitung er die in Straßburg angefangenen theologischen Studien vollendete. Zwei Jahre später ging er nach Jena, wo er, aufgefordert von mehreren dasigen Professoren der Theologie, sich um die Würde eines Doctors der Theologie bewarb, und sie auch am 15. Januar 1594 erhielt. Nun hielt er theologische Vorlesungen zu Jena, welche er aber kaum zwei Jahre fortgesetzt hatte, als er, durch die Vermittlung des sächsischen Oberhofpredigers Polycarp Leyser, vom Fürsten Friedrich Wilhelm, dem Vormunde des damals noch unmündigen Kurfürsten Christian II., nach Wittenberg als Professor der Theologie berufen wurde. Hutter gehorchte diesem Rufe, und trat 1596 als Professor in die theologische Fakultät, neben Hunnius u. A., ein, und von jetzt an beginnt sein eigentliches, kräftiges Wirken in Wort und Schrift. Als akademischer Lehrer suchte er seine Zuhörer in das rechte Verständnis der heil. Schrift einzuführen, und viele Männer gingen aus seiner Schulen hervor, welche der Kirche Christi zu großem Segen gewesen sind. Mehr noch aber wirkte er durch seine Schriften. Als nämlich im J. 1607 der schweizerisch-reformierte Theolog Rud. Hospinian in seinem Buche „Concordia discors“ (d. i. uneinträchtige Eintrachtsformel) unsere Concordien-Formel gehässig angriff und sie um ihr Ansehn zu bringen suchte, wurde Leonh. Hutter höheren Orts beauftragt, eine Widerlegung dieses Buchs zu schreiben. Er gab daher im J. 1644 zu Wittenberg seine „Concordia concors, oder über den Anfang und Fortgang der Eintrachtsformel der Kirchen Augsburger Bekenntnisses“ heraus, nachdem ihm zur Verfertigung dieses Buchs das Archiv zu Dresden geöffnet worden war. Ebenso trat er als rüstiger Streiter auf, und schrieb, als die Reformierten sich bemühten, im Herzogtum Holstein ihre Lehre einzuschieben, ein Buch unter dem Titel: „Calvinista aulico-politicus, oder eigentliche Entdeckung und Widerlegung etlicher Calvinischen politischen Ratschläge, welche Johann von Münster fortzupflanzen und die verdammte Calvinisterey im Herzogtum Holstein einzuschieben sich bemühet.“ Und nachdem 1613 der Kurfürst von Brandenburg, Johann Sigismund, zur reformierten Kirche übergetreten war, und die Reformierten nun ihre Lehre dort allgemein zu machen suchten, verfasste Hutter sein Buch „Calvinista aulico-politicus, oder christlicher und notwendiger Bericht von den fürnehmsten politischen Hauptgründen, durch welche man die verdammte Calvinisterey in die Kur- und Mark-Brandenburg einzuschieben sich stark bemühet, Wittenberg 1614. 8.“ Durch dieses Buch wurde Johann Sigismund freilich so erbittert, dass er die Einführung der Concordien-Formel in seinen Landen verbot, und seinen Untertanen untersagte, die Universität Wittenberg zu besuchen. – Mit nicht geringerer Schärfe des Geistes und Treue gegen Gottes Wort kämpfte Hutter, wie gegen die Reformisten, so auch gegen die Katholiken, und vorzüglich gegen den gelehrten Jesuiten Bellarmin, welche er in mehrern Schriften widerlegte. Aber auch für die Erbauung verfertigte er einige Schriften, als „Betrachtungen des Kreuzes Christi“ (Meditationes crucis Christi), und den „Biblischen Auszug“ (Epitome biblica), welcher einen Überblick des Inhaltes der einzelnen biblischen Abschnitte gibt, und zu einem tieferen, richtigen Verständnis der heil. Schrift sehr förderlich ist. – Hutter verheiratete sich im J. 1599 zu Ulm mit Barbara Manlich, einer tugendsamen Jungfrau aus berühmtem Geschlecht, mit welcher er sechszehn Jahre eine glückliche Ehe führte. Nachdem er schon dreimal das Rektorat der Universität geführt, starb er, wenige Tage nachher, als er, auf dringendes Bitten seiner Kollegen, dies hohe Amt zum vierten Male übernommen hatte, am hitzigen Fieber in der Mittagsstunde des 23. Septbr. 