VOM ABENDMAHL.

 

Vor zwei Jahren habe ich in der 18. meiner 67 Schlussreden über das Abend-mahl geschrieben; ich nahm damals mehr Rücksicht auf die besonderen Zeit-umstände als auf die Sache … Deshalb habe ich damals viele Zugeständnisse an die Ängstlichkeit meiner Leser gemacht – nur zum Zweck des Aufbauens. Nach dem Vorbilde Christi; der sagte nach der Einsetzung des Abendmahls, er habe noch viel den Jüngern zu sagen, aber sie könnten es damals noch nicht fassen Joh.16,12 f.; er wollte es also aufsparen bis zum Kommen des heiligen Geistes. Wenn Du also, lieber Leser, hier auf etwas stößt, was Du in meinen früheren Schriften nicht gesehen hast, oder hier Einiges klarer ausgeführt findest als anderweitig, auch Einiges anders, so wundere Dich nicht. Ich wollte nicht zu früh feste Speise reichen und die Perlen nicht vor die Säue werfen. Selbst wenn ich es unbeschadet gekonnt hätte, hätte ich doch nicht Alles sagen wollen, da es Niemand verstand. Ich widerrufe also hier das ehedem Gesagte in dem Sinne, dass das jetzt in meinem 42. Lebensjahre Dargebotene mehr als das vor zwei Jahren Gesagte gelten soll; denn, wie gesagt, ich schrieb damals mehr mit Rücksicht auf besondere Zeitumstände als mit Rücksicht auf die Sache, ent-sprechend dem Herrngebote, so zu bauen, dass nicht sogleich am Anfang Hunde und Schweine uns zerreißen. Denn ich fürchte, wenn irgend bei der Anbetung und Verehrung des wahren und einen Gottes geirrt wird, so geschieht es hier beim Missbrauch des Abendmahls. Hätte seine Feier den echten Brauch nach Christi Einsetzung bewahrt, so wären nicht so schlimme Vergehen in das Volk Gottes, die Kirche, eingedrungen ... Die wahre Frömmigkeit, die nichts anderes ist als kraft der Liebe und Furcht Gottes bewahrte Unschuld, haben wir so preisgegeben, dass das allgemeine, das heißt: das menschliche Gerechtigkeits-gefühl nicht einmal bei den Heiden so frostig geworden ist wie bei den Christen. Wir meinten, wir täten Großes, wenn wir von den heiligsten Dingen hoch dächten, denen wir doch die Heiligkeit zugesprochen hatten, wenn wir liebens-würdigst davon redeten, während wir inzwischen voller Schmutz waren wie übertünchte Gräber Mat. 23,27. Gott vertrauen und fromm sein, das heißt: ein Christ sein. Wer also meine Ausführungen über das Abendmahl hört, soll das nur ja nicht so auffassen, dass er meint, weil Zwingli es sagt, müsse man es an-nehmen – falls etwa einige so auf Menschenworte schwören, obwohl ich ver-muten möchte, es sind wenige oder gar keine. Umgekehrt soll der Leser auch nicht, was nach seinem Urteil aus dem Quell der Geheimnisse Gottes geschöpft ist, deshalb verwerfen, weil der Verfasser ein schlichter Mensch ist – auch in der Hinsicht wird, wie ich sehe, gesündigt. Man wolle also mit dem Urteil warten, bis wir am Schluss der Ausführung einen klaren Eindruck besitzen. „Eucharistie“ haben die Griechen das Mahl des Herrn genannt; sie sind, mit Verlaub, stets frömmer und gescheiter als die Lateiner, wie ihre Literatur nur zu deutlich bezeugt. Zweifellos gaben sie diesen Namen auf Grund der dem Glauben und der Kraft der Worte Christi und des Apostels Paulus entsprungenen Erkenntnis, Christus habe mit diesem Mahl sein frohes Gedenken an ihn und eine öffentliche Danksagung für seine uns gnädig erwiesene Wohltat beabsichtigt. Denn Eucharistie ist Danksagung. Jeder Teilnehmer an dieser öffentlichen Dank-sagung sollte vor der ganzen Kirche damit seine Zugehörigkeit zur Zahl der Gläubigen an Christi Hingabe für uns bekunden; aus dieser Zahl sich aus-schließen, sich ihr entziehen oder entfremden durch Abfall oder unreines Leben, sollte der Gipfel des Unglaubens sein. Deshalb wird das Abendmahl bei Paulus 1. Kor. 10,16 auch „Vereinigung“ oder „Gemeinschaft“ genannt. Deshalb auch der Ausschluss vom Abendmahl, wenn nämlich jemand wegen seines unsaubern Lebens der Zutritt zu dieser Gemeinschaft der Gläubigen versagt wurde. Wir verstehen also jetzt aus dem Namen selbst die Bedeutung der Eucharistie, das heißt: des Abendmahls. Es ist eine Danksagung, eine gemeinsame Freuden-kundgebung derer, die Christi Tod verkünden, das heißt: preisen, loben, be-kennen und ganz besonders ehren. Da nun die richtige Rede Christi Joh. 6,26 ff. von den meisten nicht richtig verstanden, vielmehr keck anders gedeutet wird, so will ich vor allem den echten Sinn dieser Stelle feststellen, damit die, welche die heilige Schrift in den Dienst ihrer eigenen Ansicht so oder so zwingen, hier keine Waffen zum Schutz ihres Irrtums finden ... Da die Juden nicht verstanden, was Christus mit seinem Gebot Joh. 6,26 f. Speise zu wirken, das heißt: zu suchen, die nicht verdürbe, wollte, sagen sie: „was sollen wir tun, um Gottes Werke zu wirken?“, in der Meinung, er rede von irgend einem äußeren Werke, das er von ihnen fordere. Jesus antwortete deshalb und sagte ihnen: „Das ist das Gottes-werk, glauben an den, den er gesandt hat“ ... Die Speise also, von der Christus hier redet, ist der Glaube. Das ist das erste Beweiszeichen für den gänzlichen Irrtum derer, die meinen, Christus rede in diesem ganzen Kapitel von der Sakra-mentsspeise ... Die Speise, die er suchen heißt, ist Glaube an den Sohn. Der Glaube also ist die Speise, über die er sich so gewichtig in diesem ganzen Kapitel äußert. Darum sagen die Juden: „Welches Zeichen tust du, damit wir wissen, dass wir dir glauben müssen, und wirklich glauben? Was wirkst du, kraft dessen wir deine Gottheit anerkennen, der wir nach dem Gesetze allein an-hängen dürfen? Du weißt ja, unsere Väter haben in der Wüste vom Himmel herab geregnetes Brot gegessen.“ ... Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, Moses gab euch kein Himmelsbrot; kam das Brot auch von oben, himmlisch war es doch nicht, vielmehr mein Vater gibt euch das wahre Himmels-brot. Es ist das Brot Gottes, das vom Himmel herabkam, und gibt der Welt das Leben.“ Das Mosesbrot erhielt das leibliche Leben, das Brot, das der Vater gibt, erquickt die Seele; so reich und wirksam ist es, dass es der ganzen Welt das Leben gibt. Da nun die Juden Christi Worte nicht begriffen, die nichts anderes waren als eine Erklärung des Evangeliums – denn mit dem „Brot essen“ meint er: dem Worte des Evangeliums glauben – , sprechen sie zu ihm: „Herr, gib uns immer dieses Brot“. Da sprach Jesus zu ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nimmermehr hungern, und wer an mich glaubt, den wird niemals dürsten“ ... Der Glaube also hebt allen Hunger und Durst auf. Welchen Hunger und welchen Durst? Natürlich den der Seele. Der Glaube an Christus allein also sättigt und tränkt die Seele, sodass ihr nichts mehr fehlt. Christus fährt fort: “aber ich habe euch gesagt, ihr sahet mich und glaubt nicht“. Was heißt das anders als: Ihr wundert Euch, dass ich sagte, wer zu mir komme, den werde weder hungern noch dürsten, da Ihr doch schon bei mir seid und doch Hunger und Durst unterworfen seid. Das kommt daher, dass Ihr mich wohl mit den Augen des Fleisches gesehen habt und noch jetzt sehet. Aber von diesem Sehen und diesem Zu-mir-Kommen rede ich nicht, sondern vom Lichte des Glaubens. Wer das hat, dem wird nichts fehlen … Denn er ist gewiss, der, den er hat, ist der wahre Seelenbräutigam und einzige Schatz, er wird nach keinem andern verlan-gen. Dieses Glaubenslicht habt Ihr nicht; denn Ihr glaubt nicht an mich. Deshalb versteht Ihr nicht, inwiefern ich Seelenspeise bin, das heißt: Hoffnung. Der Grund aber Eurer Blindheit ist, um nichts Schlimmeres zu sagen, dass der Vater Euch nicht gezogen hat, mich zu erkennen; sonst würdet Ihr mich annehmen Joh. 6,37-44 ... Das ist der Wille dessen, der mich gesandt hat: jeder, der sieht, das heißt: den Sohn erkennt und an ihn glaubt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. Siehe, das ist die Speise, von der er redet: Gott sandte seinen Sohn in diese Welt, damit wir durch ihn leben sollten. Wer wird also das Leben durch ihn haben? Wer sich auf seine Gnade verlässt. Aber wie kann man sich darauf verlassen, wenn man sie nicht anerkennt? Darum sagte er: Jeder, der den Sohn sieht, das heißt: versteht, warum der Sohn in die Welt geschickt wurde, und ihm vertraut, wird ewiges Leben haben. Hier meinte nun das Fleisch, Christus nähme sich zu viel heraus, als er sprach: „ich bin das Brot des Lebens“; denn kurz vorher hatte er gesagt: „das Brot Gottes kommt vom Himmel und gibt der Welt das Leben“. Daraus folgte, dass er selbst das Brot war, das vom Himmel herabgekommen war. Folglich murrt das Fleisch, das heißt: die Juden, und spricht: „Ist der nicht Jesus, Josephs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie sagt denn der: ich bin vom Himmel herabgekommen?“ Jesus antwortete deshalb und sprach: „Murret nicht untereinander“. Habt Ihr nicht ge-hört, dass ich bereits sagte: Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen? Euer Unglaube, aus dem eine Schwerfälligkeit im Begreifen folgt, zwingt mich, immer wieder dasselbe zu sagen ... Wunderlich ist’s, dass Ihr in meinen Worten fortgesetzt einen Widersinn vermutet, wo ich doch nichts oder nur wenig sage, das nicht in Euren eigenen Propheten oder im Gesetz geschrieben steht. In den Propheten Jes. 54,13 und Jer. 31,34 steht geschrieben: „sie werden alle vom Herrn gelehrt sein.“ Was wundert Ihr Euch also über meine Behauptung, wegen Eures Unglaubens werde Euch vom Vater versagt, mich zu erkennen, wo doch auch Eure Propheten schreiben, derartiges müsse vom Vater gelehrt werden?! ... Jedermann weiß, dass unsere Vorfahren in der Wüste Manna aßen; sie sind aber gestorben. Wer aber dieses Brot isst, das heißt: mich, das heißt: wer auf mich vertraut, der hat das ewige Leben. „Das ist das Brot, das vom Himmel herabkam, dass, wer davon isst, nicht stirbt“. Im Vorbeigehen wollen wir hier darauf achten, dass Christus unser Heil ist, sofern er vom Himmel herabkam, nicht sofern er aus der unbefleckten Jungfrau geboren wurde, wenn er auch als solcher Sohn der Jungfrau leiden und sterben musste; aber wenn der, der da starb, nicht zugleich Gott gewesen wäre, hätte er nicht der ganzen Welt Heil sein können. Das ist also das zweite Kennzeichen, dass Christus in diesem Kapitel unter „Brot“ und „essen“ nichts anderes als „Evangelium“ und „glauben“ versteht, dass, wer an sein Opfer für uns glaubt und sich darauf verlässt, das ewige Leben hat; und dass er vom sakramentlichen Essen hier gar nicht redet. Vgl. Joh. 6,51 … Das ist das dritte unzweifelhafte Kennzeichen, dass Christus hier nicht vom sakra-mentlichen Essen redet: er ist nur als das Opfer für uns unser Heil, er konnte aber nur nach dem Fleische geopfert werden und nur nach der Gottheit unser Heil sein. So ist also Christus die Seelenspeise; denn wenn die Seele sieht, dass Gott seinen eingeborenen Sohn nicht verschont, vielmehr in einen schmählichen Tod gegeben hat, um uns dem Leben wiederzugeben, so wird sie der Gnade und des Heiles Gottes gewiss. Und hier wolle man nicht tüfteln, weil er sagte, sein Fleisch werde für das Leben der Welt hingegeben, sodass man daraus zu schließen wagt, Christus sei nur nach seiner menschlichen Natur aller Heil. Er sage ja selbst, sein Fleisch werde für das Leben der Welt geopfert, also mache das Fleisch lebendig. Wie Christus als Gott und Mensch einer ist, so wird, obwohl er nach dem Fleische getötet wurde, – denn wer könnte Gott töten? – und sein Tod uns zum Leben wurde, wegen der Einheit und inneren Verbundenheit der Naturen bisweilen einer Natur etwas zugeschrieben, was Sache des ganzen Christus ist. Nach den Worten: „das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich für das Leben der Welt hingeben werde“ wurden die Juden in keiner Weise gescheiter, wegen ihres Unglaubens und ihres unbeugsamen Hasses; sie fassten den Sinn der Worte Christi nicht, dass nämlich nicht der gegessene, sondern der getötete Christus unser Heil sei. Denn so werde das Menschenherz der Barmherzigkeit Gottes gewiss, wenn es sieht: Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont. Die Juden murren also, je unverständiger sie sind, desto kecker und maßloser; entrüstet sprechen sie: „wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ – ; sie blieben haften an dem Fleische, das vor ihren Augen stand. Darum schauderten sie nicht ohne Grund – unsere Theologen tun es freilich nicht! ... Da nun Christus sah, dass er nichts erreichte, macht er ihre Unwissen-heit noch größer, wie er Mat. 13,13-17 mit eigenen Worten lehrt. Er spricht nämlich, als sie so gehässig über ihn redeten: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esset und trinket sein Blut, werdet ihr nicht das Leben in euch haben. Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut wahrhaft ein Trank.“ Christi Fleisch, so wiederhole ich, ist diese Speise, sofern es zu unserer Erlösung in den Tod gegeben wurde; sein Blut ist der Trank, sofern es zur Abwaschung unserer Sünden vergossen wurde, wie aus meinen früheren Aus-führungen erhellt. Da die Juden den verborgenen Sinn seiner Worte nicht fassen wollten, den er doch so nahe gelegt hatte, dass nichts daran fehlte, trifft er sie noch stärker und macht sie noch blinder. So verdienten sie es, das ist Gottes Gericht. Deshalb fügt er auch zu dem allen hinzu: „Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, bleibt in mir und ich in ihm“. Das ist den Ungläubigen zur Ver-härtung, den Frommen zur Aufklärung gesagt. Und das ist das vierte Kenn-zeichen dafür, dass Christus hier nicht vom sakramentlichen Essen redet – denn, o Jammer, sehr viele essen und trinken sakramentlich Leib und Blut Christi und sind doch nicht in Gott und Gott ist nicht in ihnen, außer so gut wie er auch in einem Elephanten und Floh ist – , sondern vom Essen des Glaubens; denn wer glaubt, dass er durch Christi Hingabe befreit und durch das Vergießen seines Blutes rein gewaschen wurde, der bleibt zweifellos in Gott. Denn er wirft all sein Vertrauen fest auf den Sohn Gottes und richtet seine Hoffnung nur dahin; denn wer das höchste Gut genießt, kann keinen Durst nach einem anderen Gut haben ... Und umgekehrt bleibt Gott in ihm. Denn, so sagte ja Christus selbst, Niemand kommt zu Christus, es sei denn, dass ihn der Vater zieht; wer also von dem inwendig im Herzen lehrenden Vater lernt, in dem ist Gott, und wer in Christus bleibt, in dem bleibt auch Christus ... Der Glaube, mit dem wir uns auf Christi Gnade verlassen, ist die Kraft, durch die wir in Gott bleiben und er in uns. Dass das der Sinn ist, beweisen die folgenden Worte Christi: „Wie mich der lebendige Vater sandte und ich um des Vaters willen lebe, so wird auch, wer mich isst, um meinetwillen leben“. Der Vater sandte mich, spricht er, darum auch gehorche ich seinem Willen in allen Stücken; denn ich bin des Vaters Sohn. So werden auch die mich essen, das heißt: auf mich vertrauen, sich nach meinem Beispiel umgestalten. Vergeblich ist Euer Essen, das heißt: eitel Euer angebli-cher Glaube, wenn Ihr nicht auch das Leben ändert. Ich bin nicht nur gekommen, die Welt zu erlösen, sondern auch sie umzugestalten. Wer also auf mich vertraut, gestaltet sich nach meinem Beispiel um. Das ist das Brot, das vom Himmel herabkam, die Wirkung beweist es; denn wer dieses Brot isst, wird in Ewigkeit leben; wer das leibliche Brot isst, bei dem ist’s nicht so. Das lernt Ihr daraus, dass Eure Väter das von oben kommende Manna aßen und trotzdem starben. Es kann also keinerlei leibliche Speise jemandem Ewigkeitswert geben. Die Worte erregten nicht nur bei denen, die Christus hassten, Anstoß, sondern auch bei einigen seiner Jünger. Um nicht zu unhöflich zu sein, sprachen sie: „Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? – auch sie hafteten, genau wie seine Gegner, noch am sichtbaren Fleisch. Da nun Jesus merkte, dass auch einige Jünger über die Worte murrten, sprach er zu ihnen: „Ärgert euch das? Wie nun, das heißt: was werdet ihr sagen oder empfinden oder dergleichen, wenn ihr den Menschen-sohn dahin aufsteigen seht, wo er früher war?“ Ihr fasst meine Worte nicht, weil Ihr nicht glaubt, dass ich Gottes Sohn bin. Was werdet Ihr sagen, wenn Ihr mich aus eigener Kraft in den Himmel aufsteigen seht? Wird dann nicht die Tatsache zu dem Bekenntnis: „das ist Gottes Sohn“ zwingen? Deshalb vertraut Ihr nicht auf mich, weil Ihr nicht glaubt, dass ich Gottes Sohn bin. Ursache aber Eures Un-glaubens ist Euer Unverständnis meiner Worte. Ich reiße Euch durch Gleichnisse und hübsche Bilder in die Höhe, das Schwergewicht Eures Unglaubens drückt Euch stets an den Boden. Von einer geistigen Sache rede ich, es geht nicht um leibliche Dinge, Geist lehrt Geist. Gottes Geist, sage ich, will den armen Menschengeist gnädig zu sich ziehen, mit sich verbinden, verknüpfen, ganz in sich umwandeln. Das stärkt das Herz, erfreut es und macht es heilsgewiss. Was ist das anderes als Seelen-Speise? Kann es passender ausgedrückt werden als mit dem Bild der Speise? Wie der hungrige Magen sich freut über die Speise, die er von oben empfängt, und durch sie die verbrauchten Lebensgeister, Wärme und Kräfte wiederhergestellt werden, so frohlockt das hungrige Herz, wenn sich Gott ihm erschließt, vor Freude, kräftigt sich von Tag zu Tag mehr, wird stark, gestaltet sich um nach Gottes Vorbild, bis dass der vollkommene Mann fertig dasteht. Von geistiger Speise rede ich. Der Geist allein gibt sie, nur er zieht ja das Herz zu sich und erquickt es. Ganz töricht denkt Ihr, wenn Ihr meint, ich rede von dem Fleische, das aus Adern und Nerven besteht, und durch sie seine Kraft empfängt. Das Fleisch nützt nichts. Wie lange wollt Ihr unverständig sein? Deutlich sage ich Euch: so fern liegt es mir, vom leiblichen Fleisch oder einem wirklichen Körper zu reden, dass ich öffentlich bezeuge: mein Fleisch nützt gar nichts. Und das ist das fünfte Kennzeichen dafür, dass Christus hier gar nicht vom Sakrament redet, ja, er will mit diesen Worten gleichsam gesetzlich vorbeu-gen, dass wir niemals etwas von leiblichem Fleisch träumen. Denn wenn Christus sagt, das Fleisch nütze nichts, so darf menschliche Vermessenheit niemals über das Essen seines Fleisches streiten. Hältst Du mir entgegen, es müsse ein anderer Sinn vorliegen; denn Christi Fleisch nütze doch mancherlei, da wir da-durch vom Tode erlöst worden sind, so antworte ich: Christi Fleisch nützt freilich allenthalben sehr viel, ja, gewaltig viel, aber, wie gesagt, das getötete, nicht das gegessene. Jenes rettete uns vom Tode, aber dieses nützt gar nichts. Der die Wahrheit ist, hat das gesagt; es kann nicht anders sein ... Ein wenig ausführlicher habe ich das Beweismoment dieses 6. Kapitels des Johannesevangeliums für das Verständnis der Eucharistie ausgesponnen. Doch, hoffe ich, nicht ohne Nutzen. Denn es dürfte daraus klar sein, was nur immer bisher Theologen und kanonistische Rechtsgelehrte aus diesem Kapitel missbräuchlich auf die Eucharistie bezogen haben, das haben sie keck oder dumm getan; darum darf auch ihre Autorität wenig gelten, wo sie sich nicht auf die Wahrheit stützte. Und wenn man mir sie fortgesetzt wie einen unverletzlichen Schild vorhält, so sage ich nur: der Glaube selbst diktiert den Sinn dieses Kapitels; ich müsste denn gänzlich im Glauben irren, wenn ich unerschütterlich glaube, dass der einzige und alleinige Weg zum Himmel der feste Glaube an Gottes Sohn als das untrügliche Pfand unseres Heils ist, und darauf so stark vertraue, dass ich keinerlei Elementen dieser Welt, das heißt: sinnlichen Dingen, irgend einen Heilswert zuschreibe. Und wenn man mich unverschämter Weise fragt, weshalb ich diese Stelle aus dem Johannesevangelium so peinlich ausgelegt habe, so antworte ich: die Wahrheit sollte an’s Licht kommen. Haben wir es da irgend fehlen lassen, so muss das nach dem Zeugnis der Schrift offenbar werden, nicht durch irgendeine beliebige Beschuldigung ... Menschliche Weisheit darf nicht mehr gelten als göttliche Wahrheit. Was also aus diesem Kapitel in päpstlichen Verfügungen oder in den Schriften der Theologen gelesen wird, was man im Gottesdienst oder auf den Gassen singt, in einem von diesem echten, vom Herrn durch uns erläuterten, abweichenden Sinne, das soll als verkehrt nichts gelten; es wäre, so sollen wir sagen, besser gewesen, wenn die, die das zuließen, niemals an die reine Wahrheit gerührt hätten, als dass sie sie durch ihre Keckheit so befleckten. Was soll ihre Autorität gelten, mögen sie noch so groß und berühmt sein? Die Wahrheit ist größer. Den andern aber, die so herausfahren: Du scheinst mir der Ansicht zu sein, dass Christi leibliches Fleisch und Blut auch nicht da beim Abendmahl sind, antworte ich so: redest Du das von Dir selbst, oder haben es Dir andere gesagt? Bist Du gläubig, so kennst Du wohl den Grund des Heils, und dann vermag Gottes Wort bei Dir so viel, dass Du nach leiblichem Fleisch nicht fragst. Haben Dir aber andere gesagt, ich dächte so, so sage ich ihnen: ich denke in dieser Sache wie die Kirche Christi. Die duldet einfach die Frage nicht, ob Christi Leib wirklich, leiblich oder wesentlich im Sakrament der Eucharistie sei. Wenn Du derartige Elemente der Welt anführst, so wird sie diesen Schild entgegenhalten: „das Fleisch nützt nichts“; was streitest Du also über das Fleisch? Und wenn Du dann schreiest: „o Himmel, o Erde!“, ja, „o Sterne und Meere!“, so werde ich nur sagen: „das Fleisch nützt nichts“; warum bist Du also so neugierig? Es wäre besser, achtsam zu sein. Das also soll eine eherne Mauer sein: „das Fleisch nützt nichts“. Und nun komm mit allen Maschinen, Katapulten, Sturmböcken, Schutzdächern und aller Art Geschossen, Du wirst sie nicht umstoßen, ja, nicht einmal erschüttern. Du musst also anders von Fleisch und Blut in diesem Sakramente denken als die Theologen bisher bestimmten, deren Ansicht alles Empfinden, Vernunft, Denken und Glauben widersprachen. Meines Erachtens darf man auf die nicht hören, die zu sagen wagen: ich habe immer fest geglaubt, den wesentlichen Leib oder das leibliche und den Sinnen zugängliche Fleisch Christi in diesem Sakramente zu essen. Als wenn sie mit diesen Worten davon überzeugen könnten, dass jemand etwas zu empfinden glaubt, was er nicht empfand! Wenn sie sagen, alles empfange seine Kraft durch den Glauben; deshalb könne man nicht leugnen, müsse vielmehr fest glauben, dass wir das leibliche Fleisch in den Sinnen zugänglicher Form empfangen, so antworte ich: ich weiß, was Glaube ist, weiß aber auch, was die Sinne sind. Du weißt es nicht oder meinst, wir wüssten es nicht; so möchtest Du unsere klare Einsicht verdunkeln. Der Glaube ruht auf dem Geist Gottes in unseren Herzen, wir spüren ihn. Denn die innere Umwandlung des Herzens ist keine dunkle Sache, aber mit den Sinnen empfinden wir sie nicht. Nun kommen jene Leute, meinen, der Glaube sei eine heftige freie Hinwendung unseres Gemütes zu jeder beliebigen, auch dem Wesen des Glaubens gar nicht ent-sprechenden Sache, und behaupten deshalb, man müsse mit unerschütterlichem Glauben hier an die Anwesenheit des leiblichen und den Sinnen zugänglichen Fleisches glauben. Dabei machen sie jedoch einen doppelten Fehler: zunächst glauben sie, der Glaube stamme aus Menschen-Urteil und -Wahl. Das ist ein Irrtum. Wenn auch der Glaube Hoffnung und Zuversicht zu der Sinnenwelt ganz fernliegenden Dingen ist, so ruht er doch nicht auf unserem Urteil oder unserem Wählen; vielmehr die Objekte unserer Hoffnung lassen selbst alle Hoffnung auf sich richten. Würden wir nach eigener Wahl oder Belieben gläubig, so könnten alle Menschen aus eigener Kraft gläubig werden, auch die Ungläubigen. Stammt also der Glaube nicht aus den Sinnen oder der Vernunft und richtet er sich auch nicht auf sinnenfällige Dinge, so ist der zweite Irrtum jener leicht entdeckt. Der zweite Fehler ist der: sie beziehen den Glauben auf sinnenfällige Dinge und wollen durch sie Gewissheit erzielen; das ist überflüssig; denn das mit den Sinnen Erfassbare hat den Glauben nicht nötig; was man sieht, wie sollte man das erhoffen? Sinnenfälliges wird mit den Sinnen empfunden. Nun wollen wir sehen, wie vortrefflich