Kapitel 11 - Daß das heilige Abendmahl und die heilige Schrift der gläubigen Seele höchst nothwendig sind.


Stimme des Jüngers.

1. O süßester Herr Jesu, wie groß ist die Wonne einer andächtigen Seele, die mit dir an dem Mahle isset, wo ihr keine andere Speise zum Genusse vorgesetzt wird, als du, ihr einzig Geliebter, über alle Wünsche des Herzens ihr wünschens-werth! Auch mir wäre es ein gar süßes Gefühl, in deiner Gegenwart vor innigster Rührung Thränen zu vergießen und mit der frommen Magdalena deine Füße mit Thränen zu benetzen. Aber wo ist diese Andacht? wo der reichliche Erguß heiliger Thränen? Wahrlich vor deinem und deiner heiligen Engel Angesicht sollte mein ganzes Herz brennen und vor Freude weinen! Denn ich habe dich im Sakramente wahrhaftig gegenwärtig, obwohl verborgen unter fremder Gestalt.

2. Denn in eigener und göttlicher Klarheit dich zu sehen, das können meine Augen nicht ertragen; aber auch die ganze Welt würde vor dem Glanze deiner Majestät und Herrlichkeit nicht bestehen. Dadurch also sorgst du für meine Schwachheit, daß du dich unter dem Sakramente verbirgst. So habe ich doch wahrhaft und bete an den, welchen die Engel im Himmel anbeten; ich jetzt zwar noch im Glauben, sie aber im Schauen und ohne Hülle. Ich muß mir genügen lassen an dem Lichte des wahren Glaubens und in demselben wandeln, bis der Tag der ewigen Klarheit anbricht und die Schattenbilder vergehen. Wenn aber kommen wird, was vollkommen ist, dann wird aufhören der Gebrauch der Sakramente; denn die Seligen bedürfen in der Herrlichkeit des Himmels keines sakramentalischen Heilsmittels mehr. Sie freuen sich ohne Ende in der Gegenwart Gottes, indem sie seine Herrlichkeit schauen von Angesicht zu Angesicht und von Klarheit zu Klarheit; in das Bild der unergründlichen Gottheit verwandelt, genießen sie das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist, wie es war von Anfang und bleibet in Ewigkeit.

3. Eingedenk dieser Wunder, wird mir selbst jeglicher Gefühle Trost zum Ueber-druß; denn so lange ich meinen Herrn nicht unverhüllt in seiner Herrlichkeit schaue, halte ich für nichts Alles, was ich in der Welt erblicke und höre. Zeuge bist du mir, o Gott, daß kein Ding mich trösten, keine Kreatur mich beunruhigen kann, außer du, mein Gott, den ich ewig zu schauen verlange. Aber das ist nicht möglich, so lange ich in dieser Sterblichkeit walle. Darum ist’s vonnöthen, daß ich große Geduld habe und mich selbst in jedem Verlangen dir unterwerfe. – Denn auch deine Heiligen, o Herr, die sich jetzt mit dir im himmlischen Reiche freuen, erwarteten in Glauben und großer Geduld, so lange sie lebten, die Zukunft deiner Herrlichkeit. Was sie geglaubt, glaube auch ich; was sie gehofft, hoffe auch ich: wohin sie gelangt, dahin vertraue auch ich durch deine Gnade zu kommen. Inzwischen will ich, gestärkt durch die Beispiele der Heiligen, im Glauben wandeln. Auch werde ich die heiligen Bücher zum Trost und zum Spiegel des Lebens, und über dieses Alles deinen heiligsten Leib zur besonderen Arznei und Zuflucht haben.

4. Denn, wie ich fühle, sind mit hauptsächlich zwei Dinge in diesem Leben nöthig, ohne welche mir dieß elende Dasein unerträglich sein würde. In dem Kerker dieses Leibes bedarf ich zweierlei, nämlich Nahrung und Licht. Darum hast du mir Schwachen deinen heiligen Leib zur Erquickung der Seele und des Leibes gegeben und dein Wort zur Leuchte für meine Füße hingestellt. Ohne dieselben könnte ich nicht wohl leben; denn das Wort Gottes ist das Licht meiner Seele und das Sakrament das Brot des Lebens. Diese können auch zwei Tische genannt werden, die in der Schatzkammer der heiligen Kirche rechts und links aufge-richtet sind. Der eine ist der Tisch des heiligen Altars, der das heilige Brot, das ist den kostbaren Leib Christi enthält. Der andere ist der des göttlichen Gesetzes, mit der heiligen Lehre, die im wahren Glauben unterweist und sicher bis zum Innersten des Vorhangs, bis ins Allerheiligste geleitet. Dank dir, Herr Jesu, du Licht des ewigen Lichtes, für den Tisch der heiligen Lehre, welchen du uns durch deine Knechte, die Propheten und Apostel und andere Lehrer bereitet hast.

