VON DER SCHLÜSSELGEWALT.

 

Die Frage nach der Schlüsselgewalt steht nicht nur dem Evangelium nahe, sondern ist gar nichts Anderes als das Evangelium selbst; darum wird sie jetzt, an dieser Stelle, am besten behandelt ... Die falsche Religion ist über Wesen und Einsetzung der Schlüsselgewalt nicht einhellig. Einige verstehen unter den Schlüsseln die priesterliche Absolutionsgewalt, nach Belieben binden und lösen zu können; deshalb sagen sie auch offen in der sogenannten Absolutionsformel: „Der Herr Jesus Christus absolviere Dich, und ich absolviere kraft seiner mir anvertrauten Autorität“ etc. Andere schreiben alle Wirkungskraft dem Worte Gottes zu, dem Priester nur die Verwaltung, er ist nicht mehr als Instrument oder Werkzeug. Ein Glück für sie, dass sie diese Ansicht vor Ausbreitung der Papst-herrschaft äußerten! Heutzutage würden sie nicht ungestraft so sprechen können, trotzdem ihre Ansicht nicht richtig ist, wie klar werden wird. Über die Einsetzung der Schlüsselgewalt sind sie aber unter einander so wenig einig, dass man sich wundern muss, warum der römische Papst – er darf ja allein die Schrift auslegen, wie sie faseln – nicht durch ein Gesetz die Frage entschieden hat, damit die Uneinigkeit bei einer so wichtigen, besser: so vorteilhaften Sache aufhöre … Ich habe einst gesagt, das Wort „Schlüssel“ ist so auf die Befreiung der Seele übertragen worden, dass Verborgenes und Gebundenes durch den Schlüssel geöffnet und aufgedeckt wird. Denn die Gewissen sind ebenso allen verschlossen und unbekannt, wie sich selbst. Wie also Verschlossenes ohne den rechten Schlüssel nicht geöffnet werden kann, so können auch die Gewissen nur durch den rechten Schlüssel gelöst und frei gemacht werden. Hieraus dürfte schon klar sein, dass Gott allein das Herz absolvieren kann, wenn man sich auf Gründe und Gleichnisse beschränken wollte. Aber wir wollen hören, was der Mund des Herrn, unseres Gottes, spricht: Mat. 16,15-19 ... Hier sagt man nun: „es ist ganz klar, Petrus allein hat Christus geantwortet, und Christus hat nur zu Petrus geredet. Folglich gehören die Schlüssel nur Petrus und dem von ihm Bevollmächtigten“. Man wolle beachten, dass, wie Christus alle Jünger gefragt hatte, so auch Petrus im Namen aller antwortete, mag auch der Evangelist Matthäus keinen andern Jünger erwähnen. Johannes aber erwähnt im 6. Kapitel V. 67-69, da er dieselbe Antwort beschreibt, alle zwölf: „Jesus sprach zu den Zwölfen: Wollt auch ihr fortgehen? Da antwortete ihm Simon Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen – schau, „wir“ sagt er in aller Namen, nicht „ich“ – du hast Worte des ewigen Lebens, und wir glauben und haben erkannt, dass du Christus, der Sohn Gottes, bist.“ Wenn jene Antwort Mat. 16,16: „Du bist Christus, der Sohn Gottes“, die Verheißung der Schlüssel verdiente – und das ist so – , so wurden allen Jüngern die Schlüssel verheißen; denn alle bekannten, dass Christus der Sohn Gottes sei, wie hier Joh. 6,69 steht. Den Evangelisten ist es eigen, bis-weilen insgemein allen Jüngern eine Antwort in den Mund zu legen, wie Luk. 22,35, bisweilen nur einem, wie hier Mat. 16,16 und Joh. 6,69, wo beide Evange-listen nur den Petrus antworten lassen, aber der eine deutlich ihn im Namen aller reden lässt ... Aus dem allen erhellt, dass Christus nicht dem Petrus allein die Schlüssel verheißen hat, sondern allen, die auf die Frage hin ihn als Sohn Gottes anerkannten. Denn das ist ein Haupterfordernis bei den Predigern, dass sie selbst glauben, was sie andern predigen. Da also Christus die Jünger zur Predigt aussenden wollte, wünschte er darüber Klarheit, nicht um durch die Frage etwas Neues zu lernen, was er noch nicht wusste, sondern als Vorbild für uns, nicht unüberlegt jemanden zum Christen zu machen durch die Handauflegung 1. Tim. 5,22. Er wünschte, sage ich, zu wissen, ob die Jünger die rechte Meinung von ihm hätten; denn es ist für den Fortgang des Wortes, das heißt: der Schlüssel, sehr nützlich, wenn der Verwalter des Wortes kein Heuchler ist. Es ist bei der Verheißung der Schlüssel durchweg so gegangen, wie man es bei sich daheim zu machen pflegt. Nimm einmal an, Du hättest zwölf Söhne und verlangtest von ihnen rege staatsbürgerliche Betätigung, sie aber hätten das Recht, für sie zu antworten, dem Ältesten übertragen oder gewohnheitsmäßig zugebilligt und versprächen nun, um des Staates willen alle Lasten auf sich zu nehmen; da könnte es leicht geschehen, dass Du dem Ältesten um seiner verständigen und Deiner Söhne würdigen Antwort willen in Aussicht stelltest, eine wohl gezogene, hübsche, vornehme, reiche Frau, die eine edle Nachkommenschaft erhoffen lässt, für ihn zu suchen. Wie? Wirst Du dasselbe für die anderen etwa nicht tun? Zweifellos wirst Du allen Weib und Mitgift verschaffen, und Du hast keineswegs den Ältesten zum Herren der übrigen durch Dein Versprechen gemacht. So ist auch Petrus durch diese Verheißung der Schlüssel nicht über die übrigen gesetzt worden. Denn das Recht der Erstgeborenen: „sei ein Herr deiner Brüder“ 1. Mos. 27,29 hat in Christus sein Ende gefunden. Er, als der alleinige Herr und Gottes-sohn, hat unter uns alle Herrschaft beseitigt, er befahl, der Ältere solle wie der Jüngere, der Herr wie der Knecht werden. So, glauben wir, steht es fest, dass die Schlüssel nicht dem Petrus allein gehören und er auch nicht ihr Herr sei ... Der Name „Petrus“ wurde hier Mat. 16,18 nicht zum ersten Male dem Simon beige-legt, vielmehr bei jenem ersten Zusammentreffen, als ihn sein Bruder Andreas zu Christus geführt hatte Joh. 1,42. Denn damals sagte Christus zu ihm: „Du bist Simon, Joannas Sohn, du sollst Kephas, das heißt: Petrus, heißen.“ Vermutlich ist er nachher oft so genannt worden, wie die Evangelien berichten, besonders Mark. 3,16 ... So geben also die Worte: „Du bist Petrus“ den Grund an, warum er ihm den Namen einst gegeben hat. Wie wenn Christus sagte: „mit Recht habe ich dir den Namen “Petrus“ gegeben; denn du bist ein Petrus. Stark, klar und stand-haft bekennst du ja das allen Heilsame. Ich will auch auf diesen Felsen meine Kirche bauen, nicht auf dich; denn du bist nicht der Fels. Gott allein ist der Fels, auf dem jeder Bau ruhen muss. Zwei andere Jünger heißen „Donnersöhne“, nicht damit ihre Person verherrlicht werden oder ihr Wort tönen soll, vielmehr sollen sie standhaft Gottes Wort ausposaunen. So, lieber Petrus, bist du nicht der Fels – denn wie wäre die Kirche zusammengebrochen, als er zitternd auf das harmlose Wort der Türhüterin hin zu leugnen begann? – , aber du musst stark und fest sein bei der Verkündigung des wahren Felsen, sodass alle bei ihm unterkriechen, die nur immer die Gewalt von Sturm und Wetter überwinden wollen“. Dass der göttliche Apostel selbst Christi Wort so verstanden hat, bezeugt er selbst 1. Pet. 2,4 f. ... Nur Christus allein, nicht Petrus oder irgend eine Kreatur ist der Fels, auf den die Kirche gebaut ist, um gegen alles Ungestüm der Stürme bestehen zu können ... Das hätte ich beinahe vergessen: bisher hat das freche Rom so unklug um den Primat des Petrus gekämpft, dass es alles nur irgend Mögliche zum Beweise herangezogen hat. Und dabei hätte nur ein aufmerksamer und gläubiger Blick auf das Wort des ersten Petrusbriefes Kap. 5,1-3 zeigen können, wie frevelhaft sie die Wahrheit verachteten und beflecken. „Die Ältesten unter euch, spricht er, ermahne ich als Mitältester – Kollege der Ältesten ist er, nicht Herr oder Haupt. Wo bleiben also die, die den Zusammensturz der christlichen Ge-sellschaft behaupten, wenn nicht einer an der Spitze von allen steht? – und Zeuge der Leiden Christi, der der künftigen Herrlichkeit, die offenbart werden soll, teilhaftig werden wird. Ich ermahne, sage ich, weidet die euch anvertraute Herde Christi sorgfältig und wachsam, nicht mit Zwang, sondern gern und freiwillig, nicht um schmählichen Gewinnes willen, sondern gütig und wohlwollend; ihr sollt auch nicht das Erbteil Gottes mit Herrschaft bedrücken, vielmehr Muster und Vorbild der Herde sein.