1616 im drei und fünfzigsten Lebensjahre. Seine Leiche ist zu Wittenberg in der Schlosskirche beigesetzt. – Mit der Entstehung des vorliegenden Inbegriffs hat es folgende Bewandtnis. Als Hutter 1602 seine dogmatischen Vorlesungen über Melanchthons Hauptartikel christlicher Lehre vollendet hatte, war er unschlüssig, welches Buch er künftighin seinen Vorlesungen über Dogmatik zu Grunde legen sollte. Er trug seine Bedenken der theologischen Fakultät vor, und diese berichtete an das Konsistorium nach Dresden, welches der Fakultät aufgab, einen Inbegriff der Glaubens-Artikel aus dem Concordien-Buch für die studierende Jugend zu verfertigen. Dies Geschäft wurde dem Leonh. Hutter übertragen, welcher im J. 1606 das Kompendium vollendete, worauf es die Fakultät mit ihrem Gutachten nach Dresden schickte. Der Kurfürst Christian II. übersandte es dann an die theologische Fakultät zu Leipzig, und an seine drei Schulen zu Meißen, Grimme und Pforte, damit sie es sorgfältig prüfen und ihm ihre Meinung darüber einreichen sollten. Nachdem die drei Schulen sowohl, als auch die Leipziger Fakultät beifällige Urteile und ihre Verbesserungen eingereicht hatten, schickte der Kurfürst das Buch abermals an Hutter, damit er ihm die vollendete Gestalt geben solle. Hutter benutzte die ihm zugekommenen Andeutungen zur Verbesserung seines Werkes gewissenhaft, und so erschien es 1610 in Wittenberg bei Joh. Gormann im Druck. Schon nach einem Jahre gab Casp. Holstein in Lübeck eine deutsche Übersetzung desselben heraus, welche aber so ungenügend ausgefallen war, dass Hutter selbst sein Buch ins Deutsche übersetzen musste, in welcher Form es 1613 zu Wittenberg erschien. Diese deutsche Übersetzung ist nur noch zweimal aufgelegt worden, zuletzt von Joh. Meisner, Prof. in Wittenberg, 1751, mit dem lateinischen Text zusammen. Das lateinische Original aber hat fast unzählige Auflagen erlebt, und viele berühmte Theologen haben Erklärungen zu demselben geschrieben und veröffentlicht. Bis fast in die Mitte des vorigen Jahrhunderts ist es beinahe im allgemeinen Gebrauche gewesen, bis man anfing den Geschmack an der reinen lutherischen Lehre zu verlieren, und es durch neuere, aber nicht bessere Schulbücher verdrängt wurde.  

 

Christian II. von Gottes Gnaden Herzog von Sachsen, Erzmarschall und Kurfürst des heil. röm. Reichs, Landgraf von Thüringen, Markgraf von Meißen, und Burggraf von Magdeburg u.s.w.

 

Wenn schon die Heiden richtig erkannten, dass die Religion die Grundlage des Staates sei, und meinten, dass, wenn sie verwirret wär', alles Übrige, so groß und erhaben es sei, getrübt werde: wenn einst der römische Senat die Religion so hoch achtete, dass Alles, was bei Entscheidung der Rechtsfalle zuerst vorgetragen wurde, zur Erhaltung der Verehrung Gottes gereichen musste, und kein, auch noch so wichtiges, Geschäft dieser religiösen Sitte vorgehen durfte: so achte ich, dass dies von uns wahrlich! noch weit mehr geschehen müsse: von uns, sage ich, die wir Christo uns ergeben, von Christo den Namen tragen, von Christo endlich allein alles Heil und Seligkeit erwarten. Dazu kommt jenes denkwürdige Urwort, von dem heiligsten Könige allen Königen und Fürsten gesagt: Lasset euch weisen, ihr Könige, und lasset euch züchtigen, ihr Richter auf Erden; dienet dem Herrn mit Furcht und Zittern; küsset den Sohn, dass er nicht zürne, und ihr umkommet auf dem Wege. Ps. 2,10ff. Ja, diese tiefe Ehrfurcht gegen die Religion erfordern von uns auch alle die einzelnen Wohltaten, welche der gütigste und höchste Gott uns und unsern Landen in reichlichem und großem Maße zu erteilen bis hierher gewürdiget hat. Und wie wir diese mit dankbarem Gemüt, wie wir schuldig sind, anerkennen: so bekennen wir auch, dass es wiederum unser Amt und Pflicht sei, sorgfältig zu wachen, dass nicht die reine christliche Religion durch unsere