Artikel IV. Wie man vor Gott fromm und gerecht wird.

 

Im vierten, fünften und sechsten und hernach im zwanzigsten Artikel verdammen die Widersacher unser Bekenntnis, daß wir lehren, daß die Gläubigen Vergebung der Sünden durch Christum ohne alles Verdienst allein durch den Glauben erlangen, und verwerfen gar trotziglich beides. Erstlich, daß wir nein dazu sagen, daß den Menschen durch ihre Verdienst sollten die Sünden vergeben werden. Zum andern, daß wir halten, lehren und bekennen, daß niemand Gott versöhnt wird, niemand Vergebung der Sünden erlangt denn allein durch den Glauben an Christum. Dieweil aber solcher Zank ist über dem höchsten, vornehmsten Artikel der ganzen christlichen Lehre, also daß an diesem Artikel ganz viel gelegen ist, welcher auch zu klarem, richtigem Verstande der ganzen Heiligen Schrift vornehmlich dient und zu dem unaussprechlichen Schatze und der rechten Erkenntnis Christi allein den Weg weist, auch in die ganze Bibel allein die Tür auftut, ohne welchen Artikel auch kein arm Gewissen einen rechten, beständi-gen, gewissen Trost haben oder die Reichtümer der Gnade Christi erkennen mag: so bitten wir, kaiserliche Majestät wolle von dieser großen, tapferen, hochwichtigen Sache nach Notdurft und gnädig uns hören. Denn dieweil die Widersacher gar nicht verstehen noch wissen, was durch diese Worte in der Schrift zu verstehen, was Vergebung der Sünden sei, was Glaube, was Gnade, was Gerechtigkeit sei, so haben sie diesen edeln, hochnötigen, vornehmsten Artikel, ohne welchen niemand Christum erkennen würde, jämmerlich besudelt und den hohen, teuren Schatz der Erkenntnis Christi, oder was Christus und sein Reich und Gnade sei, gar unterdrückt und den armen Gewissen einen solchen, so edeln, großen Schatz und ewigen Trost, daran es gar gelegen, jämmerlich geraubt. Daß wir aber unser Bekenntnis bekräftigen und was die Widersacher vorgebracht, widerlegen mögen, so wollen wir zuvor erst anzeigen Grund und Ursache beiderlei Lehre, damit jeder Teil klarer zu vernehmen sei. Die ganze Schrift beide Alten und Neuen Testaments wird in die zwei Stücke geteilt und lehrt diese zwei Stücke, nämlich Gesetz und göttliche Verheißungen. Denn an etlichen Orten hält sie uns vor das Gesetz, an etlichen bietet sie Gnade an durch die herrlichen Verheißungen von Christo; als, wenn im Alten Testament die Schrift verheißt den zukünftigen Christum und bietet ewigen Segen, Benedeiung, ewiges Heil, Gerechtigkeit und ewiges Leben durch ihn an, oder im Neuen Testament, wenn Christus, seitdem er gekommen ist auf Erden, im Evangelio verheißt Vergebung der Sünden, ewige Gerechtigkeit und ewiges Leben. Hier aber, an dem Orte, nennen wir das Gesetz die zehn Gebote Gottes, wo diesel-ben in der Schrift gelesen werden. Von den Zeremonien und den Gesetzen der Gerichtshändel wollen wir hier nicht reden. Von diesen zwei Stücken nehmen nun die Widersacher das Gesetz vor sich. Denn dieweil das natürliche Gesetz, welches mit dem Gesetz Mosis oder den zehn Geboten übereinstimmt, in aller Menschen Herzen angeboren und geschrieben ist, und also die Vernunft etlichermaßen die zehn Gebote fassen und verstehen kann, will sie wähnen, sie habe genug am Gesetz, und durchs Gesetz könne man Vergebung der Sünden erlangen. Die zehn Gebote aber erfordern nicht allein ein äußerlich ehrbar Leben oder gute Werke, welche die Vernunft etlichermaßen vermag zu tun, sondern erfordern etwas viel Höheres. welches über alle menschlichen Kräfte, über alles Vermögen der Vernunft ist; nämlich will das Gesetz von uns haben, daß wir Gott sollen mit ganzem Ernst von Herzensgrund fürchten und lieben, ihn in allen Nöten allein anrufen und sonst auf nichts einigen Trost setzen. Item, das Gesetz will haben, daß wir nicht weichen noch wanken sollen, sondern aufs allerge-wisseste im Herzen schließen, daß Gott bei uns sei, unser Gebet erhört, und daß unser Seufzen und Bitten Ja sei; item, daß wir von Gott noch Leben und allerlei Trost erwarten sollen mitten im Tode, in allen Anfechtungen seinem Willen uns gänzlich anheimgeben, in Tod und Trübsal nicht von ihm fliehen, sondern ihm gehorsam sein, gerne alles tragen und leiden, wie es uns geht. Hier haben die Scholastici den Philosophis gefolgt, und wenn sie wollen sagen, wie man vor Gott fromm wird, lehren sie allein eine Gerechtigkeit und Frömmigkeit, da ein Mensch äußerlich vor der Welt ein ehrbar Leben führt und gute Werke tut, und erdichten diesen Traum dazu, daß die menschliche Vernunft ohne den Heiligen Geist vermöge Gott über alles zu lieben. Denn wohl ist's wahr, wenn ein Menschenherz müßig ist und nicht in Anfechtungen, und dieweil es Gottes Zorn und Gericht nicht fühlt, so mag es einen solchen Traum ihm erdichten, als liebe es Gott über alles und tue viel Gutes, viele Werke um Gottes willen; aber es ist eitel Heuche-lei. Und auf die Weise haben doch die Widersacher gelehrt, daß die Menschen Vergebung der Sünden verdienen, wenn sie so viel tun, als an ihnen ist, das ist, wenn die Vernunft ihr läßt die Sünde leid sein und erdichtet einen Willen dazu, Gott zu lieben. Und diese Meinung und irrige Lehre, dieweil die Leute natürlich dazu geneigt sind, daß ihre Verdienste und Werke vor Gott etwas geachtet und verdienen möchten, hat unzählig viel mißbräuchliche Gottesdienste in der Kirche angerichtet und geursacht, als da sind die Klostergelübde, Mißbräuche der Messe, wie denn solches unzählig, immer ein Gottesdienst über den andern, aus diesem Irrtum erdacht ist. Und daß nur solch Vertrauen auf unsere Verdienste und Werke immer weiter ausgebreitet worden, haben sie unverschämt dürfen sagen und schließen, Gott der Herr müsse von Not Gnade geben denjenigen, die also gute Werke tun, nicht daß er gezwungen wäre, sondern da dies die Ordnung also sei, die Gott nicht übergehe noch ändere. Und in diesen Stücken, eben in dieser Lehre, sind viel andere große, ganz schädliche Irrtümer und schreckliche Lästerungen Gottes begriffen und verborgen, welche alle bei Namen zu erzählen jetzt zu lang wäre. Allein das wolle doch um Gottes willen ein jeglicher christlicher Leser bedenken: Können wir durch solche Werke vor Gott fromm und Christen werden, so wollte ich gerne hören (und versucht alle euer Bestes, hier zu antworten), was doch für Unterschied sein wollte zwischen der Philosophen und Christi Lehre. So wir Vergebung der Sünden erlangen mögen durch solche unsere Werke oder actus elicitos, was hilft uns dann Christus? Können wir heilig und fromm vor Gott werden durch natürliche Vernunft und unsere eigenen guten Werke, was brauchen wir dann des Blutes und Todes Christi, oder daß wir durch ihn neugeboren werden, wie Petrus 1 Pet. 1,18ff, sagt? Und aus dem gefähr-lichen Irrtum (dieweil man solchen öffentlich in Schulen gelehrt und auf den Predigtstühlen getrieben), ist es leider dahin geraten, daß auch große Theologen zu Löwen, Paris usw. von keiner andern christlichen Frömmigkeit oder Gerechtig-keit gewußt haben (obwohl alle Buchstaben und Syllaben im Paulo anders lehren) denn von der Frömmigkeit, welche die Philosophie lehrt. Und so es uns billig fremd sein sollte, und wir billig sie verlachen sollten, verlachen sie uns, ja verspotten Paulum selbst. Also gar ist der schändliche, greuliche Irrtum einge-rissen. Ich habe selbst einen großen Prediger gehört, welcher Christi und des Evangeliums nicht gedacht und Aristotelis „Ethicorum“ predigte; heißt das nicht kindisch, närrisch unter Christen gepredigt? Aber ist der Widersacher Lehre wahr, so ist das „Ethicorum“ ein köstlich Predigtbuch und eine feine neue Bibel. Denn von äußerlich ehrbarem Leben wird nicht leicht jemand besser schreiben denn Aristoteles. Wir sehen, daß etliche Hochgelehrte haben Bücher geschrie-ben, darin sie anzeigen, als stimmten die Worte Christi und die Sprüche Sokratis und Zenonis fein zusammen, gleich als sei Christus gekommen, daß er gute Gesetze und Gebote gebe, durch welche wir Vergebung der Sünden verdienen sollten, und nicht vielmehr Gnade und Frieden Gottes zu verkünden und den Heiligen Geist auszuteilen durch sein Verdienst und Blut. Darum so wir der Widersacher Lehre annehmen, daß wir Vergebung der Sünden verdienen mögen aus Vermögen natürlicher Vernunft und durch unsere Werke, so sind wir schon aristotelisch und nicht christisch, und ist kein Unterschied zwischen ehrbarem, heidnischem, zwischen pharisäischem und christlichem Leben, zwischen der Philosophie und dem Evangelio. Wiewohl nun die Widersacher, damit sie des Namens Christi nicht gar als die gottlosen, rohen Heiden schweigen, also vom Glauben reden, daß sie sagen, es sei eine Erkenntnis der Historie von Christo, und wiewohl sie von Christo auch dennoch etwas sagen, nämlich daß er uns verdient habe einen habitum oder, wie sie es nennen, primam gratiam, die erste Gnade, welche sie achten für eine Neigung, dadurch wir dennoch Gott leichter denn sonst lieben können: so ist es doch eine schwache, geringe, kleine, schlechte Wirkung, die Christus also hätte, oder die durch solchen habitus geschähe. Denn sie sagen nichtsdestoweniger, daß die Werke unserer Vernunft und Willens, ehe derselbe habitus da ist, und auch danach, wenn derselbe habitus da ist, eiusdem speciei, das ist, vor und nach einerlei und ein Ding sei. Denn sie sagen, daß unsere Vernunft und menschlicher Wille an ihm selbst vermöge, Gott zu lieben, allein der habitus bringe eine Neigung, daß die Vernunft dasselbe, das sie zuvor wohl vermag, desto lieber und leichter tue. Darum lehren sie auch, daß derselbe habitus müsse verdient werden durch unsere vorgehen-den Werke, und daß wir durch die Werke des Gesetzes Vermehrung solcher guten Neigung und das ewige Leben verdienen. Also verbergen uns die Leute Christum und begraben ihn aufs neue, daß wir ihn nicht für einen Mittler er-kennen können. Denn sie schweigen gar, daß wir lauter aus Gnaden, ohne Verdienst Vergebung der Sünden durch ihn erlangen, sondern bringen ihre Träume aus, als könnten wir durch gute Werke und des Gesetzes Werke Vergebung der Sünden verdienen, so doch die ganze Schrift sagt, daß wir das Gesetz nicht vermögen zu erfüllen oder zu halten. Und so die Vernunft am Gesetz nichts ausrichtet, denn daß sie allein äußerliche Werke tut, im Herzen aber fürchtet sie Gott nicht, so glaubt sie auch nicht, daß Gott ihrer wahrnehme. Und wiewohl sie von dem habitus also reden, so ist es doch gewiß, daß ohne den Glauben an Christum rechte Gottesliebe in keinem Herzen sein kann; so kann auch niemand verstehen, was Gottes Liebe ist, ohne den Glauben. Daß sie aber einen Unterschied erdichten unter dem meritum congrui und meritum condigni, unter dem gebührlichen Verdienst und rechtem, ganzem Verdienst, spielen und zanken sie allein mit Worten, damit sie sich nicht öffentlich als Pelagianer merken lassen. Denn so Gott von Not muß Gnade geben um Gebühr-verdienst, so ist es nicht Gebührverdienst, sondern eine rechte Pflicht und ganz Verdienst, wiewohl sie selbst nicht wissen, was sie sagen. Denn sie erdichten und träumen, daß, wenn der habitus der Liebe Gottes (davon oben gesagt), da ist, so verdiene der Mensch gebührlich oder mit ganzem Verdienst die Gnade Gottes, und sagen doch, es könne niemand so gewiß sein, ob derselbe habitus da sei. Nun hört, liebe Herren, wie wissen sie denn, oder wann wissen sie es, ob sie gebührlich oder durch ganz Verdienst, für voll oder halb, unserm Herrgott seine Gnade abverdienen? Aber, ach lieber Herr Gott! das sind eitel kalte Gedanken und Träume müßiger, heilloser, unerfahrener Leute, welche die Bibel nicht viel in Praktiken bringen, die gar nicht wissen noch erfahren, wie einem Sünder ums Herz ist, was Anfechtungen des Todes oder des Teufels sind, die gar nicht wissen, wie rein wir alles Verdienstes, aller Werke vergessen, wenn das Herz Gottes Zorn fühlt, oder das Gewissen in Ängsten ist. Die sicheren, uner-fahrenen Leute gehen wohl immer dahin in dem Wahn, als verdienten sie mit ihren Werken de congruo Gnade. Denn es ist ohne das uns angeboren natürlich, daß wir von uns selbst und unsern Werken gern etwas viel wollten halten. Wenn aber ein Gewissen recht seine Sünde und Jammer fühlt, so ist aller Scherz, so sind alle Spielgedanken aus, und ist eitel großer, rechter Ernst; da läßt sich kein Herz noch Gewissen stillen noch zufriedenstellen, sucht allerlei Werke und abermals Werke und wollte gern Gewißheit, wollte gern Grund fühlen und gewiß auf etwas fußen und ruhen. Aber dieselben erschrockenen Gewissen fühlen wohl, daß man de condigno noch de congruo nichts verdienen kann, sinken bald dahin in Verzagen und Verzweiflung, wenn ihnen nicht ein anderes Wort denn des Gesetzes Lehre, nämlich das Evangelium von Christo, daß der für uns gegeben ist, gepredigt wird. Daher weiß man etliche Historien, daß die Barfüsser-mönche, wenn sie etlichen guten Gewissen in der Todesstunde lange haben umsonst ihren Orden und gute Werke gelobt, daß sie zuletzt haben müssen ihres Ordens und St. Franzisken schweigen und dies Wort sagen: Lieber Mensch, Christus ist für dich gestorben! daß hat in Ängsten erquickt und erkühlt, Frieden und Trost allein gegeben. Also lehren die Widersacher nichts denn eine äußerliche Frömmigkeit äußerlicher guter Werke, welche Paulus des Gesetzes Frömmigkeit nennt, und sehen also, wie die Juden, das verdeckte Angesicht Mosis, tun nichts, denn daß sie in etlichen sicheren Heuchlern die Sicherheit und Härtigkeit stärken, führen