“ Schau, darin besteht der Prunk eines christlichen Hirten! Er weidet die Herde, sorgfältig wachend, zwingt nicht, es sei denn, dass Gottes Wort ihn selbst zwingt; er schaut nicht auf Gewinn, vielmehr tut er Alles wohl-wollend, das heißt: im Glauben und in Gottesliebe, Herrschaft maßt er sich nicht an, vielmehr will er nur ein unbeflecktes Beispiel seiner Herde sein. Von den “Pforten der Hölle“, über die wir nun sprechen müssen, hat man allerlei gesagt; ich missbillige es nicht, begnüge mich aber hier mit wenigen Worten. Die Höllen-pforten bedeuten Kraft und Macht der Unterwelt. So ist’s ja gemeinhin in den Städten, dass Turm, Graben, Wall, Verschanzung an den Toren am stärksten sind. Von da her gewann Christus diese Redeform; er wollte lehren, dass alle Kraft, Wehr und Sicherung der Hölle durch Christi Kommen zerbrochen wird, und dass diese Macht der Hölle denen, die in Christus Jesus sind, nicht schaden kann. Denn der Teufel ist der Gefangene des Siegers Christus geworden ... Es folgt: „Und ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben“. Hier behauptet man, es seien die Schlüssel übergeben worden. Das ist ganz töricht geredet. „Ich will geben“, spricht er, nicht: „ich gebe“ oder: „nimm hin“, wie manche Päpste in Verdrehung des Wortes auf die Münzen haben prägen lassen. Verheißen werden hier die Schlüssel, nicht gegeben ... Gegeben wurden die Schlüssel damals, als Christus, das Leben der Seelen, nach Überwindung des Todes auferstand, wie Joh. 20,23 berichtet wird. Hier wollen wir, wie man sagt, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zuerst wollen wir klar machen, was die Schlüssel sind; dann wird zugleich klar werden, wo sie gegeben worden sind. Christus nannte bildlich „Schlüssel“ die Befreiung und Tröstung der Seele. Sie tritt ein, wenn wir unter Erleuchtung des heiligen Geistes das Geheimnis Christi verstehen und ihm vertrauen. „Lösen“ ist also nichts Anderes als die Aufrichtung der am Heil ver-zweifelnden Seele zu gewisser Hoffnung. „Binden“ heißt, ein verstocktes Herz preisgeben ... Die Schlüssel haben also ein bestimmtes Kennzeichen, an dem Du sie leicht bei Nachforschung im Evangelium erkennen kannst. Dieses Kenn-zeichen sagte Christus Mat. 16,19 voraus, nämlich: Lösen und Binden. Etwas ganz Ähnliches begegnet zuerst Mat. 18,17 f., da Christus den schamlosen Sünder wie einen Gottlosen und Zöllner ausschließen heißt; da spricht er alsbald: „Was ihr auf Erden bindet, wird auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein“ ... Hier sind die Schlüssel nicht gegeben worden; denn es handelt sich nur um Ausstoßung und Wiederaufnahme der Bösen, während doch die Schlüssel etwas sein müssen, das alle Gewissen befreit und tröstet, nicht nur die frechen, öffentlichen Sünder. Und wenn Du fragst, warum Christus selbst dieses Gesetz des Bindens und Lösens gebraucht, nach dem wie an einem Kennzeichen die Schlüssel erkannt werden, so antworte ich: Christus gebraucht es wie einen Gemeinplatz und gibt dann die Anwendung. Denn wenn durch das Wort Gottes die Gewissen gelöst und gebunden werden, die nicht schamlos sich befleckt haben, so müssen um so mehr diejenigen gebunden, das heißt: gemieden werden, die sich befleckten; und umgekehrt die in die Gemeinschaft wieder aufgenommen werden, die im Schmerz der Buße sich geändert haben. Es ist also das gute Recht der Ausstoßung, Fernhaltung oder Exkommunikation der Schamlosen kraft der Schlüsselgewalt durch Christus selbst erwiesen; sie heißt die Ungläubigen meiden, ebenso die, welche mit dem Munde sich als Christen bekennen und mit der Tat ihn verleugnen. Desgleichen kann ein offenbarer Sünder, wenn er sich bessert, wieder aufgenommen werden, da die Schlüsselgewalt den Gottlosen von der Gottlosigkeit lösen und als Bruder zulassen heißt. Abgesehen von dieser Stelle Mat. 18,18 erscheint bei genauer Prüfung niemals mehr dieses Kennzeichen der Schlüssel, bis man zum 20. Kapitel des Johannesevangeliums kommt. Dort grüßt Christus nach seiner Auf-erstehung die Jünger mit den Worten: „Friede sei mit euch!“ – so sprechen auch die Engel bei seiner Geburt: „Friede auf Erden!“, es sollte allenthalben klar sein, dass er der Friede und die Erquickung der Seele ist. Dem entsprechend haben sich auch die Jünger, sobald sie ihn sahen, gefreut. Er wiederholt das Wort, damit es fester hafte: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater sandte, so sende ich euch“. Die Worte bei Markus 16,15: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur“ gab Johannes so wieder: „wie mich der Vater sandte“. Er hatte ihn aber gesandt zum Heil der Welt bis an alle Enden der Erde. So sendet er jetzt die Jünger, zur Predigt, das Heil sei allenthalben da. Ich erinnere noch daran, dass Joh. 20, Mark. 16, Luk. 24,47 dieselbe Begebenheit vom gleichen Tage berichten ... Wenn man die drei vergleicht, so wird das ganz klar. Gewiss hat dabei jeder Evangelist noch sein Besonderes, was Du bei einem anderen nicht findest; denn „vieles, ja Unzähliges hat Christus getan, das nicht in diesem Buche geschrieben steht“ Joh. 20,30. Johannes legte ganz besonderen Wert darauf, von den Hauptpunkten des Evangeliums nichts auszulassen und dann von den anderen Ausgelassenes in sorgsamer Nachlese hinzuzufügen ... Es folgen bei Johannes die Worte: „Als er das gesagt hatte, blies er sie an und sprach: Nehmet hin den heiligen Geist“ ... Und nun folgt das Kennzeichen der Schlüssel ... : „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen“, und umgekehrt: „welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“. Bisher haben wir nur über die Vergebung gesprochen. Wie aber die Apostel Sünden „behalten“ haben, ist seltsam, wo doch Petrus gelehrt wird, siebenzig mal sieben mal zu verzeihen Mat. 18,22. Wir finden nur zwei Arten von Vorbehalt oder Binden der Sünden bei den Aposteln. Einmal 1. Kor. 5,4 f., aber da handelt es sich um Exkommunikation kraft des Wortes ... Die zweite Art hat Christus Mat. 10,14 kundgetan: „Wer euch nicht aufnimmt und eure Worte nicht hört, von dem geht fort, aus der Stadt hinaus, und schüttelt den Staub von euren Füßen“. Offenbar ist „binden“ hier nichts Anderes als: im Irrtum lassen. So hat Paulus „gebunden“ Apg. 18,6, als er gegen die das Wort ablehnenden Juden den Staub schüttelte und zu den Heiden ging. Ähnlich Apg. 13,46. „Binden“ mit dem Worte ist also nichts Anderes als nach Christi Vorschrift preisgeben, wo man das Wort nicht annimmt, und mit den Verächtern keine Gemeinschaft haben … Nachgerade, glaube ich, sind die wahren Schlüssel von dem Rost menschlicher Überlieferung genügend gereinigt, sodass jeder sieht, sie sind nichts Anderes als die Verwal-tung und – bei Hartnäckigkeit des Unglaubens – Entziehung des Evangeliums. Mag man dagegen murren: „bist Du etwa überschlau? Willst Du die Säulen der Kirche lehren?“, so ändere ich um deswillen gar nichts; denn der, auf dessen Wort ich mich stütze, ist älter als die Alten und gelehrter als die Gegenwart. Im Glauben, mit dem wir Gott allein anhangen, erfahren wir, dass das menschliche Gewissen durch menschlichen Losspruch oder Absolution nicht beruhigt werden kann, wie man gesagt hat. Das Wort Gottes ist unser Lehrmeister, wenn auch unter menschlicher Vermittlung, obwohl wir durch das Wort nur gewiss gemacht werden, wenn der Geist des Herrn unsere Herzen weich macht für die Einpflan-zung des Wortes und der Hoffnung auf Gott. Also durch den Glauben, nicht durch die priesterliche Absolution, jene vom Papste autorisierten Worte, und ebenso wenig durch irgend ein anderes Sakrament kann der Mensch innerlich gewiss gemacht werden – das steht fest. Denn nur der Glaube weiß um die Stärke seines Vertrauens auf Gott durch Christus. Darum sollen die betrügerischen Papstschlüssel aus der Gemeinde der Gläubigen verschwinden, möglichst schnell. Sie suchten ja nichts Anderes als Herrschaft über die Gewissen, und darnach gewann der Geiz Zugang zu allen Schätzen. Er raubte, was er wollte im Interesse seiner Begierde. Hier wütete man im Laster so frech und offen, dass weder Wort noch Schrift die üble Wirkung dieser Schlüsselgewalt darlegen kann. Bei einem Ehebruch brauchtest Du nur diese Schlüssel an den Geldsack kommen zu lassen, so war’s kein Ehebruch mehr. Bei Wucher gegenüber dem Armen machte eine Spende an die Schlüssel Deinen Gewinn heiliger als mütterliches Erbe. Was kurz vorher Wucher war und Dir auf jeden Fall die Seligkeit versperrt hätte, Giftmord, Verrat, Räuberei, Meineid, das Alles tilgte die Schlüsselgewalt, aber Du musstest ein Stück Geld dran wenden. Und merk-würdig! Je mehr die Schlüssel abwuschen, desto wirkungskräftiger wurden sie, vorausgesetzt, dass tüchtig Geld gegeben wurde. Wer, bei Gott, ist so blind, nicht zu sehen, dass diese Narrheit nur unter göttlichem Zorn so hat einreißen können? Gott sei Dank, dass er den gegen alle Gewalt und Kunst unzer-brechlichen Riegel seines Wortes vor die Türe schob! Nun können die Schlüssel in die Gewissen und den Geldbeutel der Gläubigen nicht hinein, wie sie sich auch drehen mögen ...