sich das zu einander reimt: im Glauben glauben wir die Anwesenheit des leiblichen und den Sinnen zugänglichen Fleisches Christi! Man glaubt Dinge, die der Sinnenwelt ganz fernliegen, alles Leibliche aber ist so sinnenfällig, dass es ohne die Sinnenfälligkeit gar nicht leiblich ist. Es sind also zwei ganz verschiedene Dinge: glauben und mit den Sinnen empfinden. Achte also darauf, welch’ eine Ungeheuerlichkeit in den Worten steckt: ich glaube, den Sinnen zugängliches und leibliches Fleisch zu essen. Denn ist es leiblich, so bedarf es keines Glaubens; denn es ist sinnlich. Beim Sinnlichen aber ist Glaube nicht nötig; die Sinne geben vollkommene Gewissheit. Umgekehrt: glaubst Du zu essen, so kann, was Du glaubst, nicht mehr sinnlich oder leiblich sein. Also sagst Du eine Ungeheuerlichkeit. Achte ferner darauf, dass hier die Theologen etwas behaupteten, worüber die Sinne auch im Ungewissen waren, nämlich, dass das Brot Fleisch sei; denn sonst hätten die Sinne die Entscheidung, nicht der Glaube. Der Glaube hat es nicht mit Dingen der Sinnenwelt zu tun und stammt auch nicht daher. Meines Erachtens darf man auch auf die nicht hören, die die erwähnte Ansicht als plump, ja, gottlos und frivol beurteilen und darum so entscheiden: wir essen zwar das wahre und leibliche Fleisch Christi, aber geistig. Denn sie sehen noch nicht den Widerspruch zwischen den Begriffen „Leib“ und „geistig essen“. Sie sind verschieden, Leib und Geist; entscheidest Du Dich für das Eine, so ist das Andere ausgeschlossen. Handelt es sich um „Geist“, so kann es kraft des Gegensatzes nicht „Leib“ sein; umgekehrt, wenn vom „Leib“ die Rede ist, weiß jeder: es ist nicht „Geist“. Daher heißt „leibliches Fleisch geistig essen“ nichts Anderes als behaupten, Leib sei Geist ... Da schau nun das Glück, das bei dem Glauben herauskommt, das leibliche und den Sinnen zugängliche Fleisch Christi zu essen, oder, wie andere sagen, sein leibliches Fleisch geistig zu essen! Du wirst unzweifelhaft zugeben, dass nur Verwirrung, Scheu und, gerade heraus gesagt: Argwohn auch gegenüber sonstigen ganz sicheren und heiligen Dingen des Glaubens daraus entsteht. Die klugen Gesellen sagen freilich, dieses wunderliche Essen des den Sinnen zugänglichen und leiblichen Fleisches sei eine Stütze des Glaubens! … Sehen aber nicht die wahrhaft Gläubigen ihr Heil darin, sich auf Gottes Barmherzigkeit zu verlassen, deren festes Zeichen oder Pfand wir in Jesus Christus, dem eingeborenen Sohne Gottes, besitzen? ... Daher haben auch zweifellos die wahrhaft Frommen entweder nichts Derartiges geglaubt oder sind, wenn man sie zum Glauben zwang, innerlich ausgerissen, mochten sie auch mit dem Munde bekennen, sie glaubten so, wie die Gottlosen behaupteten ... Wir alle – das steht fest und ist ganz klar – sind, wie gesagt, bei der Betrachtung dieses geistleiblichen Essens – so muss ich wider Willen sprechen – innerlich mit dem Herzen nicht dabei gewesen, hauptsächlich des-halb, weil die Wahrheit stets siegen sollte; aber das kalte oder furchtsame Herz wollte nicht sich widersetzen, weil der Papst, wie es sah, anders bestimmte ... Der Glaube ist das Süßeste und Lieblichste für die Seele, jenes leibliche und sinnenfällige Essen aber beschwerte oder bedrückte die Seele; so ist es jeden-falls eher aus verwegenem Menschenwitz entstanden als aus Gottes Wort. Doch, um gegen Niemand ungerecht zu sein, einige könnten mit den sogenannten Konsekrationsworten sich entschuldigen; denn die besagen öffentlich mit einem Hinweis auf das Brot: „das ist mein Leib“. Darüber jetzt ein Wort: ... Ich bezeuge vor dem einen, allmächtigen Gott, Vater, Sohn und heiligen Geist, dem Herzens-kündiger, dass ich das Folgende nur um der Erforschung der Wahrheit willen vorbringe. Ich kenne den unersättlichen Ehrgeiz des alten Adam; ich hätte, wenn ich je das Maß überschritt, Gelegenheit gehabt, ihn zu befriedigen; die mächtig-sten Fürsten der Christenheit hätten sie mir längst gegeben, aber ich will beharrlich nicht davon reden, ich möchte nicht, wie es gewisse Leute machen, durch Abwehr reden. Ich kenne zudem die Schwierigkeit, gegen eine altein-gesessene Meinung vorzugehen. Denn wir sind gemeinhin derart Christen, dass uns die Verteidigung jener äußeren Zeichen, der sogenannten Sakramente, der Mühe wert erscheint, auch wenn wir niemals oder selten dabei das Leben suchen und Baufälliges stützen. Obwohl wir doch darauf die Hauptsorge richten müssten, so nahe wie möglich an unser Urbild, dessen Namen wir tragen, Christus, heranzukommen. So ist es gefährlich, sich in eine so große Gefahr zu begeben, wo es so viele und so grausame Feinde gibt. Da will der größte Wüterich der frömmste Mensch sein. Was willst Du machen? Das Gesetz befiehlt, auch den verirrten Ochsen Deines Feindes seinem Herrn zurückzuschicken 2. Mos. 23,4. Und da sollst Du nicht mahnen, wenn Du die ganze Welt im Irrtum siehst, zumal, wenn Du gegenwärtig so viele Riesen ohne Zaudern vorgehen und alle ver-derblichen Lehren vorbringen siehst?! … Ich will mich bemühen, dass das, was ich in dieser Sache vorbringe, fest und stark sei, sodass es nicht leicht zerrissen werden kann. Ich bitte aber zugleich alle Christen, sie möchten nicht urteilen, bis sie alles gehört haben; ich werde schon ihren Entscheid zu tragen wissen. Denken sie wie ich, so werde ich zweifellos dankbar sein, werden sie aber über mich losziehen, mich verdammen, verfluchen, so werden sie das, wenn sie klug sind, mit der heiligen Schrift tun, und dann bin ich ihnen großen Dank schuldig; denn sie bringen mich vom Irrtum auf den rechten Weg. Denn ich bin durchaus gesinnt, einem guten, auf der himmlischen Lehre fußenden Mahner gerne ge-horchen zu wollen. Führen sie aber ihre Sache mit Geschrei, so werden sie tauben Ohren rufen. Solchen Worten gegenüber: „Das ist Ketzerei, Irrtum, An-stoß für fromme Ohren“ bin ich taub. Diese Worte haben mein Ohr so oft ge-troffen, dass es unempfindlich geworden ist. Niemand also möge sagen: Wer will das dulden? Die ganze Welt denkt anders. Vielmehr möge man bei sich über-legen, dass oft ein ganzes Volk irrte mit wenigen Ausnahmen, wie es zu Noahs Zeiten geschah ... Das Wahrste ist immer nur den Wenigsten bekannt. So dürften die, welche über das Abendmahlsbrot anders als üblich denken, das nicht frevelhaft tun … Offen aber bekenne ich vor meinem Gott und Herrn Jesus Christus und vor aller Kreatur, dass ich den Sinn der Worte Christi, den ich jetzt vortragen will, für richtiger halte als den bisher vertretenen, obwohl ich keine verwegene Behauptung aufstellen will. Bringt jemand Klareres und dem Glauben Entsprechenderes vor, so nehme ich das mit vielem Danke an; das verspreche ich ... Wir müssen sehen, welches der ursprüngliche Sinn der Worte Christi: „Das ist mein Leib“ ist; denn leiblich und krass können sie nicht verstanden werden. Gegenwärtig sind Leute aufgetreten, die den symbolischen Sinn in das Wort: „das“ legen wollten. Den Glauben dieser Leute schätze ich, vorausgesetzt, dass er recht ist … Wenn sie also bei den drei Evangelisten und beim Apostel Paulus lesen: „Jesus nahm das Brot, dankte, brach es und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib“, so behaupten sie, hier finde bei dem Hinweis ein Wechsel statt, derart, dass dieses Pronomen „das“ nicht auf das Brot weise, das er empfangen, gebrochen und dargereicht hatte, sondern auf den sinnlich-sichtbaren Leib Christi selbst. Offenbar ist ihre Meinung diese – ich habe nur ein dünnes Schriftchen von ihnen gelesen – , dass Christus seinen Jüngern zeigen wollte, dieser sein Leib sei der, von dem die Propheten vieles voraussagten, was mit ihm geschehen sollte. Diese Ansicht könnte das Wort Christi Joh. 6,51 stark unterstützen: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das für der Welt Leben hingegeben werden wird“. Denn es könnte hier gesagt sein: „Schaut, das ist mein Leib, von dem ich kürzlich sagte, er müsse für der Welt Leben geschlachtet werden! Jetzt wird er auf den Altar gerissen. Aber fürchtet Euch nicht und bangt nicht! Hier bin ich, ich stelle mich selbst. Und damit Ihr in keinen Irrtum fallen könnt, etwa, ich glaubte als Sohn Gottes diesen Leib nicht auf die Schlachtbank legen, vielmehr plötzlich irgend einen anderen herbeizaubern zu müssen, wie das die Engel oft getan haben, damit Ihr, wie gesagt, nicht in menschlicher Vermessenheit wähnt, ich würde einen anderen Leib statt diesem dahin geben, so sage ich Euch klar und deutlich: Diesen Leib, den Ihr da sehet, werde ich zur Erlösung der Welt hingeben.“ Mit Verlaub will ich meine Meinung sagen, entsprechend dem Sach-verhalte. Wenn wir in dieser Weise das Pronomen „das“ auf Christus beziehen, so geht alle Handlung verloren, und die ist doch so peinlich von allen beschrie-ben, dass es frevelhaft wäre, die sorgfältige Ausdrucksweise für zwecklos zu halten. „Jesus nahm das Brot, segnete, dankte, brach es, gab es den Jüngern mit den Worten: nehmet und esset, dieser mein Leib soll für euch dahingegeben werden“. Was hätte es solcher Umständlichkeit bedurft, der die Evangelisten so nachgingen, dass wir bis auf den heutigen Tag, so oft wir diese Worte hören, Christus selbst geradezu handeln und das alles reden zu sehen meinen? Was bedurfte, meine ich, Christus solcher Umständlichkeit, wenn er nichts Anderes sagen wollte, als dass dieser sein Leib gleichsam zwischen Hammer und Amboss stecke? Oder gibt er etwa nach Art gastfreier Menschen eine Auf-forderung, zu essen, wo sie doch schon gegessen hatten, sodass der Sinn wäre: seid guten Mutes und esset fröhlich?! Was sollen dann die Worte: „er segnete, dankte, brach, gab“? Oder aßen sie etwa nur, wenn Christus austeilte und gab? Wir müssen hier also entweder alle Handlung und alle Worte preisgeben – das wäre gottlos – oder offen bekennen, dass das, was Christus so sorgsam und majestätisch gab, sein symbolischer Leib war. Dem steht nicht entgegen, dass „Brot“ im Griechischen und Lateinischen männlichen, „Leib“ aber sächlichen Geschlechtes ist. Derartige Redeweisen kann man unzählige in allen Sprachen hören, wenn ein Übergang vom Kunstwerk zum Stoff stattfindet. Zum Beispiel: Nimm diesen Becher; denn das ist das reinste Gold unter dem ganzen könig-lichen Schatz. Schau, da bedeutet „Becher“, männlichen Geschlechtes, das Kunstwerk, das Gold aber den Stoff ... Es ist also das Argument falsch, das man von der Änderung des Geschlechtes hernimmt. Ferner, wenn Christus sagt: „Das tut zu meinem Gedächtnis“, was soll hier zu seinem Gedächtnis getan werden? Sagst Du: „essen“, so halte ich dem entgegen: was sollen wir denn mit den zwischeneingefügten Worten: „das ist mein Leib“ machen? Scheint es nicht vielmehr arg gewaltsam, wenn alle Handlung und die diesen Worten voraus-gehende wie folgende Rede klar darauf abzielen, dass das zum Essen Gereichte der Leib Christi ist, wenn auch symbolisch und dass die befohlene Gedächtnis-handlung alle Ursache des Essens ausdrückt – scheint es, sage ich, nicht gewaltsam, diese in der Mitte stehenden Worte anderswohin zu schieben? Offenbar ja. Man darf die Worte nicht so vergewaltigen, selbst wenn der Glaube an einem anderen Sinn nicht zweifelt. Die ganze Schwierigkeit liegt also nicht in dem Pronomen „das“, sondern in dem ebenso kleinen Worte „ist“. Das steht in der heiligen Schrift an mehr als einer Stelle für „bedeutet“. Ich höre, um das zunächst zu bemerken, dass einst Wiclif und noch heute die Waldenser der Ansicht sind, dass „ist“ hier für „bedeutet“ stehe; doch habe ich ihren Schrift-beweis nicht gesehen. Es ist ja möglich, dass sie zwar richtig denken, aber ihre richtigen Gedanken nicht richtig verteidigen; deshalb vermutlich hat man ihre Ansicht als gottlos verdammt. Ich habe mit Gottes Gnade schon oft mit vielen Gegnern über den Sinn der Schrift gestritten und dabei häufig die Erfahrung gemacht, dass manche ganz richtig dachten, aber ihre Sache aufgeben und in andere Hände legen mussten, weil sie ihre richtigen Gedanken nicht richtig beweisen konnten. Unbekümmert also um das