VOM ÄRGERNIS.

 

... „Ärgernis“ bedeutet eine mit Verachtung verbundene Kränkung ... Der Zweck meines Buches macht es erforderlich, über das Ärgernis zu sprechen. Man hat bisher nicht nur in der Lehre – wenn auch da der Irrtum am verderblichsten war – , sondern auch in den Zeremonien geirrt, und auch hier nicht gerade leicht, da wir die äußeren Elemente dieser Welt für geistige Werte nahmen, Eitelkeiten für sichere Wahrheit. Ich will daher vor allem vom Ärgernis der Lehre sprechen, wie weit man da nachsichtig sein muss. Überhaupt nicht. Denn sobald Du den Auf-trag bekommen hast, musst Du die Lehre verkündigen und darfst Dich nicht auf Fleisch und Blut verlassen Gal 1,16. Aber Maßhalten muss man in der Lehre ... Das schätzt auch Christus hoch, und Paulus rühmt sich 1. Kor. 3,2, er habe die Korinther anfänglich mit Milch gespeist. Man kann also nicht sicherer oder besser beginnen als nach dem Beispiel des Johannes, Christi und der Apostel mit den Worten: „Ihr seid sehr schlecht, vom Wege Gottes so oder so abgewichen; wenn Ihr daher Euer Leben nicht ändert, droht grausame Rache. Gott ist gerecht, er wird sich nicht scheuen, zu strafen; denn er hat schon die Axt an die Wurzel gelegt. Tut also Buße und empfindet Reue über Eure Sünde, so werdet Ihr plötzlich einen gütigen Vater haben; bessert Ihr Euch nicht, so werdet Ihr den harten Richter spüren. Er ist gerecht, aber zugleich gütig, liebt sein Schöpfungs-werk und hat uns zum Erweis seiner Güte seinen eingebornen Sohn gegeben, auf dass wir durch ihn leben sollten. Wir werden auch auf diese Weise das Leben bekommen. Ich habe Euch ermahnt, Ihr solltet aus schlechten Menschen die aller besten werden. Das bringt Euch in neue Verzweiflung – ; denn wer war je so unschuldig oder gerecht, dass er auf seine Gerechtigkeit zu vertrauen wagte? Damit Ihr nun nicht in solcher Verzweiflung ganz umkommt, will ich zeigen, wer die göttliche Gerechtigkeit für uns versöhnt hat, sodass wir sie nicht mehr als unabwendbar zu fürchten brauchen. Christus hat aller Menschen Sünden durch seine Unschuld gesühnt. Vertraust Du auf ihn, so wirst Du selig werden, so jedoch, dass Du den alten Adam ausziehst und Christus anziehst“ ... Hast Du so die Erkenntnis Gottes, des Menschen, Christi richtig gelehrt, und der Herr hat das Wachstum dazu gegeben – das wirst Du leicht an den Früchten erkennen – , so wird aller Greuel und Irrtum, der sich gegen Gott erhob und als wahre Gottes-verehrung galt, zusammenbrechen. Denn wenn jeder gelehrt wird, dass Christ-Sein bedeutet: unschuldig leben und auf einen Unschuldigen, nämlich Christus, vertrauen, dessen Kreuz der Christ auf sich nimmt und ihm nachfolgt, so wird er die trügerischen Hoffnungen verachten, die man uns von gewisser Seite her in Sakramenten, Zeremonien und Kreaturen gezeigt hatte, und erkennen, dass sein Ein und Alles in Gott liegt. Darum ist es unklug, zuerst das Schwerste und am stärksten zum Widerspruch Reizende vorzutragen, selbst wenn es den schon etwas Geförderten leicht erscheint. Zum Beispiel: Wenn Du das Christentum mit der Verachtung des seit einigen Jahrhunderten bestehenden Irrtums der Heiligenverehrung beginnst, wirst Du die Lehre eher vernichten als einschärfen. Auch wenn das Herz mächtig zu solchen Gedanken drängt: „Ihr irrt in Eurer Verehrung von Wesen, die keine Götter sind; werft alle Hoffnung auf Gott, nicht auf die Kreatur! Wer die Kreatur an des Schöpfers Stelle setzt, ist gottlos; wer aber die Kreatur anruft, hält sie für Gott. Denn Gott ist für jeden das, worauf er vertraut, es werde ihn befreien oder beschenken, oder was ihn bedrückt oder was er bedarf“. Muss man beim Beginn das Ziel im Auge haben, möglichst viel Frucht für den Herrn zu erzielen, so wird man niemals bei dem beginnen, was die ganze Sache verdirbt; vielmehr die notwendigsten Punkte, wie die Erkenntnis Gottes, des Menschen, des Evangeliums, treu und geschickt vortragen, anderes aber bis zu besserer Gelegenheit unterdrücken. Soviel in aller Kürze über die Verhütung des Ärgernisses in der Lehre ... Nun komme ich