5. Danke dir, Schöpfer und Erlöser der Menschen, der du, um der ganzen Welt deine Liebe zu beweisen, ein großes Mahl bereitet hast, in welchem du nicht das vorbildliche Lamm, sondern deinen heiligsten Leib und dein Blut zum Genusse vorgesetzt hast, erfreuend alle Gläubigen durch das heilige Mahl und sie tränkend mit dem Kelche des Heils, worin alle Wonnen des Paradieses enthalten sind und woran mit uns theilnehmen die heiligen Engel, jedoch in seligerer Wonne.

6. O wie groß und ehrwürdig ist das Amt der Priester, denen es gegeben ist, den Herrn der Majestät durch die heiligen Worte zu wandeln, mit den Lippen zu preisen, in den Händen zu halten, mit dem eigenen Munde zu nehmen und den Uebrigen auszuspenden! O wie rein sollen jene Hände sein, wie lauter der Mund, wie heilig der Leib, wie unbefleckt das Herz des Priesters, zu welchem der Urheber der Reinheit so oft eingeht! Aus dem Munde des Priesters, der so oft Christi Sakrament empfängt, soll nur ein heiliges, nur ein ehrbares und heilsames Wort hervorgehen.

7. Seine Augen, die Christi Leib zu schauen gewohnt sind, sollen einfältig und züchtig sein; seine Hände, die den Schöpfer Himmels und der Erde zu berühren pflegen, rein und zum Himmel erhoben sein. Den Priestern ganz besonders wird im Gesetze gesagt: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott.“ (3 Moses 19,2.)

8. Es stehe uns bei deine Gnade, allmächtiger Gott, daß wir, denen das priester-liche Amt anvertraut ist, dir würdig und andächtig in aller Reinheit und mit gutem Willen zu dienen vermögen. Und wenn wir nicht in so großer Unschuld des Lebens wandeln können, wie wir sollen, so verleihe uns doch, das Böse, das wir gethan, nach Gebühr zu beweinen und dir im Geiste der Demuth und mit dem Vorsatz eines guten Willens forthin eifriger zu dienen.


Kapitel 12 - Daß man sich mit großem Fleiß zur Kommunion vorbereiten soll.


Stimme des Geliebten.

1. Ich bin ein Liebhaber der Reinheit und der Geber aller Heiligkeit. Ich suche ein reines Herz und daselbst ist die Stätte meiner Ruhe. Bereite mir einen großen wohlzugerüsteten Saal und ich will bei dir Ostern halten mit meinen Jüngern. – Wenn du willst, daß ich zu dir komme und bei dir bleibe: so fege den alten Sauerteig aus und säubere die Wohnung deines Herzens. Schließe aus die ganze Welt und alles Getümmel der Sünden; sitze, wie der einsame Sperling auf dem Dache, und bedenke deine Uebertretungen im bittern Schmerz deiner Seele. Denn jeder Liebende bereitet seinem Geliebten die beste und schönste Stätte, weil daran die Liebe dessen, der den Geliebten aufnimmt, erkannt wird.

2. Doch wisse, daß du dieser Vorbereitung durch das Verdienst deines Wirkens nicht zu genügen vermagst, auch wenn du dich ein ganzes Jahr lang vorbereitest und nichts anderes im Sinne hättest. Sondern aus bloßer Huld und Gnade von mir wird dir gestattet, zu meinem Tische hinzutreten; wie wenn ein Bettler zum Gastmahl eines Reichen geladen wird, und jener nichts Anderes hat, diesem seine Wohlthaten zu vergelten, als sich zu demüthigen und ihm zu danken. So thue nun, was an dir ist, und thue es mit Fleiß, nicht aus Gewohnheit, nicht aus Zwang, sondern mit Furcht, Ehrerbietung und Liebe empfange den Leib deines geliebten Herrn und Gottes, der sich herabläßt, zu dir zu kommen. Ich bin’s, der dich geladen, ich habe befohlen, daß es geschehe; ich will ersetzen, was dir abgeht: komm und nimm mich auf!