Schreien: „ein Wiklefit, ein Waldenser, ein Ketzer ist er“ will ich die Schriftstellen bringen, in denen unleug-bar „ist“ im Sinne von „bedeutet“ steht. Und dann will ich klar beweisen, dass auch an jener Stelle „ist“ als „bedeutet“ genommen werden muss. (Zwingli bespricht nun 1. Mos. 41,26 f., Luk. 8,11 ff., Mat. 13,1-23, 38, Joh. 14,6, 15,5, 8,12 u.a.) Nunmehr müssen wir vor allem beachten, wie alles klappt, wenn wir in dieser Weise „ist“ im Sinne von „bedeutet“ nehmen. Ist das der Fall, so ist zugleich bewiesen, dass auch an jener Stelle „ist“ als „bedeutet“ genommen werden muss, was wir ja an zweiter Stelle beweisen wollten. So sagt der Evangelist Lukas – mit dem wollen wir uns begnügen –: „Und nachdem er das Brot genommen hatte, dankte er, brach und gab es ihnen mit den Worten: das bedeutet meinen Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächt-nis“. Schau, Du gläubige, aber in törichten Meinungen befangene Seele, wie hier alles klappt, nichts wird gewaltsam entfernt, nichts hinzugesetzt, vielmehr alles klappt so, dass Du Dich wunderst, diesen Sinn nicht stets gesehen zu haben; ja, noch mehr wunderst Du Dich, dass man dieses so harmonische Redegefüge so frevelhaft verzerrt hat. „Er nahm das Brot, dankte, brach und gab es ihnen, mit den Worten“ etc. Schau, da fehlt nichts! „Das“, nämlich was ich zum Essen darreiche, ist Symbol meines für Euch dahingegebenen Leibes, und das, was ich jetzt tue, sollt Ihr künftig zu meinem Gedächtnis tun. Oder zeigen diese Worte: „tut das zu meinem Gedächtnis“ nicht klar, dass dieses Brot zu seinem Gedächt-nis gegessen werden soll? So ist das Herrnmahl, wie Paulus 1. Kor. 11,25 es nennt, ein Gedächtnis des Todes Christi, nicht eine Vergebung der Sünden; die gibt nur Christi Tod. Er spricht nämlich: „das, was ich Euch jetzt essen und trinken heiße, soll ein Symbol sein; das sollt Ihr in gemeinsamem Essen und Trinken benutzen, wenn Ihr das Gedächtnis an mich begeht.“ Dieses Gedenken drückte Paulus 1. Kor 11,26 zur vollen Verdeutlichung – er hatte zwar schon beide Male zu Brot und Kelch gesetzt: „Das tut zu meinem Gedächtnis“ – so aus: „So oft ihr von diesem Brot esset – nämlich von dem Brot, das Symbol ist, Niemand nennt es „Fleisch“ – und diesem Kelche trinket, verkündet den Tod des Herrn, bis er kommt“. Was heißt „des Herrn Tod verkünden?“ Predigen, sich freuen, loben, wie auch Petrus 1. Pet. 2,9 sagte ... Paulus mahnt uns also, dieses Gedächtnis des Todes Christi solle bis zum Ende der Welt, wenn Christus wiederkehren und mit dem menschlichen Geschlechte in’s Gericht gehen wird, erfolgen, derart, dass wir des Herrn Tod verkünden, das heißt: predigen, loben und danken. Daher haben es ja die Griechen „Eucharistie“ genannt. Nun wollen wir zu den den Kelch betreffenden Worten übergehen; sie machen unsere Ansicht noch klarer. Doch sei zunächst daran erinnert, dass „Kelch“ im Sinne von „Trank“ zu verstehen ist, das Gefäß steht für den Inhalt. Dementsprechend heißt es: „Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird“ etc. Hier wollen wir die Einzelheiten erläutern. Der Kelch heißt das neue Testament ... Ist dieser Kelch das neue Testament? Ja, er ist es: Die Wahrheit sagt es; aber dieses neue Testament besitzt seine Kraft nur in Tod und Blut Christi, ja, Tod und Blut sind das Testament selbst. Ist der Kelch das Testament, so folgt, dass dieser Kelch das wahre und sinnlich-sichtbare Blut Christi ist; denn sein Vergießen für uns hat das Testament geheiligt, fest und gültig gemacht. Auch hier bin ich anderer Ansicht als gewisse große Männer; zwar recht eigentlich nicht ich, sondern die Sache selbst. Die persönliche Meinungsverschiedenheit tut’s ja nicht, wenn es um die Sache anders steht. Es wird hier „Testament“ im uneigentlichen Sinne für „Zeichen“ oder „Symbol des Testamentes“ genommen, so wie man amtliche Briefe „Zeugnisse“ nennt, trotzdem sie nicht atmen oder reden, sondern nur Zeichen von Worten und Taten einstmalig Lebender sind ... So ist auch an dieser Stelle das Testament Tod und Blut Christi, der urkundliche Brief aber mit Ordnung und Inhalt des Testamentes ist dieses Sakrament. Denn in ihm gedenken wir der Wohltaten des Todes Christi und seines Blutvergießens. Beim Genuss dieser Güter danken wir Gott dem Herrn für das Testament, das er uns gnädig gegeben hat. Das Testament wird geöffnet und vorgelesen, wenn Christi Tod verkündigt wird; es wird ausge-schüttet, wenn auf den Tod Christi vertraut wird; denn dann tritt der Erbschafts-genuss ein. Dass aber dieser Kelch so als Symbol des wahren Testamentes verstanden werden soll, zeigen die Worte selbst, wenn es heißt: „Dieser Kelch, das neue Testament,“ das heißt: des Testamentes Zeichen und Brief, „ist in meinem Blute“. Es heißt nicht: „Dieser Kelch, das heißt: das neue Testament, ist mein Blut“, vielmehr: “Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blute“. Dinge aber, von denen das eine im andern ist, sind von einander verschieden, „real“, wie die Philosophen sagen. Real Verschiedenes aber kann auf keinen Fall eine und dieselbe Sache werden. Denn das in einem andern Steckende ist nicht das, in dem es steckt. Warum also sagen im Gegensatz zu den Worten der anderen Evangelisten Matthäus und Markus: „Das ist mein Blut des neuen Testamentes“ Lukas und Paulus: “Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blute“? Das scheint doch eine seltsame Verschiedenheit zu sein. Jene sprechen vom „Blut des Testamentes“, diese vom „Testament des Blutes“, das heißt: vom Brief und Zeichen des Testamentes, das seine Kraft im Blute Christi hat!? Das ist Alles Absicht. Lukas und Paulus schrieben später als jene und verdeutlichten deshalb etwas ihre Worte. Sie sahen, dass die Worte: „Dieser Kelch ist mein Blut“ für das Begriffsvermögen gewisser Leute zu trocken waren ... Sie glaubten, nicht alle würden sie so verstehen: „Dieser Becher ist das Symbol meines Blutes, das das Blut des neuen Testamentes ist“, ... und deshalb formten sie die Worte anders: „Dieser Kelch ist das neue Testament“, das heißt: das ist der Kelch des neuen Testamentes, und dieses neue Testament hat Kraft in meinem Blute; denn Matthäus und Markus sagten im Genetiv: des neuen Testa-mentes, was Lukas und Paulus im Nominativ ausdrückten: das neue Testament. Daher sagten sie auch in uneigentlichem Sinne „neues Testament“ statt: es ist ein Symbol des neuen Testamentes. So wie wir den Testamentsbrief mit den Angaben der Legate „Testament“ nennen und das Bild des Kaisers „Kaiser“. Es ist also der Kelch ein Symbol des neuen Testamentes ... Wenn nun die den Kelch betreffenden Worte: „Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blute“ lauten und „in meinem Blute“ nur den Sinn haben kann: das Testament hat seine Kraft in meinem Blute, so müssen offenbar die das Brot betreffenden Worte in ähnlicher Weise verstanden werden: was ich Euch essen heiße, ist Symbol oder bedeutet meinen Leib, der für Euch gegeben wird. Doch möchte ich, dass Niemand durch diese peinlichen Worterklärungen sich geärgert fühle; sie sind nicht meine Stütze, sondern das eine Wort: „Das Fleisch nützt nichts“ Joh. 6,63; es genügt, um durchzuzwingen, dass „ist“ an dieser Stelle für „bedeutet“ oder „ist Symbol“ steht, selbst wenn aus den Worten selbst dieser Sinn gar nicht er-schlossen werden könnte. Noch eine andere Paulus-Stelle muss herangezogen werden, damit wir noch deutlicher sehen, wie Christi Jünger im apostolischen Zeitalter dieses Sakrament gebraucht haben 1. Kor. 10,16 heißt es: „Der Kelch des Segens, das heißt: der Freigebigkeit und Güte Gottes, den wir segnen, das heißt: mit dem wir danken, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?“ Das heißt: wenn wir gemeinsam von diesem Kelche trinken, den uns Christus als Symbol seiner Freigebigkeit gab, trinken dann nicht nur die, welche das Blut des Testamentes gleichsam gemeinsam haben? Wer also hier trinkt, zeigt sich vor allen Brüdern als einer aus der Schar derer, die auf Christi Blut vertrauen. Dass das der einzig berechtigte und echte Sinn dieser Worte ist, beweisen deutlich gewisse, alsbald folgende Kennzeichen. „Das Brot, das wir brechen, nämlich unter uns, ist das nicht die Teilnahme am Leibe Christi?“ Das heißt: wenn wir das Brot unter uns brechen, geben wir alle, die wir Christi Leib sind, uns dann nicht gegenseitig kund als Zugehörige zur Zahl der Christusgläubigen? Es folgt alsbald ein Kennzeichen, das beweist, dass dies der rechte Sinn sei und „Leib“ hier anders genommen werden muss als im Sinne von „Symbol des Leibes“, nämlich im Sinne von „Kirche“. Es heißt nämlich: „Wir viele sind ja ein Brot, ein Leib; denn wir haben alle Teil an dem einen Brote.“ Man sieht hier und im 11. Kapitel des 1. Korintherbriefes deutlich, dass man zur Zeit des Paulus das Sakrament so gebrauchte: Die Jünger Christi kamen zusammen und aßen gemeinsam von Anfang an; dabei ließen einige üppig und prunkvoll auftragen Infolgedessen schämten sich diejenigen, die nichts Derartiges hatten, und wurden verachtet. Einige eilten, andere aßen langsam. So kam es, dass ein Teil voll gesättigt auf das symbolische Brot wartete, ein anderer aber noch nicht gegessen hatte, als man Brot und Becher herumzutragen begann. Da mahnt Paulus, man möchte daheim essen, und die Kirche, das heißt: die Versammlung Gottes, nicht ver-achten. Daheim lässt er die tägliche Mahlzeit genießen, nicht das symbolische Brot und Blut. Wenn sie nun so versammelt waren zum freudigen Lobpreis Gottes, wurden sie ermahnt, nicht ohne Prüfung zu essen; darum heißt es: „Der Mensch prüfe sich selbst“ etc. Denn wer von diesem Symbol isst, bezeugt damit, dass er ein Glied der Kirche sei. Deshalb darf nachher nicht von Götzenopfer-fleisch essen und dort nicht zu Tisch sitzen, wer am symbolischen Mahle Christi teilgenommen hatte – darauf zielt Paulus ab; denn die hier essen und trinken, werden ein Leib und ein Brot. Das heißt: alle, die zusammenkommen den Tod des Herrn zu verkünden, das symbolische Brot essen und damit sich als Leib Christi, das heißt: als Glieder seiner Kirche bezeugen; die hat einen Glauben und isst ein symbolisches Brot, so ist sie auch ein Leib und ein Brot. Christus – das wird daraus klar – hat uns mit Brot und Wein speisen und tränken wollen, damit, wie diese Elemente beide aus zahllosen Körnern oder Mehlstäubchen bzw. Weinbeeren zu einem Leibe sich verbinden, so auch wir zu einem Glauben und einem Leibe uns zusammenschließen. Deshalb haben auch die Griechen das Mahl „Synaxis“ = Vereinigung genannt, weil durch dieses Symbol alle, die da zusammengekommen waren, zu einem Leibe zusammengefügt wurden. Die Stellen der Apostelgeschichte vom Brotbrechen sprechen sehr für diese Auffassung, wenn sie, wie man vielfach glaubt, von der Gemeinschaft des symbolischen Brotes zu verstehen sind. Unzweifelhaft muss im 2. Kapitel der Apostelgeschichte die erste Erwähnung des Brotbrechens von diesem symboli-schen Brote verstanden werden, wenn es heißt: „Und sie hingen alle fest an der Lehre der Apostel und der Gemeinschaft, dem Brotbrechen und Gebet“. Denn bald darauf spricht er vom Brote, das heißt: von der leiblichen Speise, wie man sie in den einzelnen Häusern gebrauchte. Es ist also klar, dass die Apostel dieses Brot so gebraucht haben, wie wir schon sagten, wie man leicht aus den vorangehenden und folgenden Worten schließen kann ... Die religiöse An-schauung ist also falsch, die da lehrte, der Gebrauch dieses symbolischen Brotes tilge die Sünden. Christus allein tilgt durch seinen Tod die Sünden. Er ist aber nur einmal gestorben, wie der ganze Hebräerbrief und das 6. Kapitel des Römer-briefes zeigt. Sein einmaliger Tod besitzt Kraft zur Tilgung aller Sünden aller Menschen. Falsch ist die Anschauung, die da lehrte, dieses Brot sei ein Werk oder Opfer, das durch tägliche Darbringung unsere Sünden sühne, nämlich in der Messe, wie ich anderweitig vielfach bewiesen habe ... Man muss ohne weiteres alle Messen unterlassen, und das Abendmahl nach Christi Einsetzung ge-brauchen. Doch