zu den Äußerlich-keiten und will zeigen, wie man es da mit dem Ärgernis halten soll. Die Äußer-lichkeiten betreffen teils Speise und Trank, teils die Lebenshaltung, teils schein-bar Heilsnotwendiges, das es aber nicht ist ... Zu Speise und Trank: Gottes Wort ist frei und lässt sich nicht an bestimmte Zeiten binden ... Wäre durch Gottes Wort bestimmt, sich von gewissen Speisen zu enthalten, so bedürfte es keiner päpstlichen Gesetzesverfügung. Folglich tut der Papst, was er gesetzmäßig verfügt, von sich aus. Wenn er aber ein Gesetz abschafft, nachdem er Geld bekommen hat, so beweist er damit, dass das Abgeschaffte nicht göttlich war. Denn wer kann ein göttliches Gesetz abschaffen? 1. Tim. 4,1-4 ... Mit dem Ärgernis muss man es hier so halten: Du musst sehen, ob Dein Nächster schwach, widerspenstig oder fromm ist. Den Schwachen musst Du zu Dir nehmen, das heißt: ihm die Hand reichen, damit er sich zum Maße Deiner Erkenntnis erheben kann. Und das darfst Du nicht auf wunderlichen Umwegen machen – die verwirren nur noch mehr und klären nicht auf – vielmehr mit dem klaren Worte: „Den Reinen ist alles rein“ Tit 1,15, 1. Tim. 4,4, Mat. 15,17 ... Ist der Nächste widerspenstig, so musst Du wiederum ihm nachgeben, wenn Dein Essen irgendwie Anstoß geben könnte. Denn Du darfst der Speise wegen nicht ein Werk Gottes zerstören, das heißt: wir dürfen um der Freiheit der Speisen willen nicht das Evangelium verhasst werden lassen. Kannst Du ohne Unruhe und Anstoß nach genügender Belehrung essen, so darfst Du es. Es geht bei uns Sterblichen nicht so zu, dass das Richtigste allen gefällt; es wird immer Gegner geben. Darauf aber müssen wir immer sehen, den Werken des Friedens nach-zustreben Apg. 16,3, Gal. 2,3 ... Derart also müssen wir in der Frage nach Speise und Trank nach Frieden und Ruhe streben, dass wir den Schwachen, solange sie schwach sind, nachgeben; den Widerspenstigen, solange wir ohne Unruhe unsere Freiheit nicht frei gebrauchen können. Sollten wir beständig jedem Wider-spenstigen nachgeben müssen, so wäre es überhaupt mit der Freiheit aus. Denn es gibt immer Freche, die keck Alles zu verleumden wagen. Handelt es sich aber um fromme Nächsten, so erregt Dein Essen keinen Anstoß; nur Maß musst Du halten. Zur Lebenshaltung: Wir müssen alle ganz unschuldig wandeln, damit durch unsern guten Wandel die Ungläubigen angefeuert werden, dem zu folgen, dessen Schüler so lauter leben. Wir müssen also sofort die heidnische Zügel-losigkeit ablegen; reichlich lange genug haben wir so lange nach der Regel des Fleisches gelebt 1. Pet. 4,2, Röm. 13,12-14, 1. Kor. 5,11 ... Jedermann muss sich also von der Hurerei so weit wie möglich fernhalten. Es weiß aber auch jeder-mann, dass die Hurerei ein großes Verbrechen ist. Da wirst Du sagen: folglich darf man, sobald man die Unmöglichkeit keusch zu sein, spürt, heiraten, da ja kein Verbot und keine Abmahnung besteht; daran kann Niemand Anstoß nehmen, da jedermann die Ausrottung der Hurerei befürwortet. Aus diesem Grunde habe ich wirklich eine Zeit lang geglaubt, in dieser Sache dürfe man auf Ärgernis keine Rücksicht nehmen. Nun sehe ich, dass jene beiden Punkte: „Hurerei muss von der christlichen Herde fernbleiben“, und: „Jedermann weiß, dass Hurerei eine Schande ist“ tragkräftig genug sind, dass Niemand mehr auf Ärgernis Rücksicht nehmen sollte; ich sehe aber gleichzeitig, dass der Antichrist, das heißt: der römische Papst, dank unserer Trägheit und Unwachsamkeit ein Ärgernis aufgerichtet hat, sodass wir Anstoß erregen, wenn wir jetzt aufwachen wollen. Denn wem hat er nicht die Ehe verboten gegen alles Gesetz Gottes? Da man ihm nun lange Zeit wacker geglaubt hat, musste man durchaus das Ärgernis respektieren, aber so wie bei der Lehre: man darf sie keineswegs ausschalten, muss sie vielmehr zeitgemäß anwenden. So muss man auch die Hurerei gänzlich ausrotten und, wenn Du fleischlich Brunst leidest, die Ehe dazu einführen, aber zur rechten Stunde. Deshalb haben auch einige Brüder bei uns, um Anstoß zu vermeiden und das quälende Gewissen zu heilen – die Hurerei drückte sie – heimlich eine Ehe geschlossen; es sollte nicht das der Hurerei schuldbewusste und von dieser Wunde getroffene Herz alles lauer, als nötig ist, tun. Sie haben den Abschluss der Ehe verheimlicht bis sich die Gelegenheit ergeben würde, offen die Lehre von der Ehe zu behandeln. Sobald das geschehen war, sodass alle deutlich sahen, es sei kein Grund da, die Ehe jedem, der wolle, freizugeben, begannen sie allenthalben als junge Ehemänner offen aufzutreten. Da haben einige Tyrannen die Unschuldigen getötet andere sie von den Pfründen gestoßen und abgesetzt. Nun entstand die Frage: hätten diese Leute, die so früh ihre Ehe veröffentlichten, etwas länger warten sollen? Ich antworte: Nein, nachdem die Lehre trefflich klargelegt war. Eine gottlose Obrigkeit kann niemals dazu gebracht werden, nicht grausam zu wüten. Es gab freilich einige unkluge oder falsche Brüder, die der Ansicht huldigten, das Christentum finge mit der Ehe an; da miss-billige ich nicht die Sache, aber die mangelnde Einsicht; es war wenig einsichts-voll, nur durch die Ehe sein Christentum zu bekunden. Diese Leute haben offenbar mitunter Anlass zu Unruhen gegeben, statt sie zu verhüten ... Zu den scheinbar heilsnotwendigen Äußerlichkeiten: Man muss klar machen, wie diese scheinbar heilsnotwendigen Dinge nichts vermögen und nichts sind, genau wie bei der Lehre. Aber so, dass wir vorab uns an den halten, in dem allein die Gewissen Ruhe finden. Wir werden zeigen, dass wir mit diesen äußerlichen Zeichen mehr dem Nächsten als uns selbst etwas erweisen. Zum Beispiel mit Salbungen, Besprengungen, Weihungen und dergleichen. Wo durch die Wort-verkündigung schon Alles klargelegt ist, muss man diese Zeichen in Ruhe abschaffen; sie sind durch menschliche Erfindung eingeführt worden, ähnlich, wie das Verbot gewisser Speisen ... Scharf muss man einprägen, auf diese äußer-lichen Dinge keine Hoffnung zu setzen; denn sie vermögen nichts. Und dann muss man gewissen Schwachen nachgeben. Denn die Sinne lassen sich nicht ohne Weiteres davon überzeugen, das preiszugeben, was das Herz längst verworfen hat. Das soll man natürlich nicht so verstehen, als müssten diese Dinge beständig geduldet werden; vielmehr nur auf Zeit. Denn man muss dem Feinde die Waffen nehmen, damit er nicht etwa wiederum mit ihnen sich zum Kampfe rüste Luk. 11,22 ... Wenn Du nun fragst: Wer kann denn erkennen, wann die Abschaffung der Dinge eintreten soll, die man zeitweilig dulden muss? Wer kann wissen, wann Unruhe folgt, wann nicht?, so antworte ich: Der, dessen Auge recht und voll Einfalt ist; denn dessen ganzer Leib ist licht, ohne ein Stückchen Finsternis Mat. 6,22. Das heißt: wer auf seinen Herrn vertraut, Alles seinetwegen tut, um seiner selbst willen aber nichts. Denn wo man nur auf Gottes Ehre schaut, gerät Alles wohl … Wie aber wollen wir das Auge schärfen, sodass wir klar erkennen können, wann wir beginnen müssen? Ich antworte: Wir wollen es stählen in dem Feuer, das der Herr mächtig flammen zu sehen wünscht, das heißt: in der Liebe; die weiß Alles, sieht Alles, ist immer bereit zu bauen, nicht zu zerstören. Das Wissen bläht manchmal auf und zerbricht, aber es baut nicht. Bauen ist Sache der Liebe 1. Kor. 8,1, 13,7 f. Wo die Liebe ist, da ist Gott ... Haben wir es denn in unserer Hand, zu lieben? Keineswegs. Wir haben es auch nicht in der Hand, bauen zu wollen oder zu können, obwohl man sich allgemein rühmt, man baue für den Herrn – so frech ist die Heuchelei. Man muss beachten, dass Gott in uns das Wollen und Vollbringen wirkt Phil. 2,13; daher sind die, welche zur Ehre des Herrn bauen wollen, vom Herrn diesen Willen gelehrt worden. Merkst Du also, dass alle Deine Pläne dahin zielen, die ganze Welt Gott untertan zu machen, und Du Alles um Gottes willen tragen und tun kannst, so sei gewiss, Gott hat das in Dir gewirkt. So prüfe Dich nun und sei Dein eigener Richter! Niemand außer Dir selbst weiß, ob Du etwas Hinterlistiges im Herzen hegst. Merkst Du nun, dass Du von Herzen und wahrhaftig Christi Ehre suchst, so ist