Sorglosigkeit einigen Schaden erleide: sondern vielmehr, wie die Gerechtigkeit im Gericht, der Friede nach innen und außen: so auch die Religion in den Kirchen, die Gottesfurcht in den Schulen grüne, blühe und wachse. Daher hatten wir von derselbigen Zeit an, wo wir durch Gottes Gnade zu der Kurwürde gelangt sind, kein höheres und wichtigeres Geschäft, als dass in unsern Landen die reine Religion heilig und unversehrt gepflanzt und verbreitet werde. Weswegen wir auch, gleich beim Anfang, jeden und Alle, die unsrer Rechtspflege unterworfen, und zwar in öffentliche, bürgerliche, wie kirchliche Ämter gestellt sind, mit einem heiligen Eidschwur verpflichtet haben, dass sie der Augsburgischen Confession, nicht der veränderten, sondern der ursprünglichen: dass sie der Wiederholung derselben, wie sie im Christlichen Concordien-Buch gegen aller Feinde Schmähungen und Deuteleien deutlich genug behauptet, erklärt, bekräftigt ist, gänzlich zugetan seien: dass sie endlich bei diesem Glauben und dieser Religion. bis an das Ende beharrlich verbleiben und sie beständig verteidigen wollten. Überdem, damit dieses ehrwürdige Palladium der Religion um so sicherer Allen bekannt werde, und sich Niemand mit Recht beklagen könne, ihm sei die Gelegenheit, sich damit bekannt zu machen, vorenthalten: so haben wir Sorge getragen, dass ein Christliches Concordien-Buch im kleineren Format (wie man es nennt), nach dem Vorbild der Urausgabe so gedruckt werde, dass, wegen des geringen Preises, ein jeder es sich verschaffen kann. Und in der Tat, mit frommen und dankbarem Gemüte erkennen und preisen wir es als die höchste Wohltat Gottes, dass nicht allein die erlauchten Fürsten, unsere teuren Brüder, Herr Johann Georg, und Herr August, Herzöge zu Sachsen, im Betreff der Religion so mit uns in Allem übereinstimmen, dass, wer an ihrer Beharrlichkeit zweifeln wollte, die Gottesfurcht und den Glauben selbst in Zweifel zu ziehen scheinen könnte: sondern dass auch alle und jede unsrer Untertanen von allen Ständen und Würden, sowohl auf den letztvergangenen, als auch auf den in diesem Jahre gehaltenen Provinzial-Versammlungen heilig bezeugt haben, dass sie, nach dem uns einmal geleisteten Schwure, nicht ein Haar von der Lehre, welche in der Concordien-Formel den prophetischen und apostolischen Schriften gemäß bekannt wird, bis hierher abgewichen seien, noch je abweichen würden. Und von ganzem Herzen flehen wir demütig zu Seiner unendlichen Barmherzigkeit, dass der barmherzige Vater im Himmel dieses unvergleichliche Glück bei uns und unsrer ganzen Nachkommenschaft beständig bleiben lasse. Da übrigens die Tugend, das Erworbene zu wahren, nicht geringer ist, als die, es zu suchen; und uns auch nicht verborgen sein kann, mit welchen und mit wie verschiedenen Nachstellungen, Künsten und Trügereien jener tausendkünstlerische Feind des menschlichen Heils, der Teufel, diesen heiligen Grundstein der reinen Religion umzustürzen, oder wenigstens zu verunstalten begehret: haben wir geachtet, dass auch diesem Übel durch ein geeignetes Mittel müsse begegnet werden. Kaum aber erschien ein anderes Mittel bequemer, als das aus der rechten Unterweisung der Schuljugend kann genommen werden. Denn wenn diese, gleichsam mit der Muttermilch, die ersten Elemente der reinen christlichen Lehre, und zwar nicht aus jedwedem Sumpf, sondern aus den klaren Quellen Israels und den symbolischen Schriften unsrer Kirche, wird eingesogen haben: so wird man nicht fürchten dürfen, dass sie von der königlichen Bahn der erkannten Wahrheit sich wird so leicht abführen lassen zu den Schleichwegen des Irrtums. Daher haben wir Sorge getragen, dass ein theologischer Inbegriff der vorzüglichsten Stücke des christlichen Glaubens aus dem Concordien-Buche verfasst und zusammengestellt