die Leute auf einen Sandgrund, auf ihre eigenen Werke, dadurch Christus und das Evangelium verachtet wird, geben manchen elenden Gewissen Ursache zur Verzweiflung; denn sie tun gute Werke auf ungewissen Wahn, erfahren nimmer, wie ein groß, kräftig Ding der Glaube ist, fallen zuletzt ganz in Verzweiflung. Wir halten und reden von der äußerlichen Frömmigkeit also, daß Gott wohl fordert und haben will ein solch äußerlich ehrbar Leben, und um Gottes Gebotes willen müsse man dieselben guten Werke tun, welche in den zehn Geboten werden geboten. Denn das Gesetz ist unser Zuchtmeister und das Gesetz ist den Ungerechten gegeben. Denn Gott der Herr will, daß den groben Sünden durch eine äußerliche Zucht gewehrt werde, und dasselbe zu erhalten, gibt er Gesetze, ordnet Obrigkeit, gibt gelehrte, weise Leute, die zum Regiment dienen. Und also äußerlich ehrbaren Wandel und Leben zu führen, vermag etlichermaßen die Vernunft aus ihren Kräften, wiewohl sie oft durch angeborne Schwachheit und durch List des Teufels auch daran gehindert wird. Wiewohl ich nun einem solchen äußerlichen Leben und den guten Werken gerne so viel Lobes lasse, als ihm gebührt; denn in diesem Leben und im weltlichen Wesen ist je nichts Besseres denn Redlichkeit und Tugend, wie denn Aristoteles sagt, daß weder der Morgenstern noch Abendstern lieblicher und schöner sei denn Ehrbarkeit und Gerechtigkeit, wie denn Gott solche Tugend auch belohnt mit leiblichen Gaben: so soll man doch gute Werke und solchen Wandel nicht also hoch haben, daß es Christo zur Schmach gereiche. Denn also schließe ich und bin des gewiß: erdichtet ist's und nicht wahr, daß wir durch unsere Werke sollten Vergebung der Sünden verdienen. Auch ist's Lüge und nicht wahr, daß ein Mensch vor Gott könne gerecht und fromm werden durch seine Werke und äußerliche Frömmigkeit. Auch ist es Ungrund und nicht wahr, daß die menschliche Vernunft aus ihren Kräften vermögen sollte, Gott über alles zu lieben, sein Gebot zu halten, ihn zu fürchten, gewiß darauf zu stehen, daß Gott das Gebet erhöre, Gott zu danken und gehorsam zu sein in Trübsalen und anderem, was Gottes Gesetz gebietet, als, nicht fremdes Gut begehren usw. Denn das alles vermag die Vernunft nicht, wiewohl sie äußerlich ehrbares Leben und gute Werke etlichermaßen vermag. Auch ist es erdichtet und nicht wahr und eine Lästerung wider Christum, daß diejenigen sollten ohne Sünde sein, die Gottes Gebote allein äußerlich halten ohne Geist und Gnade im Herzen. Dieses meines Beschlusses habe ich Zeugnis nicht allein aus der Heiligen Schrift, sondern auch aus den alten Vätern. Augustinus redet und handelt solches aufs allerreichlichste wider die Pelagianer, daß die Gnade nicht gegeben wird um unsers Verdienstes willen. Und im Buche De Natura et Gratia, das ist, von der Natur und Gnade, sagt er also: „So das Vermögen der Natur durch den freien Willen genug ist, beide, zu erkennen, wie man leben soll, und also recht zu leben, so ist Christus umsonst gestorben. Warum sollte ich hier auch nicht rufen und schreien mit Paulo? Ich mag billig schreien: „Ihr habt Christum verloren, die ihr durch des Gesetzes Werke gerecht werden wollt, und seid von der Gnade gefallen. Denn ihr erkennt die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und trachtet eure eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und seid der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht untertan. Denn wie das Ende des Gesetzes Christus ist, also ist auch der Heiland der verderbten Natur Christus.“ Item, Joh. 8,36: „So euch der Sohn freimacht, so seid ihr recht frei.'“ Derhalben können wir durch die Vernunft oder unsere guten Werke nicht frei werden von den Sünden oder Vergebung der Sünden verdienen. Item, Joh. am 3,5 steht geschrieben: „Es sei denn, daß jemand neugeboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ So nun das dazu gehört, daß wir durch den Heiligen Geist müssen neugeboren werden, so werden uns unsere guten Werke oder eigen Verdienst nicht rechtfertig machen vor Gott, so können wir das Gesetz nicht halten noch erfüllen. Item, Röm. 3,23: „Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie an Gott haben sollten“, das ist, ihnen mangelt die Weisheit und Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, dadurch sie Gott recht erkennen, groß achten und preisen sollten. Item, Röm. 8,7.8: „Fleischlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott, sintemal es dem Gesetz Gottes nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht; die aber fleischlich gesinnet sind, mögen Gott nicht gefallen.“ Das sind so gar klare, helle Sprüche der Schrift, daß sie nicht so scharfes Verstandes bedürfen, sondern allein, daß man's lese und die klaren Worte wohl ansehe, wie auch Augustinus in der Sache sagt. Ist nun die Vernunft und fleischlich gesinnt sein eine Feindschaft wider Gott, so kann kein Mensch ohne den Heiligen Geist herzlich Gott lieben. Item, ist fleischlich gesinnt sein wider Gott, so sind wahrlich die besten guten Werke unrein und Sünden, die immer ein Adamskind tun mag. Item, kann das Fleisch Gottes Gesetz nicht untertan sein, so sündigt wahrlich auch ein Mensch, wenn er gleich edle, schöne, köstliche gute Werke tut, die die Welt groß achtet. Die Widersacher sehen allein die Gebote an der andern Tafel Mosis, die da auch von der äußerlichen Ehr-barkeit redet, welche die Vernunft besser vernimmt, und wollen wähnen, mit solchen äußerlichen guten Werken halten sie Gottes Gesetz. Sie sehen aber die erste Tafel nicht an, welche gebietet und von uns haben will, daß wir Gott herzlich sollen lieben, daran gar nicht wanken noch zweifeln sollen, daß Gott um der Sünde willen zürne, daß wir Gott herzlich fürchten sollen, daß wir uns gewiß in unsern Herzen sollen darauf verlassen, Gott sei nicht ferne, er erhöre unser Gebet usw. Nun sind wir, ehe wir durch den Heiligen Geist neugeboren werden, alle der Art aus Adam, daß unser Herz in Sicherheit Gottes Zorn, Urteil und Dräuen verachtet, seinem Urteil und Strafen gehässig und feind ist. So nun alle Adamskinder in so großen Sünden geboren werden, daß wir alle von Art Gott verachten, sein Wort, seine Verheißung und Dräuen in Zweifel setzen, so müssen wahrlich unsere besten guten Werke, die wir tun, ehe wir durch den Heiligen Geist neugeboren werden, sündliche und verdammte Werke vor Gott sein, wenn sie gleich vor der Welt schön sind; denn sie gehen aus einem bösen, gottlosen, unreinen Herzen, wie Paulus sagt Röm. 14,23: „Was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde.“ Denn alle solche Werkheilige tun Werke ohne Glauben, verachten Gott im Herzen und glauben als wenig, daß Gott sich ihrer annehme, als Epikurus geglaubt hat. Die Verachtung Gottes inwendig muß je die Werke unflätig und sündlich machen, wenn sie gleich vor den Leuten schön sind; denn Gott forscht die Herzen. Zuletzt, so ist je das auch aufs närrischste und ungeschickteste von den Widersachern geredet, daß die Menschen, die auch ewiges Zornes schuldig sind, Vergebung der Sünden erlangen durch die Liebe oder actum elicitum dilectionis, so es doch unmöglich ist, Gott zu lieben, wenn das Herz nicht erst durch den Glauben Vergebung der Sünden ergriffen hat. Denn es kann je ein Herz, das in Ängsten ist und Gottes Zorn recht fühlt, Gott nicht lieben, er gebe denn dem Herzen Luft, er tröste und erzeige sich denn wieder gnädig. Denn dieweil er schreckt und also uns angreift, als wolle er uns in ewiger Ungnade in den ewigen Tod von sich stoßen, so muß der armen schwachen Natur das Herz und Mut entfallen und muß je vor so großem Zorn erzittern, der so greulich schreckt und straft, und kann je alsdann, ehe Gott selbst tröstet, kein Fünklein Liebe fühlen. Müßige und unerfahrene Leute mögen ihnen wohl selbst einen Traum von der Liebe erdichten, darum reden sie auch so kindisch davon, daß einer, der gleich einer Todsünde schuldig ist, könne gleich-wohl Gott über alles lieben; denn sie wissen noch nicht recht, was Sünde für eine Last, was für eine große Qual sei, Gottes Zorn fühlen. Aber fromme Herzen, die es im rechten Kampf mit dem Satan und rechten Ängsten des Gewissens erfahren haben, die wissen wohl, daß solche Worte und Gedanken eitel Gedan-ken, eitel Träume sind. Paulus sagt: „Das Gesetz richtet nur Zorn an“, Röm. 4,15. Er sagt nicht, daß durch das Gesetz die Leute verdienen Vergebung der Sünden. Denn das Gesetz klagt allzeit das Gewissen an und erschreckt's. Derhalben macht das Gesetz niemand fromm und gerecht vor Gott; denn ein erschrocken Gewissen fleucht vor Gott und seinem Urteil. Derhalben irren diejenigen, die durch ihre Werke oder durch das Gesetz wollen verdienen Vergebung der Sünden. Dieses sei genug gesagt von der Gerechtigkeit der Werkheiligen oder der Vernunft, welche die Widersacher lehren. Denn bald hernach, wenn wir werden sagen von der Frömmigkeit und Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die aus dem Glauben kommt, wird die Sache an ihr selbst mit sich bringen, mehr Sprüche aus der Schrift einzuführen, welche denn alle auch gleich stark dienen werden, die obangezeigten Irrtümer der Widersacher umzustoßen. Dieweil denn kein Mensch aus seinen Kräften Gottes Gesetz zu halten vermag, und sind alle unter der Sünde, schuldig des ewigen Zornes und Todes, so könnten wir durch das Gesetz der Sünde nicht los noch vor Gott fromm werden, sondern es ist verheißen Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch Christum, welcher für uns gegeben ist, daß er die Sünden der Welt bezahlte, und ist der einige Mittler und Erlöser. Und diese Verheißung lautet nicht also: Durch Christum habt ihr Gnade, Heil usw., wo ihr's verdient, sondern lauter aus Gnade bietet er an Vergebung der Sünden, wie Paulus sagt: „So aus den Werken Vergebung der Sünden ist, so ist's nicht Gnade.“ Und an einem andern Ort: „Diese Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ist ohne Gesetz offenbart“, das ist, umsonst wird Vergebung der Sünden angeboten. Und darum liegt's nicht an unserm Verdienst, daß wir Gott versöhnt werden. Denn wenn's an unserm Verdienst läge, Vergebung der Sünden und die Versöhnung Gottes aus dem Gesetz wäre, so wäre es verloren und wären wir wahrlich übel Gott vereinigt und versöhnt. Denn wir halten das Gesetz nicht und vermögen es nicht zu halten; so würde folgen, daß wir auch die zugesagte Gnade und Versöhnung nimmermehr erlangten. Denn also schließt Paulus zu den Römern am 4,14: „So aus dem Gesetz das Erbe ist, so ist der Glaube nichts, und die Verheißung ist ab.“ So sich nun die Verheißung gründete auf unser Verdienst und auf das Gesetz, so folgte, dieweil wir das Gesetz nicht halten können, daß die Verheißung vergeblich wäre. So wir aber vor Gott fromm und gerecht werden allein aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, die in Christo verheißen ist, erfolgt, daß wir durch unsere Werke nicht fromm werden. Denn was wäre sonst der herrlichen göttlichen Verheißungen vonnöten, und was dürfte Paulus die Gnade so hoch heben und preisen? Derhalben lehrt, rühmt, predigt und preist das Evangelium die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt an Christum, welche nicht eine Gerechtigkeit des Gesetzes ist. So lehrt auch das Gesetz davon nichts, und ist gar viel eine höhere Gerechtigkeit, denn des Gesetzes Gerechtigkeit ist. Denn das Gesetz fordert von uns unsere Werke und will haben, daß wir inwendig im Herzen gottesfürchtig und ganz rechtschaffen sind. Aber die göttliche Zusage, die bietet uns an, als denjenigen, die von der Sünde und Tode überwältigt sind, Hilfe, Gnade und Versöhnung um Christus willen, welche Gnade niemand mit Werken fassen kann, sondern allein durch den Glauben an Christum. Derselbe Glaube bringt noch schenkt Gott dem Herrn kein Werk, kein eigen Verdienst, sondern baut bloß auf lauter Gnade und weiß sich nichts zu trösten noch zu verlassen denn allein auf Barmherzigkeit, die verheißen ist in Christo. Derselbe Glaube nun, da ein jeder für sich glaubt, daß Christus für ihn gegeben ist, der erlangt allein Vergebung der Sünden um Christus willen und macht uns vor Gott fromm und gerecht. Und dieweil derselbe in rechtschaffener Busse ist, unsere Herzen auch im Schrecken der Sünde und des Todes wieder aufrichtet, so werden wir durch denselben neu geboren, und kommt durch den Glauben der Heilige Geist in unser Herz, welcher unsere Herzen erneuert, daß wir Gottes Gesetz halten können, Gott recht lieben, gewißlich fürchten, nicht wanken noch zweifeln, Christus sei uns gegeben, er erhöre unser Rufen und Bitten, und daß wir in Gottes Willen uns fröhlich geben können auch mitten im Tode. Also derselbe Glaube, der aus Gnaden umsonst empfängt und erlangt Vergebung der Sünde, ist rechtschaffen, der gegen Gottes Zorn nicht sein Ver-dienst oder Werk setzt, welches ein Federlein gegen einen Sturmwind wäre, sondern der Christum den Mittler darstellt; und derselbe Glaube ist eine rechte Erkenntnis Christi. Wer also glaubt, der erkennt die große Wohltat Christi und wird eine neue Kreatur; und ehe ein solcher Glaube im Herzen ist, kann niemand das Gesetz erfüllen. Von demselben Glauben und Erkenntnis Christi ist nicht eine Syllabe, nicht ein Tüttel in allen Büchern der Widersacher. Darum schelten wir auch die Widersacher, daß sie allein das Gesetz lehren von unsern Werken und nicht das Evangelium, das da lehrt, daß man gerecht werde, wenn man an Christum glaubt.