 

VON DER KIRCHE.

 

Menschliche Vermessenheit hat Namen und Begriff der Kirche auf wenige Leute fälschlich eingeschränkt, wie wenn man unter einer Gesamtheit, einer Ver-sammlung, einem Volk nur einige wenige verstehen wollte. Denn die Kirche ist eine Versammlung, ein ganzes Volk, eine versammelte Menge. Wer also die Kirche nur einige wenige bedeuten lässt, irrt, wie wenn er das Volk den König, oder eine Landsgemeinde den Rat sein oder bedeuten ließe ... Jedermann weiß, dass das Wort „Kirche“ Ecclesia aus dem Griechischen stammt, und vom „Zusammenrufen“ abgeleitet ist. Daher wird auch im Lateinischen, das das Wort aufnahm, es bald für eine Schar, bald für eine Versammlung, für eine bestimmte Menge, für das Volk Israel, sei es nach dem Fleische, sei es nach dem Geiste, in der heiligen Schrift gebraucht. Man kann ja allenthalben im Alten Testamente beobachten, dass das hebräische „Kahal“ oder „Edah“ von der Septuaginta mit „Synagoge“ oder „Ekklesia“ wiedergegeben wird, in der lateinischen Übersetzung aber mit „Schar, Versammlung, Menge, ganzes Volk Israel“ oder auch mit „Ekklesia“. Wollte ich das ausführlicher nachweisen, so würde das meinen Vorsatz der Kürze umstoßen. Es wird daher der Hinweis an einige wenige bestimmte Stellen genügen ... (Zwingli bespricht 2. Mos. 12,3 und bemerkt dazu:) In dieser Weise wird, wie wir sehen, auch im Neuen Testamente „Kirche“ gebraucht für alle, die sich für Christen ausgeben und innerhalb der Christenheit weilen und leben, auch wenn sie in Wirklichkeit gar wenig gläubig sind. Zum Beispiel, wenn Paulus sagt, er habe die „Kirche“ Gottes verfolgt 1. Kor. 15,9; denn er verfolgte alle Christen, das heißt: die sich als Christen bekannten. Aber unter den Christen sind immer böse und ungläubige, wenn wir sie auch erst dann erkennen, wenn sie sich durch ihre Früchte verraten. Diese Kirche hat Christus selbst in hellen Farben Mat. 13,24-30 geschildert, wo er mit dem Gleichnis vom Sämann, der guten Samen auf den Acker säte, und vom Feind, das heißt: vom Teufel, der heimlich Unkraut darunter mischt, nichts Anderes zeigen will, als dass alle sogenannten Christen zwar das Wort aufnehmen oder wenigstens so angesehen werden wollen, nichts desto weniger aber auch den Teufelssamen eindringen lassen. Aber Gott duldet die Saat aus Weizen und Unkraut bis zum Tage der Ernte, ja, er heißt beides zusammen wachsen lassen … Darauf bezieht sich auch das Gleichnis vom Fischnetz Mat. 13,47-50 ... und das von den zehn Jungfrauen Mat. 25,1-13. Wir lernen hier, dass die Gesamtheit der Christen, die sich als gläubig einschätzt, ein gläubig Volk, eine Kirche genannt wird, trotzdem sie noch nicht unbefleckt ist; denn sie hat viele Flecken, die Christus gnädig duldet ... Es gibt nun noch eine zweite Art „Kirche“, die Paulus Eph. 5,25-27 mit den Worten beschreibt: „Ihr Männer, liebet eure Weiber, wie Christus die Kirche liebte und gab sich selbst für sie dahin zu ihrer Heiligung; er reinigte sie im Wasserbade durch das Wort, um sie mit sich zu verbinden, damit sie eine prächtige Kirche wäre ohne Fehl und Makel.“ Hier erkennt jeder, dass die „Kirche“ gleichsam die eine Taube im Hohenlied 2,14, 5,2, 6,8 ist; aber welche Kirche ist das? Die, für die Christus sich hingab, zu ihrer Heiligung für ihn; wenn sie dem Worte von der Hingabe Christi für uns glaubt, so wird sie in’s Wasserbad getaucht und so von ihm gereinigt, dass sie ganz glänzend und prächtig ist, Christi Braut, ohne allen Fehl und Makel. Folglich sind die, welche glauben, dass Christus uns so geliebt hat, dass er sich selbst für unsere Heiligung dahingab, Christi Kirche und frei von allem Fehl und Makel; denn Christus hat sie gereinigt, um sie mit sich zu verbinden. „Die der Sohn frei gemacht hat, die sind wahrhaft frei“ Joh. 8,36, und von Gott Gereinigtes durfte selbst Petrus nicht unrein nennen Apg.10,14 f. Jene „eine, schöne, fleckenreine Taube“ sind also nicht irgend-welche Bischöfe, mögen sie auch heilig, fromm, unbefleckt sein, vielmehr alle, die unerschütterlich an ihre Erlösung durch Christi Blut und ihre gleichsam bräutliche Verbindung mit ihm glauben. Denn die Kirche lässt sich nicht auf einige wenige Mitglieder, die sich selbst diese Ehre anmaßen, beschränken; sie erstreckt sich vielmehr über die ganze Erde und gewinnt überall ihre Mitglieder; je weiter und größer, desto schöner ist sie auch. Aber hier macht man den Ein-wand: eine solche Kirche existiert ebenso wenig wie Platos Staat; denn Niemand lebt sündlos, wir haben alle gesündigt und betrügen uns selbst, wenn wir die Sünde bei uns leugnen 1. Joh. 1,8. Wie kann es also irgendwo eine Kirche ohne Flecken und Makel geben?! Darauf antworten wir so: ohne Flecken und Makel ist sie nicht von sich aus, sondern dank Christi Gnade Eph. 5,25f. ... Christus hat sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen; denn wir sind nichts Anderes als eine Lasterbrut. Wollen wir rein sein, so bedürfen wir eines andern, der uns entsühnt. Das kann nur Christus sein Joh. 1,29, 16,23; Röm. 10,14 ... Die sich auf Christus verlassen, sind also ohne Flecken und Makel, deshalb weil Christus ohne Flecken und Makel ist, der unser ist; denn er hat uns geheiligt, damit wir durch ihn mit ihm vereint werden könnten. Das meint der göttliche Johannes im 2. Kapitel seines ersten Briefes: „Sündigt jemand, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten; der ist die Sühne für unsere Sünde“ 1. Joh. 2,1 f. vgl. Heb. 10,19-23. Diese Zeugnisse lehren uns klar, dass wir durch Christus ständigen Zugang zu Gott haben, da er als ständiger Priester und Versühner über das Haus, das heißt: die Kirche Gottes, gesetzt ist, voraus-gesetzt, dass unser gläubiges Bekennen unerschütterlich bleibt. Die also sind ohne Flecken und Makel, die in Christus sind; denn er allein kann sie ab-waschen ... Es ist etwas Großes um den Glauben, dass der gekreuzigte Christus Gottes Sohn sei. Dass das Gottes Werk sei, bezeugte er selbst Joh. 6,29: „Gottes Werk ist’s, dass ihr an den glaubt, den er sandte“. Alle also, die Christus vertrauen, sind auf den Fels gebaut, der durch keine Windsbraut, durch keine Wasserwogen erschüttert werden kann Mat. 7,25-27. Und alle auf diesen Felsen Gebaute sind Christi Kirche; „meine“ Kirche hat er selbst gesagt Mat. 16,18. „Seine“ Kirche aber kann nicht unrein und befleckt sein. Folglich sind die auf Christus Vertrauenden ohne Flecken und Makel; denn sie legen allen Wert darauf, nicht wieder in die Sünde zurückzufallen, in der sie früher tot lagen ... Das ist die unfehlbare Kirche – fälschlich und unverschämt maßen sich die Päpste die Unfehlbarkeit an. Denn diese Kirche Christi stützt sich allein auf Gottes Wort; das ist so fest und unbeweglich, dass eher Himmel und Erde zusammenstürzen können als ein Pünktlein von ihm Mat. 5,18. Hingegen die Papstkirche stützt sich auf ihr eigenes Wort. „Sie laufen zwar, als wenn sie der Herr gesandt hätte, aber Fantasien, das heißt: Einfälle ihres eigenen Herzens, reden sie“ Jer 23,16 … Dass sie das Licht des Glaubens nicht haben, beweist deutlich die Tatsache, dass sie nicht Gottes Wort allein predigen und bewahren. Ein gläubiges Herz schaut auf Gott allein, es kann auch nur Gottes, seines Bräutigams, Wort hören, nicht etwa Menschenwahn anderen in der Predigt einschärfen ... Christus stritt einen harten Kampf mit priesterlichen Verfügungen und Überlieferungen und hieß Gottes Wort allein hören. Folglich werden auch die, die stolz darauf sind, durch ihn in seinen Schafstall einzugehen Joh. 10,1 ff., gegen menschliche Über-lieferungen streiten und Gottes Wort allein verkündigen wollen; sonst sind sie nach dem Urteile des göttlichen Wortes „Diebe und Räuber“. Und wie können sie dann unfehlbar sein, da ja ihr Abweichen vom rechten Wege sie zu Dieben und Räubern machte?! Die Papstkirche kann also die unfehlbare Kirche, Christi Braut, nicht sein, vielmehr wirst Du sie bei genauer Abwägung am besten als „Diebe und Räuber“ bezeichnen. Es muss also wirklich noch eine schöne Kirche ohne Flecken und Makel geben, gegen die auch die Befestigungen und Tore der Hölle nichts vermögen, und die auch nicht fallen noch irren kann. Sie zeigt Christus in dem schönen Gleichnis von den Schafen und dem Hirten Joh. 10,11-30. Da lehrt er, dass die Schafe die Stimme des Hirten hören, wenn er der rechte Hirte ist, und ihm folgen. Einem Fremden aber folgen sie nicht, weil sie seine Stimme nicht kennen. So steht also das Urteil, ob der zu ihnen Kommende ein Hirt oder Dieb ist, ob die Stimme Hirten oder Feindesstimme ist, bei den