3. Wenn ich die Gnade der Andacht verleihe, so danke deinem Gott; nicht weil du würdig bist, sondern weil ich mich deiner erbarmt habe. Hast du aber die Andacht nicht, sondern fühlest du dich vielmehr trocken, so halte an im Gebet, seufze und klopfe an und laß nicht ab, bis du gewürdiget wirst, eine Brosame oder einen Tropfen der heilsamen Gnade zu empfangen. Du bedarfst meiner; ich bedarf deiner nicht. Du kommst nicht, mich zu heiligen, ich komme, dich zu heiligen und zu bessern. Du kommest, daß du von mir geheiliget und mit mir vereinigt; daß du neuer Gnade theilhaftig und von neuem zur Besserung entzündet werdest. Versäume diese Gnade nicht, sondern bereite mit aller Sorgfalt dein Herz, und führe deinen Geliebten bei dir ein. Du mußt dich aber nicht allein vor der Kom-munion zur Andacht geschickt machen, sondern dich auch nach dem Genuß des Sakraments sorgfältig darin bewahren. Und es wird nicht geringere Wachsamkeit nachher gefordert, als andächtige Vorbereitung vorher. Denn gute Wachsamkeit nachher ist wiederum die beste Vorbereitung zur Erlangung größerer Gnade. Denn dadurch wird man sehr untüchtig, wenn man sich sogleich wieder äußerem Troste allzu sehr hingibt. Hüte dich vor Geschwätzigkeit, bleibe im Verborgenen und genieße deines Gottes; denn du hast Den, welchen die ganze Welt dir nicht nehmen kann. Ich bin’s, dem du dich ganz ergeben mußt, so daß du forthin nicht mehr in dir, sondern nur in mir ohne alle Kümmerniß lebest.


Kapitel 13 - Daß die gläubige Seele mit allem Eifer nach der Vereinigung mit Christus im Sakramente verlangen soll.


Stimme des Jüngers.

1. Wer mag mir geben, o Herr, daß ich dich allein finde, und dir mein ganzes Herz öffne und dich genieße, wie meine Seele verlangt; und daß Niemand mehr auf mich herabsehe, noch irgend eine Kreatur mich störe oder Eindruck auf mich mache, sondern daß du allein mit mir redest und ich mit dir, wie der Liebende mit dem Geliebten zu sprechen, und der Freund mit dem Freunde umzugehen pflegt. Das bitte ich, das wünsche ich, daß ich ganz mit dir vereiniget werde, und mein Herz von allen erschaffenen Dingen abziehe und durch die heilige Kommunion und die oftmalige Meßfeier am Himmlischen und Ewigen mehr Geschmack finden lerne. Ach, Herr Gott! wann werde ich ganz mit dir vereinigt und in dich verschlungen sein, und meiner gänzlich vergessen? Du in mir, und ich in dir: so laß uns beide mit einander Eins sein und bleiben!

2. Du bist in Wahrheit mein Geliebter, auserwählt aus Tausenden, in welchem meiner Seele gefällt zu wohnen alle Tage ihres Lebens. Du bist in Wahrheit mein Friedensfürst, in dem der höchste Friede und die wahre Ruhe, außer dem Mühe und Schmerz und grenzenloses Elend ist. Du bist in Wahrheit ein verborgener Gott und dein Rath ist nicht mit den Gottlosen; aber mit den Demüthigen und Einfältigen verkehrst du. O wie lieblich, Herr, ist dein Geist, der du, um deine Freundlichkeit deinen Kindern zu zeigen, mit dem lieblichsten Brote, das vom Himmel kommt, dieselben zu erquicken dich würdigest. Wahrlich, kein anderes Volk ist so erhaben, daß es Götter hätte, die sich ihm naheten, wie du, unser Gott, nahe bist allen deinen Gläubigen, denen du, um sie täglich zu trösten und ihr Herz zum Himmel zu erheben, dich selbst zur Speise und zum Genusse mittheilst.