dank göttlicher Macht Dein Wille zu ihm geführt worden Joh. 6,44 f. Du wirst sprechen: Wer sagt es denn der Kirche, ob der, welcher für Gott zu bauen beginnt, mit dem Herzen dabei ist oder nicht? Das muss man doch notwendig wissen. Denn sonst können wir, wie die Dinge liegen, leicht in größte Zwietracht geraten, wenn wir die Gesinnung der Bauenden nicht kennen, alle wollen sie ja zur Ehre Gottes zu bauen scheinen. Ich antworte: Auf vielen Wegen können die Einzelnen über den Bauenden urteilen, da lassen wir jedem seine Überzeugung. Der eine gibt diesen, der andere jenen Erkenntnisgrund für Betrug bei dem Bauenden an; nur möge nichts in Leidenschaft geschehen! Auf zwei Wegen vorab aber kann man unzweifelhaft das Herz des Lehrers erkennen: Den einen Weg hat Christus gelehrt; da wird der Lehrer an den Früchten erkannt, sei es, dass er sie hervorbringt oder sie sucht Mat. 7,20; ... Der zweite Weg ... ist dieser: Paulus schreibt Röm. 14,17 f.: „Das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im heiligen Geist. Wer in diesen Christus dient, gefällt Gott und den Menschen“. Wessen Arbeit also darauf abzielt, dass die öffentliche Gerechtigkeit blühe, jeder daheim vorab nach Un-schuld trachte; wer ganz darin aufgeht, dass, so viel an uns liegt, Friede mit allen Menschen gehalten werde, die Gewissen im Hafen des Glaubens und der Liebe Gottes Ruhe finden und nicht mehr von allerlei Winden umhergetrieben werden; wem nur das am Herzen liegt, dass alle aus menschlicher Begierde entstandene, die Menschen quälende Traurigkeit möglichst ausgerottet werde, und christliche Fröhlichkeit und Freundlichkeit allenthalben herrsche – , der baut wahrlich für den Herrn. Jeder aber erfährt es an sich selbst ob die ganze Kraft des Lehrers Gott und Unschuld atmet oder nicht ... Wo man Gott vertraut, da sehen wir den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen Luk. 10,18. So wollen wir Unschuld pflanzen, Liebe und Herzensfreudigkeit im heiligen Geist; so werden wir Satan vom Himmel reißen und in allen Dingen recht auf das Ärgernis achten. Gott steht zu seinem Werke.

 

VON STATUEN UND BILDERN.

 

... Niemand ist so töricht, die Abschaffung von Bildern und Statuen da für nötig zu halten, wo ihnen keine Verehrung erwiesen wird … Wo man sie aber verehrt, wer wollte da so unsinnig, um nicht zu sagen: gottlos, sein; die Duldung für notwendig zu halten, natürlich unter Rücksichtnahme auf die Frage des Ärgernisses? Wenn die Zerstörung der Statuen und Bilder nirgends in der heiligen Schrift geboten wäre, wo immer man sie verehrt, so würde die Liebe genügen, die ohne Zweifel jedes gläubige Herz dazu treibt, den Aufwand für die Bilder den Armen zuzu-wenden. Denn sobald die menschliche Vernunft spricht: „Zu Ehren Gottes oder irgend eines Heiligen sollst Du diese Statue errichten,“ widerspricht der Glaube und wünscht die der Ehre Gottes zugedachte Ausgabe den Armen zugewandt zu sehen. Denn wenn Christus auf den Einspruch des Judas hin allen Jüngern sagte: „Arme habt ihr alle Zeit bei euch, mich aber nicht, und denen könnt ihr Gutes tun“ Joh.12,8, so schob er alle sichtbare Verehrung von sich weg auf die Armen … Sagt man nun: „Durch die Bilder wird der Mensch belehrt und zur Frömmigkeit angeregt“, so redet man das auf eigene Verantwortung. Nirgends hat Christus diese Unterrichtsweise gelehrt, er würde sie aber nicht übergangen haben, wenn er ihren künftigen Nutzen vorausgesehen hätte; da er vielmehr alles Zukünftige wohl weiß, sah er voraus, dass wir uns häufig dem Sinnenfälligen zuwenden würden, und wollte deshalb nicht, dass wir die Bilder um der Lehre willen hochschätzten. Denn denen, die uns lehren, sind wir offenbar etwas schuldig. Durch Gottes Wort sollen wir unterrichtet werden, äußerlich, durch den heiligen Geist innerlich, in Fragen der Frömmigkeit, nicht durch Werke von Künstlerhand. Doch ich kehre zur Verehrung zurück. Wer hat nicht öffentliche Bilderverehrung gesehen? Hat sie etwa den Pfaffen kein Geld eingebracht? Wo haben die Mönche sich je so demütig arm gestellt, dass sie