Schafen? Woher sind sie so geschickt, da nicht fehl zu greifen? Daher, dass alsbald folgt: „Ich kenne meine Schafe, und sie kennen mich“. Woher kennen die Schafe Christus so klug, dass sie keine andere Stimme mit der seinigen ver-wechseln? Daher, dass sie von Gott erkannt sind Gal. 4,9; daher, dass sie der Vater gezogen hat – denn nur der kommt zu Christus, den sein Vater zog Joh. 6,44; daher, dass sie alle von Gott gelehrt sind Joh. 6,45. Folglich irren nur die Schafe nicht, die ihres Hirten Stimme so trefflich kennen, dass sie keine andere anerkennen. Das ist die unfehlbare Kirche! ... Wir sagten, dass diese Kirche, die Braut Christi, auf dem ganzen Erdkreis, wo nur immer Gläubige sind, zerstreut ist; Christi Schafe sollten nicht, wie die Eselin in Jerusalem Mat. 21,2, an Rom oder einen Papst Alexander, Julius, Leo, Hadrian dauernd gebunden sein. Das habe ich nicht unüberlegt gesagt, das darfst Du nicht glauben. Ich sagte ja, Menschenaugen sei es verborgen, wer oder wie viele zu Christi Kirche gehörten; es sollte klar werden, dass die Kirche nicht da ist, wo einige Prälaten zusammen-treten, vielmehr da, wo man am Worte Gottes hängt, wo man Christus lebt. Das ist Gott allein offenbar und kund. So stark ist dabei das Übel der Heuchelei, dass nicht nur die Widersacher des göttlichen Wortes außerhalb dieser Kirche, der Braut Christi, stehen, vielmehr auch solche, die sich Christi Jünger rühmen und viele fromme Werke gegen den Nächsten tun. Denn Derartiges kommt oft aus ganz gottlosem Herzen; treibt doch manchen eitler Ruhm. Gott aber kann Niemand verborgen bleiben, er kennt Herz und Nieren Ps. 7,10. Deshalb sagten wir, diese Kirche sei den Menschen unbekannt und werde niemals zusammen-treten bis zum jüngsten Tage, an dem Gottes Sohn alle Völker zum Gerichte zu sich rufen wird. Da wird eines Jeglichen Glaube kund werden ... Nun ist vielfach in der heiligen Schrift von Sonderkirchen, Einzelgemeinden die Rede; (zum Beispiel Apg. 13,1 von der Gemeinde zu Antiochia, 1. Kor. 5,1 von der zu Korinth) ... Aber alle diese Kirchen sind eine Kirche, Christi Braut; die Griechen nennen sie die „katholische“, wir die „allgemeine“. Sie ist nicht die Versammlung aller Bischöfe, vielmehr die „Gemeinschaft der Heiligen“, das heißt: aller Gläubigen, wie die Väter beim apostolischen Glaubensbekenntnis hinzusetzten. Denn bei den Alten hat, wie man sehen kann, dieses Stück: „Gemeinschaft der Heiligen“ gefehlt, im Laufe der Zeit aber, als nämlich die sich diese Bezeichnung anmaßten, die auch heute sich als die katholische Kirche geben, wurde es der Erklärung halber beigefügt. Diese Einzelkirchen haben das Recht, einen scham-losen Sünder von sich auszustoßen und den Büßer, der wieder nach Christi Regel sich richten will, wieder in die Gemeinschaft und Gnade aufzunehmen. Bei ihnen steht auch, wie gesagt, das Urteil über den Hirten und die Lehre 1. Kor. 14,29-32. Hier sehen wir deutlich, dass ehedem Gottes Wort ganz anders ge-handhabt wurde als heute. Nicht nur die Propheten der Reihe nach, nein, all-gemein auch die auf den Bänken Sitzenden durften in der Gemeinde über das Wort sprechen, das der Geist offenbart hatte. Wäre diese Sitte nie in Abgang gekommen, nie wären so viele Irrtümer in Christi Kirche eingedrungen; denn es gibt stets solche, die kraft des himmlischen Geistes betrügerische Leidenschaft beim Lehrer merken, und ist die aufgedeckt, so wird das Wort von gewaltsamer Entstellung befreit. Der Verlust dieser Sitte kam daher, dass die Geister der Propheten den Propheten nicht untertan sein wollen 1. Kor. 14,32; denn der Geist wahrer Propheten gehorcht den Prophezeienden. Allmählich ist es dann dahin gekommen, dass das Gewäsch jedes verdrehten Schwätzers auf der Kanzel, der für den Propheten bestimmten Stätte, für Gottes Orakel gehalten wurde, und wer dagegen muckste, wurde grausam gestraft. Man könnte ein-werfen, hier werde die Gemeinde, jede ohne Unterschied, zum Richter über das Wort eingesetzt, wir hätten aber früher jeden Richter darüber streng verboten. Ich antworte: ich denke genau wie bisher; denn stets „richtet ein geistlicher Mensch Alles“ 1. Kor. 2,15. Man muss aber auf das „Was“ und „Wie“ des Richtens achten. Wer in der Kirche eine Erklärung des göttlichen Wortes hört, urteilt über das, was er hört. Aber was er hört, ist nicht das Wort selbst, kraft dessen wir glauben. Denn wenn wir durch das gehörte und gelesene Wort gläubig würden, wären wir letztlich alle gläubig. Irgendwo nämlich lesen oder hören wir das Wort des Glaubens, zumal in der Gegenwart, wo das Evangelium allenthalben, auch in Wald und Feld, ertönt; doch wir beobachten, dass viele hören und sehen, die doch nicht glauben. So ist’s klar, dass wir durch das Wort, das der himmlische Vater in unseren Herzen predigt, durch das er uns zugleich die Erleuchtung des Verständnisses gibt und uns zur Nachfolge zieht, gläubig werden. Die von diesem Worte Ergriffenen urteilen über das in der Predigt ertönende und an ihre Ohren dringende Wort; aber das im Herzen der Gläubigen sitzende Wort des Glaubens wird von Niemand beurteilt, vielmehr urteilt es über das äußere Wort. Gott hat seine Verkündigung bestimmt, trotzdem der Glaube nicht aus dem äußeren Worte kommt Luk. 8,5-8 ... Der Gläubige urteilt aber nicht kraft eigener, sondern kraft der Meinung des göttlichen Geistes. Deshalb hieß es, die Geister der Propheten seien den Propheten untertan. Denn Gott ist nicht ein Gott des Streites und der Zwietracht, sondern der Einheit und des Friedens 1.Kor.14,33. Wo also wahrer Glaube ist, da ist auch der himmlische Geist; wo aber der himmlische Geist ist, da ist zweifellos Streben nach Einheit und Frieden. Folglich wird jeder gläubige Lehrer, wenn er etwas nicht weiß und irrt, sich auch von dem aller Geringsten verbessern und belehren lassen. Unordnung ist in der Kirche nicht zu befürchten. Denn wenn die Kirche durch Gott versammelt wird, ist er selbst mitten unter ihnen Mat. 18,20, und alle Gläubigen streben nach Einheit und Frieden. Gibt es anmaßende oder gehässige Streithähne, so wird man sofort merken, wer aus Leidenschaft, wer aus Liebe und Gottes Geist redet, und die Schwätzer schweigen heißen ... Zum klareren und schnelleren Verständnis will ich, gleichsam als Zusammenfassung das Gesagte in einige kurze Sätze fassen: Die Kirche, welche auch die Namenchristen in sich begreift, ist nicht Christi Braut; von ihr ist im Apostolikum nicht die Rede. Die in festem Glauben auf Christus, den Sohn Gottes, sich stützende Kirche, ist die „katholische“, allgemeine Kirche, die Gemeinschaft aller Heiligen, die wir im Apostolikum bekennen; sie hat weder Flecken noch Makel; denn sie ist durch Christi Blut abgewaschen, um seine schöne Braut zu sein. Diese Kirche wandelt fortan, nach dem Worte des Petrus 1. Pet. 4,3 nicht auf der Straße der Heiden; denn sie hütet sich vor der Sünde, in der sie früher tot lag. Und da dieser Weg befleckt ist, so lange sie im Fleische weilt, hat sie Anlass zur Buße und Sühne durch ihr Haupt, Christus. Diese Kirche kennt Gott allein. Denn „ein Mensch siehet, was vor Augen ist, Gott allein siehet das Herz an“ 1. Sam. 16,7. Diese Kirche kann nicht irren; denn sie stützt sich auf Gottes Wort allein. Sie ist, des Herrn Schafstall, in dem die Schafe nur die Stimme ihres Hirten hören Joh. 10,3-5. Die Päpstlerkirche, die ihr eigenes Wort und nicht Gottes Wort bringt, ist eine Kirche des feindlichen Menschen, das heißt: des Teufels, der in der Stille der Nacht Unkraut säte über den guten Samen. Die Schafe, die auf diese Kirche hören, sind nicht Christi Schafe; denn diese hören nicht auf die Stimme von Fremden. So urteilt unfehlbar Gottes Wort. Die Kirche, die Christi Braut ist, urteilt über den Hirten und sein Wort. Die Päpste sind also nicht Herren oder Richter der Kirche, sondern Diener; die Kirche hat es in der Hand, sie mit ihrem Worte zu verwerfen, wenn sie ihr eigenes Wort, nicht das Christi, bringen. Die Kirche, die Braut Christi, kann zwar hier auf Erden niemals zusammentreten, bedarf aber immer des Wortes. Durch ihre Teile und Glieder, das heißt: die Einzelgemeinden, urteilt sie über den Hirten und das äußere Wort; aber das geschieht kraft des in’s Herz der Gläubigen geschriebenen Gottes-wortes. Die Einzelgemeinde schließt den Schamlosen aus und nimmt den Büßer wieder in Gnaden auf; doch nur kraft dessen, dass sie ein Glied der Kirche Christi ist. Die sogenannte triumphierende Kirche hat eine ganz andere Art und Be-schaffenheit an sich. Daher wollte ich gegenwärtig über sie nichts sagen ...