 

Was der Glaube sei, der vor Gott fromm und gerecht macht.

 

Die Widersacher wollen wähnen, der Glaube sei dieses, daß ich wisse oder gehört habe die Historie von Christo; darum lehren sie, ich könne wohl glauben, ob ich gleich in Todsünden sei. Darum, von dem rechten christlichen Glauben, davon Paulus an allen Orten so oft redet, daß wir durch den Glauben vor Gott fromm werden, da wissen oder reden sie gar nichts von. Denn welche vor Gott heilig und gerecht geachtet werden, die sind je nicht in Todsünden. Darum, der Glaube, welcher vor Gott fromm und gerecht macht, ist nicht allein dieses, daß ich wisse die Historie, wie Christus geboren, gelitten usw. (das wissen die Teufel auch), sondern ist die Gewißheit oder das gewisse, starke Vertrauen im Herzen, da ich mit ganzem Herzen die Zusage Gottes für gewiß und wahr halte, durch welche mir angeboten wird ohne mein Verdienst Vergebung der Sünden, Gnade und alles Heil durch den Mittler Christum. Und damit daß niemand wähne, es sei allein ein bloßes Wissen der Historie, so setze ich das dazu: Der Glaube ist, daß sich mein ganzen Herz desselben Schatzes annimmt, und ist nicht mein Tun, nicht mein Schenken noch Geben, nicht mein Werk oder Bereiten; sondern daß ein Herz sich des tröstet und ganz darauf verläßt, daß Gott uns schenkt, uns gibt, und wir ihm nicht, daß er uns mit allem Schatz der Gnade in Christo überschüttet. Aus diesem ist leicht zu merken Unterschied zwischen dem Glauben und zwischen der Frömmigkeit, die durchs Gesetz kommt. Denn der Glaube ist ein solcher Gottesdienst und latria, da ich mir schenken und geben lasse. Die Gerechtigkeit aber des Gesetzes ist ein solcher Gottesdienst, der da Gott an-bietet unserer Werke. So will Gott nun durch den Glauben also geehrt sein, daß wir von ihm empfangen, was er verheißt und anbietet. Daß aber der Glaube nicht allein sei die Historie wissen, sondern der da festhält die göttlichen Verheißun-gen, zeigt Paulus genugsam an, der da sagt zu den Römern am 4,16: „Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf daß die Verheißung fest bleibe.“ Da heftet und verbindet Paulus die zwei also zusammen, daß, wo Verheißung ist, da muß auch Glaube sein usw.; und wiederum correlative, wo Verheißung ist, da fordert Gott auch Glauben. Wiewohl noch klarer und schlechter zu zeigen ist, was der Glaube, der da gerecht macht, sei, wenn wir unser eigen Credo und Glauben ansehen. Denn im Symbolo steht je dieser Artikel: Vergebung der Sünden. Darum ist's nicht genug, daß ich wisse oder glaube, daß Christus geboren ist, gelitten hat, auferstanden ist, wenn wir nicht auch diesen Artikel, darum das alles endlich geschehen, glauben, nämlich: Ich glaube, daß mir die Sünden vergeben seien. Auf den Artikel muß das andere alles gezogen werden, nämlich, daß um Christus willen, nicht um meines Ver-dienstes willen, uns die Sünden vergeben werden. Denn was wäre not, daß Gott Christum für unsere Sünden gäbe, wenn unser Verdienst für unsere Sünden könnte genugtun? Derhalben, so oft wir reden von dem Glauben, der gerecht macht, oder fide iustificante, so sind allezeit diese drei Stücke oder obiecta beieinander: erstlich, die göttliche Verheißung, zum andern, daß dieselbe um-sonst, ohne Verdienst Gnade anbietet, für das dritte, daß Christi Blut und Verdienst der Schatz ist, durch welchen die Sünde bezahlt ist. Die Verheißung wird durch den Glauben empfangen; daß sie aber ohne Verdienst Gnade anbietet, da geht alle unsere Würdigkeit und Verdienst unter und zu Boden, wird gepriesen die Gnade und große Barmherzigkeit. Das Verdienst Christi aber ist der Schatz; denn es muß je ein Schatz und edles Pfand sein, dadurch die Sünden aller Welt bezahlt sind. Die ganze Schrift, Alten und Neuen Testaments, wenn sie von Gott und Glauben redet, braucht viel dieses Wortes: Güte, Barm-herzigkeit, misericordia. Und die heiligen Väter in allen ihren Büchern sagen alle, daß wir durch Gnade, durch Güte, durch Vergebung selig werden. Sooft wir nun das Wort Barmherzigkeit in der Schrift oder in den Vätern finden, sollen wir wissen, daß da vom Glauben gelehrt wird, der die Verheißung solcher Barm-herzigkeit faßt. Wiederum, sooft die Schrift vom Glaube redet, meint sie den Glauben, der auf lauter Gnade baut; denn der Glaube nicht darum vor Gott fromm und gerecht macht, daß er an ihm selbst unser Werk und unser ist, sondern allein darum, daß er die verheißene, angebotenen Gnade ohne Ver-dienst aus reichem Schatz geschenkt nimmt. Und solcher Glaube und Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit wird als der größte, heiligste Gottesdienst gepriesen, sonderlich in Propheten und Psalmen. Denn wiewohl das Gesetz nicht vornehm-lich predigt Gnade und Vergebung der Sünden wie das Evangelium, so sind doch die Verheißungen von dem künftigen Christo von einem Patriarchen auf den andern geerbt, und sie haben gewußt, auch geglaubt, daß Gott durch den gebenedeiten Samen, durch Christum, wollte Segen, Gnade, Heil und Trost geben. Darum, so sie verstanden, daß Christus sollte der Schatz sein, dadurch unsere Sünden bezahlt werden, haben sie gewußt, daß unsere Werke eine solche große Schuld nicht bezahlen könnten. Darum haben sie Vergebung der Sünden, Gnade und Heil ohne alles Verdienst empfangen und sind durch den Glauben an die göttliche Verheißung, an das Evangelium von Christo, selig geworden als wohl als wir oder die Heiligen im Neuen Testament. Daher kommt's, daß diese Worte: Barmherzigkeit, Güte, Glaube, so oft in Psalmen und Propheten wiederholt werden. Als im 130. Psalm: „So du willst, Herr, achthaben auf Missetat, Herre, wer wird bestehen?“ Da bekennt David seine Sünde, rühmt nicht viel Verdienst, sagt auch weiter: „Denn bei dir ist Vergebung, daß man sich fürchte.“ Da fühlt er wieder Trost und verläßt sich auf Gnade und Barmherzigkeit, verläßt sich auf die göttliche Zusage und spricht: „Meine Seele harret des Herrn, und ich warte auf sein Wort.“ Und abermals: „Meine Seele wartet doch auf den Herrn.“ Das ist, dieweil du verheißen hast Vergebung der Sünden, so halte ich mich an die Zusage, so verlasse und wage ich mich auf die gnädige Verheißung. Darum werden die heiligen Patriarchen vor Gott fromm und heilig auch nicht durchs Gesetz, sondern durch Gottes Zusage und den Glauben. Und sollte wahrlich jedermann sich hoch verwundern, warum die Widersacher doch so wenig oder gar nichts vom Glauben lehren, so sie doch sehen gar nahe in allen Syllaben der Bibel, daß der Glaube für den allerhöchsten, edelsten, heiligsten, größten, angenehmsten, besten Gottesdienst gelobt und gepriesen wird. Also sagt er in 50. Psalm: „Rufe mich an in der Zeit der Not, und ich will dich erretten.“ Also nun und durch diese Weise will Gott uns bekannt werden. Also will er geehrt sein, daß wir von ihm Gnade, Heil, alles Gute nehmen und empfangen sollen, und nämlich aus Gnaden, nicht um unsers Verdienstes willen. Diese Erkenntnis ist gar eine edle Erkenntnis und ein großmächtiger Trost in allen Anfechtungen, leiblichen und geistlichen, es komme zu sterben oder zu leben, wie fromme Herzen wissen; und denselben edeln, teuern, gewissen Trost rauben und nehmen die Widersacher den armen Gewissen, wenn sie vom Glauben so kalt, so verächtlich reden und lehren und dagegen mit Gott, der hohen Majestät, durch unser elend, bettelisch Werk und Verdienst handeln.

 

Daß der Glaube an Christum gerecht macht.

 

Für das erste, daß niemand gedenke, wir reden von einem schlechten Wissen oder Erkenntnis der Historie von Christo, so müssen wir erstlich sagen, wie es zugeht, wie ein Herz anfängt zu glauben, und wie es zum Glauben kommt. Danach wollen wir anzeigen, daß derselbe Glaube vor Gott fromm macht, und wie das zu verstehen sei, und wollen der Widersacher Gründe eigentlich klar und gewiß ablehnen. Christus befiehlt Lucä am letzten, zu predigen „Busse und Vergebung der Sünden“. Das Evangelium auch straft alle Menschen, daß sie in Sünden geboren seien, und daß sie alle schuldig des ewigen Zorns und Todes seien, und bietet ihnen an Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch Christum. Und dieselbe Vergebung, Versöhnung und Gerechtigkeit wird durch den Glauben empfangen. Denn die Predigt von der Busse oder diese Stimme des Evangelii: „Bessert euch, tut Busse“, wenn sie recht in der Herzen geht, erschreckt sie die Gewissen und ist nicht ein Scherz, sondern ein groß Schrecken, da das Gewissen seinen Jammer und Sünde und Gottes Zorn fühlt. In dem Erschrecken sollen die Herzen wieder Trost suchen. Das geschieht, wenn sie glauben an die Verheißung von Christo, daß wir durch ihn Vergebung der Sünden haben. Der Glaube, welcher in solchem Zagen und Schrecken die Herzen wieder aufrichtet und tröstet, empfängt und empfindet Vergebung der Sünden, macht gerecht und bringt Leben; denn derselbe starke Trost ist eine neue Geburt und ein neu Leben. Dieses ist je einfältig und klar geredet; so wissen fromme Herzen, daß es also ist; so sind die Exempel, daß es mit allen Heiligen so gegangen von Anbeginn, in der Kirche vorhanden, wie an der Bekehrung Pauli und Augustini zu sehen ist. Die Widersacher haben nichts Gewisses, können nirgend recht sagen oder verständlich davon reden, wie der Heilige Geist gegeben wird. Die erdichten ihnen eigene Träume, daß durch schlecht leiblich Empfangen und Brauchen der Sakramente, ex opere operato, die Leute Gnade erlangen und den Heiligen Geist empfangen, wenn schon das Herz gar nicht dabei ist; gleich als sei das Licht des Heiligen Geistes so ein schlecht, schwach, nichtig Ding. So wir aber von einem solchen Glauben reden, welcher nicht ein müßiger Gedanke ist, sondern ein solch neues Licht, Leben und Kraft im Herzen, welche Herz, Sinn und Mut erneuert, einen andern Menschen und neue Kreatur aus uns macht, nämlich ein neues Licht und Werk des Heiligen Geistes: so versteht ja männiglich, daß wir nicht von solchem Glauben reden, dabei Todsünde ist, wie die Widersacher vom Glauben reden. Denn wie will Licht und Finsternis beieinander sein? Denn der Glaube, wo er ist, und dieweil er da ist, gebiert er gute Früchte, wie wir danach sagen wollen. Dieses ist je mit klaren, deutlichen, einfältigen Worten geredet, wie es zugeht, wenn ein Sünder recht sich bekehrt, was die neue Geburt sei oder nicht sei. Trotz sei nun geboten alle den Sententiariis, ob sie unter den unzähligen Commenten, Glossen und Skri-benten über Sententiarum einen können vorbringen, der ein Wörtlein, einen Tüttel recht davon setzt, wie es zugeht, wenn ein Sünder bekehrt wird. Wenn sie von der Liebe reden, oder wenn sie von ihrem habitu dilectionis reden, so bringen sie wohl ihre Träume vor, daß denselben habitum die Leute verdienen durch ihre Werke, reden aber gar nichts von Gottes Verheißung oder Wort, wie auch zu dieser Zeit die Wiedertäufer lehren. Nun kann man mit Gott doch je nicht handeln, so läßt sich Gott nicht erkennen, suchen noch fassen denn allein im Wort und durchs Wort, wie Paulus sagt: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes allen, die daran glauben.“ Item, zu den Römern am 10: „Der Glaube ist aus dem Gehör.“ Und aus dem allein sollte je klar genug sein, daß wir allein durch den Glauben vor Gott fromm werden. Denn so wir allein durchs Wort Gottes zu Gott kommen und gerecht werden, und das Wort kann niemand fassen denn durch den Glauben, so folgt, daß der Glaube gerecht macht. Doch sind andere Ur-sachen, die sich zu dieser Sache besser reimen. Dieses habe ich bisher gesagt, daß ich anzeige, wie es zugeht, wie wir neugeboren werden, und daß man verstehen möchte, was der Glaube ist oder nicht ist, davon wir reden. Nun wollen wir anzeigen, daß derselbe Glaube, und sonst nichts, uns vor Gott gerecht macht. Und erstlich will ich dieses hier den Leser verwarnen, gleichwie dieser Spruch muß und soll stehenbleiben, und kann ihn niemand umstoßen: Christus ist unser einiger Mittler, also kann auch diesen Spruch niemand umstoßen: Durch den Glauben werden wir rechtfertig, ohne Werke. Denn wie will Christus der Mittler sein und bleiben, wenn wir nicht durch den Glauben uns an ihn halten als an den Mittler und also Gott versöhnt werden, wenn wir nicht gewiß im Herzen halten, daß wir um seinetwillen vor Gott gerecht geschätzt werden? Das heißt nun glauben: also vertrauen, also sich getrösten des Verdienstes Christi, daß um seinetwillen Gott gewiß uns wolle gnädig sein. Item, wie dieses klar in der Schrift ist, daß über das Gesetz zur Seligkeit not ist die Verheißung Christi, also ist auch klar, daß der Glaube gerecht macht; denn das Gesetz predigt nicht Vergebung der Sünden aus Gnaden. Item, das Gesetz können wir nicht erfüllen noch halten, ehe wir den Heiligen Geist empfangen. Darum muß das bestehen, daß zur Seligkeit die Verheißung Christi vonnöten ist. Dieselbe kann nun niemand fassen noch empfangen denn allein durch den Glauben. Darum diejenigen, so lehren, daß wir nicht durch den Glauben vor Gott gerecht und fromm werden, was tun die anders, denn daß sie Christum und das Evangelium unterdrücken und das Gesetz lehren? Aber etliche, wenn man sagt, der Glaube macht rechtfertig vor Gott, verstehen solches vielleicht vom Anfang, nämlich daß der Glaube sei nur der Anfang oder eine Vorbereitung zu der Rechtfertigung, also daß nicht der Glaube selbst dafürgehalten werden soll, daß wir dadurch Gott gefallen und angenehm sind, sondern daß wir Gott angenehm sind von wegen der Liebe und Werke, so folgen, nicht von wegen des Glaubens. Und solche meinen der Glaube werde allein derhalben gelobt in der Schrift, daß er ein Anfang sei guter Werke, wie denn allezeit viel am Anfang gelegen ist. Dies aber ist nicht unsere Meinung, sondern wir lehren also vom Glauben, daß wir durch den Glauben selbst vor Gott angenehm sind. Und nachdem das Wort iustificari auf zweierlei Weise gebraucht wird, nämlich, für bekehrt werden oder neugeboren, item, für gerecht geschätzt werden, wollen wir das erst anzeigen, daß wir allein durch den Glauben aus dem gottlosen Wesen bekehrt, neugeboren und gerecht werden. Etliche fechten groß an das Wort Sola, so doch Paulus klar sagt zu den Römern am 3,28: „So halten wir nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke“; item, zu den Ephesern am 2,8.9: „Gottes Gabe ist es, nicht aus euch noch aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme“; item, zu den Römern am 3,24 dergleichen. So nun dieses Wort und diese exclusiva Sola etlichen so hart entgegen ist und so übel gefällt, die mögen an so vielen Orten in den Episteln Pauli auch diese Worte auskratzen: „aus Gnaden“; item: „nicht aus Werken“; item: „Gottes Gabe“ usw.; item: „das sich niemand rühme“ und dergleichen; denn es sind ganz starke exclusivae. Das Wort „aus Gnaden“ schließt Verdienst und alle Werke aus, wie die Namen haben. Und durch das Wort, Sola, so wir sagen: „Allein der Glaube macht fromm“, schließen wir nicht aus das Evangelium und die Sakramente, daß darum das Wort und die Sakramente sollten vergeblich sein, so es der Glaube alles allein tut, wie die Widersacher uns alles gefährlich deuten; sondern unser Verdienst daran schließen wir aus. Denn wir haben oben genug gesagt, daß der Glaube durchs Wort kommt: So preisen wir das Predigtamt und Wort höher und mehr denn die Widersacher; so sagen wir auch, die Liebe und Werke sollen dem Glauben folgen. Darum schließen wir die Werke durchs Wort Sola nicht also aus, daß sie nicht folgen sollten, sondern das Vertrauen auf Verdienst, auf Werke, das schließen wir aus und sagen, sie verdienen nicht Vergebung der Sünden. Und das wollen wir noch richtiger, heller und klarer zeigen.

 

Daß wir Vergebung der Sünden allein durch den Glauben an Christum erlangen.

 