3. Denn welch anderes Volk ist so herrlich, wie das Christenvolk? Oder welche Kreatur unter dem Himmel ist so geliebt, wie eine andächtige Seele, bei welcher Gott einkehrt, um sie mit seinem herrlichen Fleische zu nähren? O unaus-sprechliche Gnade! O bewunderungswürdige Herablassung! O unermeßliche Liebe, dem Menschen so besonders zugewandt! Aber was soll ich dem Herrn darbringen für diese Gnade, für so ausgezeichnete Liebe? Es gibt keine andere, ihm wohlgefälligere Gabe, die ich bieten könnte, als daß ich mein Herz meinem Gott gänzlich hingebe und innigst mit ihm verbinde. Dann wird frohlocken all mein Innerstes, wenn meine Seele vollkommen mit Gott vereinigt sein wird. Dann wird er zu mir sagen: Wenn du willst mit mir sein, so will ich mit dir sein. Und ich werde ihm antworten: Würdige dich, Herr, bei mir zu bleiben, ich will gerne bei dir sein! Das ist mein einziges Verlangen, daß mein Herz mit dir vereinigt sei.


Kapitel 14 - Von dem Verlangen der Frommen nach dem heiligen Abendmahl.


Stimme des Jüngers.

1. O wie groß ist die Fülle der Süßigkeit, Herr, die du verborgen hast denen, die dich fürchten. Wenn ich gedenke mancher Frommen, die zu deinem Sakramente, o Herr, mit der größten Andacht und Liebe hinzutreten: so schäme ich mich oft vor mir selbst und erröthe, daß ich zu deinem Altar und zum Tische der heiligen Kommunion so lau und kalt komme; daß ich so trocken und ohne Rührung des Herzens bleibe; daß ich nicht gänzlich entzündet vor dir, meinem Gott, noch auch so mächtig angezogen und so tief ergriffen bin, wie es viele Fromme waren, welche vor übergroßem Verlangen nach der Kommunion und vor Inbrunst des Herzens sich der Thränen nicht enthalten konnten, sondern zugleich mit Herz und Mund nach dir, o Gott, dem lebendigen Quell, innigst schmachteten, indem sie ihren Hunger nicht anders zu mäßigen und zu stillen vermochten, als bis sie deinen Leib mit aller Lust und geistlicher Begier empfangen hatten.

2. O wahrlich, ihr in Liebe brennender Glaube ist ein deutlicher Beweis deiner heiligen Gegenwart! – Denn jene erkennen wahrhaftig ihren Herrn am Brot-brechen, und ihr Herz brennt in ihnen, wie in jenen Jüngern, da Jesus mit ihnen auf dem Wege wandelte. Ferne von mir ist häufig solche Begierde und Andacht, so heftige Liebe und Inbrunst! Sei mir gnädig, gütiger, freundlicher und huld-reicher Jesus, und laß deinen armen Bettler doch zuweilen ein wenig von der herzlichen Innigkeit deiner Liebe in der heiligen Kommunion empfinden, damit mein Glaube mehr erstarke, meine Hoffnung auf deine Güte zunehme, und die Liebe, einmal vollkommen entzündet und mit dem himmlischen Manna genährt, nie wieder erlösche.

3. Mächtig aber ist deine Barmherzigkeit, auch die ersehnte Gnade mir zu gewähren, und mit dem Geiste der Liebe und Inbrunst, wenn der Tag deines Wohlgefallens gekommen sein wird, mich auf’s mildeste heimzusuchen. Und wenn ich auch nicht von so großem Verlangen brenne, wie deine innigsten Verehrer es fühlen, so habe ich doch durch deine Gnade eine Sehnsucht nach jenem großen glühenden Verlangen, und flehe und wünsche, daß ich allen deinen inbrünstigsten Liebhabern verbunden und ihrer heiligen Genossenschaft beigezählt werden möge.


Kapitel 15 - Daß man die Gnade der Andacht nur durch Demuth und Selbstverläugnung erlange.


Stimme des Geliebten.

1. Du mußt die Gnade der Andacht ohne Unterlaß suchen, inständig erbitten, geduldig und zuversichtlich erwarten, dankbar annehmen, demüthig bewahren, fleißig gebrauchen, und Zeit und Maaß der himmlischen Heimsuchung Gott, bis er kommt, überlassen. Demüthigen mußt du dich vorzüglich, wenn du wenig oder keine Andacht in dir spürest; aber du darfst nicht allzu niedergeschlagen, noch über Gebühr betrübt werden. Gott gibt oft in einem Augenblick, was er lange Zeit versagt hat; er gibt manchmal am Ende, was er im Anfange des Gebetes zu geben zögerte.