braucht man keineswegs den erwählten Messpriestern Unrecht zu tun, vielmehr soll man sie ruhig bis zu ihrem Tode unterhalten. Nachher aber soll man Niemand an die Stelle der Verstorbenen wählen und ihre Güter für die Armen verwenden ... Die Eucharistie oder die Synaxis oder das Abendmahl ist nichts Anderes als ein Gedenken; diejenigen, die durch Christi Tod und Blut in festem Glauben sich mit dem Vater versöhnt wissen, verkündigen hier diesen lebenbringenden Tod, das heißt: sie loben, freuen sich und bekennen. Es folgt nun, dass die Teilnehmer an diesem Gebrauche oder dieser Festfeier zum Gedächtnis an den Tod des Herrn, das heißt: zu seiner Verkündigung, sich als Glieder eines Leibes, als ein Brot mit der Tat bezeugen. Denn alle an Christus Glaubenden sind ein Leib ... Wer sich also zu den Christen gesellt, wenn sie den Tod des Herrn verkünden, wer zugleich das symbolische Brot oder Fleisch isst, der muss natürlich hernach nach Christi Gebot leben; denn er hat den anderen bezeugt, dass er auf Christus vertraut. Wer auf ihn vertraut, muss wandeln, wie er selbst wandelte 1. Joh. 2,6. So erklärt es sich, dass die Teilnehmer an jenem Essen des Brotes sich gegenseitig bannten, wenn einer schamlos hurte, trank, Wucher trieb, Götzen verehrte, schmähte oder raubte 1. Kor. 5,11. Wäre diese Sitte niemals aus Christi Kirche verschwunden, so müsste der Christen Leben und Verkehr untereinander vorzüglich sein. Schau, Du fromme Seele, so werden wir zu Narren, wenn wir unseren eigenen Fündlein nachfolgen! Mit Messen wollten wir allesamt das Heil erlangen, wo doch das Abendmahl, selbst wenn es nach Christi Brauch gefeiert wird, keine Sünden tilgt; denn das tut Christus allein. Es war aber eine heilige Handlung, die unsere Zugehörigkeit zu Christus vor der Kirche bezeugte, und wenn wir dieses Bezeugen nicht treu hielten, sollten wir aus der Gemeinschaft der Brüder ausgestoßen werden, damit die christliche Unschuld um so trefflicher gewahrt bleiben könnte. Was trat später ein, als wir diese Lebensregel und christliche Sittenzucht in ihr Gegenteil verkehrten? Das, was wir alle mit eigenen Augen sahen, dass nämlich unser Leben schamloser als das von Türken und Juden geworden ist. Bei denen sind Ehebrüche nicht so häufig, gibt es nicht so viele Wege und Mittelchen, zu wuchern, nicht solche viehische Schlemmerei, nicht solch verwegenes Rauben, gar nicht zu reden vom Hochmut der Fürsten und Völker, den beständigen Kriegen, unsauberen Lästerungen, schmutzigen Worten, Lügen, Betrug, Gaunerei. Haben wir nicht diesen ganzen Rattenkönig von Lastern alle durch Messehören, Messestiften, Messelesen beseitigen wollen? Ich glaube, Niemand wird leugnen, dass wir alle zur Messe, gleichsam zum heiligen Anker, unsere Zuflucht genommen haben. Ja, zu dem Wahnwitz sind wir gekommen, dass wir den bloßen Anblick des Brotes für heilbringend hielten, bei der Ausstellung der Hostie. Selbst das genügte noch nicht. Was wir sahen, beteten wir auch an und vergaßen unsere eigenen dogmatischen Lehrsätze, sofern alle, neue wie alte, Lehrer, die darüber geschrieben haben, darin übereinstimmten, nicht einmal Christi bloße Mensch-heit dürfe angebetet werden. „Gott allein ist anzubeten“ Mat. 8,10 und: „Niemand hat Gott je gesehen“ Joh. 1,18 ... Liest man etwa irgendwo, dass einer der Apostel das Abendmahl angebetet hat, als Christus sein Gedächtnismahl einsetzte? O Jammer über unsere Seelen, die so in Irrtum verstrickt sind, dass ich fürchte, selbst wenn wir die Wahrheit vor Augen sehen, nehmen wir sie nicht an. Worauf richtet sich unser Glaube? Worauf beruht er? Richtet er sich nicht auf Gott? Was zögern wir also, das Herz von den Zeremonien loszureißen, warum setzen wir die Hoffnung auf Dinge, die der Herr nicht gebot? Ruht nicht unser Heil auf ihm, dem Heiland aller Völker? Warum suchen wir es also im Brot des Gedächtnisses? So gewiss ich der Ansicht bin, man solle dieses Brot und den Kelch des Gedächtnisses in der Kirche ehrerbietig behandeln; denn es soll Alles ehrbar und geziemend zugehen 1. Kor. 14,40 ... Ich bin nicht der erste, der diesen Sinn des Abendmahls, der nicht ohne Tragkraft sein dürfte, vorträgt. Ich bezeuge vor Gott, dass ich nur ihm zu Ehren schon vor einigen Jahren mit vielen Gelehrten diese Sache heimlich besprach, weil ich nicht unklug und unüberlegt etwas unter die Menge werfen wollte, was etwa großen Sturm erregen könnte. Je größer die Zahl derer wurde, mit denen ich sprach, desto mehr stimmten dieser Ansicht zu. Oft bat ich Gott, er möchte mir einen Weg zeigen, wie diese für den einfältigen Laienverstand sehr schwierige Sache allgemein bekannt werden könnte, wie sie nicht so schwierig sei, als wir alle glaubten, und sie im prakti-schen Gebrauche der Kirche von größter Annehmlichkeit und größtem Nutzen sein würde. Denn was hat allerlei Lastern die Türe weiter geöffnet, als dass wir schamlos als Sünder von jener Gemeinschaft nicht fern blieben? Oder was hätte mehr zu gegenseitiger Liebe und Gunst auffordern können als das häufige Eintrichtern des freiwilligen Todes Christi für die Elenden und Feinde in Ohr und Herz? Oder wie hätte jemanden das Schamgefühl besser von Ehebruch, Wucher, Eitelkeit, Stolz, Hochmut, Geiz und sonstigen Lastern fernhalten können als die Teilnahme an der Handlung, von der viele mit großer Schande ausge-schlossen wurden, wo täglich ein Exempel statuiert wurde? In der Voraussicht also des großen Nutzens eines echten, ursprünglichen Gebrauches dieses Sakramentes bat ich, wie gesagt, ernstlich den Herrn, er möchte mir einen Weg zeigen, die so heikle Sache umsichtig anzufassen. Gott half dem ernstlichen Beter. So erachteten wir es endlich für gut, die Messe abzuschaffen. Dann, so hoffte ich, könne auch die Eucharistie wiederhergestellt werden. Als stärkstes Kampfmittel erkannte ich das 6. Kapitel des Johannesevangeliums Da liegt jener unzerbrechliche Edelstein „Das Fleisch nützt nichts“ so fest in Farbe und Gehalt, dass er unzerbrechlich bleibt, Du magst darauf schlagen, so viel Du willst, eher zerbricht Alles, als dass es ihm auch nur einen kleinen Schaden zufügen könnte. An zweiter Stelle schien mir am passendsten das Wort: „Gott hat Niemand gesehen“ Joh. 1,18. Hier ist die Anbetung alles Sichtbaren und Sinnenfälligen verboten. Schließlich musste der echte, ursprüngliche Sinn der Eucharistie auseinandergesetzt werden; denn mit seinem rechten Verständnis brachen von selbst eitle Hoffnungen und fürchterliche Ansichten zusammen. Den Plan habe ich vielen mitgeteilt; doch ehe er ausreifte, erschienen gewisse bedrohlich ausschauende Büchlein, Karlstadts Schriften vom Abendmahl, die aber nicht genügend Kraft oder Licht besaßen, und daher die Sache nicht da anfassten, wo man den Sieg erzielen konnte. So spielt göttliche Macht in Menschenhändeln. Dadurch sah ich mich wider Willen gezwungen, meine Ansicht kundzutun, da allenthalben viele Brüder, fast unbillig, es verlangten. Da schrieb ich den Brief an den Prediger des Evangeliums in Reutlingen, den ich persönlich nicht kannte; ich beschwor darin dringend, Niemand sollte ihn drucken, habe ihn auch Gott sei Dank noch nicht gedruckt gesehen, wenn ihn auch viele aufrichtige Brüder im Herrn gesehen haben. Diesen „Kommentar“ habe ich später begonnen, aber ich konnte nur derselben Ansicht sein wie in jenem Briefe. Den „Kommentar“ musste ich durchaus verfassen; ich hatte es vielen trefflichen und gelehrten Franzosen versprochen. So bitte ich Gott, vor dem ich heute stehe, und hebe meine Hände rein von jedem Streben nach Unruhe oder Ruhm empor, er möchte, wenn der von mir auseinandergesetzte Sinn seiner Abendmahlseinsetzung der richtige ist, wie ich durchaus nicht bezweifle, mit seiner dem ganzen Menschengeschlecht gegenüber erbarmenden Gnade aller Augen auftun, damit alle diesen Greuel an Gottes Stätte – es muss wahrhaftig Greuel sein, wenn Kreatur für Gott gehalten wird – erkennen und nicht mehr anbeten. Wenn Gott allein angebetet werden darf und gar keine Kreatur ... , ist dann nicht die Anbetung von Brot der Gipfel der Gottlosigkeit? Was will die Behauptung der Theologen, sie beteten nicht das Brot an, sondern Christi Leib, besagen? Beten sie dann keine Kreatur mehr an?! ... Wiederum sagen sie: wir beten an und essen dementsprechend einen geistigen Leib Christi. Bei Gott, was heißt: geistiger Leib Christi? Hat man je in der heiligen Schrift einen anderen geistigen Leib Christi gefunden als entweder die Kirche, wie Eph. 4,4 und Kol. 1,18, oder unseren Glauben, der glaubt, dass Christus am Kreuze für uns die Schuld bezahlt hat und durch ihn des Heiles gewiss ist? Warum beschweren wir mit derartigen Redensarten, die kein Vernünftiger be-greift, die frommen Herzen? „Geistiger Leib“ versteht man nicht besser als „leibliches Herz“ oder „fleischliche Vernunft“. Oder essen wir nicht geistig Christi Leib, wenn wir glauben, dass er für uns getötet wurde, und auf ihn vertrauen? Sind nicht Geist und Leben schon in uns? Wozu verknüpfen wir Worte, die nicht zu einander passen, mit einander? Es kommt ja nur ein Strick des Zankes dabei heraus! Wir wollen klar und deutlich reden! Wir essen geistig, wenn wir durch Gottes Gnade zu Christus kommen. Was kann also „geistig Christi Leib essen“ anders sein als auf Christus vertrauen? Wozu denken wir uns neue Fündlein aus, die vor der Vernunft gar nicht bestehen können? ... Man tut dem Glauben ein großes Unrecht, wenn man seiner Kraft die Anwesenheit des leiblichen Fleisches Christi zuschreibt. Und zwar aus zwei Gründen: 1. sofern man dieses leibliche Fleisch durch unsern Glauben da sein lässt; denn der Glaube erhebt Einspruch. Die Sache muss, so hoch sie gewertet wird, auf sich selbst beruhen und nicht auf unserem Glauben. Denn der Glaube richtet sich auf Realitäten, die da sind, ehe Du glaubst; er kann also jenes Fleisch nicht schaffen. Ich würde das nicht gesagt haben, wenn man nicht auf gewisser Seite so lau den Glauben wahrte, dass man zu sagen wagt: Kraft des Glaubens ist dieses Fleisch da. Kann man etwas Törichteres sagen? Kann etwa unser Glaube Brot zu Fleisch machen? Das hätte man mit Gottes Wort beweisen – dann hätte der Glaube Bewegungsfreiheit gewonnen – , aber nicht dem Glauben Gewalt antun sollen. 2. Man tut dem Glauben Unrecht, wenn man sagt, er mache uns selig; an sich ist das zwar richtig, aber im vorliegenden Falle von der Wahrheit entfernt wie die Finsternis vom Licht. Denn man lässt den Glauben selig machen, der da glaubt, in diesem Brote oder dieses Brot selbst sei leibliches Fleisch. So spricht man aber ohne die Autorität des göttlichen Wortes; denn nirgends heißt es: wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer da glaubt in diesem Brote mein leibliches Fleisch zu essen, der wird selig. Es würde daraus noch ein anderer schwerer Irrtum folgen, nämlich, dass es zweierlei heilschaffenden Glauben gäbe: einmal das Vertrauen auf Christus, sodann den Glauben, jenes Brot sei Fleisch. Denn so sagt man: Du kannst nicht selig werden, wenn Du das nicht glaubst ... Alle, die meine Worte lesen, beschwöre ich bei dem uns alle selig machenden Glauben, sie möchten, was sie da hören, nicht plötzlich verdammen oder verwerfen, selbst wenn es ihnen widersinnig erscheint, vielmehr den Herrn bitten, er möchte ihnen das wahre Licht der Einsicht schenken, das Wahre, Rechte und Heilige zu erfassen. Fröhlich schaut das Antlitz der Wahrheit aus, gar nicht stolz, aber für Schmeiche-lei ist sie nicht empfänglich. Wer ein schlechtes Gewissen hat, wagt daher nicht sofort wacker und furchtlos ihr in’s Auge zu blicken. Macht man aber immer wieder den Versuch, so hört allmählich der Anstoß auf. Gott gebe, dass wir alle lernen, darin die wahre Religion zu sehen, im Herzen Gott einzig und allein anzuhangen, ihm allein zu folgen, ihm allein gefallen zu wollen, seinen Willen allein zu tun. Umgekehrt möchte Er uns erkennen lassen, dass diese Elemente der Welt uns nicht besser machen, vielmehr bei zu hoher Wertung uns von der wahren Gottesverehrung wegziehen ...  