Wir halten, die Widersacher müssen bekennen, daß vor allen Dingen zu der Rechtfertigung vonnöten sei Vergebung der Sünden. Denn wir sind alle unter der Sünde geboren. Darum so schließen wir nun also: Vergebung der Sünden er-langen und haben, dasselbe heißt vor Gott gerecht und fromm werden, wie der 32. Psalm sagt: „Wohl dem, dem die Übertretung vergeben ist.“ Allein aber durch den Glauben an Christum, nicht durch die Liebe, nicht um der Liebe oder Werke willen, erlangen wir Vergebung der Sünden, wiewohl die Liebe folgt, wo der Glaube ist. Derhalben muß folgen, daß wir allein durch den Glauben gerecht werden. Denn gerecht werden heißt ja, aus einem Sünder fromm werden und durch den Heiligen Geist neugeboren werden. Daß wir aber allein durch den Glauben, wie die minor meldet, nicht durch die Liebe Vergebung der Sünden erlangen, wollen wir jetzund klarmachen, Die Widersacher reden kindisch von diesen hohen Dingen; sie fragen, ob es einerlei Veränderung sei, Vergebung der Sünden und Eingießung der Gnade, oder ob es zwei seien. Die müßigen, uner-fahrenen Leute können doch gar nicht von diesen Sachen reden. Denn Sünde recht fühlen und Gottes Zorn, ist nicht so ein schlecht, schläfrig Ding. Wiederum, Vergebung der Sünden ergreifen ist nicht so ein schwacher Trost. Denn also sagt Paulus 1 Kor, 15,56f.: „Der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Lob, der uns gibt Überwindung durch Jesum Christum, unsern Herrn.“ Das ist, die Sünde erschreckt das Gewissen, das geschieht durchs Gesetz, welches uns Gottes Ernst und Zorn zeigt wider die Sünde; aber wir liegen ob durch Christum. Wie geschieht das? Wenn wir glau-ben, wenn unsere Herzen wieder aufgerichtet werden und sich halten an die Verheißung der Gnade durch Christum. So beweisen wir nun dieses also, daß wir durch den Glauben an Christum und nicht durch Werke Vergebung der Sünden erlangen. Nämlich Gottes Zorn kann nicht versöhnt noch gestillt werden durch unsere Werke, sondern allein Christus ist der Mittler und Versöhner, und um seinetwillen allein wird uns der Vater gnädig. Nun kann Christum niemand als einen Mittler fassen durch Werke, sondern allein, daß wir dem Wort glauben, welches ihn als einen Mittler predigt. Darum erlangen wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünden, wenn unser Herz getröstet und aufgerichtet wird durch die göttliche Zusage, welche uns um Christus willen angeboten wird. Item, Paulus zu den Römern am 5,2: „Durch ihn haben wir einen Zugang zum Vater“; und sagt klar dazu: „durch den Glauben“. Also werden wir nun, und nicht anders, dem Vater versöhnt, also erlangen wir Vergebung der Sünden, wenn wir aufgerichtet werden, festzuhalten, an der Zusage, da uns Gnade und Barm-herzigkeit verheißen ist durch Christum. Die Widersacher, die verstehen dieses vom Mittler und Versöhner Christo also, daß Christus uns verdiene die Liebe oder den habitum dilectionis, und sagen nicht, daß wir ihn als einen einigen Mittler brauchen müssen, sondern stecken Christum wieder ins Grab, erdichten ein anderes, als hätten wir einen Zutritt durch unsere Werke, item, als verdienten wir durch Werke den habitum und könnten danach durch die Liebe zu Gott kommen. Das heißt je Christum wieder ins Grab stecken und die ganze Lehre von Glauben wegnehmen. Dagegen aber lehrt Paulus klar, daß wir einen Zutritt haben, das ist, Versöhnung Gottes, durch Christum. Und daß er anzeige, wie dasselbe geschehe, so setzt er dazu: „Durch den Glauben haben wir den Zutritt, durch den Glauben empfangen wir Vergebung der Sünden aus dem Verdienst Christi“, und können Gottes Zorn nicht stillen denn durch Christum. So ist leicht zu verstehen, daß wir nicht Vergebung verdienen durch unsere Werke oder Liebe. Zum andern ist's gewiß, daß die Sünden vergeben werden um des Versöhners Christi willen, Röm. 3,25: „Welchen Gott dargestellet hat zu einem Gnadenstuhl“ oder zu einem Versöhner, und setzt klar dazu: „durch den Glau-ben“. So wird uns der Versöhner nun also nütz, wenn wir durch den Glauben fassen das Wort, dadurch verheißen wird Barmherzigkeit, und dieselbe halten gegen Gottes Zorn und Urteil. Und dergleichen steht geschrieben Hebr. am 4,14.16: „Wir haben einen Hohenpriester, Christum usw. Laßt uns zu ihm treten mit Freudigkeit.“ Er heißt uns zu Gott treten, nicht im Vertrauen unserer Werke, sondern im Vertrauen auf den Hohenpriester Christum; derhalben fordert er je klar den Glauben. Für das dritte, Petrus in Geschichten der Apostel am 10,43 sagt: „Dem Jesu geben Zeugnis alle Propheten, daß wir Vergebung der Sünden durch seinen Namen erlangen sollen, alle, die in ihn glauben.“ Wie hätte doch Petrus klarer können reden? Er sagt: „Vergebung der Sünden empfangen wir durch seinen Namen“, das ist, durch ihn erlangen wir sie, nicht durch unser Verdienst, nicht durch unsere Reue oder Attrition, nicht durch unsere Liebe, nicht durch eigenen Gottesdienst, nicht durch eigene Menschensatzung oder Werke, und setzt dazu: „wo wir in ihn glauben“. Derhalben will er, daß ein Glaube im Herzen sei, darum sagt er: es zeugen mit einem Munde von dem Christo alle Propheten. Das, meine ich, heißt recht die christliche Kirche oder katholische Kirche allegiert. Denn wenn alle heiligen Propheten zeugen, das ist je ein herrlich, groß trefflich, stark Dekret und Zeugnis. Aber von dem Spruch wollen wir drunten weiter reden. Zum vierten, Vergebung der Sünden ist verheißen um Christus willen. Darum kann sie niemand erlangen denn allein durch den Glauben. Denn die Verheißung kann man nicht fassen noch derselben teilhaftig werden denn allein durch den Glauben. Röm. 4,16: „Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf daß sie sei aus Gnaden und die Verheißung fest bleibe.“ Gleich als sollte er sagen: so unser Heil und Gerechtig-keit auf unserm Verdienst stünde, so wäre die Verheißung Gottes immer noch ungewiß und wäre uns unnütz; denn wir können nimmer des gewiß sein, wann wir genug verdient hätten. Und dieses verstehen fromme Herzen und christliche Gewissen sehr wohl, nähmen nicht tausend Welten, daß unser Heil auf uns stünde. Damit stimmt Paulus zu den Galatern: „Gott hat alles unter die Sünde beschlossen, daß die Verheißung aus dem Glauben Jesu Christi den Gläubigen widerfahre.“ Da stößt Paulus all unser Verdienst danieder; denn er sagt, wir sind alle schuldig des Todes und unter der Sünde beschlossen; und gedenkt der göttlichen Zusage, dadurch wir allein Vergebung der Sünden erlangen, und setzt noch weiter dazu, wie wir der Verheißung teilhaftig werden, nämlich durch den Glauben. Und dieser Grund, dieses Argument, da Paulus aus Art und Natur der göttlichen Verheißung schließt, nämlich also: So Gottes Verheißung gewiß sein und feststehen soll, wie sie nicht fehlen kann, so muß Vergebung der Sünden nicht aus unserm Verdienst sein, sonst wäre sie ungewiß, und wir wüßten nicht, wann wir genug verdient hätten: ja, dies Argument, sage ich, und der Grund ist ein rechter Fels und fast das Stärkste im ganzen Paulo und wird gar oft wieder-holt und angezogen in allen Episteln. Es wird auch nimmermehr auf Erden ein Mensch etwas trachten und dichten oder erdenken, dadurch der einige Grund allein, wenn sonst nichts wäre, möge umgestoßen werden. Es werden auch fromme Herzen und christliche Gewissen sich in keinem Weg lassen hiervon abführen, nämlich, daß wir allein durch den Glauben, um Christus Verdienstes willen Vergebung der Sünden haben. Denn da haben sie einen gewissen, starken, ewigen Trost wider die Sünde, Teufel, Tod, Hölle. Das andere alles ist ein Sandgrund und besteht nicht in Anfechtungen. So wir nun allein durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen und den Heiligen Geist, so macht allein der Glaube vor Gott fromm. Denn diejenigen, so mit Gott versöhnt sind, die sind vor Gott fromm und Gottes Kinder, nicht um ihrer Reinigkeit willen, sondern um Gottes Barmherzigkeit willen, so sie dieselbe fassen und ergreifen durch den Glauben. Darum zeugt die Schrift, daß wir durch den Glauben vor Gott fromm werden. So wollen wir nun Sprüche erzählen, welche klar melden, daß der Glaube fromm und gerecht mache, nicht derhalben, daß unser Glauben ein solch köstlich, rein Werk sei, sondern allein derhalben, daß wir durch den Glauben und sonst mit keinem Dinge die angebotene Barmherzigkeit empfangen. Paulus in der Epistel zu den Römern handelt vornehmlich dieses Stück, wie ein Mensch vor Gott fromm werde, und beschließt, daß alle die da glauben, daß sie durch Christum einen gnädigen Gott haben, ohne Verdienst durch den Glauben vor Gott fromm werden. Und diesen gewaltigen Beschluß, diese Proposition, in welcher gefaßt ist die Hauptsache der ganzen Episteln, ja der ganzen Schrift, setzt er im dritten Kapitel mit dürren, klaren Worten also: „So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, Röm. 3,28. Da wollen die Widersacher sagen, Paulus habe ausge-schlossen allein die jüdischen Zeremonien, nicht andere tugendliche Werke. Aber Paulus redet nicht allein von Zeremonien, sondern eigentlich gewiß redet er auch von allen andern Werken und von dem ganzen Gesetze oder zehn Geboten. Denn im 7. Kapitel hernach zieht er an den Spruch aus den zehn Geboten: „Laß dich nicht gelüsten!“ Und so wir durch andere Werke, welche nicht jüdische Zeremonien wären, konnten Vergebung der Sünden erlangen und dadurch Gerechtigkeit verdienen, was wäre denn Christus und seine Verheißung von-nöten? Da läge schon danieder alles, was Paulus von der Verheißung an so viel Orten redet. So schriebe auch Paulus unrecht zu den Ephesern, da er sagt Eph. 2,8: „ohne Verdienst, umsonst seid ihr selig worden; denn Gottes Gabe ist's, nicht aus Werken.“ Item, Paulus zieht an in der Epistel zu den Römern Abraham und David. Dieselben hatten einen Befehl und Gottes Gebot von der Beschneidung. So nun irgendein Werk vor Gott fromm machte, so müßten je die Werke, die dazumal Gottes Befehl hatten, auch gerecht und fromm gemacht haben. Aber Augustinus, der lehrt klar, daß Paulus von dem ganzen Gesetz rede, wie er denn nach der Länge solches disputiert De Spiritu et Litera, „Von dem Geist und Buchstaben“, da er zuletzt sagt: „So wir nun dieses Stück nach dem Vermögen, das Gott verliehen hat, erwogen und gehandelt haben, so schließen wir, daß kein Mensch fromm wird durch Gebote eines guten Lebens, sondern durch den Glauben Jesu Christi.“ Und das niemand denken darf, als sei Paulo dieses Wort („der Mensch wird gerecht allein durch den Glauben“) entfahren, so führt er das nach der Länge aus im 4. Kapitel zu den Römern und erholet solches in allen seinen Episteln. Denn also sagt er am 4. Kapitel: „Dem, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht; dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“ So ist's nun aus den Worten klar, daß der Glaube das Ding und das Wesen ist, welches er Gottes Gerechtigkeit nennt, und setzt dazu, sie werde aus Gnaden zugerechnet, und sagt, sie könnte uns aus Gnaden nicht zugerechnet werden, so Werke oder Verdienst da wären. Darum schließt er gewißlich aus alles Verdienst und alle Werke nicht allein jüdischer Zeremonien, sondern auch alle andern guten Werke. Denn so wir durch dieselben Werke fromm würden vor Gott, so würde uns der Glaube nicht gerechnet zur Gerechtigkeit ohne alle Werke, wie doch Paulus klar sagt. Und hernach spricht er: „und wir sagen, daß Abraham sein Glaube ist gerechnet zur Gerechtigkeit.“ Item, Kap. 5,1: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christ“, das ist, wir haben fröhliche, stille Gewissen vor Gott. Röm. 10,10: „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht.“ Da nennt er den Glauben die Gerechtigkeit des Herzens. Zu den Galatern am 2,16: „So glauben wir auch an Christum Jesum auf daß wir gerecht werden durch den Glauben an Christum und nicht durch's Gesetzes Werke.“ Eph. 2,8: „Denn aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich niemand rühme.“ Joh. 1,12: „Denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die da an seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen des Mannes, sondern von Gott geboren sind.“ Johannes am 3,14.15: „Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn auch erhöhet werden, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden.“ Item V. 17: „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“ Act. 13,38.39: „So sei es nun euch kund, liebe Brüder, daß euch verkündigt wird Vergebung der Sünden und von dem allem, durch welches ihr nicht konntet im Gesetz Mosis gerecht werden. Wer aber an diesen glaubet, der ist gerecht.“ Wie hätte er doch klarer reden können von dem Reich Christi und von der Rechtfertigung? Er sagt, das Gesetz habe nicht können jemand gerecht machen, und sagt, darum sei Christus gegeben, daß wir glauben, daß wir durch ihn gerecht werden. Mit klaren Worten sagt er: Das Gesetz kann niemand gerecht machen. Darum wird uns durch Christum Gerechtigkeit zugerechnet, wenn wir glauben, daß uns Gott durch ihn gnädig ist. Act. 4,11.12: „Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein worden ist; und ist in keinem andern Heil, und ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.“ An den Namen aber Christi kann ich nicht anders glauben, denn daß ich höre predigen das Verdienst Christi und solches fasse. Derhalben durch Glauben an den Namen Christi und nicht durch Vertrauen auf unsere Werke werden wir selig. Denn das Wort „Name“ an dem Ort bedeutet Ursache, dadurch und darum das Heil kommt. Darum den Namen Christi rühmen oder bekennen ist als viel, als vertrauen auf den, der Christus allein ist und heißt, daß der causa meines Heils und Schatzes sei, dadurch ich erlöst bin. Act. 15,9: „Durch den Glauben reinigte er ihre Herzen.“ Darum ist der Glaube, da die Apostel von reden, nicht eine schlechte Erkenntnis der Historie, sondern ein stark, kräftig Werk des Heiligen Geistes, das die Herzen verändert. Hab. 2,4: „Der Gerechte lebt seines Glaubens.“ Da sagt er erstlich, daß der Gerechte durch den Glauben gerecht wird, so er glaubt, daß Gott durch Christum gnädig sei. Zum andern sagt er, daß der Glaube lebendig macht. Denn der Glaube bringt allein den Herzen und Gewissen Frieden und Freude und das ewige Leben, welches hier in diesem Leben anfängt. Jes. 53,11: „Seine Er-kenntnis wird viele gerecht machen.“ Was ist aber die Erkenntnis, Christi, denn seine Wohltaten kennen und seine Verheißungen, die er in die Welt hat gepredigt und predigen lassen? Und die Wohltaten kennen, das heißt an Christum wahrlich glauben, nämlich glauben das, was Gott durch Christum verheißen hat, daß er das gewiß geben wolle. Aber die Schrift ist voll solcher Sprüche und Zeugnisse. Denn diese zwei Stücke handelt die Schrift: Gesetz Gottes und Verheißung Gottes. Nun reden die Verheißungen von Vergebung der Sünden und Gottes Versöhnung durch Christum. Und bei den Vätern findet man auch viel der Sprüche. Denn auch Ambrosius zu Irenäo schreibt: „Die ganze Welt aber wird darum Gott untertan, unterworfen durchs Gesetz; denn durch das Gebot des Gesetzes werden wir alle angeklagt, aber durch die Werke des Gesetzes wird niemand gerecht. Denn durch das Gesetz wird die Sünde erkannt, aber die Schuld wird aufgelöst durch den Glauben; und es scheint wohl, als hätte das Gesetz Schaden getan, denn es alle zu Sündern gemacht hat; aber der Herr Christus ist gekommen und hat uns die Sünde, welche niemand konnte meiden, geschenkt und hat die Handschrift durch Vergießen seines Bluts ausgelöscht. Und das ist, das Paulus sagt zu den Römern am 5,20: 'Die Sünde ist mächtig worden durchs Gesetz, aber die Gnade ist noch mächtiger worden durch Jesum.' Denn dieweil die ganze Welt ist schuldig worden, so hat er der ganzen Welt Sünde weggenommen, wie Johannes zeugt: 'Siehe, das ist das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde wegnimmt.' Und darum soll niemand seiner Werke sich rühmen; denn durch sein eigen Tun wird niemand gerecht; wer aber gerecht ist, dem ist's geschenkt in der Taufe in Christo, da er ist gerecht worden. Denn der Glaube ist's, der uns losmacht durch das Blut Christi, und wohl dem, welchem die Sünde vergeben wird und Gnade widerfährt.“ Diese sind Ambrosii klare Worte, die doch ganz öffentlich mit unser Lehre auch stimmen. Er sagt, daß die Werke nicht gerecht machen, und sagt, daß der Glaube uns erlöse durch das Blut Christi. Wenn man alle Sententiarios über einen Haufen zusammenschmelzte, die doch große Titel führen, denn etliche nennen sie engelisch, angelicos, etliche subtiles, etliche irrefragabiles, das ist, Doctores, die nicht irren können, und wenn man sie alle läse, so würden sie alle miteinander nicht so nütze sein, Paulum zu verstehen, als der einige Spruch Ambrosii. Auf die Meinung hat auch Augustinus viel wider die Pelagianer geschrieben, und De Spiritu et Litera sagt er also: „Darum wird uns das Gesetz und seine Gerechtigkeit vorgehalten, daß, wer sie tut, dadurch lebe, und daß ein jeder, so er seine Schwachheit erkennt, zu Gott, welcher allein gerecht macht, komme, nicht durch seine eigenen Kräfte noch durch den Buchstaben des Gesetzes, welchen wir nicht erfüllen können, sondern durch den Glauben. Ein recht gut Werk kann niemand tun, denn der zuvor selbst gerecht, fromm und gut sei; Gerechtigkeit aber erlangen wir allein durch den Glauben.“ Da sagt er klar, daß Gott, welcher allein selig macht und heiligt, durch den Glauben versöhnt wird, und daß der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht. Und bald hernach: „Aus dem Gesetz fürchten wir Gott, durch den Glau-ben hoffen und vertrauen wir in Gott. Die aber die Strafe fürchten, denen wird die Gnade verborgen, unter welcher Furcht, wenn ein Mensch in Angst ist usw., soll er durch den Glauben fliehen zu der Barmherzigkeit Gottes, daß er dasjenige gebe, dazu Gnade verleihe, das er im Gesetz gebietet.“ Da lehrt er, daß durch das Gesetz die Herzen geschreckt werden und durch den Glauben wieder Trost empfangen. Es ist wahrlich Wunder, daß die Widersacher können so blind sein und so viel klare Sprüche nicht ansehen, die da klar melden, daß wir durch den Glauben gerecht werden und nicht aus den Werken. Wo denken doch die armen Leute hin? Meinen sie, daß die Schrift ohne Ursache einerlei so oft mit klaren Worten wiederholt? Meinen sie, daß der Heilige Geist sein Wort nicht gewiß und bedächtig setze oder nicht wisse, was er rede? Darüber haben die gottlosen Leute eine sophistische Glosse erdichtet und sagen, die Sprüche der Schrift, so sie vom Glauben reden, sind von fide formata zu verstehen. Das ist, sie sagen: Der Glaube macht niemand fromm oder gerecht denn um der Liebe oder Werke willen. Und in Summa, nach ihrer Meinung so macht der Glaube niemand ge-recht, sondern die Liebe allein. Denn sie sagen, der Glaube könne neben einer Todsünde sein. Was ist das anders, denn alle Zusage Gottes und Verheißung der Gnade umgestoßen und das Gesetz und Werke gepredigt? So der Glaube Vergebung der Sünden und Gnade erlangt um der Liebe willen, so wird die Vergebung der Sünden allezeit ungewiß sein. Denn wir lieben Gott nimmer so vollkommen, als wir sollten. Ja, wir können Gott nicht lieben, denn das Herz sei erst gewiß, daß ihm die Sünden vergeben seien. Also, so die Widersacher lehren auf die Liebe zu Gott, die wir vermögen, und eigene Werke vertrauen, stoßen sie das Evangelium, welches Vergebung der Sünden predigt, gar zu Boden, so doch die Liebe niemand recht haben noch verstehen kann, er glaube denn, daß wir aus Gnaden, umsonst Vergebung der Sünden erlangen durch Christum. Wir sagen auch, daß die Liebe dem Glauben folgen soll, wie Paulus sagt: „In Christo Jesu ist weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, welcher durch die Liebe wirkt.“ Man soll aber darum auf die Liebe nicht vertrauen noch bauen, als erlangten wir um der Liebe willen oder durch die Liebe Vergebung der Sünden und Versöhnung Gottes, gleichwie wir nicht Vergebung der Sünden erlangen um anderer Werke willen, die da folgen, sondern allein durch den Glauben, Denn die Verheißung Gottes kann niemand durch Werke fassen, sondern allein mit dem Glauben. Und der Glaube eigentlich oder fides proprie dicta ist, wenn mir mein Herz und der Heilige Geist im Herzen sagt, die Ver-heißung Gottes ist wahr und ja; von demselben Glauben redet die Schrift. Und dieweil der Glaube, ehe wir etwas tun oder wirken, nur ihm schenken und geben läßt und empfängt, so wird uns der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wie Abraham, ehe wir lieben, ehe wir das Gesetz tun oder einig Werk. Wiewohl es wahr ist, daß Früchte und Werke nicht außen bleiben, und der Glaube ist nicht eine bloße, schlechte Erkenntnis der Historie, sondern ein neu Licht im Herzen und kräftig Werk des Heiligen Geistes, dadurch wir neugeboren werden, dadurch die erschrockenen Gewissen wieder aufgerichtet werden und Leben erlangen. Und dieweil der Glaube allein Vergebung der Sünden erlangt und uns Gott angenehm macht, bringt er mit sich den Heiligen Geist und sollte billiger genannt werden gratia gratum faciens, das ist, die Gnade, die da angenehm macht, denn die Liebe, welche folgt. Bis hierher haben wir reichlich angezeigt aus Sprüchen der Väter und der Schrift, damit doch diese Sache gar klar würde, daß wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen um Christus willen, und daß wir allein durch den Glauben gerecht werden, das ist, aus Ungerechten fromm, heilig und neugeboren werden. Fromme Herzen aber sehen hie und merken, wie ganz überaus hochnötig diese Lehre vom Glauben ist; denn durch sie allein lernt man Christum erkennen und seine Wohltaten, und durch diese Lehre finden die Herzen und Gewissen allein rechte, gewisse Ruhe und Trost. Denn soll eine christliche Kirche sein, soll ein Christenglaube sein, so muß je eine Predigt und Lehre darin sein, dadurch die Gewissen auf keinen Wahn noch Sandgrund gebaut werden, sondern darauf sie sich gewiß verlassen und vertrauen mögen. Darum sind wahrlich die Widersacher untreue Bischöfe, untreue Prediger und Doctores, haben bis hierher den Gewissen übel geraten und raten ihnen noch übel, daß sie solche Lehre führen, da sie die Leute lassen im Zweifel stecken, ungewiß schweben und hangen, ob sie Vergebung der Sünden erlangen oder nicht. Denn wie ist's möglich, daß diejenigen in Todesnöten und letzten Zügen und Ängsten bestehen sollten, die diese nötige Lehre von Christo nicht gehört haben oder nicht wissen, die da noch wanken und im Zweifel stehen, ob sie Vergebung der Sünden haben oder nicht? Item, soll eine christliche Kirche sein, so muß je in der Kirche das Evangelium Christi bleiben, nämlich diese göttliche Verheißung, daß uns ohne Verdienst Sünden vergeben werden um Christus willen. Dasselbe heilige Evangelium drücken diejenigen gar unter, die von dem Glauben, davon wir reden, gar nichts lehren. Nun lehren noch schreiben die Scholastici nicht ein Wort, nicht einen Tüttel vom Glauben, welches schrecklich ist zu hören. Denen folgen unsere Widersacher und verwerfen diese höchste Lehre vom Glauben und sind so verstockt und blind, daß sie nicht sehen, daß sie damit das ganze Evangelium, die göttliche Verheißung von der Vergebung der Sünden und den ganzen Christum unter die Füße treten.