2. Wenn die Gnade immer schnell verliehen würde und nach Wunsch gleich da wäre: so würde das der schwache Mensch nicht wohl ertragen. Darum muß man in guter Hoffnung und demüthiger Geduld die Gnade der Andacht erwarten. Wenn sie dir aber nicht verliehen oder auch heimlich entzogen wird: so schreibe es dir und deinen Sünden zu. Bisweilen ist es ein Geringes, was die Gnade hindert und verbirgt; wenn anders das ein Geringes und nicht vielmehr etwas Großes zu nennen ist, was uns eines so großen Gutes beraubt. Hast du aber dieses Geringe oder Große entfernt und vollkommen besiegt: so wird dir werden, um was du gebeten hast.

3. Denn sogleich, wie du dich Gott von ganzem Herzen ergeben hast, und nicht dieses oder jenes nach deinem Wunsch und Willen suchst, sondern dich ganz in seine Hände befiehlst; sobald wirst du dich mit ihm vereinigt finden und beruhigt; weil dir nichts so gut zusagen und gefallen wird, als Gottes Wille und Wohl-gefallen. Wer also sein Augenmerk mit einfältigem Herzen zu Gott empor gerichtet und sich von aller ungeordneten Liebe oder Abneigung gegen irgend ein geschaffenes Ding frei gemacht hat: der wird am geschicktesten sein, die Gnade zu empfangen, und würdig der Gabe der Andacht. Und je vollkommener Einer den niedrigen Dingen entsagt, und je mehr er sich selber durch Selbst-verachtung abstirbt, desto reichlicher kehrt sie ein, und desto höher erhebt sie das freie Herz.

4. Dann wird er schauen und vor Entzücken überströmen, und staunen, und sein Herz in ihm sich erweitern, daß die Hand Gottes mit ihm ist, und daß er sich ganz und auf ewig in die Hand des Herrn gelegt hat. Siehe, also wird gesegnet der Mensch, der Gott mit seinem ganzen Herzen sucht und seine Seele nicht an’s Eitle hängt. Ein Solcher wird bei dem Genusse des heiligen Abendmahles die große Gnade erlangen, mit Gott innig vereinigt zu werden, weil er nicht sieht auf die eigene Andacht und den eigenen Trost, sondern über alle Andacht und allen Trost auf Gottes Ehre und Verherrlichung.


Kapitel 16 - Daß wir Christo unsere Noth klagen und um seine Gnade bitten sollen.


Stimme des Jüngers.

1. O süßester und geliebtester Herr, den ich jetzt mit Andacht zu empfangen begehre, du kennst meine Schwachheit und die Noth, die ich leide: du weißt, in wie großen Sünden und Lastern ich liege; wie oft ich niedergebeugt, versucht, geängstigt und befleckt werde. Um Hilfe komme ich zu dir, um Trost und Er-leichterung flehe ich dich an. Zu dir, der Alles weiß, rede ich, zu dir, dem mein ganzes Inneres offenbar ist, und der allein mich vollkommen trösten und mir Hülfe gewähren kann. Du weißt, welcher Güter ich vor Allem bedürftig, und wie arm ich an Tugenden bin.

2. Sieh, ich sterbe vor dir arm und bloß, um Gnade bittend und um Barm-herzigkeit flehend. Erquicke deinen hungernden Bettler, entzünde mein kaltes Herz mit dem Feuer deiner Liebe, erleuchte meine Blindheit mit der Klarheit deiner Gegenwart. Wandle mir alles Irdische in Bitterkeit, alles Schwere und Widerwärtige in Geduld, und laß mich alles Niedrige und Geschaffene verachten und vergessen. Erhebe mein Herz hinauf zu dir, in den Himmel, und ziehe mich ab von dem Treiben der Erde. Du allein sollst mir von nun an lieblich sein bis in Ewigkeit; denn du allein bist meine Speise und mein Trank, meine Liebe und meine Freude, meine Süßigkeit und all mein Gut.