nicht für die Bilder-verehrung Almosen erbettelt hätten? Was soll ich das Gold, Silber, die Edel-steine, Perlen nennen, aus denen die Bilder, wie einst bei den Heiden, bestehen, oder von denen die Gewänder so strotzen, dass sie, wenn Du so willst, das Bild ausmachen? Haben wir nicht alle die Berührung der Bilder für eine heilige Sache gehalten? Warum haben wir die Bilder geküsst, die Knie gebeugt, den bloßen Anblick so teuer bezahlt? Der Herr, sage ich, wünscht ihre Entfernung. Wiederum wirft man ein: Die Bilder werden nicht verehrt, sondern die Personen, die hinter ihnen stehen. Ich antworte: So dumm sind auch die Heiden nicht gewesen, dass sie steinerne, eherne oder hölzerne Bilder um ihrer selbst willen verehrt hätten, vielmehr verehrten sie in Ihnen ihren Jupiter und Apollo. Wenn daher auch die heilige Schrift oft die Bilderverehrung verspottet, wie wenn die Verehrer Stein und Holz verehrten, so wusste doch jedermann, dass man jenen Stoff keineswegs verehrte, vielmehr in ihm die vermeintlichen Götter. Da aber jene Götter nichts sind, außer vielleicht Dämonen, die mit den armen Menschenkindern Spott treiben, heißt es zum Beweise der Verachtung dieser Nichtse, sie wären nichts Anderes als Stein oder Holz, Gold, Erz, Silber, um die Verehrer stärker abzu-schrecken. Wenn man also sagt: Wir verehren die Bilder nicht – das ist aber falsch; denn tatsächlich verehren wir sie prunkhafter als je die Heiden ihre Götzen verehrten, doch ich lasse das dahingestellt – , so folgt daraus nicht, man dürfe immerhin Bilder haben. Aus einem doppelten Grunde: 1. Ausdrücklich ist im neuen und alten Testament die Verehrung der Götzen verboten. Denn dadurch unterscheiden sich die Verehrer des einen und wahren Gottes von den Götzen-dienern, dass wir den unsichtbaren Gott verehren, der seine Darstellung in irgend einer sichtbaren Form verbietet, jene aber ihre Götter verschiedenartig abbilden. Deshalb durften die Christen niemals ihren Gott bildlich darstellen, um nicht als gottlose Menschen zu erscheinen; noch viel weniger die Heiligen, die man auf keine Weise verehren durfte, auch nicht zu ihren Lebzeiten. Der Einwand: „aber Christus?“ ist so unverständig, dass es mich von Anfang an ekelte, auf alle diese Narrheiten zu antworten. Denn wie kann verborgen bleiben, dass Christus, sofern er sichtbar und Mensch ist, keineswegs, wohl aber, sofern er Gott ist, verehrt werden muss? Sagt man also, Christus könne als Gott bildlich dargestellt werden, so täuscht man sich; denn seine göttliche Natur kann und darf keine Kunst abbilden. Sagt man aber, er könne als Mensch abgebildet werden, so frage ich, ob man das Bild verehren darf oder nicht? Das wird man zweifellos verneinen; denn kein Bild darf verehrt werden. Darf man das nicht, so doch vielleicht die reine Menschheit Christi? Das wird man wiederum verneinen. Was meinen wir denn nun eigentlich, wenn wir sagen, wir verehrten Christus im hölzernen Kreuz? Die göttliche Natur? Aber die kann ja nicht abgebildet werden. Die menschliche? Aber die darf nicht so verehrt werden, viel weniger noch ein Bild der durch Christi Blut Erlösten. Doch wer will in Kürze allen Streitfragen antworten? ... 2. Wir dürfen deshalb keine Bilder haben, auch wenn wir sie nicht verehren, weil der Grund, den man für die Gestaltung der Bilder geltend macht, unsere große Lauheit zeigt; zunächst, dass keine Gottesliebe in uns ist – denn die genügte als Sporn zum rechten Leben – ; sodann, dass die Nachfolge von allerlei Beispielen nicht sicherer ist als die Nachfolge dessen, der keine Ab-bildung wünscht. Spüren wir also eine laue Gottesliebe in uns, sodass wir zu jedem göttlichen Werke schlaff sind, so nützen Bilder gar nichts, um das Herz zur Gottesliebe zu entflammen. Einen gewissen läppischen, bald wieder ver-schwindenden Reiz kann das Bild hervorrufen, aber nicht Liebe entzünden. Den Herd anzünden, auf dem die Speise als Opfer liegt, kann das Holzbild, aber auf dem Herzensaltar viehische Gelüste verbrennen kann nur der göttliche Geist ... Nun wollen wir sehen, ob nicht alle