 

Von der Liebe und Erfüllung des Gesetzes.

 

Hier werfen uns die Widersacher diesen Spruch vor: „Willst du ewig leben, so halte die Gebote Gottes.“ Item zu den Römern am 2,13: „Nicht die das Gesetz hören, werden gerecht sein, sondern die das Gesetz tun“; und dergleichen viel vom Gesetz und von Werken. Nun, ehe wir darauf antworten, müssen wir sagen von der Liebe, und was wir von der Erfüllung des Gesetzes halten. Es steht geschrieben im Propheten: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben.“ Und Röm. 3,31 sagt Paulus: „Wir heben das Gesetz nicht auf durch den Glauben, sondern richten das Gesetz auf.“ Item, Christum sagt: „Willst du ewig leben, so halte die Gebote.“ Item, zu den Korinthern sagt Paulus: „So ich nicht die Liebe habe, bin ich nichts.“ Diese und dergleichen Sprüche zeigen an, daß wir das Gesetz halten sollen, wenn wir durch den Glauben gerecht worden sind, und also je länger je mehr im Geist zunehmen. Wir reden aber hier nicht von Zeremonien Mosis, sondern von den zehn Geboten, welche von uns fordern, daß wir von Herzens-grund Gott recht fürchten und lieben sollen. Dieweil nun der Glaube mit sich bringt den Heiligen Geist und ein neu Licht und Leben im Herzen wirkt, so ist es gewiß und folgt von Not, daß der Glaube das Herz erneuert und ändert. Und was das für eine Neuerung der Herzen sei, zeigt der Prophet an, da er sagt: „Ich will mein Gesetz in ihre Herzen geben.“ Wenn wir nun durch den Glauben neuge-boren sind und erkannt haben, daß uns Gott will gnädig sein, will unser Vater und Helfer sein, so heben wir an, Gott zu fürchten, zu lieben, ihm zu danken, ihn zu preisen, von ihm alle Hilfe zu bitten und zu erwarten, ihm auch nach seinem Willen in Trübsalen gehorsam zu sein. Wir heben alsdann auch an, den Nächsten zu lieben; da ist nun inwendig durch den Geist Christi ein neu Herz, Sinn und Mut. Dieses alles kann nicht geschehen, ehe wir durch den Glauben gerecht werden, ehe wir neugeboren werden durch den Heiligen Geist. Denn erstlich kann niemand das Gesetz halten ohne Christus Erkenntnis; so kann auch niemand das Gesetz erfüllen ohne den Heiligen Geist. Den Heiligen Geist aber können wir nicht empfangen denn durch den Glauben, wie zu den Galatern am 3,14 Paulus sagt, daß wir „Die Verheißung des Geistes durch den Glauben empfangen“. Item, es ist unmöglich, daß ein Menschenherz allein durch das Gesetz oder sein Werk Gott liebe. Denn das Gesetz zeigt allein an Gottes Zorn und Ernst; das Gesetz klagt uns an und zeigt an, wie er so schrecklich die Sünde strafen wolle beide mit zeitlichen und ewigen Strafen. Darum was die Scholastici von der Liebe Gottes reden, ist ein Traum, und ist unmöglich, Gott zu lieben, ehe wir durch den Glauben die Barmherzigkeit erkennen und ergreifen. Denn alsdann erst wird Gott obiectum amabile, ein lieblicher seliger Anblick. Wiewohl nun ein ehrbar Leben zu führen und äußerliche Werke des Gesetzes zu tun, die Vernunft etlichermaßen ohne Christum, ohne den Heiligen Geist aus angebornem Licht vermag, so ist es doch gewiß, wie oben angezeigt, daß die höchsten Stücke des göttlichen Gesetzes, als, das ganze Herz zu Gott zu kehren, von ganzem Herzen ihn groß zu achten (welches in der ersten Tafel und im ersten, höchsten Gebot gefordert wird), niemand vermag ohne den Heiligen Geist. Aber unsere Wider-sacher sind gute, rohe, faule, unerfahrene Theologen. Sie sehen allein die andere Tafel Mosis an und die Werke derselben. Aber die erste Tafel, da die höchste Theologie innen steht, da es alles an gelegen ist, achten sie gar nicht; ja dasselbe höchste, heiligste, größte, vornehmste Gebot, welches allen mensch-lichen und engelischen Verstand übertrifft, welches den höchsten Gottesdienst, die Gottheit selbst und die Ehre der ewigen Majestät belangt, da Gott gebietet, daß wir herzlich ihn sollen für einen Herrn und Gott halten, fürchten und lieben, halten sie so gering, so klein, als gehörte es zu der Theologie nicht. Christus ist uns aber dazu dargestellt, daß um seinetwillen uns Sünden vergeben und der Heilige Geist geschenkt wird, der ein neu Licht und ewiges Leben, ewige Gerechtigkeit in uns wirkt, daß er uns Christum im Herzen zeigt, wie Johannis am 16,15 geschrieben: „Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.“ Item, er wirkt auch andere Gaben: Liebe, Danksagung, Keuschheit, Geduld usw. Darum vermag das Gesetz niemand ohne den Heiligen Geist zu erfüllen; darum sagt Paulus: „Wir richten das Gesetz auf durch den Glauben und tun's nicht ab“; denn so können wir erst das Gesetz erfüllen und halten, wenn der Heilige Geist uns gegeben wird. Und Paulus 2 Kor. 3,15f. sagt, daß die Decke des Angesichts Mosis könne nicht weggetan werden denn allein durch den Glauben an den Herrn Christum, durch welchen gegeben wird der Heilige Geist. Denn also sagt er: „Bis auf diesen Tag, wenn Moses gelesen wird, ist die Decke über ihrem Herzen; wenn sie sich aber zum Herrn bekehren, wird die Decke weggetan. Denn der Herr ist ein Geist; wo aber des Herrn Geist ist, da ist Freiheit.“ Die Decke nennt Paulus den menschlichen Gedanken und Wahn von den zehn Geboten und Zeremonien, nämlich daß die Heuchler wähnen wollen, daß das Gesetz möge erfüllt und gehalten werden durch äußerliche Werke, und als machten die Opfer, item allerlei Gottesdienst, ex opere operato jemand gerecht vor Gott. Dann wird aber die Decke vom Herzen genommen, das ist, der Irrtum und Wahn wird weggenommen, wenn Gott im Herzen uns zeigt unsern Jammer und läßt uns Gottes Zorn und unsere Sünde fühlen. Da merken wir erst, wie gar fern und weit wir vom Gesetz seien. Da erkennen wir erst, wie sicher und verblendet alle Menschen dahingehen, wie sie Gott nicht fürchten, in Summa, nicht glauben, daß Gott Himmel, Erde und alle Kreaturen geschaffen hat, unsern Odem und Leben und die ganze Kreatur alle Stunden erhält und wider den Satan bewahrt. Da erfahren wir erst, daß eitel Unglaube, Sicherheit, Verachtung Gottes in uns so tief verborgen steckt. Da erfahren wir erst, daß wir so schwach oder gar nichts glauben, daß Gott Sünde vergebe, daß er Gebet erhöre usw. Wenn wir nun das Wort und Evangelium hören und durch den Glauben Christum erkennen, empfangen wir den Heiligen Geist, daß wir dann recht von Gott halten, ihn fürchten, ihm glauben usw. In diesem ist nun genugsam angezeigt, daß wir Gottes Gesetz ohne den Glauben, ohne Christum, ohne den Heiligen Geist nicht halten können. Darum sagen wir auch, daß man muß das Gesetz halten, und ein jeder Gläubiger fängt an, es zu halten, und nimmt je länger, je mehr zu in Liebe und Furcht Gottes, welches ist recht Gottes Gebote erfüllt. Und wenn wir vom Gesetzhalten reden oder von guten Werken, begreifen wir beides, das gute Herz inwendig und die Werke auswendig. Darum tun uns die Widersacher unrecht, da sie uns schuld geben, wir lehrten nicht von guten Werken; so wir nicht allein sagen, man müsse gute Werke tun, sondern sagen auch eigentlich, wie das Herz müsse dabei sein, damit es nicht lose, taube, kalte Heuchlerwerke seien. Es lehrt die Erfahrung, daß die Heuchler, wiewohl sie sich unterstehen, aus ihren Kräften das Gesetz zu halten, daß sie es nicht vermögen, noch mit der Tat beweisen. Denn wie fein sind sie ohne Haß, Neid, Zank, Grimm, Zorn, ohne Geiz, Ehebruch usw.! Also, daß nirgend die Laster größer sind denn in Klöstern und Stiften. Es sind alle menschlichen Kräfte viel zu schwach dem Teufel, daß sie seiner List und Stärke aus eigenem Vermögen widerstehen sollten, welcher alle diejenigen gefänglich hält, die nicht durch Christum erlöst werden. Es muß göttliche Stärke sein und Christus Auferstehung, die den Teufel überwinde. Und so wir wissen, daß wir Christi Stärke, seines Sieges durch den Glauben teilhaftig werden, können wir auf die Verheißung, die wir haben, Gott bitten, daß er uns durch seines Geistes Stärke beschirme und regiere, daß uns der Teufel nicht fälle oder stürze; sonst fielen wir alle Stunden in Irrtum und greuliche Laster. Darum sagt Paulus nicht von uns, sondern von Christo Eph. 4,8: „Er hat das Gefängnis gefangen geführt.“ Denn Christus hat den Teufel überwunden und durchs Evangelium verheißen den Heiligen Geist, daß wir durch Hilfe desselben auch alles Übel überwinden. Und 1 Joh. 3,8 ist geschrieben: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er auflöse die Werke des Teufels.“ Darum so lehren wir nicht allein, wie man das Gesetz halte, sondern auch wie es Gott gefalle alles, was wir tun, nämlich, nicht daß wir in diesem Leben das Gesetz so vollkommen und rein halten können, sondern daß wir in Christo sind, wie wir hernach wollen sagen. So ist es nun gewiß, daß die unsern auch von guten Werken recht lehren. Und wir setzen noch dazu, daß es unmöglich sei, daß rechter Glaube der das Herz tröstet und Vergebung der Sünden empfängt, ohne die Liebe Gottes sei. Denn durch Christum kommt man zum Vater, und wenn wir durch Christum Gott versöhnt sind, so glauben und schließen wir dann erst recht gewiß im Herzen, daß ein wahrer Gott lebe und sei, daß wir einen Vater im Himmel haben, der auf uns allzeit siehet, der zu fürchten sei, der um so unsägliche Wohltat zu lieben sei, dem wir sollen allezeit herzlich danken, ihm Lob und Preis sagen, welcher unser Gebet, auch unser Sehnen und Seufzen erhört, wie denn Johannes in seiner ersten Epistel sagt, 1 Joh. 4,19: „Wir lieben ihn, denn er hat uns zuvor geliebet.“ Uns nämlich; denn er hat seinen Sohn für uns gegeben und uns Sünde verge-ben. Da zeigt Johannes genug an, daß der Glaube also vorgehe und die Liebe alsdann folge. Item, dieser Glaube ist in denen, da rechte Busse ist, das ist, da ein erschrocken Gewissen Gottes Zorn und seine Sünde fühlt, Vergebung der Sünden und Gnade sucht. Und in solchem Schrecken, in solchen Ängsten und Nöten beweist sich erst der Glaube und muß auch also bewährt werden und zunehmen. Darum kann der Glaube nicht sein in fleischlichen, sicheren Leuten, welche nach des Fleisches Lust und Willen dahinleben. Denn also sagt Paulus Röm. 8,1: „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.“ Item, V. 12.13: „So sind wir nun Schuldner, nicht dem Fleisch, daß wir nach dem Fleisch leben; denn wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.“ Derhalben kann der Glaube, welcher allein in den Herzen und Gewissen ist, denen ihre Sünde herzlich leid sind, nicht zugleich neben einer Todsünde sein, wie die Widersacher lehren. So kann er auch nicht in denjenigen sein, die nach der Welt fleischlich, nach des Satans und des Fleisches Willen leben. Aus diesen Früchten und Werken des Glaubens klauben die Widersacher nur ein Stück, nämlich die Liebe, und lehren, daß die Liebe vor Gott gerecht mache; also sind sie nichts anderes denn Werkprediger und Gesetzlehrer. Sie lehren nicht erst, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch den Glauben. Sie lehren nichts von dem Mittler Christo, daß wir durch denselben einen gnädigen Gott erlangen, sondern reden von unserer Liebe und unsern Werken und sagen doch nicht, was es für eine Liebe sei, und können es auch nicht sagen. Sie rühmen, sie könnten das Gesetz erfüllen oder halten, so doch die Ehre niemand gehört denn Christo, und halten also ihr eigen Werk gegen Gottes Urteil, sagen, sie verdienten de condigno Gnade und ewiges Leben. Das ist doch ein ganz vergeblich und gottlos Vertrauen auf eigene Werke. Denn in diesem Leben können auch Christen und die Heiligen selbst Gottes Gesetz nicht vollkommen halten; denn es bleiben immer böse Neigungen und Lüste in uns, wiewohl der Heilige Geist denselben widersteht. Es möchte aber jemand unter ihnen fragen: So wir selbst bekennen, daß die Liebe eine Frucht des Geistes sei, und so die Liebe dennoch ein heilig Werk und Erfüllung des Gesetzes genannt wird, warum wir denn auch nicht lehren, daß sie vor Gott gerecht mache? Antwort: Erstlich ist das gewiß, daß wir Vergebung der Sünden nicht empfangen weder durch die Liebe noch um der Liebe willen, sondern allein durch den Glauben um Christus willen. Denn allein der Glaube im Herzen sieht auf Gottes Verheißung; und allein der Glaube ist die Gewißheit, da das Herz gewiß drauf steht, daß Gott gnädig ist, daß Christus nicht umsonst gestorben sei usw. Und derselbe Glaube überwindet allein das Schrecken des Todes und der Sünde. Denn wer noch wankt oder zweifelt, ob ihm die Sünden vergeben seien, der vertraut Gott nicht und verzagt an Christo; denn er hält seine Sünde für größer und stärker denn den Tod und Blut Christi, so doch Paulus sagt zu den Römern am 5,20, „die Gnade sei mächtiger denn die Sünde“, das ist, kräftiger, reicher und stärker. So nun jemand meint, daß er darum Vergebung der Sünden will erlangen, daß er die Liebe hat, der schmäht und schändet Christum und wird am letzten Ende, wenn er vor Gottes Gericht stehen soll, finden, daß solch Vertrauen vergeblich ist. Darum ist es gewiß, daß allein der Glaube gerecht macht. Und gleichwie wir nicht erlangen Vergebung der Sünden durch andere gute Werke und Tugenden, als, um Geduld willen, um Keuschheit, um Gehorsams willen gegen die Obrigkeit, und folgen doch die Tugenden, wo Glaube ist: also empfangen wir auch nicht um der Liebe Gottes willen Vergebung der Sünden, wiewohl sie nicht ausbleibt, wo dieser Glaube ist. Das aber Christus Lucä am 7,47 spricht: „Ihr werden viel Sünden vergeben werden, denn sie hat viel geliebet“, da legt Christus sein Wort selbst aus, da er sagt V. 50: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Und Christus will nicht, daß die Frau durch das Werk der Liebe verdient habe Vergebung der Sünden; darum sagt er klar: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Nun ist das der Glaube, welcher sich verläßt auf Gottes Barmherzigkeit und Wort, nicht auf eigene Werke. Und meint jemand, daß der Glaube sich zugleich auf Gott und eigene Werke verlassen könne, der versteht gewißlich nicht, was Glaube sei. Denn das erschrockene Gewissen wird nicht zufrieden durch eigene Werke, sondern muß nach Barmherzigkeit schreien und läßt sich allein durch Gottes Wort trösten und aufrichten. Und die Historie selbst zeigt an dem Ort wohl an, was Christus Liebe nennt. Die Frau kommt in der Zuversicht zu Christo, daß sie wolle Vergebung der Sünden bei ihm erlangen; das heißt recht Christum erkennen und ehren; denn größere Ehre kann man Christo