werde, unter der Bedingung, dass, so viel es geschehen könnte, die Worte der Concordie selbst beobachtet, und so die Schuljugend, von zartester Kindheit an, an die Form der gesunden Worte gewöhnet würde. Und wir haben gewollt, dass diese Arbeit von dem, uns besonders werten und treuen Leonhard Hutter, der heil. Theologie Doctor und öffentlichem Professor an unsrer Universität zu Wittenberg, zuerst vollendet: dass sie, nach ihrer Vollendung, unter die genaue Beurteilung der beiden theologischen Fakultäten zu Leipzig und Wittenberg gezogen, ja, auch von den Lehrern berühmter Schulen sorgfältig geprüft werde: und dass endlich das, was von den Einzelnen bemerkt und bezeichnet war, streng beobachtet, in die gerechte und vollendete Ordnung gebracht, und durch den Druck veröffentlicht werde. Da wir aber nicht zweifeln, dass ein jeder leicht einsehen werde, zu welchem Ende und Zweck dieses Werk von uns unternommen sei: dass nämlich die unveränderliche Wahrheit unserer Religion auch der späten Nachkommenschaft (wenn einige zu hoffen ist) unversehrt überliefert werde: so befehlen wir ernstlich und geben auf allen und jeden Rektoren und Lehrern sowohl der drei höheren oder Privinzial-Schulen, als auch denen der übrigen niederen Schulen in unsern Landen, dass sie der Schuljugend, sobald sie mit dem Katechismus Lutheri (dieser goldenen und unvergleichlichen Schatzkammer der göttlichen Lehre) in beiden Sprachen, der lateinischen, wie der deutschen, vertraut geworden, diesen theologischen Inbegriff allein, mit Hintansetzung aller andern Lehrbücher, zum Lernen vorlegen, und, so viel es geschehen kann, keinem Schüler den Zutritt zu jenen hohen Schulen, welche man Akademien nennt, eher gestatten, als bis er diesen Inbegriff seinem Gedächtnis, und zwar ganz genau, eingeprägt, und denselben erkannt und durchdrungen hat. Tut in diesem Stück, was eurer Pflicht würdig, und unserem ernstesten Willen gemäß ist, und seid hiegegen unserer, euch geneigten, Gnade versichert. Gegeben zu Dresden, am 23. November des Jahres ein tausend sechs hundert und neun.   Dem wohlwollenden Leser. Wir können dem Staate keinen größern und bessern Dienst leisten, als wenn wir die Jugend belehren und erziehen, vorzüglich bei den jetzigen Sitten und Zeiten, wo sie so gesunken ist, dass sie durch Aller Macht gezügelt und eingeschränkt werden muss: wie des M. Tullius gewichtige Meinung ist. Aber dieser Erziehung Zweck und Ziel muss vor Allen die Gottesfurcht sein, oder die wahre Erkenntnis des wahren Gottes. Denn wie die Gottesfurcht unnütz ist, wenn sie der wissenschaftlichen Erkenntnis entbehrt: so ist die Wissenschaft nichts, wenn sie keine Frucht der Gottesfurcht bringt, wie Gregor in seinen moralischen Schriften schreibt. Damit wir übrigens diesen Zweck und dies Ziel in gehöriger Ordnung zu erreichen vermögen, wird in der Tat eine große Umsicht und Klugheit nötig sein. Denn wenn, nach jener Antwort des Aristoteles, dann erst die Schüler die meisten Fortschritte machen, wann die Langsameren emsig den Fortschreitenden folgen, und diese die Folgenden nicht aufhalten: so wird es gewiss höchst nötig sein, dass der Lehrer, bei den fortschreitenden Studien der Schüler, sorgfältig die Gemüter unterscheide, und nicht anders, als der Landmann die Natur des Landes, welches er bebauen will, die Anlage und den Geist eines jeden Schülers genau erforsche, und nicht dasselbe bei Allen ohne Unterschied anwende. Und damit wir auch unsres Orts in diesem Stück die Bemühung der Lehrer auf einige Weise entweder unterstützen, oder erleichtern möchten: haben wir diesen theologischen Inbegriff der Glaubensartikel so erscheinen lassen wollen, dass, nach drei verschiedenen Klassen der Schüler, deren erste die Anfänger, die zweite die Fortschreitenden, die dritte die Ausgebildeteren