 

VON DER BEICHTE.

 

Die heilige Schrift kennt nur die Beichte der Selbstprüfung und Hingabe des Menschen an Gottes Barmherzigkeit, entsprechend dem Prophetenworte Ps. 32,5. Gott allein vergibt die Sünden und macht das Herz ruhig; darum müssen wir auch ihm allein die Heilung unserer Wunden verdanken und sie ihm allein zur Heilung darbieten ... So steht’s bei der Beichte: Gott allein heilt unser Herz, ihm allein also muss man die Wunde zeigen. Solltest Du den Arzt noch nicht ganz kennen, nicht wissen, wo er wohnt, so verbietet Dir Niemand, die Wunde bei einem klugen Ratgeber zu verbinden und ihn um Rat zu bitten. Ist er wirklich ein kluger und treuer Mensch, so wird er unzweifelhaft Dich zu dem Arzt schicken, dessen Kunstfertigkeit die Wunde zuzunähen weiß. Ich will das Gleichnis erklären: Der den Arzt nicht kennt, ist der Mensch, der die Gnade in Christus noch nicht recht erkannte, aber doch die drückende Gewissenslast loswerden möchte. Der kundige und treue Ratgeber ist der Diener des göttlichen Wortes, der wie der Samariter Luk. 10,34 Wein und Öl in die Wunden gießt. Der Wein bedeutet die Bitterkeit der Buße; zu der führt er den Menschen in der Selbst-prüfung und Selbsterkenntnis, und wenn er widerstrebt, lehrt er ihn auch die Heuchelei kennen. Bitter und hart ist die Erkenntnis, dass Du ganz und gar schlecht bist; noch bitterer, dass Du Deine Bosheit nicht leugnen kannst; am bittersten, wenn Du erkennst, dass Du tot bist und alle Hoffnung Dich verlassen hat. Da fängt die Wunde an zu brennen. Alsbald muss der Diener des Wortes Öl eingießen, das heißt: Christus, der mit Freudenöl vor allen gesalbt ist, das heißt: er muss die von Gott uns durch ihn geschenkte Gnade zeigen. Hat er die kennen gelernt, so kann er nicht mehr an sich halten, er muss zu Christus selbst eilen. Die Ohrenbeichte ist also nichts Anderes als eine Konsultation, in der wir von dem von Gott dazu Bestimmten den Rat empfangen, wie wir Ruhe für unser Herz finden können. Hier liegt die Schlüsselgewalt, hier das Evangelium – darüber haben wir ja schon genügend gesprochen. Der Diener des Wortes verkündet Dir das Evangelium; hast Du die Verkündigung empfangen, das heißt: hast Du Christus aufgenommen, so bist Du schon absolviert und frei von der Sündenlast und spürst die Erleichterung in Deinem Herzen, wenn auch kein Papst Formel-worte über Dir spricht ... Was man von der Beichte überliefert, ist ein ganzes Meer von Finsternis. Es hat keinen Zweck, das zu widerlegen. Siehst Du das Wenige, was ich vorbringe, genau an, so wirst Du Dich sicher in der ganzen Schrift bewegen bezüglich der Beichte; Du wirst leicht erkennen, dass sie die bisher übliche Ohrenbeichte überhaupt nicht erwähnt. „Beichten, bekennen“ heißt erstlich: loben und danken dem Herrn Ps. 136,1 ... Sodann heißt „beichten, bekennen“ dem Herrn vertrauen, bekennen, dass er unser Fels und unsere Zuflucht ist Ps. 105,1; Joh. 4,15 f. Ferner heißt „beichten, bekennen“ einen Vorwurf oder eine Anklage anerkennen. Zum Beispiel: die von der Predigt des Johannes Getroffenen anerkannten den Tatbestand, wie er lehrte. So „bekennen“ heute die ihre Sünden, die, von der Predigt des Wortes Gottes getroffen, sich selbst erkennen und sofort zum Arzt gehen. Endlich: Wir „beichten, bekennen“ unsere Sünden, wenn wir dem Nächsten oder einem gelehrten Sachkenner ein geheimes Verbrechen mitteilen, damit er mit uns Verzeihung beim himmlischen Vater erflehe oder, wie gesagt, Rat finde, künftighin dem Übel zu widerstehen. Von dieser Beichte sprach Jakobus Kap. 5,16: „Bekennet einander eure Sünden und betet für einander, damit ihr selig werdet; denn des Gerechten Gebet vermag sehr viel“. Diese Stelle ist bisher der Stützpunkt der Päpstler für die Ohrenbeichte gewesen, aber Jakobus redet gar nicht von ihr, sondern von der „Beichte“ vor dem Nächsten, wenn man ihm eine innere und bisher verborgene Wunde erschließt. Aus dieser Stelle kann man nur entnehmen, dass man den Nächsten aufsuchen soll zwecks gemeinsamer Bitte für die Sünden, die man begangen hat; man zeigt die Fäulnis der Wunde, damit das Gebet inniger werde. Kurz, es ist genügend gebeichtet, wenn man Gott vertraut, ihn lobt und ihm dankt für die empfangenen Wohltaten, seine Sünden erkennt und vor dem Herrn beklagt und beständig in Gemeinschaft der Brüder um Verzeihung bittet – das waren ja die vier Arten der „Beichte“. Wer so verfährt, beichtet genug und bedarf keines Priesters. Wer aber noch nicht so weit ist, hat wahrlich einen Priester dringend nötig. Aber was für einen? Nicht einen, der mit falschen Schlüsseln der Ablass-geldkiste nachstellt, vielmehr einen, der aus dem Worte Gottes Sünde und Gnade erkennen lehrt ... Aber man könnte sagen: viele werden große Schand-taten vollbringen, wenn man sie nicht zur Beichte treibt. Darauf antworte ich: Ihr seid unerfahren oder Heuchler. Unerfahren, weil Ihr nicht wisst, dass Niemand wegen der Beichte eine Schandtat unterlässt; im Gegenteil, ich weiß, dass Viele begangene Laster nicht gebeichtet haben, weil sie sich schämten. Heuchler, weil jedermann wissen kann, wie keck er Vieles verleugnet, ja, Gerechtigkeit geleug-net hat, wenn ihm daran lag, den Anschein zu erwecken, er habe von Herzen Alles bekannt und empfinde Reue ... So wollen wir oft dem Herrn beichten, oft ein neues Leben beginnen und oft, wenn wir nicht recht Bescheid wissen, einen klugen Sachverständigen befragen, der nicht auf den Geldsack, sondern auf das Gewissen schaut.