nicht tun. Denn das heißt Messiam oder Christum wahrlich erkennen, bei ihm suchen Vergebung der Sünden. Dasselbe von Christo halten, also Christum erkennen und annehmen, das heißt recht an Christum glauben. Christus aber hat dieses Wort, da er sagt: „Sie hat viel geliebet“, nicht gebraucht, als er mit der Frau redete, sondern als er mit dem Pharisäer redete. Denn der Herr Christus hält gegeneinander die ganze Ehre, die ihm der Pharisäer getan hat, mit dem Erbieten und Werken, so die Frau ihm erzeigt hat. Er straft den Pharisäer, daß er ihn nicht hat erkannt für Christum, wiewohl er ihn äußerlich geehrt als einen Gast und frommen, heiligen Mann. Aber den Gottesdienst der Frau, daß sie ihre Sünde erkennt und bei Christo Vergebung der Sünden sucht, diesen Dienst lobt Christus. Und es ist ein großes Exempel, welches Christum billig bewogen hat, daß er den Pharisäer als einen weisen, ehrlichen Mann, der doch nicht an ihn glaubt, straft. Den Unglauben wirft er ihm vor und vermahnt ihn durch das Exempel, als sollte er sagen: Billig solltest du dich schämen, du Pharisäer, daß du so blind bist, mich für Christum und Messiam nicht erkennest, so du ein Lehrer des Gesetzes bist, und das Weib, das ein ungelehrt, arm Weib ist, mich erkennt. Darum lobt er da nicht allein die Liebe, sondern den ganzen cultum oder Gottesdienst, den Glauben mit den Früchten, und nennt doch vor dem Pharisäer die Frucht. Denn man kann den Glauben in Herzen andern nicht weisen und anzeigen denn durch die Früchte, die beweisen vor den Menschen den Glauben im Herzen. Darum will Christus nicht, daß die Liebe und die Werke sollen der Schatz sein, dadurch die Sünden bezahlt werden, welches Christus Blut ist. Derhalben ist dieser Streit über einer hohen, wichtigen Sache, da den frommen Herzen und Gewissen ihr höchster, gewissester, ewiger Trost an gelegen ist, nämlich von Christo, ob wir sollen vertrauen auf des Verdienst Christi oder auf unsere Werke. Denn so wir auf unsere Werke vertrauen, so wird Christo seine Ehre genommen, so ist Christus nicht der Versöhner noch Mittler, und werden doch endlich erfahren, daß solch Vertrauen vergeblich sei, und daß die Gewissen dadurch nur in Verzweiflung fallen. Denn das Gesetz macht niemand gerecht vor Gott, solange es uns anklagt. Nun kann sich ja niemand rühmen, daß er dem Gesetz genuggetan habe. Darum müssen wir sonst Trost suchen, nämlich ab Christo. Nun wollen wir antworten auf die Fragen, welche wir oben angezeigt: warum die Liebe oder dilectio niemand vor Gott gerecht mache. Die Widersacher denken also, die Liebe sei die Erfüllung des Gesetzes, darum wäre es wohl wahr, daß die Liebe uns gerecht macht, wenn wir das Gesetz hielten. Wer darf aber mit Wahrheit sagen oder rühmen, daß er das Gesetz halte und Gott liebe, wie des Gesetz gebietet? Wir haben oben angezeigt, daß darum Gott die Verheißung der Gnade getan hat, daß wir das Gesetz nicht halten können. Darum sagt auch allenthalben Paulus, daß wir durch das Gesetz nicht können vor Gott gerecht werden. Die Widersacher müssen hie wohl weit fehlen und der Hauptfrage irregehen, denn sie sehen in diesem Handel allein das Gesetz an. Denn alle menschliche Vernunft und Weisheit kann nicht anders urteilen, denn daß man durch Gesetze müsse fromm werden, und wer äußerlich das Gesetz halte, der sei heilig und fromm. Aber das Evangelium rückt uns herum und weist uns von dem Gesetz zu den göttlichen Verheißungen und lehrt, daß wir nicht gerecht werden durchs Gesetz (denn niemand kann es halten), sondern dadurch, daß uns um Christus willen Versöhnung geschenkt ist, und die empfangen wir allein durch den Glauben. Denn ehe wir einen Tüttel am Gesetz erfüllen, muß erst da sein der Glaube an Christum, durch welchen wir Gott versöhnt werden und erst Vergebung der Sünden erlangen. Lieber Herrgott, wie dürfen doch die Leute sich Christen nennen oder sagen, daß sie auch die Bücher des Evangelii einmal je angesehen oder gelesen haben, die noch dieses anfechten, daß wir Vergebung der Sünden durch den Glauben an Christum erlangen? Ist es doch einem Christenmenschen schrecklich allein zu hören. Zum andern ist's gewiß, daß auch diejenigen, so durch den Glauben und Heiligen Geist neugeboren sind, doch gleichwohl noch, solange dies Leben währt, nicht gar rein sind, auch das Gesetz nicht vollkommen halten. Denn wiewohl sie die Erstlinge des Geistes empfangen, und wiewohl sich in ihnen das neue, ja das ewige Leben angefangen, so bleibt doch noch etwas da von der Sünde und böser Lust und findet das Gesetz noch viel, das es uns anzuklagen hat. Darum, obschon Liebe Gottes und gute Werke in Christen sollen und müssen sein, sind sie dennoch vor Gott nicht gerecht um solcher ihrer Werke willen, sondern um Christus willen durch den Glauben. Und Vertrauen auf eigene Erfüllung des Gesetzes ist eitel Abgötterei und Lästerung Christi und fällt doch zuletzt weg und macht, daß die Gewissen verzweifeln. Derhalben soll dieser Grund feststehen bleiben, daß wir um Christus willen Gott angenehm und gerecht sind durch Glauben, nicht von wegen unserer Liebe und Werke. Daß wollen wir also klar und gewiß machen, daß man's greifen möge. Solange das Herz nicht Frieden vor Gott hat, kann es nicht gerecht sein; denn es flieht vor Gottes Zorn und verzweifelt und wollte, daß Gott nicht richtete. Darum kann das Herz nicht gerecht und Gott angenehm sein, dieweil es nicht Frieden mit Gott hat. Nun macht der Glaube allein, daß das Herz zufrieden wird, und erlangt Ruhe und Leben, Röm. 5,1, so es sich getrost und frei verläßt auf Gottes Zusage um Christus willen. Aber unsere Werke bringen das Herz nicht zufrieden, denn wir finden allezeit, daß sie nicht rein sind. Darum muß folgen, daß wir allein durch Glauben Gott angenehm und gerecht sind, so wir im Herzen schließen, Gott wolle uns gnädig sein, nicht von wegen unserer Werke und Erfüllung des Gesetzes, sondern aus lauter Gnade um Christus willen. Was können die Widersacher wider diesen Grund aufbringen? Was können sie wider die öffentliche Wahrheit erdichten oder erdenken? Denn dies ist je gewiß, und die Erfahrung lehrt stark genug, daß, wenn wir Gottes Urteil und Zorn recht fühlen oder in Anfechtung kommen, unsere Werke oder Gottesdienste das Gewissen nicht können zur Ruhe bringen. Und das zeigt die Schrift oft genug an, als im Psalm, 143,2: „Du wollest mit deinem Knechte nicht in das Gericht gehen; denn vor dir wird keiner, der da lebt, gerecht sein.“ Da zeigt er klar an, daß alle Heiligen, alle frommen Kinder Gottes, welche den Heiligen Geist haben, wenn Gott nicht aus Gnaden ihnen will ihre Sünden vergeben, noch übrige Sünde im Fleisch an sich haben. Denn daß David an einem andern Ort, Ps. 7,9, sagt: „Herr, richte mich nach meiner Gerechtigkeit!“ da redet er von seiner Sache und nicht von eigener Gerechtigkeit, sondern bittet, daß Gott seine Sache und Wort schützen wolle; wie er denn sagt: „Richte meine Sache!“ Wiederum Ps. 130,3 sagt er klar, daß keiner, auch nicht die höchsten Heiligen, können Gottes Urteil ertragen, wenn er will auf Missetat achtgeben, wie er sagt: „So du willst acht-haben auf Missetat, Herr, wer wird bestehen?“ und also sagt Hiob an 9,28.30.: „Ich entsetze mich vor allen meinen Werken“: item: „Wenn ich gleich schneeweiß gewaschen wäre, und meine Hände gleich glänzeten vor Reinigkeit, noch würdest du Unreines an mir finden.“ Und in den Sprüchen Salomonis, 20,9: „Wer kann sagen: Mein Herz ist rein?“ Und 1 Joh. 1,8: „So wir werden sagen, daß wir keine Sünde haben, verführen wir uns selbst und ist die Wahrheit nicht in uns.“ Item, im Vaterunser bitten auch die Heiligen: „Vergib uns unsere Schuld!“ Darum haben auch die Heiligen Schuld und Sünde. Item, im 4. Buch Mosis, 14,18: „Auch der Unschuldige wird nicht unschuldig sein.“ Und Zacharias der Prophet sagt im 2. Kap., V 13: „Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn!“ Und Jesaias sagt 40,6: „Alles Fleisch ist Gras“, das ist, das Fleisch und alle Gerechtigkeit, so wir ver-mögen, die können Gottes Urteil nicht ertragen. Und Jonas sagt am 2. Kap., V. 9: „Welche sich verlassen auf Eitelkeit vergeblich, die lassen Barmherzigkeit fahren.“ Derhalben erhält uns eitel Barmherzigkeit; unsere eigenen Werke, Verdienst und Vermögen können uns nicht helfen. Diese Sprüche und derglei-chen in der Schrift zeigen an, daß unsere Werke unrein sind, und daß wir Gnade und Barmherzigkeit bedürfen. Darum stellen die Werke die Gewissen nicht zufrieden, sondern allein die Barmherzigkeit, welche wir durch den Glauben ergreifen. Zum dritten, Christus bleibt nichts destoweniger vor als nach der einige Mittler und Versöhner, wenn wir in ihm also neugeboren sind. Darum irren diejenigen, die da erdichten, daß Christus uns allein primam gratiam oder die erste Gnade verdiene, und daß wir hernach durch unsere eigenen Werke und Verdienst müssen das ewige Leben verdienen. Denn er bleibt der einige Mittler, und wir sollen des gewiß sein, daß wir um seinetwillen allein einen gnädigen Gott haben; ob wir es auch gleich unwürdig sind, wie Paulus sagt Röm. 5,2: „Durch ihn haben wir einen Zugang zu Gott.“ Denn unsere besten Werke, auch nach empfangener Gnade des Evangelii (wie ich gesagt), sind noch schwach und nicht gar rein; denn es ist je nicht so ein schlecht Ding um die Sünde und Adams Fall, wie die Vernunft meint oder gedenkt, und ist über allen menschlichen Verstand und Gedanken, was durch den Ungehorsam für ein schrecklicher Gotteszorn auf uns geerbt ist. Und ist gar eine greulich Verderbung an der ganzen menschlichen Natur geschehen, welche kein Menschenwerk, sondern allein Gott selbst kann herwiederbringen. Darum sagt der Psalm: „Wohl denen, welchen ihre Sünden vergeben sind.“ Darum bedürfen wir Gnade und Gottes gnädiger Güte und Vergebung der Sünden, wenn wir gleich viele gute Werke getan haben. Dieselbe Gnade aber läßt sich allein durch den Glauben fassen. Also bleibt Christus allein der Hohepriester und Mittler, und was wir nun Gutes tun, oder was wir des Gesetzes halten, gefällt Gott nicht für sich selbst, sondern daß wir uns an Christum halten und wissen, daß wir einen gnädigen Gott haben nicht um des Gesetzes willen, sondern um Christus willen. Zum vierten, so wir hielten, daß wir, wenn wir nun zu dem Evangelium kommen und neugeboren sind, hernach durch unsere Werke verdienen sollen, daß uns Gott gnädig forthin wäre, nicht durch Glauben, so käme das Gewissen nimmer zur Ruhe, sondern müßte verzweifeln; denn das Gesetz klagt uns ohne Unterlaß an, dieweil wir es nicht vollkommen halten können usw. Wie denn die ganze heilige christliche Kirche, alle Heiligen allzeit bekannt haben und noch bekennen. Denn also sagt Paulus zu den Römern am 7,19: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ usw. Item: „Mit dem Fleische diene ich dem Gesetz der Sünde“ usw. Denn es ist keiner, der Gott den Herrn so von ganzem Herzen fürchtet und liebt, als er schuldig ist; keiner, der Kreuz und Trübsal in ganzem Gehorsam gegen Gott trägt; keiner, der nicht durch Schwachheit oft zweifelt, ob auch Gott sich unser annehme, ob er uns achte, ob er unser Gebet erhöre. Darüber murren wir oft aus Ungeduld wider Gott, daß es den Gottlosen wohl geht, den Frommen übel. Item, wer ist, der seinem Beruf recht genug tut, der nicht wider Gott zürnt in Anfechtungen, wenn Gott sich verbirgt? Wer liebt seinen Nächsten als sich selbst? Wer ist ohne allerlei böse Lüste? von den Sünder allen sagt der Psalm: „Dafür werden bitten alle Heiligen zu rechter Zeit.“ Da sagt er, daß alle Heiligen müssen um Vergebung der Sünden bitten. Derhalben sind diejenigen gar stockblind, welche die bösen Lüste im Fleisch nicht für Sünde halten, von welchen Paulus sagt: „Das Fleisch strebet wider den Geist, und der Geist strebet wider das Fleisch.“ Denn das Fleisch vertraut Gott nicht, verläßt sich auf diese Welt und zeitliche Güter, sucht in Trübsalen menschlichen Trost und Hilfe, auch wider Gottes Willen, zweifelt an Gottes Gnade und Hilfe murrt wider Gott in Kreuz und Anfechtungen, welches alles wider Gottes Gebot ist. Wider die Adamssünde streitet und strebt der Heilige Geist in den Herzen der Heiligen, daß er dasselbe Gift des alten Adams, die böse verzweifelte Art, ausfege und töte und in das Herz einen andern Sinn und Mut bringe. Und Augustinus sagt auch: „Alle Gebote Gottes halten wir dann, wenn uns alles, was wir nicht halten, vergeben wird.“ Darum will Augustinus, daß auch die guten Werke, welche der Heilige Geist wirkt in uns, Gott nicht anders gefallen denn also, daß wir glauben, daß wir Gott angenehm seien um Christus willen, nicht daß sie an ihnen selbst Gott sollten gefallen. Und Hieronymus sagt wider Pelagius: „Dann sind wir gerecht, wenn wir uns für Sünder erkennen; Und unsere Gerechtigkeit steht nicht in unserm Verdienst, sondern in Gottes Barmherzigkeit.“ Darum, wenn wir gleich ganz reich von rechten guten Werken sind und also angefangen haben, Gottes Gesetz zu halten, wie Paulus, da er treulich gepredigt hat usw., so muß dennoch der Glaube da sein, dadurch wir vertrauen, daß Gott uns gnädig und versöhnt sei um Christus willen und nicht um unserer Werke willen. Denn die Barmherzigkeit läßt sich nicht fassen denn allein durch den Glauben. Darum diejenigen, so lehren, daß wir um Werke willen, nicht um Christus willen Gott angenehm werden, die führen die Gewissen in Verzweiflung. Aus dem allem ist's klar genug, daß allein der Glaube uns vor Gott gerecht macht, das ist, er erlangt Vergebung der Sünden und Gnade um Christus willen und bringt uns zu einer neuen Geburt. Item so ist's klar genug, daß wir allein durch den Glauben den Heiligen Geist empfangen; item, daß unsere Werke, und da wir anfangen, das Gesetz zu halten, an ihm selbst Gott nicht gefallen. So ich nun, wenn ich gleich voll guter Werke bin, wie Paulus war und Petrus, dennoch anderswo muß meine Gerechtigkeit suchen, nämlich in der Verheißung der Gnade Christi, item, so allein der Glaube das Gewissen stillt, so muß je das gewiß sein, daß allein der Glaube vor Gott gerecht macht. Denn wir müssen allezeit dabei bleiben, wollen wir recht lehren, daß wir nicht um des Gesetzes willen, nicht um Werke willen, sondern um Christus willen Gott angenehm sind. Denn die Ehre, so Christo gebührt, soll man nicht dem Gesetze oder unsern elenden Werken geben.