 

VON DEN SAKRAMENTEN.

 

Sehr wünschte ich, die Deutschen hätten das Wort „Sakrament“ niemals in ihren Sprachschatz aufgenommen, es sei denn, dass sie es deutsch, unmissver-ständlich, aufgenommen hätten. Hören sie das Wort „Sakrament“, so verstehen sie darunter etwas Großes und Heiliges, das durch seine Kraft das Gewissen von der Sünde befreie. Andere hingegen erkannten, dass das falsch sei, und sagten, Sakrament sei das Zeichen für ein heiliges Ding. Das gefiele mir gar nicht so übel, wenn sie nicht hinzusetzten: beim äußeren Gebrauch des Sakramentes vollzöge sich sicherlich eine innere Reinigung. Wieder andere, die Dritten, erklärten das Sakrament für ein Zeichen nach vollzogener Reinigung des Herzens zwecks Vergewisserung des Empfängers über den inneren Vollzug des durch das Sakrament äußerlich Bedeuteten. Ich bin nicht gerne anderer Ansicht als die geltenden Persönlichkeiten, vorab die gegenwärtig angesehenen, die glänzenden Schriftsteller, die der Welt scheinbar ein neues Antlitz gegeben, sie gebildet gemacht haben. Doch bitte ich darum, sie möchten meine Ausführungen so ansehen, wie ich stets ihre Schriften einschätzte. Bei der Lektüre fremder Schriften achte ich einzig und allein auf die vom Verfasser befolgte Gesinnung – denn im Worte selbst offenbaren sich alle Gedanken. Erkenne ich Liebe zu Gott und dem Nächsten als Grundlage, so kann ich viel zugestehen, wie ja auch bei meinen Schriften mir viel nachgesehen wird. Freilich flicke ich bei Gelegenheit tüchtig am Zeug, richte Verkehrtes zurecht, löse Knoten auf, rücke vage Gedan-ken in Ordnung, stets jedoch ohne persönliche Schmähung, auf dass Friede bleibe, den gewisse Leute so gern stören möchten. Zwei Ausnahmen mache ich dabei: Emser und Eck; sie sind eine Pest der Lehre Christi. Gegen sie etwas schärfer und persönlich zu schreiben, zwang mich ihre Frechheit. Der eine, Emser, hat mich ohne vorherige Warnung ahnungslos so schnöde angegriffen, dass ich Christi Lehre – seine Sache führe ich, nicht meine – preisgegeben hätte, wenn ich ihm nachgegeben hätte, der schon zum Siege blies, bevor er mir vor die Augen kam; denn in der Art schrieb er gegen mich und veröffentlichte er sein Buch, sechs Monate lang ließ er mich vergeblich auf die Zusendung warten. Der andere, Eck, sann hinterlistig Verderben, zugleich schickte er abgeschmackte und lügnerische Verleumdungen auf die schweizerische Tagsatzung; glückte seine Absicht, so schien ich mit Recht niedergeworfen, und er konnte sich bei den römischen und deutschen Tyrannen um so teurer verkaufen. Wo ich nun sein Verbrechen aufdecke – leugnen lässt es sich ja nicht – großer Gott, wie wütet er! So bitte ich alle Leser meines „Kommentars“, offen, nicht leiden-schaftlich zu urteilen, und alle Abweichungen von der reinen Lehre Christi, die sie bemerken, zu beseitigen, nicht mit eigenmächtigen Dekreten oder Verdammun-gen, sondern mit dem Schwerte des himmlischen Wortes aus altem und neuem Testament. Doch genug der Einleitung; es sei mir gestattet, mein Wissen von Namen und Bedeutung dieses Wortes „Sakrament“ mitzuteilen: Für den Grammatiker ist „Sakrament“ ein von Streitenden auf den Altar niedergelegtes Pfand; der Sieger im Streit nahm sein Pfand oder sein Geld wieder. Ferner ist „Sakrament“ der Eid – so noch heute bei Franzosen und Italienern. Endlich bedeutet es den Fahneneid, kraft dessen die Soldaten sich ihrem Hauptmann verpflichten, laut seines Befehls nach Kriegs-Recht oder -Gesetz. Denn auch der Krieg hat seine Gesetze, freilich seine ganz besondern; die gerechten Gesetze schweigen im Kriege. Dass „Sakrament“ bei den Alten für etwas Heiliges und Geheimnisvolles gebraucht wird, ist nicht bekannt. Deshalb brauche ich es auch nicht so; ebensowenig schließe ich mich der lateinischen Übersetzung des neuen Testamentes an, wenn sie „Mysterium“ mit „Sakrament“ wiedergibt. Denn das gibt den Sinn nicht richtig wieder; ich weiß auch nicht, welches lateinische Wort „Mysterium“ recht wiedergibt. „Geheimnis“ ist zu weit, „Heiliges“ zu eng. So kommen wir also dazu, im Sakrament nichts Anderes zu sehen als eine Ein-führung oder Verpflichtung. Wie Streitende eine bestimmte Geldsumme hinter-legten, die nur der Siegende wieder fortnehmen durfte, so verpflichten sich die Teilnehmer an Sakramenten, hinterlegen und empfangen gleichsam ein Pfand, nicht zurückweichen zu dürfen ... Wenn also „Sakrament“ nichts Anderes bedeuten kann als Einführung der öffentlichen Einzeichnung, so kann es nichts zur Gewissensbefreiung vermögen; denn das Gewissen kann Gott allein befreien. Er allein kennt es ja, er allein dringt zu ihm ... Wie sollten also Wasser, Feuer, Öl, Milch, Salz und derartige groben Dinge, wie sie bei den katholischen Sakramenten eine Rolle spielen, bis in’s Herz dringen? Können sie das nicht, wie wollen sie reinigen? Was heißt denn Reinigung des Herzens? Etwa die Be-rührung eines reinen Dings?! Was kann denn das Herz berühren, oder was kann das Herz rühren?! Da nichts Kreatürliches den Menschen innen und außen kennt, sondern Gott allein, kann auch nur Gott das Gewissen reinigen ... Folglich irren die gänzlich, die den Sakramenten die Kraft, zu reinigen, zuschreiben. Das erkannten die anderen, und gaben die Sakramente für gewisse Zeichen aus, die bei ihrem Vollzug den Menschen eines inneren Vorganges vergewissern. Auch das ist ein eitles Fündlein; als wenn bei der Taufe mit Wasser etwas im Men-schen vorginge, was er selbst ohne die Taufe niemals hätte wissen können! Diese Leute wissen mit Verlaub nichts vom Wesen oder der Entstehung des Glaubens im Menschen. Ich habe längst gesagt, der Glaube ist eine Wirklichkeit, kein Wissen, kein Wahn oder Einbildung. Der Mensch empfindet also innerlich im Herzen den Glauben. Dann entsteht er, wenn der Mensch an sich zu verzweifeln und die Notwendigkeit allein auf Gott zu vertrauen, einzusehen beginnt. Abge-schlossen ist er, wenn der Mensch sich ganz preisgegeben hat, sich nur Gottes Barmherzigkeit hingibt, derart, dass er um Christi Opfer für uns willen fest darauf baut. Welcher Gläubige wüsste das nicht? Dann erst bist Du von der Sünde frei, wenn das Herz unerschütterlich auf Christi Tod sich verlässt, in ihm ruht. Und wenn Du mit dem ganzen Jordan übergossen wärest und heilige Worte sechs-hundertfach mitgelaufen wären, so hätte doch das Herz keine Besserung ge-spürt, außer soweit jene frivole und abgängige Meinung, die den Sakramenten Reinigungskraft zuschreibt, dank fortgesetzter Einschärfung Dir das fälschlich eingeredet hätte. Denn wer den Glauben nicht hat, staunt über alles scheinbar Wirkungskräftige, und glaubt Heil gefunden, ja, empfunden zu haben, wo er doch tatsächlich gar nichts spürt, wie das nachfolgende Leben beweist. Denn wirklich neue, das heißt: Gott und den Nächsten liebende, Menschen schrecken vor den Lastern zurück, ziehen aber Christus an und wachsen von Tag zu Tag mehr zur Vollkommenheit heran, der heilige Geist hat sie umgewandelt – jedermann merkt das! Wenn sie aber eine Zeit lang an sich selbst wegen der erlangten Unschuld Gefallen haben und alsbald, wenn jenes törichte Staunen schwindet, zum alten Leben, wie der Hund zum Ausgespeiten Spr. 26,11 zurückkehren, so beweist das, dass sie von Sinnesänderung gar nichts gespürt haben, sondern nur das Gruseln vor dem Wasser. Viele werden getauft, die während der Taufe nur das Gruseln vor dem Wasser empfinden, nicht auch die Sündenvergebung, das heißt: die Herzensbefreiung. Dazu gehörten zum Beispiel die von Johannes Getauften und die Täuflinge nach Christi Himmelfahrt auf Grund der Predigt der Apostel und Jünger, bevor sie des Heiles durch Christus sicher oder vollkommen unterrichtet waren, wie Apg. 19,2-6 und 14,44 berichtet wird ... Jene zweite Ansicht also, nach der die Sakramente Zeichen sind, bei deren Vollziehung am Menschen sich zugleich innerlich das vollzieht, was sie bedeuten, ist frostig. Denn dann wäre die Freiheit des göttlichen Geistes gebunden, der nach Be-lieben, das heißt: wem, wann und wo er will, schenkt. Wenn er dann innen wirken müsste, wenn wir äußerlich die Zeichen brauchten, so wäre er ganz an die Zeichen gebunden; wir sehen aber dank jener biblischen Zeugnisse das Gegen-teil. Die Dritten nun sahen deutlich, dass die Sakramente nicht reinigen können, dass auch die Wirksamkeit des göttlichen Geistes nicht derart an die Sakramente gebunden ist, dass er bei ihrem Vollzug zugleich innerlich wirken muss ... ; darum sagten sie, die Sakramente seien Zeichen der Vergewisserung eines schon innerlich erfolgten Vorganges. Zum Beispiel sie weigern die Taufe allen, die nicht vorher den Glauben so beredt gelernt und bekannt haben, dass sie auf alle Glaubensartikel antworten können. Auch diese Ansicht ist, wie die vorher-gehende, falsch; denn wer so den Glauben gelernt und bekannt hatte, war längst des Heiles gewiss ... Denn wenn das Herz vertraut, so muss es auch um sein Vertrauen wissen. Was bedarf der also der Taufe, der längst durch den Glauben an Gott der Sündenvergebung gewiss war? Folglich sind die Sakramente Zeichen oder Zeremonien – der Ausdruck sei mir gestattet – , durch die sich der Mensch der Kirche als Jünger oder Soldat Christi vorstellt; sie machen vielmehr die ganze Kirche, und nicht sowohl Dich, Deines Glaubens gewiss. Denn wenn Dein Glaube nur dann vollendet ist, wenn er ein Zeremonialzeichen zur Bestäti-gung nötig hat, ist er überhaupt kein Glaube. Echter Glaube verlässt sich uner-schütterlich, fest und unbeweglich auf Gottes Barmherzigkeit, wie Paulus an vielen Stellen zeigt. – So viel über den Begriff „Sakrament“. Zwei Sakramente im Ganzen hat uns Christus hinterlassen: Taufe und Abendmahl. Ihre verpflichtende Bedeutung ist diese: mit jener bekennen wir den Namen „Christen“, mit diesem stellen wir uns, eingedenk des Sieges Christi, als Glieder seiner Kirche vor. In der Taufe empfangen wir ein verpflichtendes Symbol für eine Neugestaltung des Lebens nach der Regel Christi, im Abendmahl geben wir den Beweis, dass wir auf Christi Tod vertrauen, wenn wir voll Glück und Freude uns zu der Gemeinde einfinden, die dem Herrn für die uns durch seinen Tod für uns gütig geschenkte Wohltat der Erlösung dankt. Die übrigen Sakramente sind mehr Zeremonien; denn sie haben in der Kirche Gottes keine verpflichtende Bedeutung. Deshalb sind sie mit Recht zu entfernen; sie sind nicht von Gott eingesetzt zum Zweck irgend einer Verpflichtung in der Kirche. Das Alles wird im Folgenden noch klarer werden.