Statuen und die meisten Bilder deshalb in den Gotteshäusern stehen, um uns an die Helfer zu erinnern, zu denen wir im Unglück Zuflucht nehmen sollen. Wir haben eine hölzerne Magdalena aufgestellt, damit sie uns an die erinnerte, der viele Sünden vergeben wurden, nicht, dass wir sie nachahmen, zu den Füßen des Herrn sitzen, sein Wort hören und ihm nachfolgen wollten, sondern um Hoffnung auf diese Himmlische zu setzen: wie sie, durch die Schwäche ihres Fleisches überwunden, ihren Gelüsten zu stark nachgegeben hatte, so wird sie auch heute bei Gott für die Hurer eintreten, ja, die Hurerei selbst vergeben. Viele haben nämlich den Heiligen zugeschrieben, was Gott allein zusteht. Wir haben Magdalena nachgerade zur Göttin gemacht; das kann in Wahrheit Niemand leugnen. Ihr Bild haben wir gerade um des willen verehrt, gleichsam als Gunstbeweis für unsere Göttin. Und diese Bilder sollen wir noch beibehalten wollen? Sehen wir denn nicht, wie alle zu den Stätten um Hülfe eilen, wo Bilder aufgestellt sind? Zu einer gewissen Anna – denn ob die Mutter der jungfräulichen Gottesgebärerin so hieß, steht nach der heiligen Schrift nicht fest – zur heiligen Anna, sage ich, hat man allenthalben gebetet, aber zugleich allenthalben ihr Standbilder errichtet; sofort fiel das Volk davor nieder und dünkte sich selig, wenn es zum Kuss oder zur Berührung des Holzes zugelassen wurde. Schau, wie wir da ein Bild verherrlichten, das der Maler oder besser: unser Wahnwitz zum Gott erhob. Können also ohne solche Gefahr keine Bilder in den Gotteshäusern sein, warum halten wir diese Dinge, die uns so von Gott ent-fernen, irgend einer Verteidigung für wert? Unbedingt müssen die, deren, einzige Hoffnung der Herr ist, alles hassen, was nur irgendwie an das erinnert, was von Gott entfernt. Beseitige das Bild der Anna, so wird Niemand dorthin laufen, wo es früher stand ... Je größer und reiner unser Glaube an Gott ist, um so größer auch der Eifer, alles von Gott Entfernende zu beseitigen ... Doch ich füge hinzu: Da eine bestimmte Gefahr der Verminderung des Glaubens da besteht, wo Bilder im Gotteshause sind, nämlich die Gefahr der Anbetung und Verehrung, müssen die Bilder im Gotteshause beseitigt werden, wo nur immer diese Gefahr vorliegt. So müssen auch die Bilder beseitigt werden, die der Frömmigkeit anstößig sind oder den Glauben an Gott mindern; derart sind alle menschlichen Abbildungen auf den Altären und in den Gotteshäusern, auch wenn man sie anfänglich nicht Heiligen errichtete. Denn die Zeit vermag ein Bild zu verherrlichen; wir sehen, wie mitunter der schlimmste Tyrann und gottlose Mensch als Heiliger verehrt wurde, nur, weil man ihm einmal ein Standbild im Gotteshaus errichtete; das hat dann – im Gotteshaus ist ja Alles herrlicher – die liebe Einfalt umfasst und verehrt, als einige Reihen von Jahren das Bild geschwärzt und berußt hatten. Dement-sprechend braucht man meines Erachtens die Bilder nicht zu zerstören, die als Fensterschmuck eingesetzt wurden, vorausgesetzt, dass sie nichts Schädliches darstellen; denn Niemand verehrt sie dort. Kurz, wie förderlich die Entfernung der Bilder für die Frömmigkeit ist, glaubt nur recht, wer es erfahren hat. In Zürich begann – Dank sei dem Höchsten! – nach der Entfernung der Bilder auf Be-schluss des Rates und Volkes in der Zeit vom 20. Juni bis 2. Juli 1524 die Frömmigkeit und alles sittliche Streben gleichsam neu und viel herrlicher aufzublühen. Ich rede durchaus nicht aus persönlicher Leidenschaft; denn im Übrigen bewundert Niemand mehr Gemälde, Statuen und Bilder als ich; aber was der Frömmigkeit so anstößig ist, darf nicht geduldet, muss vielmehr wacker auf Befehl der Obrigkeit entfernt werden ... Was dabei die Rücksichtnahme auf das Ärgernis betrifft, so muss man es bei den Bildern halten wie bei den äußer-lichen Dingen, die scheinbar zum Heile gehören oder etwas bedeuten; darüber sprach ich ja beim letzten Punkte. Die Belehrung muss zuerst erfolgen, die Abschaffung der Bilder hernach, in Ruhe. Die Liebe aber soll allenthalben Lehrmeisterin sein.