 

Antwort auf die Argumente der Widersacher.

 

So wir nun die rechten Gründe dieser Sache haben angezeigt, nämlich den Unterschied unter göttlicher Verheißung und des Gesetzes, so kann man leicht-lich widerlegen dasjenige, so die Widersacher dagegen vorbringen. Denn sie führen Sprüche ein vom Gesetz und guten Werken. Die Sprüche aber, so von göttlicher Verheißung reden, lassen sie außen. Man kann aber kurz antworten auf alle Sprüche, so sie einführen von dem Gesetze, nämlich, daß das Gesetz ohne Christum niemand halten kann, und wenngleich äußerlich gute Werke geschehen ohne Christum, so hat doch Gott darum an der Person nicht Gefallen. Darum wenn man will von guten Werken lehren oder predigen, soll man allezeit dazusetzen, daß zuvörderst Glaube da sein müsse, und daß sie allein um des Glaubens willen an Christum Gott angenehm seien, und daß sie Früchte und Zeugnisse des Glaubens sind. Diese unsere Lehre ist je klar, sie läßt sich auch wohl am Licht sehen und gegen die Heilige Schrift halten, und ist auch hie klar und richtig vorgetragen, wer ihm will sagen lassen und die Wahrheit nicht wissentlich verleugnen. Denn Christi Wohltat und den großen Schatz des Evangelii (welchen Paulus so hoch hebt) recht zu erkennen, müssen wir je auf einem Teil Gottes Verheißung und angebotene Gnade, auf dem andern Teil das Gesetz so weit voneinander scheiden als Himmel und Erde. In baufälligen Sachen bedarf man viele Glossen; aber in guten Sachen ist allezeit eine solutio oder zwei, die durchaus gehen und lösen alles auf, so man dagegen vermeint aufzubringen. Also hier in dieser Sache: diese einige solutio löst alle Sprüche auf, die wider uns angezogen werden, nämlich daß man das Gesetz ohne Christum nicht recht tun kann, und obschon äußerliche Werke geschehen, daß doch Gott die Person nicht gefällt außer Christo. Denn wir bekennen, daß die Schrift diese zwei Lehren führt: Gesetz und Verheißung der Gnade. Die Widersacher aber, die treten schlechts das ganze Evangelium mit Füßen und alle Verheißungen der Gnade in Christo; so lehren sie, daß wir um unserer Liebe und Werke willen Vergebung der Sünden erlangen und nicht durch den Glauben. Denn so Gottes Gnade und Hilfe gegen uns gebaut ist auf unsere Werke, so ist sie gar ungewiß. Denn wir können nimmermehr gewiß sein, wann wir Werke genug tun, oder ob die Werke heilig oder rein genug seien. So wird auch also die Vergebung der Sünden ungewiß, und geht Gottes Zusage unter, wie Paulus sagt Röm. 4,14: „Die göttliche Zusage ist dann umgestoßen, und ist alles ungewiß.“ Darum lehren wir die Herzen und Gewissen, daß sie sich trösten durch dieselbe Verheißung Gottes, welche fest steht und bietet Gnade an und Vergebung der Sünden um Christus willen, nicht um unserer Werke willen. Danach lehren wir auch von guten Werken und von dem Gesetz, nicht daß wir durch des Gesetz verdienen Vergebung der Sünden, oder daß wir um des Gesetzes willen Gott angenehm seien, sondern daß Gott gute Werke haben will. Denn man muß, wie Paulus sagt, recht schneiden und teilen Gottes Wort, das Gesetz auf einen Ort, die Zusage Gottes auf den andern. Man muß sehen, wie die Schrift von der Ver-heißung, wie sie von dem Gesetz redet. Denn die Schrift gebietet und lobt also gute Werke, daß sie doch gleichwohl Gottes Verheißung und den rechten Schatz, Christum, noch viel tausendmal höher setzt. Denn gute Werke soll und muß man tun, denn Gott will sie haben; so sind es Früchte des Glaubens, wie Paulus zu den Ephesern am 2,10 sagt: „Denn wir sind geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken.“ Darum sollen gute Werke dem Glauben folgen als Dank-sagungen gegen Gott, item, daß der Glaube dadurch geübt werde, wachse und zunehme, und daß durch unser Bekenntnis und guten Wandel andere auch erinnert werden. Also sagt Paulus, daß Abraham habe die Beschneidung empfangen, nicht daß er um des Werkes willen wäre gerecht geworden, sondern daß er an seinem Leibe ein Zeichen hätte, dadurch er erinnert würde und immer im Glauben zunähme; item, daß er seinen Glauben bekennete vor andern und durch sein Zeugnis die andern auch zu glauben reizte. Also hat Abel durch den Glauben Gott ein angenehm Opfer getan. Denn das Opfer hat Gott nicht gefallen ex opere operato sondern Abel hielt's gewiß dafür, daß er einen gnädigen Gott hätte; das Werk aber tat er, daß er seinen Glauben übte und die andern durch sein Exempel und Bekenntnis zu glauben reizte. So nun also und nicht anders die guten Werke sollten dem Glauben folgen, so tun die viel anderer Meinung ihre Werke, die nicht glauben, daß ihnen ohne Verdienst die Sünden vergeben werden um Christus willen. Denn wenn dieselben sehen gute Werke an den Heiligen, richten sie menschlicherweise von den Heiligen, wollen wähnen, die Heiligen haben mit ihren Werken Vergebung der Sünden erlangt oder seien durch Werke vor Gott gerecht geworden. Darum tun sie dergleichen ihnen nach und meinen, sie wollen auch also Vergebung der Sünden erlangen und Gottes Zorn versöhnen. Solchen öffentlichen Irrtum und falsche Lehre von den Werken verdammen wir. Erstlich, daß dadurch Christo, dem rechten Mittler, die Ehre genommen wird und wird den elenden Werken gegeben, wenn wir an Christus Statt unsere Werke wollen darstellen für einen Schatz und Versöhnung des göttlichen Zorns und der Sünde. Denn die Ehre gehört allein Christo, nicht unsern elenden Werken. Zum andern, so finden doch die Gewissen auch nicht Frieden in solchen Werken. Denn wenn sie schon der Werke viel tun und zu tun sich befleißigen, so findet sich doch kein Werk, das rein genug sei, das wichtig, köstlich genug sei, einen gnädigen Gott zu machen, das ewige Leben gewiß zu erlangen, in Summa, das Gewissen ruhig und friedlich zu machen. Für das dritte, die auf Werke bauen, die lernen nimmermehr Gott recht kennen noch seinen Willen. Denn ein Gewissen, das an Gottes Gnade zweifelt, das kann nicht glauben, daß es erhört werde. Und dieweil es Gott nicht anrufen kann, wird es auch göttlicher Hilfe nicht inne, kann also Gott nicht kennen lernen. Wenn aber der Glaube da ist, nämlich daß wir durch Christum einen gnädigen Gott haben, der darf fröhlich Gott anrufen, lernt Gott und seinen Willen kennen. Aber der Irrtum von den Werken klebt der Welt gar hart an. Die Heiden haben auch Opfer, welche von den Patriarchen erstlich herkommen; dieselbe Opfer und Werke der Väter haben sie nachgetan. Vom Glauben wußten sie nicht, hielten dafür, daß dieselben Werke ihnen einen gnädigen Gott machten. Die Israeliten erdichteten ihnen auch Werke und Opfer der Meinung, daß sie dadurch wollten einen gnädigen Gott machen durch ihr opus operatum, daß ist, durch das bloße Werk, welches ohne Glauben geschah. Da sehen wir, wie heftig die Propheten dawider schreien und rufen, als im 50. Psalm: „Deines Opfers halben strafe ich dich nicht“ usw. Item, Jeremias sagt: „Ich habe nicht mit euren Vätern von Brandopfern geredet.“ Da verdammen die Propheten nicht die Opfer an ihnen selbst, denn die hat Gott geboten als äußerliche Übungen in demselben seinem Volk, sondern sie treffen vornehmlich ihr gottlos Herz, da sie die Opfer der Meinung taten, daß sie meinten, dadurch würde Gott ex opere operato versöhnt; dadurch ward der Glaube unterdrückt. Und so nun kein Werk das Gewissen recht zufriedenstellt, so pflegen die Heuchler auf ein blindes Geratewohl und Wagen dahin gleichwohl ein Werk über das andere, ein Opfer über das andere zu erfinden, und alles ohne Gottes Wort und Befehl mit bösem Gewissen, wie wir im Papsttum gesehen. Und vornehmlich lassen sie sich bewegen durch die Exempel der Heiligen. Denn wenn sie denen also nachfolgen, meinen sie, sie wollen Vergebung der Sünden erlangen, wie die Heiligen erlangt haben usw. Aber die Heiligen glaubten. Das Volk Israel hatte gesehen, daß die Propheten opferten auf den Höhen und Hainen; das Werk taten sie nach, daß sie durch das Werk Gottes Zorn ver-söhnten. Die Propheten aber hatten da Opfer getan, nicht daß sie durch die Werke Vergebung der Sünden verdienen wollten, sondern daß sie an den Orten predigten und lehrten. Darum taten sie die Opfer zu einem Zeugnis ihres Glaubens. Item, daß Volk hatte nun gehört, daß Abraham seinen Sohn geopfert hatte; daß sie nun auch Werke täten, die sie schwer und sauer ankämen, so opferten sie ihre Söhne auch. Abraham aber was nicht der Meinung, seinen Sohn zu opfern, daß solches sollte eine Versöhnung sein, dadurch er vor Gott gerecht würde usw. Also in der Kirche hat Christus das Abendmahl eingesetzt, darinne durch göttliche Zusage Vergebung der Sünden wird angeboten, daß wir erinnert werden, daß durch das äußerliche Zeichen unser Glaube gestärkt werde, daß wir dadurch auch vor den Leuten unsern Glauben bekennen und die Wohltat Christi preisen und predigen, wie Paulus sagt: „Sooft ihr das tut, sollte ihr den Tod des Herrn verkündigen“ usw. Die Widersacher aber geben vor, die Messe sei ein solch Werk, das ex opere operato vor Gott uns gerecht mache und erlöse diejenigen von Pein und Schuld, für welche es geschieht. St. Antonius, Bern-hardus, Dominikus und andere Heilige haben durch ein eigen Leben von Leuten sich getan, damit sie desto leichter die Heilige Schrift könnten lesen, oder um anderer Übung willen. Nichtsdestoweniger haben sie bei sich gehalten, daß sie durch den Glauben an Christum vor Gott gerecht wären, daß sie allein durch Christum einen gnädigen Gott erlangten. Aber der große Haufe ist hernach zugefahren, haben den Glauben an Christum fahren lassen, haben allein gesehen auf die Exempel ohne Glauben und sich unterstanden, durch dieselben Klosterwerke Vergebung der Sünden zu erlangen. Also setzt allezeit die Vernunft die guten Werke zu hoch und an einen unrechten Ort. Den Irrtum ficht nun an das Evangelium und lehrt, daß wir vor Gott gerecht werden nicht um des Ge-setzes oder unserer Werke willen, sondern allein um Christus willen. Christum aber kann man nicht fassen denn allein durch den Glauben. Darum so werden wir auch allein durch den Glauben vor Gott gerecht. Dagegen ziehen die Widersacher an den Spruch Pauli zu den Korinthern am 13: „Wenn ich hätte allen Glauben usw. Und hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ Da rufen die Widersacher mit einem großen Triumph und rühmen, sie seien durch diesen Spruch gewiß, daß nicht allein der Glaube vor Gott und gerecht mache, sondern auch die Liebe. Es ist aber ganz leicht zu antworten, nachdem wir oben haben angezeigt, was wir von der Liebe und Werken halten. Paulus will in dem Spruche, daß in den Christen solle Liebe sein gegen den Nächsten; das sagen wir auch. Denn wir haben je hier oben gesagt: Wenn wir neugeboren sind, so fangen wir an das Gesetz zu halten und Gottes Gesetz gehorsam zu sein. Darum wenn jemand die christliche Liebe nachläßt, so ist er, wenn er gleich großen, starken Glauben gehabt, kalt geworden und ist nun wieder fleischlich, ohne Geist und Glauben. Denn da ist nicht der Heilige Geist, wo nicht christliche Liebe ist und andere gute Früchte. Es folgt aber daraus nicht, daß uns die Liebe vor Gott gerecht macht, das ist, daß wir darum durch die Liebe Vergebung der Sünden erlangen, daß die Liebe die Schrecken der Sünde und des Todes überwinde, daß die Liebe an Christus Statt gegen Gottes Zorn und Gericht solle gehalten werden, daß die Liebe das Gesetz erfülle, daß wir durch die Liebe Gott versöhnt und angenehm werden und nicht um Christus willen. Von dem allem sagt Paulus nichts, und die Widersacher erdichten es doch aus ihrem Hirn. Denn so wir durch unsere Liebe Gottes Zorn überwinden, so wir durch unser Gesetzerfüllen Gott angenehm sind, mögen die Widersacher auch sagen, daß die göttliche Verheißung, das ganze Evangelium nichts sei. Denn dasselbe lehrt, daß wir einen Zugang haben zu Gott allein durch Christum, daß wir nicht durch unser Gesetzwerk, sondern um Christus willen Gott angenehm sind, als durch den einigen Mittler und Versöhner. Die Widersacher deuten viele Sprüche auf ihre Meinung, die doch nicht also lauten; aber sie machen Zusatz daran, wie hier. Denn dieser Spruch ist klar genug, wenn allein die Widersacher ihre eigenen Träume außerhalb der Schrift nicht daran flickten; so sie doch nicht verstehen, was Glaube sei, was Christus ist, oder wie es zugeht, wenn ein Mensch vor Gott gerecht wird. Die Korinther und etliche aus ihnen hatten das Evangelium gehört und viele treffliche Gaben empfangen, und wie es denn in solchen Sachen zugeht, im Anfang waren sie hitzig und wacker zu allen Sachen, danach erwuchsen Rotten und Sekten unter ihnen, wie Paulus anzeigt, hoben an, die rechten Apostel zu verachten. Darum straft sie Paulus, vermahnt sie wieder zur Einigkeit und zu christlicher Liebe. Und Paulus redet an dem Ort nicht von Vergebung der Sünden, oder wie man vor Gott fromm und gerecht wird, oder wie es zugeht, wenn ein Sünder zu Christo bekehrt wird, sondern redet von den Früchten des Glaubens, redet auch nicht von der Liebe gegen Gott, sondern von der Liebe gegen den Nächsten. Nun ist es fast närrisch, daß die Liebe gegen den Nächsten, dadurch wir hier auf Erden mit den Leuten handeln, uns vor Gott soll gerecht machen, so doch zu der Gerechtigkeit, welche vor Gott gilt, dieses gehört, daß wir etwas erlangen, dadurch Gottes Zorn gestillt und das Gewissen gegen Gott im Himmel zum Frieden komme. Der keines geschieht durch die Liebe, sondern allein durch den Glauben, durch welchen man faßt Christum und Gottes Zusage. Das ist aber wahr: wer die Liebe verliert, der verliert auch Geist und Glauben. Und also sagt Paulus: „Wenn ich die Liebe nicht habe, so bin ich nichts.