 

VON DER EHE.

 

Über die Ehe spreche ich hier nur, um nicht den Anschein zu erwecken, es sei ihre Würde aufgehoben. Zu den Sakramenten zähle ich sie nicht, trotzdem Paulus Eph. 5,32 sie ein „Sakrament“ nennt. An dieser Stelle liegt, das will ich sagen, ein doppelter Fehler vor: zunächst hätte der Übersetzer „Mysterium“ mit „Geheimnis“ wiedergeben müssen; statt dessen sagte er „Sakrament“, ein Wort, das doch dem „Mysterium“ nicht entspricht. Sodann machen wir einen Fehler, indem wir den Sinn dieser Stelle nicht sorgfältig genug überlegen; Paulus wollte nur durch den Vergleich des Bräutigams, Christi, und seiner Braut, der Kirche, mit Mann und Weib zeigen, dass, wie Christus für die Seinen starb und ihr Eigen wurde, so auch die Eheleute für einander gegenseitig Alles tragen und tun müssen. Der Mann, das Ebenbild Gottes, soll vorab sein Weib lieben, schützen, für sie sich aufopfern; das Weib mit Treue und Liebe nur am Manne hängen. Dann werden die Ehegatten möglichst gottähnlich sein, und Gott seinerseits kann, ohne sich etwas zu vergeben, sich und seine Kirche „Mann und Frau“ nennen. Heilig also sei die Ehe; Christus und seine Braut, die Kirche, oder jede gläubige Seele vergleicht sich ja mit ihr! Will man die Ehe als Abbild Christi und der Kirche ein Sakrament nennen, so habe ich nichts dagegen. Aber ein Sakra-ment im eigentlichen Sinne, ein verpflichtendes Zeichen, ist sie nicht, vielmehr ein Lebensbund, Gütergemeinschaft, und ein es mit einander Wagen-Wollen ... Die Ehe ist eine sehr heilige Sache, sie wird durch die Bezeichnung „Sakrament“ nicht heiliger oder wertvoller, vielmehr dunkler und verworrener. Denn jedermann weiß, was die Ehe ist, aber fast Niemand, was ein Sakrament ist. Jedermann weiß, was die Taufe ist, aber nur wenige wissen, was ein Sakrament ist. Wir wollen die Ehe als heiligen Bund anerkennen, mögen wir sie auch nie zu den Sakramenten zählen. Oder gibt’s etwa bei den Griechen keine Ehe, keine Taufe, kein Abendmahl, da sie das Wort „Sakrament“ nicht haben? Und die Deutschen haben für das Fremdwort keinen entsprechenden Ersatz; daher haben sie es unwissend aufgenommen. Da Sakramente nur verpflichtende Zeichen sind und nichts anderes, die Ehe aber ein nur zwischen Zweien bestehender Bund, so wollen wir sie uns nicht mit jenem Worte verdunkeln lassen.

 

VON DER TAUFE.

 