3. O möchtest du mich durch deine Gegenwart ganz entzünden, mich verbrennen und in dich umwandeln, daß ich Ein Geist mit dir würde durch die Gnade innerlicher Vereinigung und durch die schmelzende Kraft inbrünstiger liebe! Laß mich nicht hungrig und durstig von dir weggehen, sondern handle mit mir nach deiner Barmherzigkeit, wie du öfters mit deinen Heiligen wunderbar gehandelt hast. Was Wunder, wenn ich ganz durch dich entzündet würde und in mir selbst verginge; da du ein immer brennendes und nie verlöschendes Feuer, da du die Liebe bist, welche die Herzen vereinigt und den Verstand erleuchtet?


Kapitel 17 - Von der brennenden Liebe und dem heftigen Verlangen, Christum zu empfangen.


Stimme des Jüngers.

1. Mit höchster Andacht und brennender Liebe, mit aller Inbrunst und Gluth meines Herzens begehre ich dich, o Herr, zu empfangen, wie nach dir in der heiligen Kommunion verlangten so viele Heilige und Fromme, welche dir in Heiligkeit des Wandels am meisten gefallen und die glühendste Andacht gefühlt haben. O mein Gott, du ewige Liebe, du all mein Gut, du unendliche Seligkeit! dich möchte ich aufnehmen mit dem heißesten Verlangen und der tiefsten Ehrfurcht, die je ein Heiliger empfand und empfinden konnte!

2. Und wiewohl ich unwürdig bin, alle jene Gefühle der Andacht zu haben; so bringe ich dir doch meines Herzens ganzes Begehren dar, als hätte ich alle jene, dir so wohlgefälligen, entflammten Begierden allein. Aber auch, was immer ein frommes Gemüth fassen und verlangen kann: das Alles bringe ich mit tiefster Ehrfurcht und brünstiger Liebe dar, und opfere es dir. Nichts wünsche ich mir vorzubehalten, sondern will mich und all das Meinige dir aus freien Stücken und mit größter Freude hingeben. Herr, mein Gott, mein Schöpfer und mein Erlöser, mit solcher Begierde, Ehrfurcht, Lobpreisung und Ehre, mit solcher Dankbarkeit, Würdigkeit und Liebe, mit solchem Glauben, solcher Hoffnung und Reinheit begehre ich dich heute zu empfangen, wie dich empfangen und begehret hat deine heilige Mutter, die glorreiche Jungfrau Maria, als sie dem Engel, der ihr das Geheimniß der Menschwerdung verkündigte, voll Demuth und Ergebenheit antwortete: „Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe nach deinen Wort.“ (Luc. 1,38.)

3. Und wie dein seliger Vorläufer, Johannes der Täufer, der Vornehmste unter den Heiligen, in deiner Gegenwart vor Entzücken hüpfte in der Freude des heiligen Geistes, da er noch im Mutterleibe verschlossen war; und wie er nachmals, als er Jesum unter den Menschen wandeln sah, sich tief demüthigte und mit andächtiger Liebe sprach: „Der Freund aber des Bräutigams, der dasteht und ihn hört, freuet sich hoch über des Bräutigams Stimme“; so wünsche auch ich von großen und heiligen Begierden entflammt zu werden und dir mich selbst von ganzem Herzen darzustellen. Darum opfere ich dir auch aller andächtigen Herzen Jubelgesänge, glühende Empfindungen, Geistesentzückungen, über-natürliche Erleuchtungen und himmlische Gefühle, und biete sie dir sammt allen Tugenden und Lobpreisungen, die dir von allen Kreaturen im Himmel und auf Erden je dargebracht worden sind und noch dargebracht werden sollen, für mich und Alle dar, die sich mir zur Fürbitte empfohlen haben, auf daß du von Allen würdig gelobt und immerdar verherrlicht werdest.

4. Nimm an mein Gelübde, Herr, mein Gott, und das Verlangen, dich ohne Ende zu loben und ohne Maß zu preisen, wie es dir nach der Fülle deiner unaus-sprechlichen Größe mit Recht gebührt. Das bringe ich dir, und möchte ich dir alle Tage und Augenblicke bringen. Und ich lade alle himmlischen Geister und alle deine Gläubigen mit dringenden Bitten ein, und flehe sie inständig an, daß sie mit mir Dank und Lob dir entrichten.