bilden, auch die Fragen von drei verschiedenen Gattungen sind, so dass den Anfängern diejenigen Fragen zum Lernen vorgelegt würden, denen gar kein Zeichen beigefügt ist: den Fortschreitenden aber die, welche mit der Figur eines Kreuzes (+) bezeichnet sind: den Ausgebildeteren endlich diejenigen, denen ein Sternchen (*) vorgesetzt ist. Denn auf diese Weise wird weder die Langsamkeit der Anfangenden und Unwissenden den Fortschreitenden und Ausgebildeteren, noch jenen die Fortschritte und Emsigkeit dieser zum Nachtheil gereichen können. Übrigens ist kein Grund vorhanden, warum wir dich, lieber Leser, mit der Erklärung, welcher Methode wir uns bei der Zusammenstellung und Anordnung dieses Inbegriffs vorzüglich bedient haben, länger aufhalten sollten. Zwar entgeht es uns nicht, dass einige in der theologischen Anordnung der Glaubensartikel, bis zum Aberglauben, ängstlich sind. Denn etliche behaupten, dass die Kette der Glaubensartikel vom Anfang bis zum Ende nach den verschiedenen Offenbarungen und Werken Gottes zu ordnen sei. Andere meinen, dass in diesem Stück die Verschiedenheit der Subjekte und Objekte, sowohl hinsichtlich des Schöpfers, als der Kreaturen, streng beobachtet und befolgt werden müsse. Noch andere bemühen sich ängstlich, das ganze System der christlichen Religion in fortlaufende Dichotomien zu zerlegen. Noch andere endlich glauben, dass man auf andere Weise und Ordnung bei der theologischen Auseinandersetzung der Glaubensartikel verfahren müsse. Ob wir nun wohl die Bemühungen dieser Männer nicht mit schwarzer Farbe zeichnen wollen: vielmehr klar überzeugt sind, dass sie an ihrer Stelle Lob und Empfehlung verdienen: so haben wir doch bei der Zusammenstellung des vorliegenden Inbegriffs die einfachere Methode beobachtet, die nämlich, welcher auch andere ausgezeichnete Theologen, vorzüglich Ph. Melanchthon und Jacob Heerbrand gefolgt sind: welche auch die Natur der Glaubensartikel selbst zu verlangen scheint. Denn die Beschaffenheit, oder vielmehr wechselseitige Beziehung derselben ist eine solche, dass, wie in einer Kette die Glieder zusammenhängen, so auch in unsrer heiligen theologischen Wissenschaft immer ein Artikel einen andern, von sich verschiedenen erzeugt: dieser wiederum einen andern, und so fort, bis der ganze Leib oder das System der christlichen Lehre fertig und vollendet vorliegt. Und da gewiss für niedere Schulen kaum eine passendere Ordnung erfunden werden kann, als die, welche aus der gegenseitigen Verwandtschaft der Glaubensartikel entspringt, so war es uns, besonders zu dieser Zeit, durchaus heilige Pflicht, nicht im geringsten von derselben abzuweichen. Aber auch dies wollen wie nicht verhehlen, dass wir bei Vollbringung dieser Arbeit auch das berücksichtigt haben, dass wir, so wie wir die Erklärungen und Einteilungen der Artikel aus den symbolischen Büchern unsrer Kirche nicht entnehmen konnten, uns auch der Worte anderer Theologen, als des sel. Luthers, Melanchthons (wo dieser die reine Lehre festgehalten), des Dr. Martin Chemnitz, Dr. Aegid. Hunnius bedient haben, aber bei Anführung der Seitenzahl aus dem Concordien-Buche derjenigen lateinischen Ausgabe gefolgt sind, welche auf besondern Befehl des durchlauchten Kurfürsten von Sachsen Christian II. in Octav-Form (wie man es nennt) im Jahre 1602 zu Leipzig gedruckt ist. Und wir hegen das Vertrauen, dass auch du, freundlicher Leser, diese unsre Arbeit nicht missbilligen werdest. Lebe wohl, und bitte Gott mit uns innig, dass Er dieses heilige Gefäß des reinen und wahren lutherischen Glaubens bis auf die späten Nachkommen (wenn solche zu hoffen) ganz und unversehrt fortpflanze, verteidige und schütze. Amen.

                                                                     Leonhard Hutter, Dr.

 

- FORTSETZUNG -