Johannes, nach dem Taufen „der Täufer“ genannt, hat uns mit eigenen Worten das Wesen der Taufe kundgetan: sie ist ein verpflichtendes Einführungszeichen, mit dem sich die bezeichneten, die ihr Leben bessern wollten. Ich rede jetzt von der Wassertaufe, mit der die getauft werden, die ein neues Leben eingehen wollen; nicht von der die Predigt und das Untertauchen umfassenden Taufe. Die heutzutage so heftig gegen die Kindertaufe Kämpfenden sehen nicht, dass unter „Taufe“ mitunter Predigt und Sakrament verstanden wird, mitunter nur das Sakrament, das heißt: nur das Zeichen; sie hauen blind drauf los. Der göttliche Täufer spricht Mat. 3,11: „Ich taufe euch im Wasser zur Buße“. Was heißt das anders als: „Ich taufe Euch mit Wasser, damit Ihr Buße für Euer früheres Leben tut, das heißt: Euch Eures früheren Lebens so schämt, dass Ihr es gänzlich preisgebt und ein neues beginnt. Mit dem Zeichen will ich Euch, die der himmli-schen Dinge Unerfahrenen, nur lehren, dass Ihr fortan, wenn Ihr selig werden wollt, ein gänzlich neues Leben beginnen müsst. Wie die Gewaschenen gleich-sam als neue Menschen erscheinen, so will ich Euch zunächst durch den sicht-baren Akt zur Abwaschung des früheren Lebens bringen“ … Ich meine nicht, Johannes habe, ehe er lehrte, zu taufen begonnen, sondern er habe die zu ihm Kommenden ohne Weiteres getauft, obwohl er nicht wusste, ob sie sein Wort rechtschaffen aufnahmen; das hat er auch nicht verlangt. Als er nämlich viele Pharisäer und Sadduzäer zu seiner Taufe kommen sah und kraft heiligen Geistes erkannte, dass ihr Herz nicht aufrichtig oder lauter mit dem Herrn ging, schalt er sie heftig: „Ihr Otterngezücht“ usw. Luk. 3,7. Das sollte besagen: „Ihr seid zur Taufe gekommen, nicht um Euer früheres Leben abzulegen, sondern um vor den Menschen als solche zu erscheinen, die durch das Zeichen der Taufe, wie mit einem Eide oder Pfand, sich zur Änderung des Lebens verpflichten; innerlich aber seid Ihr gar nicht gebessert und ändert auch an Eurem schlechten Leben nichts. Aber da Ihr zu der Schar der Büßenden gezählt werden wollt, so zeiget Früchte der Buße! Tut, was sich für Büßer ziemt!“ Aus allen diesen Worten ist klar, dass die Taufe ein einführendes, verpflichtendes Sakrament ist, mit dem sich die kennzeichneten und unter die Büßer rechneten, die Leben und Charakter ändern wollten. Das war die Vorbereitung auf das Kommen Christi Luk. 4,17 f.; vergleiche Joh. 1,26 f. ... Ehe wir weitergehen, müssen wir über die Taufe mit dem heiligen Geiste sprechen; man ist vielfach nicht recht darüber unterrichtet und urteilt daher weniger treffend über die Taufe. Die Taufe mit dem heiligen Geiste ist eine doppelte: Einmal werden alle auf Christus Vertrauenden innerlich damit getauft; „denn Niemand kommt zu ihm, es habe ihn denn der Vater gezogen“ Joh. 6,44; Jes. 54,13. Sodann gibt es eine äußerliche Taufe mit dem heiligen Geiste, ähnlich wie die Wassertaufe. Die so getauften Frommen haben mitunter in fremden Sprachen zu reden begonnen – ein Zeichen mehr für die Zuhörer als für die Redenden selbst; denn diese spürten innerlich den Glauben und die Erleuchtung ihres Geistes, die andern aber wussten davon nichts. Der heilige Geist formte also ihre Zungen zu fremden Sprachen, damit die anderen den Vorgang als vom göttlichen Geiste gewirkt erkannten. Diese zweite Taufe mit dem heiligen Geist ist nicht notwendig, wohl aber die erste; ohne sie kann Niemand selig werden. Denn man wird nur durch den Glauben selig, Glaube aber entsteht nur durch den heiligen Geist. Johannes wies auf beide Taufen hin, als er sprach: „Der wird euch mit dem heiligen Geiste und mit Feuer taufen“ Luk. 3,16. Wir sind nicht alle mit dem Zeichen, fremde Sprachen sprechen zu können, beschenkt worden; aber alle, die wir fromm sind, wurden durch Erleuchtung und Zeichen des heiligen Geistes gläubig. Die Johannestaufe ging, was Christus betrifft, beiden Taufen mit dem heiligen Geist voraus; im Übrigen kann auch die Buße nicht ohne den heiligen Geist beginnen. Ja, die Johannestaufe ging auch der Buße voraus, wie schon bei den Sadduzäern und Pharisäern klar wurde, ferner Luk. 3,7. Beweis für die erste Behauptung: Johannes schickte die, die er eingeschüchtert hatte, zu Christus, den sie noch nicht kannten; er verhieß nur, sie würden das Heil bei ihm finden Joh. 1,28-31 ... Johannes taufte die mit Wasser, die er zu Christus schickte, und er taufte sie, um sie zu Christus zu schicken. Die zweite Behauptung, dass auch die Pharisäer und Sadduzäer von Johannes getauft wurden, wird so deutlich: Luk. 3,7 liest man: „Er sprach zu den Scharen, die zu ihm zur Taufe hinauskamen: ihr Otterngezücht, wer hat euch gezeigt, dem kommenden Zorn zu entfliehen?“ Was aber Lukas hier von den Scharen sagt, die zur Taufe zu Johannes hinauskamen, drückte Matthäus 3,5 f. so aus: „Da ging zu ihm hinaus Jerusalem, ganz Judäa und das ganze Jordangebiet, und sie wurden von ihm im Jordan getauft“. Folglich müssen wir auch den Satz: „als er aber viele Pharisäer und Sadduzäer zu seiner Taufe kommen sah“ etc. Mat. 3,7, so verstehen, dass auch Pharisäer und Sadduzäer getauft worden sind. Denn wie Lukas behauptet, sie seien zur Taufe hinaus-gegangen und Matthäus deutlich schreibt, sie seien getauft worden, so sagt Matthäus, sie seien zur Taufe gekommen, statt: sie seien getauft worden. Das wird bei genauer Erwägung der Worte: „ihr Otterngezücht“ noch deutlicher werden. Der Bericht Luk. 7,29 ff. aber betrifft eine andere Sachlage und andere Personen, wie aus Mat. 11,17-19 klar wird. Über den Unterschied zwischen der Johannes- und Christus-Taufe wird seit alters viel gestritten; aber gänzlich unnütz. Hinsichtlich Ursache und Zweck ist überhaupt kein Unterschied da, wohl aber hinsichtlich der Anwendung oder Form. Genau genommen ist das aber doch kein Unterschied; denn wir können ohne Schaden für unsern Glauben eine und dieselbe Sache verschieden gebrauchen. Die Johannestaufe wirkte gar nichts – ich meine die Wassertaufe, nicht die innere Taufe durch den heiligen Geist. Die Christustaufe wirkt auch nichts; denn Christus begnügte sich für sich und seine Jünger mit der Johannestaufe. Hätte seine Taufe noch etwas Reicheres und Volleres geboten, so hätte er die Jünger jedenfalls noch einmal getauft und sich selbst nicht nach dem Brauch des Johannes taufen lassen. Dass aber Christus nur mit der Johannestaufe getauft wurde, was das Untertauchen betrifft – das betone ich immer wieder, um nicht den Anschein zu erwecken, Christus habe durch seinen Geist nichts weiter mitgeteilt als Johannes – , erhellt leicht aus Matthäus, Markus, Lukas, wo wir Jesus wie die Übrigen zur Taufe kommen sehen, trotzdem er der Buße nicht bedarf. Daraus folgt auch, dass Johannes keine besondere Forderung aufgestellt hat, wie fälschlich behauptet wird. Was vielmehr Johannes im 1. Kap. 32-34 schreibt, ist vollkommen klar ... Johannes erkannte Christus erst, als er vom Himmel her den heiligen Geist auf ihn herabsteigen sah; folglich hat er ihn nicht anders getauft als die übrigen auch. Dem scheint freilich zu widersprechen, dass kurz vorher Joh. 1,29 Johannes den zu ihm kommenden Jesus das „Lamm“ nannte, „das der Welt Sünde trägt“; aber hier muss man beachten, dass es dem Evangelisten nicht sowohl auf die Reihenfolge als auf die Wichtigkeit ankommt; er schreibt das Frühere später ... Noch ein anderer Einwand begegnet, zum Beweise, dass Johannes nicht einen Unbekannten taufte: Mat. 3,14 steht deutlich, dass Johannes, als Jesus zur Taufe zu ihm kam, sagte: „Ich sollte von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ Die Worte können doch nicht zu einem Unbekannten gesprochen sein?! Folglich, scheint es, ist Jesus dem Johannes bekannt gewesen, auch ehe er den heiligen Geist auf ihn herabkommen sah. Es führte hier zu weit, diesen Knoten aufzulösen; ich verweise auf Augustin „von der Übereinstimmung der Evange-listen“ Buch 2. Kap. 15. Mir kommt es nur darauf an, klar zu machen: es gibt nur eine Taufe, mögen wir sie Johannes- oder Christus-Taufe nennen ... Jesus wurde genau so wie die übrigen Menschen getauft. Von einem Unterschied verlautet nichts, man hätte es aber gesagt, wenn er stattgefunden hätte; denn es wäre eine Taufe Christi nach einem anderen als dem gewöhnlichen Brauche nichts Auffallendes gewesen. Wo nun aber Gottes Sohn von Johannes getauft wurde, der auch die Sünder taufte, ist es wunderbar, dass der unbefleckte Gottessohn das Zeichen annahm, das solchen gegeben wurde, die sich ändern sollen, wo doch Gott selbst unveränderlich ist. Schließlich – das ist das aller-stärkste Argument – wurden die, die Christus schon gehört und seine Lehre für richtig erkannt hatten, noch mit der Johannestaufe getauft Luk. 7,29. Der Ein-wand, „sie sind getauft worden“, bedeute dort eine schon längst vollzogene Taufe, kümmert mich gar nicht; das bewiese auch nur, was ich will, dass nämlich Johannes- und Christus-Taufe eines und dasselbe sind. Denn im andern Falle hätte Jesus sie durch die Seinen noch einmal getauft; da er also auch hier sich mit der Johannestaufe begnügt, muss sie mit der Christustaufe identisch ge-wesen sein, obwohl mir die Deutung besser gefällt, sie seien mit der Johannes-taufe getauft worden, nachdem sie Christus gehört hatten. Oder – das liegt noch näher – „sie sind getauft worden“ bedeutet hier: sie sind unterrichtet worden. Dann wäre der Sinn: diese waren bisher von Johannes unterwiesen worden, als sie aber Christus hörten, von dem sie viel bei Johannes vernommen hatten, gaben sie ihm recht, das heißt: dachten hoch von ihm wie über einen Gerechten. Dass aber Christi Jünger nur mit der Johannestaufe getauft wurden, wird klar aus Joh. 1,37 ... Einer der beiden hier erwähnten Johannesjünger war Andreas; der Bruder des Simon Petrus. Als Johannesjünger ist er zweifellos getauft worden; denn es wurden von Johannes auch die getauft, die nicht seine Jünger sein wollten, um wie vielmehr die, die ihm als Führer