 

VON DEN ÜBRIGEN SAKRAMENTEN.

 

Die Firmung entstand, als die Kindertaufe allgemeiner Brauch wurde, während in alter Zeit nur in Lebensgefahr schwebende Kinder getauft wurden. Indessen, wozu? Machte etwa die Todesgefahr die Kinder mit christlichen Dingen besser bekannt? Nein, der Irrtum kam von der Meinung her, die Taufe wasche nach dem Glauben die Sünden ab; und, wie das so geht, als der Irrtum stärker wurde, wagte er den Kindern auch das Heil abzusprechen, wie wenn Christus grau-samer wäre als Moses, unter dem die Beschnittenen oder Opfernden zu den Kindern Israels gerechnet wurden, selbst wenn sie Abrahams Glauben noch nicht nachgeeifert hatten, was sie ja nicht konnten. Die sogenannte letzte Ölung ist ein menschenfreundlicher Dienst. Die Apostel salbten bisweilen Kranke, und dann ging es ihnen besser Mark. 6,13. Jakobus 5,14 mahnt, stets bei dieser Sitte zu bleiben, nämlich die Kranken zu besuchen; wo es die Gelegenheit gibt oder die Krankheit es gestattet, sollen ältere Leute Hand anlegen, salben und Gott um Heilung bitten. Die Ordination, der man einen unvergänglichen Charakter zuschreibt, ist ein Menschenfündlein. Die Berufung auf die Händeauflegung in der Apostelgeschichte 4,30 und 1. Tim. 4,14 ist frivol. Sie war eine äußere Kennzeichnung derer, auf die die Sprachengabe kommen sollte, oder die man zum Dienste am Wort aussenden wollte. Was hat das mit der Erdichtung eines unvergänglichen Charakters zu tun? Eine Aufgabe, keine Würde ist das Pfarramt, das heißt: der Dienst am Wort. Wer das Wort verwaltet, ist Pfarrer; wer es nicht tut, ist ebensowenig Pfarrer, wie ein untätiger Bürgermeister oder Ratsherr kein Bürgermeister oder Ratsherr ist.

 

DIE EHE.

 

Ich muss noch einmal auf die Ehe zurückkommen, denn ich habe oben das Wichtigste vergessen. „Die Ehe ist ein ehrlich Ding“ sagt der Apostel Heb. 13,4. Warum also verbieten wir einigen, nämlich den Priestern, Mönchen und Nonnen, auch Bischöfen, das heißt: Dienern des Wortes, etwas, das auch nach Gottes Zeugnis heilig, fromm und gut ist? … Wenn man den Dienern des Wortes die Ehe verbietet, lässt man ihre Taten einen vernichtenden Gegensatz zu ihren Worten sein. Ich brauche hier nichts über die böse Lust des Fleisches zu sagen. Wissen wir doch alle, wie keusch und rein wir sind! Warum also zerren wir frei-willig ein Ärgernis in die Kirche Gottes hinein, wo doch Gottes Gebot nirgends die Ehe verbietet? Wir wissen, wie gesagt, alle, dass die Ehe ein ehrlich Ding ist; warum wollen wir sie dem Diener des Wortes nicht gestatten? Trotzdem wir seine Schwäche sehen, wollen wir lieber zu Schmach und Schande der ganzen Kirche den Hurer dulden, als den rechtmäßigen Ehemann. Da sagt man, man schrecke zurück vor jedem Dienste eines verheirateten Priesters; man könne einen in der Kirche Messe haltenden oder predigenden Priester nicht gleichzeitig mit seiner zuhörenden und betenden Frau sehen – aber die schamloseste Hure, mitunter sogar auf den ersten Plätzen, duldet man anstandslos! Da sollte man grimmig werden, nicht über die Torheit, nein, über die Bosheit der Menschen. Hier handelt sich‘s nicht um Torheit, sondern Ungerechtigkeit ... Ein Ehemann, eines Weibes Mann, soll in der Kirche Gottes das Wort verwalten; sonst könnte er bei seiner Predigt, kein Bruder dürfe den anderen in Ehesachen betrügen, selbst viele anwesend sehen, mit denen er die Ehe gebrochen hat, und, im Gewissen ge-troffen, weder von seiner noch von der Sünde anderer tüchtig reden und tadeln. Doch will ich nachher, wenn ich zu den Gelübden komme, über die Ehe noch mehr sagen. Hier erinnere ich nur daran: die Ursache für das Eheverbot an unsere Pfarrer im Gegensatze zum Wunsche des Paulus nach einem ver-heirateten Pfarrer 1. Tim. 3,2; Tit. 1,6 scheint mir einzig und allein darin zu liegen, dass man von der allzu großen, dem Müßiggang ergebenen Schar der Priester etwas befürchtet, wenn man ihnen die Ehe gestattet. Die Mönche werden erben wollen mit ihren Brüdern, die Nonne wird eine Erbschaft beanspruchen, die anderswohin gefallen ist, da wird ein Priester in den Rat oder vielleicht zum Bürgermeister gewählt werden. Das ist wahrhaftig meines Erachtens eine Bosheit, die Ausflüchte sucht, anstatt den Dingen in die Augen zu schauen. Warum tritt man denn jenen Missständen nicht entgegen? Kann man nicht durch ein Gesetz verbieten: Kein Priester darf Ratsherr werden? Droht dann etwa noch Gefahr? So könnte man auch einfach sonstigen Gefahren begegnen, damit dieser schamlose Unflat den Gläubigen aus den Augen geschafft würde. Und was die große Zahl betrifft, warum lassen wir nicht in Frieden manche Stelle aussterben, besetzen sie nicht wieder, verwenden vielmehr das Einkommen für die Armen, zumal sie lange genug gehungert haben, die Pfründenbesitzer indessen übersatt waren? Haben nicht der römische Papst oder seine Schüler, jene Kardinäle oder Bischöfe mit Mitra und Kappe eine Zeit lang Unruhen in allen Reichen der Christenheit erregt? Lenken sie nicht alle Ratschläge, Schicksale und Urteile der Könige? Woher haben sie solche Gewalt? Vom Gelde her. Woher haben sie das Geld? Aus den vielen Pfründen, Steuern, Zehnten und andern Lasten, die Du schwerer zählen kannst als die Sterne. Man muss also diesen Reichtum beschränken ... Sind einige so verwegen, den staatlichen Frieden mit ihrer Gewalt zu stören, so soll man ihnen die Federn beschneiden, dass sie nicht mehr so hoch fliegen können ... So viel in aller Kürze von der Abschaffung des unnützen Priestertums und der Umwandlung der Einkünfte zum besten der Armen. Christen sollen nur Christi Priestertum haben; er ist der ewige Priester, und Niemand darf an seine Stelle treten. Die Diener des Wortes aber, die Pfarrer, Aufseher in der Herde des Herrn, sollen nach des Paulus Gebot gebührende Ehre genießen 1. Tim. 5,18 ...

 

VON DEN GELÜBDEN.