 

ZUSAMMENFASSENDER SCHLUSS.

 

Nun will ich all das Ausgeführte kurz zusammenfassen, damit man nicht glaubt, die christliche Lebensregel sei so verworren und unerklärbar, dass Niemand sie mit wenigen Worten lernen und darlegen könne ... Das menschliche Leben unterscheidet sich nicht vom tierischen, wenn Du die Gotteserkenntnis weg-nimmst. Denn was haben die Menschen, was nicht ebenso auch die Tiere hätten? Die Menschen schützen sich und ihre Kinder, befriedigen ihre Begierden, fliehen die Bedürftigkeit. Genau so die Tiere. Der Mensch macht Gesetze und begründet Staatswesen; das tun auch einige Tiere, zum Beispiel Kraniche, Drosseln, Staare, Thunfische, Hirsche, Ochsen, Bienen, Schweine; sie halten sich an bestimmte Regeln, teilen bald die Menge in mehrere Haufen, bald schließen sie sie zusammen, wohnen bald hier, bald dort, und halten zumeist einander die Treue besser als die Menschen. Gott wollte den Menschen nicht in Unkenntnis von sich lassen und lehrte ihn stets so, dass er ihn sofort zurückrief, so oft er Gott vergessen zu haben schien; er sollte nicht entarten und lieber wie die Tiere umkommen wollen als mit dem Ewigen leben. So erklärt sich die besorgte Nachforschung nach dem Fall des Menschen: „Adam, wo bist du?“ 1. Mos. 3,9. Desgleichen die Strafe mit Feuer und der Wasserflut; die Furcht sollte den Menschen auch bei seiner Pflicht erhalten. Ferner die großen Verheißungen und Wohltaten ... So hat sich Gott von Anbeginn der Welt an auf mannigfache Weise dem Menschengeschlecht gezeigt, damit wir ihn als Vater und Verwalter aller Dinge anerkennen sollten. Darum ist in der Frömmigkeit das Erste, an den, den wir als unseren Gott bekennen, fest zu glauben als an den Quell und Vater aller Dinge; denn im anderen Falle werden wir niemals seinen Gesetzen ge-horchen. Das Zweite ist, uns selbst zu erkennen; fehlt uns nämlich die Selbst-erkenntnis, so nehmen wir kein Gesetz an. Denn wie sollte der ein Gesetz annehmen, der glaubt, dass ihm nichts fehle? ... Gott schützt das Menschen-geschlecht durch Gesetze, damit es nichts ohne Gesetz beginnt. Er hat ja, nicht nur das Volk Israel mit Gesetzen umgeben, sondern auch in der Heiden Herz das sogenannte Naturgesetz geschrieben. Denn so spricht einer ihrer Propheten, Juvenal: „Vom Himmel herab kam das: Erkenne Dich selbst!“ Auf Selbster-kenntnis beruht das Gesetz: „Was Du für Dich wünschest, tue auch den Anderen“ und umgekehrt: „Was Du nicht willst, dass man Dir tu’, das füg’ auch keinem Andern zu“ ... Doch was wird durch diese peinliche Fürsorge erreicht? Ein Doppeltes: Unschuldiges Leben hier auf Erden und Genuss ewiger Freude mit ihm nach Vollendung des Lebenslaufes. Denn welchen Zweck hätten Gottes-erkenntnis und Gesetze, wenn die Seele dasselbe Ende hätte wie der Leib? Wenn der Mensch in diesem Sinne Tier wäre, hätte es dann nicht genügt, ihn Tier sein zu lassen, anstatt falsche Hoffnungen in ihm zu erwecken? Gott wünschte, dass unter den vielen und mannigfaltigen Kreaturen das Menschen-geschlecht so auf Erden wohnte, dass es nach dem im Himmel ihm bereiteten Erbe streben solle. So gefiel es dem Höchsten ... Und da er wusste, dass sich der Mensch über die Art des im Himmel zu erhoffenden Erbes sehr wundern würde, gab er ihm einen gewissen Vorgeschmack dieser Glückseligkeit, aber nur verblümt, wie man sagt. Der Mensch sieht, wie hier Alles auf verwegene und unruhige Begierde abgestellt ist; wenn er nun Gott sagen hört: „Du sollst nicht begehren!