5. Loben sollen dich alle Völker, Stämme und Zungen, und verherrlicht sollen sie deinen heiligen und honigträufelnden Namen mit höchstem Jubel und glühender Andacht! Und Alle, die mit Ehrfurcht und Andacht dein erhabenstes Sakrament und mit vollem Glauben empfangen, mögen gewürdigt werden, Gnade und Barmherzigkeit bei dir zu finden, und für mich Sünder flehentlich bitten. Und wenn sie der erwünschten Andacht und der genußreichen Einigung theilhaftig geworden und wohl getröstet und wunderbar erquickt von dem heiligen, himm-lischen Tische hinweggegangen sind, so mögen sie auch an mich Armen ge-denken.


Kapitel 18 - Daß der Mensch nicht über das heilige Abendmahl vorwitzig grübeln, sondern glauben und Christo demüthig nachfolgen soll.


Stimme des Geliebten.

1. Du mußt dich hüten vor der unnützen und vorwitzigen Grübelei über dieses unerforschliche Sakrament, wenn du nicht in den Abgrund des Zweifels versinken willst. Wer die göttliche Majestät ergrübeln will, der wird von ihrer Herrlichkeit zerdrückt. Gott vermag mehr zu wirken, als der Mensch begreifen kann. Erlaubt ist eine fromme und demüthige Erforschung der Wahrheit, sofern sie stets bereit ist, sich bekehren zu lassen, und sich bestrebt, nach der gesunden Lehre der Väter zu wandeln.

2. Selig die Einfalt, welche die schwierigen Wege der Untersuchungen verläßt, und auf dem ebenen und festen Pfad, der Gebote Gottes einherwandelt. Schon Viele büßten die Andacht ein, da sie das Höhere ergründen wollten. Glaube wird von dir gefordert und ein reines Leben; nicht hoher Verstand, noch tiefe Er-kenntniß der Geheimnisse Gottes. Wenn du nicht verstehest und begreifest, was unter dir ist: wie wirst du fassen, was über dir ist? Unterwirf dich Gott, und demüthige deinen Sinn unter den Glauben, und es wird dir gegeben werden das Licht der Erkenntniß, soweit es dir ersprießlich und nöthig ist.

3. Manche werden schwer versucht wegen des Glaubens und des Sakraments; aber das ist nicht ihnen selbst, sondern vielmehr dem Feinde anzurechnen. Kümmere dich nicht, streite nicht mit deinen Gedanken, antworte auch nicht auf die vom Teufel dir eingegebenen Zweifel: sondern glaube den Worten Gottes, glaube seinen Heiligen und Propheten, und weichen wird von dir der böse Feind. Oft ist es sehr heilsam, daß ein Diener Gottes dergleichen aussteht. Denn die Ungläubigen und Sünder, die er schon sicher besitzt, versucht er nicht; aber die andächtigen Gläubigen versucht und beunruhigt er auf mancherlei Weise.

4. So fahre denn fort, und nahe dich dem Sakrament mit einfältigem und unge-zweifeltem Glauben und mit tiefster Ehrfurcht. Und was du nicht zu begreifen vermagst, das überlasse getrost Gott dem Allmächtigen. Gott täuscht dich nicht; getäuscht aber wird der, welcher sich selbst zu viel zutraut. Gott läßt sich gerne zu den Einfältigen herab, offenbart sich den Demüthigen, gibt Verstand den Unmündigen, öffnet reinen Herzen das Verständniß und verbirgt seine Gnade vor den Vorwitzigen und Hoffärtigen. Die menschliche Vernunft ist schwach und kann sich täuschen; der wahre Glaube aber kann nicht getäuscht werden.

5. Alle Vernunft und natürliche Forschung muß dem Glauben folgen, nicht vor-gehen oder ihn beschränken. – Denn Glaube und Liebe treten hier am meisten hervor, und wirken auf geheime Weise in diesem heiligsten und allererhabensten Sakramente. Gott, der Ewige und Unermeßliche, dessen Macht unendlich ist, thut Großes und Unerforschliches im Himmel und auf Erden, und seine Wunder-werke kann Niemand ergründen. Wären die Worte Gottes der Art, daß sie von der menschlichen Vernunft leicht begriffen würden: so wären sie nicht mehr wunderbar, noch unaussprechlich zu nennen.