 

Es gibt ganz gottlose und törichte Gelübde, zum Beispiel wenn jemand unverletzt dem Könige tausend Köpfe von Feinden bringen will. David und Herkules haben auch Derartiges geleistet, aber Niemand war je so anmaßend, die sichere Rück-kehr mit so viel Köpfen zu versprechen. Wenn man nun Keuschheit, Armut und Gehorsam verspricht, so beachte, wie die rechte Einsicht fehlt und der Eifer entweder Torheit oder Heuchelei ist. Zunächst von der Keuschheit. Die spricht Christus Mat. 19,11 allen Menschen ab; es sei denn, dass sie einigen von oben her gegeben worden ist; wem sie gegeben worden ist, der mag sie gebrauchen. Gottlos aber und ebenso unfreundlich, wie wenn ich einem Freunde verspräche, das ganze Jahr aus seinem Geldbeutel zu leben, ist es, Gott etwas zu ver-sprechen, was ich nur haben kann, wenn er es mir gibt. Heißt das nicht, dem Freunde versprechen, dass Du aus seinem Geldbeutel leben willst? Der göttliche Paulus löst 1. Kor. 7,9 ausführlich und deutlich diesen Knoten von der Keuschheit mit den Worten auf: „Können sie nicht enthaltsam sein, so mögen sie heiraten! Heiraten ist besser als brennen“. Brennst Du? So heirate. Es ist besser und richtiger, die Glut unbändiger Lust durch Heiraten zu löschen, als in der Glut unruhige und schmutzige Gedanken mit sich herumzutragen. Wie lange Du aber die brennende Glut ertragen sollst, kannst Du selbst am besten sagen. Nur ganz wenige Sterbliche leiden keine Brunst; ich weiß nicht, ob es je einen Menschen gegeben hat, der nicht die Glut der Begierde empfand, geschweige, ob es heute einen gibt. Die Stärke der Brunst weiß nur der Herzenskündiger. Da nun das Innere des Menschen nur der Geist des Menschen, der in ihm ist, kennt 1. Kor. 2,11, kann Niemand darüber entscheiden, ob Du heiraten oder ehelos bleiben sollst. Du musst es mit Dir selbst abmachen, ob Du heiraten sollst oder nicht. Du wirst es tun, wenn Du Deine Gedanken hauptsächlich durch dieses heftige Feuer stürmisch fortgerissen fühlst und merkst, wie die Gottesfurcht verloren geht, die Liebe ausgelöscht, das Gebet gehindert wird ... Der Einwand mit den Nazaräern 4. Mos. 6,1-21 ist längst veraltet. Der Herr hat den Kindern Israels vieles ge-boten, was er für sich nicht nötig und woran er auch keine Freude hatte; er gebot es, damit es nicht den Dämonen geleistet wurde, es gab ja mannigfaltige Opfer-gebräuche. So muss man die Nazaräer beurteilen. Es stand zu befürchten, dass die Juden ihre Kinder nach Art der Heiden in einer besonderen Lebensweise erziehen und dann den Abgöttern ergeben wollten. Folglich gab ihnen Gott selbst eine derartige Lebensweise; die sollte ihnen genügen, dass sie sich nicht zu den Götzendienern wandten. Der fernere Einwand: „bezahle dem Höchsten deine Gelübde“ Ps. 50,14 und: „gelobt und haltet“ Ps. 76,12 beweist die Unwissenheit derer, die ihn vorbringen; sie haben noch nicht gelernt, dass „Gelübde“ in der heiligen Schrift im Sinne von „Gaben und freiwilligen Opfern“ zu verstehen sind, nicht vom Eid oder der Hingabe des Herzens ... Im Allgemeinen kann man offenbar alle Gelübde in diese zwei Arten einteilen: wir geloben das vom Herrn Gebotene oder freiwillig etwas darüber hinaus. Im ersteren Falle handelt man anmaßend; denn man beansprucht durch Hinzufügung eines Gelübdes oder Eides das Gebot des Herrn nachdrücklicher zu erfüllen, als wenn man nur Gottes Gebot hört. Was ist das anders als größte Torheit und Glaubensschwäche? Ein gläubiger Mensch muss nach Gottes Willen trachten, weil Gott es so geboten hat, nicht weil er selbst es so tun will. Wer aus letzterem Grunde den Geboten Gottes nachleben will, die er selbst gelobt hat, schätzt sich höher ein als Gott. Wer den Befehl des Bürgermeisters nur dann erfüllt, nachdem er die Erfüllung ver-sprochen hat, ist ungehorsam; denn jedermann ist einfach verpflichtet zur Erfüllung der Gebote von Gesetz und Obrigkeit, ohne Gehorsamsversprechen. Geloben wir aber andere Dinge, als im Gesetze Gottes inbegriffen sind, so ist das eitle Mühe ... Gibt’s etwas Törichteres, als dem Herrn neue Versprechungen zu machen, wie wenn wir die bisherigen Gebote erfüllt hätten und als Zugabe noch freiwillig eigene hinzufügten? Wer hat je nur dieses eine Gebot erfüllt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“? ... Warum also erfinden wir neue Gebote, die wir Gottes Gebote nicht erfüllt haben? Ich will offen und wahr reden: Diese Gelübde der Keuschheit, Armut und des Gehorsams sind ein Abbiegen und Ausbiegen vor dem göttlichen Gesetz; das wird klar werden, sobald wir über die Armut und den Gehorsam sprechen. Wozu Armut geloben? Nur ein armes Herz ist ein christliches. „Selig die Armen im Geist!“ Mat. 5,3. Folglich müssen wir nach Gottes Gesetz alle arm sein; im anderen Falle gehorchen wir dem Gesetze nicht. Wozu also Armut geloben, als wenn die Gelübde-Tuenden besser Gottes Gebot halten könnten als die ihm Gehorsamen? Gelobt man Armut und Be-dürftigkeit an zeitlichem Gut, so handelt man wiederum töricht. Denn wie kannst Du geloben, was Du nicht in Deiner Hand hast? Bist Du reich, so brauchst Du keine Armut zu geloben, musst vielmehr nach Christi Wort Alles verkaufen, was Du besitzest, und es den Armen geben Mat. 19,21. Das gebietet der Herr. Warum gelobst Du, was der Herr gebot? Bist Du arm, wozu gelobst Du Armut, die Du auf alle Fälle tragen musst? Was wäre das für ein Gelübde, wenn Du gelobtest, hässlich zu sein, wo Du es längst bist? Hat Gott Dich reich gemacht, etwa zum Könige oder Fürsten, aber zu dem Zwecke, dass Du das Dir anver-traute Gut treu verwaltest, willst Du dann Armut geloben? Umgekehrt, hat Dir der Herr Reichtum versagt, aber ein geduldiges Herz gegeben, dass Du das fröhlich tragen kannst, Du gelobst aber zugleich Armut, wirst Du dann nicht Deinem Gelübde das geduldige Tragen der Armut eher zuschreiben als der Gnade Gottes? Würdest Du Gottes Gnade alles zuschreiben, so würdest Du niemals geloben, vielmehr beständig Dich in Gottes Willen schicken. Gehorsam schulden wir alle jedermann Mat. 5,41; 1. Kor. 13,5; Mat. 7,12. ... „Christi Kirche ist ein Leib“ Röm. 12,5. Dieser Leib verlangt vor allem Einmütigkeit der Glieder. Die Glieder der Kirche Christi müssen also als Glieder eines Leibes sich gegenseitig befehlen oder gegenseitig gehorchen. Wozu Gehorsam versprechen, den Du schuldig bist; leistest Du ihn nicht, so wirst Du einen ungnädigen Richter finden. Auf den stolzen Einwurf, 1. Sam. 15,22 stehe geschrieben: „Gehorsam ist besser denn Opfer“ antworte ich kurz: es ist wohl Gottes Wille, dass sich selbst über-windet, wer Gottes Wort eigenmächtig missbraucht. So auch an dieser Stelle. Samuel sagte zu Saul: „Gehorsam ist besser als Opfer“. Aber welchen Gehorsam meint er? Etwa die Verpflichtung zu irgend einer Gemeinschaft? Keineswegs! Vielmehr den Gehorsam gegenüber Gott, entgegengesetzt allen menschlichen, scheinbar schönen und guten Ratschlägen ... Jetzt will ich, wie angekündigt, klar machen, dass das Gelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam ein Ausbiegen und Abbiegen vom göttlichen Gesetz und Willen ist. Zunächst: Keuschheit. Man gelobt etwas, worüber man nicht Herr ist, und verachtet dadurch die Ehe. Man sollte redlich Kinder zeugen und erziehen; statt dessen deckt man sich mit dem Gelübde. Aber wie?! Man hurt schamloser als die Hunde. Wenn man nun auf-fordert, Mönche und Nonnen möchten das Kloster verlassen und heiraten, da sie ja doch die Unmöglichkeit der Bewahrung der Enthaltsamkeit sehen, so antworten sie, sie seien durch das Gelübde gesetzlich gebunden. Heißt das nicht, Gottes Gesetz um Menschensatzung willen preisgeben? Gar nicht zu reden von den Unsauberkeiten und Schmutzereien, die ein großer Teil der Klosterinsassen heimlich unter dem Drang der Lust begeht; da zeigt es sich deutlich, dass ihre Herzen und manchmal auch ihre Leiber von schlimmeren Lüsten befleckt sind, als sie in der Ehe vorkommen, ja, sie können wegen ihrer Unreinheit überhaupt nicht mit einer ehrbaren Ehe verglichen werden. Indessen, mögen sie noch so schmutzig und hässlich sein, wegen ihres Gelübdes ge-horchen jene Leute dem Gesetze Gottes nicht. Ihre Armut ist gar keine Armut, im Gegenteil, nirgends kann man Reichtümer mit größerer Ruhe verbunden finden als in den Klöstern. Lebst Du als Reicher in der Stadt, so musst Du Dich um vieles kümmern, trepp auf, trepp ab laufen, um Regen, Hagel und sonstige Wetterlaunen besorgt sein. Unsere Klosterinsassen fürchten und sorgen nicht in dieser Weise; ohne Schweiß und blutsaure Arbeit fällt ihnen Alles zu, sie arbeiten nicht und ackern nicht, aber allenthalben bringt man ihnen Fasanen, Krammets-vögel, Hasen, Rehe, Fische, Forellen, Rötel und wie die auf dem Markte feilge-botenen Delikatessen alle heißen. Wahrhaftig, es ist schwer, diese Armut zu ertragen! Dann die Kleider! Im Winter wärmen sie sich mit Fellen, Wolle und Feuer, sodass sie fast wider Willen schwitzen müssen, im Sommer sind ihre Kleider so durchlässig für den Wind, so leicht, dass man glauben könnte, sie lebten von der Luft. Mit dem Gehorsam steht’s so: sind Vater oder Mutter in Not, so darf man keine Hülfe bringen, selbst wenn die Eltern törichterweise all’ ihr Vermögen daran wandten, diesen Kuckuck in’s Nest zu bringen. Im Krankheits-falle der Eltern darf man dank diesem Gehorsam nicht das Kloster verlassen, nicht sich der Krankheit annehmen, Linderung bringen, helfen – geschweige bei sonstigen Armen. Verlangt die Obrigkeit Steuern, so sind die Klosterinsassen von Steuern befreit. Werden Wachtposten verteilt, so halten sie entgegen, sie seien an Gottes Gebote verhaftet und könnten derartiges nicht leisten. Kurz, sie haben gar keine Gemeinschaft mit den arbeitenden Nachbarn und Bürgern. Droht ein Krieg, so ziehen sie nicht in’s Feld, sondern schnarchen ruhig in ihren lustigen Wohnungen; selbst Salomo in aller seiner Pracht konnte eine solche Ruhe nicht genießen! Nur sich selbst sind sie verantwortlich, nur für sich selbst sorgen sie. Das Allerschlimmste aber ist: je größere Schätze sie zusammenscharren, desto selbstgefälliger werden sie; je hartnäckiger sie bei der Übernahme der Kommu-nallasten der Obrigkeit Widerstand leisten, desto mehr wollen sie geachtet werden und als Herren über alle gelten. Man ehrt und verehrt sie, hält sie für Götter. Niemals wehren sie Ehren von sich ab, die allein Gott gebühren ...

 

- FORTSETZUNG -