“, schließt er natürlich, wo wahre Glückseligkeit sei, müsse die schädliche Begierde möglichst fern sein, und dass der Urheber dieser Seligkeit frei von jeder Begierde sein müsse. Er zweifelt also nicht, dass es sehr schön sei, solange wir hier auf Erden sind, von aller Begierde frei zu sein. Daher kommt der beständige innere Kampf und Streit. Das Herz möchte sich nach dem Bilde dessen formen, zu dem es hineilt, den es von Angesicht zu Angesicht sehen möchte, nämlich den gerechten, heiligen Vater, der die Gerechtigkeit, Heiligkeit, Reinheit, Licht, Ruhe, Erquickung, Freude und Seligkeit, alles zugleich selbst ist. Der Leib widerstrebt; seiner Natur nach verachtet er Alles, was das Herz schätzt, klebt am Irdischen und verachtet das Himmlische, hat gar keine Hoffnung, Gott zu schauen, so wenig wie die Erde, aus der er stammt; er folgt den Leiden-schaften, und wenn ihn einmal das Herz davon fernhalten will, so rebelliert er. Daher kommt der beständige Kampf zwischen Fleisch und Geist; solange wir nicht am erstrebten Ziele sind, hört er niemals auf. Das Herz müsste verzweifeln, wenn nicht der gütige Gott sich ihm so offenbart hätte, dass es auf seine Barm-herzigkeit fest vertrauen kann ... Des Vaters eingeborner Sohn ist deshalb gesandt worden, um diese aus der Zügellosigkeit des Fleisches, wie gesagt, stammende Verzweiflung des Herzens gänzlich zu beseitigen und uns das Musterbild für unser Leben zu geben. Denn diese beiden Punkte schärft Christus allenthalben ein, die durch ihn vollzogene Erlösung und die Forderung, dass die durch ihn Erlösten nach seinem Vorbilde leben sollen Joh. 6,57, 15,8 ... So ist also der ein Christ, der auf den einen und wahren Gott vertraut, der durch seinen Sohn Christus, den Gott von Gott, seiner Barmherzigkeit sicher ist und sich nach seinem Vorbilde gestaltet, täglich stirbt, täglich sich verleugnet, allein darauf bedacht, nichts zu tun, was seinen Gott beleidigen könnte ... Des Christen Leben ist darum ein Kampf, hart und schwer; nur zu seinem eigenen Schaden hört man damit auf. Umgekehrt ist’s auch ein beständiger Sieg; wer hier kämpft, siegt, vorausgesetzt, dass er vom Haupte, Christus, nicht abfällt. So wollte Gott den Menschen gleichsam als Amphibium; teils sollte er auf Erden wohnen, teils im Himmel; und wenn er auf Erden lebte, sollte er teils siegen, teils unterliegen, wir sollten aber das Warum? nicht erforschen. Da nun Gott nur dieses von uns fordert: Glaube und Unschuld, konnte es keine schädlichere Pest geben als das Menschenfündlein einer Mannigfaltigkeit der Gottesverehrung ... Wir haben Christus einen Stellvertreter untergeschoben, den wir in unserer Torheit an Gottes Stelle hören wollten ... Gehe nur alle Forderungen des frevelhaften Geizes durch, Du wirst finden, dass wir in ihnen die wahre Religion, das heißt: Glaube und Unschuld, in denen einzig und allein Gott verehrt wird, preisgegeben haben; eine andere Verehrung verlangt Gott nicht von uns, vielmehr verachtet er alle andere Fündlein so, dass er, was den Menschen groß erscheint, einen Greuel bei sich nennt. Nur mit dem kann man Gott ehren, was ihn freut ...

Glaube sind wir Gott schuldig, Gerechtigkeit und Unschuld uns und anderen, und Barmherzigkeit allen Armen … Was ich in diesem Kommentar gesagt habe, habe ich zur Ehre Gottes, zum Nutzen der christlichen Gesellschaft, und zum Besten der Gewissen gesagt. Gott walt’s!