folgten! Ferner heißt es Joh. 3,26, dass Johannesjünger ihm mitteilten: „Rabbi, der mit dir jenseits des Jordans war, dem du das Zeugnis gabst, schau, der tauft hier, und alle kommen zu ihm“. Daraus erhellt, dass Christus durch seine Diener nicht anders taufte als Johannes; denn sonst hätten die Johannesjünger das nicht verschwiegen. Drittens heißt es Joh. 4,2: „obwohl Jesus nicht taufte, sondern nur seine Jünger“. Da also offenbar niemals Jünger von Christus getauft wurden – er taufte ja nicht –, zugleich aber seine Jünger getauft haben, ist es nicht wahrscheinlich, dass sie andere tauften, ohne selbst je getauft zu sein. Sind sie aber getauft worden, so nur mit der Johannestaufe; Christus taufte ja nicht. Da also Christus die Johannestaufe annahm und keinerlei Änderung sowohl bei der eigenen wie bei der Taufe der Apostel vornahm, hat offensichtlich die Taufe unter Johannes ihren Anfang genommen und ein Unterschied zwischen der Christus- und Johannes-taufe hinsichtlich des Wesens, der Wirkung oder des Zwecks nicht bestanden ... Aber dem scheint Apg. 19,1-10 und Mat. 28,19 entgegenzustehen. Die erstere Stelle in der Apostelgeschichte bezeugt deutlich, dass 12 Männer im Namen Jesu auf’s Neue getauft wurden, trotzdem sie früher die Johannestaufe empfan-gen hatten. Sind Johannes- und Christus-Taufe dasselbe, so war eine Christus-Taufe unnötig. Da gilt es, so scheint es, die Eigenart beider Taufen wohl be-achten. Dazu ist zu bemerken: Johannes taufte, wie gesagt, um zur Buße zu verpflichten, und verhieß das Heil in dem, der nach ihm kommen würde ... Die Johannestaufe forderte also ein neues Leben und zeigte die Hoffnung in Christus. Das war die Taufe der Lehre; denn das Wasser war beide Male das gleiche. Die Christustaufe forderte dasselbe; denn wie Johannes begann er zu predigen: „Tut Buße“ Mat. 4,17. Dass Christus selbst die Hoffnung war, Johannes aber nicht – er war ja nicht das Licht Joh. 1,8, sondern sandte zu Christus – , machte keinen Unterschied der Taufe aus; beide zielten sie ja auf Christus, das heißt: forderten ein neues Leben nach Christi Vorbild. Ja, auch das bedingte keinen Unterschied, dass die Christus-Taufe den Heiland schon gegenwärtig hatte, die Johannes-Taufe ihn als künftig verhieß; denn das Los der in der Johannes- und Christus-Taufe Getauften war das gleiche, wenn sie vor Christi Himmelfahrt gestorben wären. „Denn Niemand steigt gen Himmel außer dem Menschensohn, der im Himmel ist“ Joh. 3,13. Die vor Christi Himmelfahrt Gestorbenen konnten also nicht in den Himmel kommen, trotzdem sie ihr Leben änderten und alle Hoffnung auf Christus setzten; denn er ist der Erstling der Auferstehung 1. Kor. 15,20. Noch viel weniger konnte die Wassertaufe ihnen den Himmel erschließen ... Die Art der Lehre ist also beide Male dieselbe. Denn es bedeutet keinen Unterschied, dass Johannes das baldige Kommen Christi ver-kündete und Christus sich gegenwärtig darstellt ... Ist also die Taufe der Lehre durchaus die gleiche, wie wollen wir denn bei der Taufe mit Wasser einen Unter-schied machen, da doch beide deshalb tauften, damit wir neue Menschen würden und unser Leben nach der von beiden gepredigten Lehre gestalteten?! Nun wollen wir zum 19. Kapitel der Apostelgeschichte zurückkehren, wo schein-bar ein Widerspruch besteht gegen die Ansicht, dass es nur eine Taufe gibt, mag man sie Christus- oder Johannes-Taufe oder nach den andern Aposteln nennen. „Als Paulus nach Ephesus kam und einige Jünger fand, sprach er zu ihnen: „Habt ihr nicht den heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ Was fragt hier Paulus? Etwa, ob sie in fremden Sprachen geredet haben? Man könnte es meinen; denn nachher, nach Auflegung der Hände, redeten sie in fremden Sprachen. Was ist das für eine neue Frage? War das etwa zum Glauben er-forderlich? Keineswegs; denn wir sehen, das Sprachenwunder trat selten ein. Er fragte also nicht nach der Sprachengabe, mochte diese auch nachher eintreten; sondern nach der inneren Kraft des Glaubens. Denn er wusste, dass sie durch Apollo getauft, das heißt: unterrichtet, waren, der doch erst nach seiner Reise von Ephesus nach Korinth von Aquila und Priscilla genau den Weg Gottes gelehrt worden war. Weil also Paulus mit Grund fürchtete, es möchte ihnen vielleicht etwas fehlen, fragte er, ob sie innerlich durch den heiligen Geist gelehrt wären, sodass sie fest auf das Heil durch Christus vertrauten? Da sie nun dieses Ziel noch nicht erreicht hatten, sagen sie, sie hätten niemals etwas vom heiligen Geiste gehört. Darüber wundert sich Paulus und fragt, worauf sie dann getauft wären? Sie antworteten: „auf die Taufe des Johannes“. Beachte, wie er hier „Taufe“ für „Lehre“ nimmt, wie auch Christus Mat. 21,25, vergleiche Joh. 3,26,22 ... Die nun folgenden Worte sprach Paulus nicht zwecks Beseitigung der Geltung oder des Wertes der Johannestaufe, wie man gemeinhin glaubte, vielmehr zwecks Klarlegung ihrer Eigenart; jene sollten erkennen, ob sie entsprechend der Predigt des Johannes auch zur Buße und zu Christus gekommen wären. Denn er sagt: „Johannes taufte die Taufe der Buße“. Was heißt das anders als: er predigte Buße, indem er dem Volke sagte, sie sollten glauben an den, der da kommen sollte, das heißt: an Christus Jesus. Auf diese Kunde hin wurden sie auf den Namen des Herrn Jesus getauft. Wenn also jene diese Art der Taufe, die Paulus hier erwähnt, schon hatten, was fehlte ihnen dann noch? Wenn sie ihr früheres Leben bereuten und alle Hoffnung auf Christus setzten, so waren sie schon wiedergeboren?! Offenbar waren sie also in der Lehre des Johannes nicht genügend unterrichtet, mochten sie auch selbst einen noch so großen Fortschritt bei sich annehmen. Denn wer von den Aposteln hat das Evangelium Christi deutlicher gepredigt als Johannes? Dem Apollo selbst aber fehlte noch mancherlei, wie aus Apg 18,24-28 deutlich wird; daher ist es durchaus unwahrscheinlich, dass die jungen Schüler geschickter waren als ihr Meister, der doch in Kenntnis von Gesetz und Propheten hochberühmt war. Sie waren bisher des Glaubens gewesen, sie hätten die Lehre des Johannes recht erfasst; als nun aber Paulus ihnen den Kernpunkt klarlegte, fanden sie sich noch weit vom Ziel entfernt. Deshalb werden sie getauft, das heißt: durchs Paulus zu Christus geführt. Es muss auch gesagt werden, einerlei wie die Lateiner über-setzt haben, dass die Griechen an dieser Stelle durchweg haben: „in was“ seid ihr getauft, nicht „womit“. Desgleichen: „in die Taufe des Johannes“, nicht: „in der Taufe“. Sodann: er taufte „die Taufe“ der Buße, nicht: „mit der Taufe“. Endlich: sie wurden getauft „in den Namen“ des Herrn Jesu, nicht: „in dem Namen“. Ich weiß wohl, dass derartige Formeln bisweilen wechseln, aber im vorliegenden Falle lässt doch die Stetigkeit der Redeform Wohlüberlegtheit annehmen. Ja, um meine Kritiker nicht aufzuhalten, noch viel schlagender ist der griechische Text Mat. 28,19: „Taufet sie in den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“, als das: „im Namen“ der Lateiner. “In den Namen getauft werden“ heißt: in den Glauben, in Gott eingepflanzt werden. Dass „Name“ hier: „Macht, Majestät, Gnade“ bedeutet, ist nichts Neues; Christus selbst sagt ja Mark. 16,17: „in meinem Namen werden sie Dämonen vertreiben“, das heißt: in meiner Kraft ... Immerhin habe ich bei dem äußerlichen Akte der Wassertaufe nichts dagegen, beim Eintauchen diese geheiligten Worte zu gebrauchen: „ich taufe dich in den Namen des Vaters, des Sohnes etc.“; obschon eine derartige Taufe in Wirk-lichkeit nichts Anderes ist als eine Übergabe, Zueignung und Weihe derer, die früher dem Fleische und der Welt angehörten, an den Sohn und den heiligen Geist. Von hier aus kann auch leicht dem zweiten Einwand geantwortet werden, mit dem man die Verschiedenheit der Christus- und Johannes-Taufe beweisen wollte; denn die Worte Mat. 28,19: „taufet sie in den Namen“ etc. sind leicht so gemeint, wie die Theologen sie verstehen. Der echte Sinn dieser Worte ist: wer Christus anziehen will, soll dem Vater, Sohn und heiligen Geist verpflichtend dargegeben, das heißt: mit ihnen verbunden, ihnen eingepflanzt werden. Eine Äußerlichkeit ist es, wenn mit den Worten: „im Namen des Vaters, des Sohnes und heiligen Geistes“ getauft wird, nur Zeichen und Zeremonie der eigentlichen Sache. Wie bei einem Kaufhandel die gegenseitige Handreichung von Käufer und Verkäufer nicht die Übergabe des Kaufobjektes ist, sondern sein sichtbares Zeichen der Bezeugung für den beiderseitigen Vollzug des Kaufhandels. Die Zeremonien sind äußere Zeichen, die anderen zeigen, dass der Empfänger sich zu einem neuen Leben verpflichtete oder Christus bis zum Tode bekennen will. So viel von der Taufe. Was die Kindertaufe betrifft, so wird ihr Recht heute von gewisser Seite verneint; wenn man da sich ebenso folgerichtig von Streit, Parteiungen, Zank, Schmähen, Hochmut und Ungeduld fernhielte, so könnte man das nicht genug loben. Wenn man fragt, ob die getauften Kinder verdammt werden oder nicht, und die Gegner der Kindertaufe mit Nein antworten; umge-kehrt die Frage, ob die nicht getauften verdammt werden, ebenfalls mit Nein beantwortet wird, und Du geltend machst: folglich sind die Kinder nicht in das Gesetz einbegriffen: „Wer da glaubet – nämlich nach Predigt und Anhören des Evangeliums –und getauft wird, wird selig; wer aber nicht glaubt, wird verdammt“ Mark. 16,16; denn das sei zu Erwachsenen gesagt, nicht zu denen, die die Predigt nicht hören können, folglich könnten die Kinder vom allgemeinen Heile nicht ausgeschlossen werden, vorab die Kinder gläubiger Eltern; denn sonst erginge es ihnen ja schlechter als den Judenkindern; wenn also die Christen-kinder nicht weniger Gott angehören als die Judenkinder, wer sollte dann ihre Taufe verbieten nach dem Petrusworte Apg 10,47? – wenn Du das Alles sagst, so ändern sie gar nichts an ihrer Starrköpfigkeit ...

 

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