“ Er setzt aber nicht die 'affirmativam' dazu, daß die Liebe vor Gott gerecht mache. Aber hier sagen sie auch, die Liebe werde dem Glauben und der Hoffnung vorgezogen. Denn Paulus sagt 1 Kor. 13,13: „Die Liebe ist die größte unter den dreien.“ Nun sei es zu achten, daß die Tugend, so Paulus die größte nennt, vor Gott uns gerecht und heilig mache. Wiewohl nun Paulus da eigentlich redet von der Liebe gegen den Nächsten, und so er spricht: „Die Liebe ist die größte“, sagt er darum denn die Liebe geht weit und trägt viel Früchte auf Erden. Denn Glaube und Hoffnung handeln allein mit Gott. Aber die Liebe geht auf Erden unter den Leuten um und tut viel Gutes mit Trösten, Lehren, Unterrichten, Helfen, Raten, heimlich und öffentlich. Doch lassen wir zu, daß Gott und den Nächsten lieben die höchste Tugend sei. Denn dies ist das höchste Gebot: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen.“ Daraus folgt nun nicht, daß die Liebe uns gerecht macht. Ja, sprechen sie, die höchste Tugend soll billig gerecht machen. Antwort: Es wäre wahr, wenn wir um unserer Tugend willen einen gnädigen Gott hätten. Nun ist droben bewiesen, daß wir um Christus willen, nicht um unserer Tugend willen angenehm und gerecht sind; denn unsere Tugenden sind unrein. Ja, wie dieses Gesetz das höchste ist: „Du sollst Gott lieben“, also kann diese Tugend, Gott lieben, am allerwenigsten gerecht machen. Denn so das Gesetz und Tugend höher ist, so wir es weniger tun können, darum sind wir nicht um der Liebe willen gerecht. Der Glaube aber macht gerecht, nicht um unsers Tuns willen, sondern allein derhalben, daß er Barmherzigkeit sucht und empfängt und will sich auf kein eigen Tun verlassen, das ist, daß wir lehren, Gesetz macht nicht gerecht, sondern das Evangelium, das glauben heißt, daß wir um Christus willen, nicht um unsers Tuns willen einen gnädigen Gott haben. Die Widersacher lehren aber darum also von der Liebe, daß sie uns Gott versöhne; denn sie wissen nichts vom Evangelio, sondern sehen allein das Gesetz an, wollen damit um eigener Heiligkeit willen einen gnädigen Gott haben, nicht aus Barmherzigkeit um Christus willen. Also sind sie allein Gesetzlehrer und nicht Lehrer des Evangelii. Auch ziehen die Widersacher wider uns an den Spruch zu den Kolossern: „Die Liebe ist ein Band der Vollkommenheit.“ Daher schließen sie, daß die Liebe vor Gott gerecht mache, denn sie macht uns vollkommen. Wiewohl wir hier allerlei antworten könnten von der Vollkommenheit, doch wollen wir hier den Spruch Pauli einfältig handeln. Es ist gewiß, daß Paulus von der Liebe des Nächsten redet; so darf man auch nicht gedenken, daß Paulus Meinung sei, daß wir sollten vor Gott eher gerecht werden durch die Werke der andern Tafel denn durch die Werke der ersten Tafel. Item, so die Liebe eine Vollkommenheit ist oder voll-kömmliche Erfüllung des Gesetzes, so ist des Mittlers Christi nicht vonnöten. Paulus aber, der lehrt an allen Orten, daß wir darum Gott angenehm seien um Christus willen, nicht um unserer Liebe oder unserer Werke oder Gesetzes willen. Denn auch kein Heiliger (wie oben gesagt) erfüllt des Gesetz vollkommen. Darum so er, an allen andern Orten schreibt und lehrt, daß in diesem Leben an unsern Werken keine Vollkommenheit ist, so ist nicht zu gedenken, daß er zu den Kolossern von Vollkommenheit der Person rede, sondern er redet von Einigkeit der Kirche, und das Wort, so sie Vollkommenheit deuten, heißt nichts anderes, denn unzerrissen sein, das ist, einig sein. Daß er nun sagt: „Die Liebe ist ein Band der Vollkommenheit“, das ist, sie bindet, fügt und hält zusammen die vielen Gliedmaßen der Kirche unter sich selbst (denn gleichwie in einer Stadt oder in einem Hause die Einigkeit dadurch erhalten wird, daß einer dem andern zugute halte, und kann nicht Friede noch Ruhe bleiben, wo nicht einer dem andern viel versieht, wo wir nicht einander tragen), also will Paulus da ver-mahnen zu der christlichen Liebe, daß einer des andern Fehle, Gebrechen dulden und tragen soll, daß sie einander vergeben sollen, damit Einigkeit erhalten werde in der Kirche, damit der Christenhaufe nicht zerrissen, zertrennt werde und sich in allerlei Rotten und Sekten teile, daraus dann großer Unrat, Haß und Neid, allerlei Bitterkeit und böses Gift, endlich öffentliche Ketzerei erfolgen möchte. Denn die Einigkeit kann nicht bleiben, wenn die Bischöfe ohne alle Ursache zu schwere Bürden auflegen dem Volk. Auch werden daraus leichtlich Rotten, wenn das Volk aufs heftigste alles will meistern und ausecken an der Bischöfe oder Prediger Wandel und Leben, oder wenn sie alsbald der Prediger müde werden, etwa um eines kleinen Gebrechens willen; da folgt viel großen Unrats. Alsdann bald sucht man aus derselben Verbitterung andere Lehrer und andere Prediger. Wiederum wird erhalten Vollkommenheit und Einigkeit, das ist, die Kirche bleibt unzertrennt und ganz, wenn die Starken die Schwachen dulden und tragen, wenn das Volk mit seinen Predigern auch Geduld hat, wenn die Bischöfe und Prediger wiederum allerlei Schwachheit, Gebrechen dem Volk nach Gelegenheit wissen zugut zu halten. Von dem Wege und der Weise, Einigkeit zu halten, ist auch viel allenthalben geschrieben in den Büchern der Philosophen und Weltweisen. Denn wir müssen einander viel vergeben und für gut haben um Einigkeit willen. Und davon redet Paulus mehr denn an einem Ort. Darum schließen die Widersacher nicht recht, daß die Liebe solle vor Gott gerecht machen. Denn Paulus redet da nicht von den Vollkommenheit oder Heiligkeit der Personen, wie sie wähnen, sondern sagt: „Die Liebe macht ein stilles Wesen in der Kirche.“ Und also legt den Spruch auch Ambrosius aus: „Gleichwie wie Gebäu ganz ist, wenn alle Stücke zusammenhangen“ usw. Es sollten sich aber die Widersacher auch wohl schämen, daß sie so trefflich hoch von der Liebe schreiben und predigen und Liebe, Liebe in allen ihren Büchern schreiben und schreien und gar keine Liebe erzeigen. Denn wie eine schöne Christenliebe ist das, daß sie durch ihre unerhörte Tyrannei zertrennen und zerreißen die Einigkeit der Kirche, so sie nichts denn Blutbriefe und tyrannische Gebote ausgehen zu lassen, dem allerlöblichsten Kaiser gern das Ärgste wollten einbilden. Sie erwürgen die Priester und viele andere fromme, ehrliche Leute keiner andern Ursache halben, denn daß sie allein öffentliche, schändliche Mißbräuche anfechten. Sie wollten gerne, daß alle die tot wären, die wider ihre gottlose Lehre mit einem Wort mucken. Das alles reimt sich gar übel zu dem großen Rühmen von Liebe, von caritas usw. Denn wenn bei den Widersachern ein Tröpflein Liebe wäre, so könnte man wohl Frieden und Einigkeit in der Kirche machen, wenn sie ihre Menschensatzungen, welche doch nichts zu christlicher Lehre oder Leben nütze sind, nicht also aus lauter rachgieriger Bitterkeit und pharisäischem Neid wider die erkannte Wahrheit verföchten, sonderlich so sie ihre Satzungen selbst nicht halten. Aus dem Apostel Petro ziehen sie auch an den Spruch, da er sagt: „Die Liebe deckt zu die Menge der Sünden.“ Nun ist es gewiß, daß Petrus da auch redet von der Liebe gegen den Nächsten. Denn er redet daselbst von dem Gebot der Liebe, da geboten ist, daß wir uns unter-einander lieben sollen. So ist es auch keinem Apostel nie in seine Gedanken kommen, daß die Liebe sollte den Tod überwinden oder die Sünde, daß die Liebe sollte eine Versöhnung sein ohne den Mittler Christum, daß die Liebe sollte unsere Gerechtigkeit sein ohne den Versöhner Christum. Denn die Liebe, wenn wir sie schon gleich haben, so ist es nichts mehr denn eine Gerechtigkeit des Gesetzes; sie ist je nicht Christus, durch welchen wir allein gerecht werden, wenn wir glauben, daß um des Mittlers willen uns der Vater gnädig ist, daß uns sein Verdienst geschenkt wird. Darum kurz zuvor vermahnt Petrus, daß wir uns sollen zu Christo halten, daß wir auf ihn als den Eckstein erbaut werden. Denn er sagt: „Wer an ihn glaubet, der wird nicht zuschanden werden.“ Mit unsern Werken und Leben werden wir wahrlich vor Gottes Urteil und Angesicht mit Schanden bestehen. Aber der Glaube, durch welchen Christus unser wird, der erlöst uns von solchen Schrecken des Todes. Denn durch die Verheißung sind wir recht gewiß, daß uns durch Christum die Sünde vergeben ist. Und das Wort 1 Pet. 4: „Die Liebe deckt der Sünden Menge“ usw. ist genommen aus den Sprüchen Salomonis, da er sagt: „Haß richtet Hader an, aber die Liebe deckt der Sünden Menge zu.“ Da gibt der Text klar an ihm selbst genug, daß er von der Liebe redet gegen den Nächsten und nicht von der Liebe gegen Gott. Und er will gleich dasselbe, daß der nächste Spruch Pauli zu den Kolossern sagt, nämlich, daß wir uns sollen fleißigen, brüderlich, freundlich zu leben, also daß einer dem andern viel zugute halte, daß Unlust und Zwiespalt vermieden werden, als sollte er sagen: Zwiespalt vermieden werden, als sollte er sagen: Zwiespalt erwächst aus Haß; wie wir denn sehen, daß aus geringen Fünklein oft großes Feuer angeht. Es waren nicht so große Sachen, darüber erst C. Cäsar und Pompejus uneins geworden, und wo einer dem andern gewichen hätte, so wäre der folgende große Krieg, so viel Blutvergießen, so manch groß Unglück und Unrat nicht daraus gekommen. Aber da ein jeder mit dem Kopf hindurch wollte, ist der große, unsägliche Schade, Zerrüttung des ganzen römischen Regiments der Zeit erfolgt. Und es sind viele Ketzereien daher erwachsen, daß Prediger aufeinander sind verbittert worden. So ist nun Petri Spruch also zu verstehen: „Die Liebe deckt den Sünden Menge zu“, das ist, die Liebe deckt des Nächsten Sünde. Das ist, ob sich gleichwohl Unwille unter Christen begibt, so trägt doch die Liebe alles, übersieht gern, weicht dem Nächsten, duldet und trägt brüderlich seine Gebrechen und sucht nicht alles aufs schärfste. So will nun Petrus das gar nicht, daß die Liebe vor Gott verdiene Vergebung der Sünden, daß die Liebe uns Gott versöhne ohne den Mittler Christum, daß wir durch die Liebe sollten Gott angenehm sein ohne den Mittler Christum, sondern daß will Petrus, daß, in welchem christliche Liebe ist, der ist nicht eigensinnig, nicht hart und unfreundlich, sondern hält leichtlich dem Nächsten, seine Gebrechen und Fehle zugute, vergibt brüderlich dem Nächsten, stillt, weist sich selbst und weicht um Friedens willen, wie auch lehrt der Spruch: Amici vitia noris, non oderis, das ist, ich soll meines Freundes Weise lernen, aber ihn (ob es nicht alles schnurgleich ist) darum nicht hassen. Und die Apostel vermahnen nicht ohne Ursache zu solcher Liebe, welches die Philosophi Epiikian genannt haben. Denn sollen Leute in Einigkeit beieinander sein oder bleiben, es sei in der Kirche oder auch weltlichem Regiment, so müssen sie nicht alle Gebrechen gegeneinander auf der Goldwaage abrechnen, sie müssen lassen einander fast viel mit dem Wasser vorübergehen und immer zugute halten, soviel auch immer möglich, brüderlich miteinander Geduld haben. Auch ziehen sie den Spruch aus dem Apostel Jakobo an und sagen: „Sehet ihr nun, daß wir nicht allein durch den Glauben, sondern durch Werke vor Gott gerecht werden?“ Und sie wollen wähnen, der Spruch sei fest, stark wider unsere Lehre. Aber wenn die Widersacher allein ihre Träume außen lassen und nicht hinan-flicken, was sie wollen, so ist die Antwort leicht. Denn des Apostels Jakobi Spruch hat wohl seinen einfältigen Verstand, aber die Widersacher erdichten das dazu, daß wir durch unsere Werke verdienen Vergebung der Sünden; item, daß die guten Werke eine Versöhnung seien, dadurch uns Gott gnädig wird; item, daß wir durch die guten Werke überwinden können die große Macht des Teufels, des Todes und der Sünde; item, daß unsere guten Werke an ihnen selbst vor Gott so angenehm und groß geachtet seien, daß wir des Mittlers Christi nicht bedürfen. Der keines ist dem Apostel Jakobo in sein Herz gekommen, welches doch alles die Widersacher sich zu erhalten unterstehen durch den Spruch Jakobi. So müssen wir nun erst dieses merken, daß dieser Spruch mehr ist wider die Widersacher denn für sie. Denn die Widersacher lehren, der Mensch werde vor Gott fromm und gerecht durch die Liebe und Werke. Von dem Glauben, dadurch wir uns halten an den Mittler Christum, reden sie nichts. Und das mehr ist, von dem Glauben wollen sie nichts hören noch sehen, unterstehen sich, diese Lehre vom Glauben mit dem Schwert und Feuer zu tilgen. Jakobus aber tut anders; er läßt den Glauben nicht außen, sondern redet vom Glauben, damit läßt er Christum den Schatz und den Mittler bleiben, dadurch wir vor Gott gerecht werden, wie auch Paulus, das er die Summa setzt christlichen Glaubens, setzt er Glauben und Liebe zusammen, 1 Tim. 1,5: „Die Summa des Gesetzes ist die Liebe aus ungefärbtem Glauben.“ Zum andern zeigt die Sache an ihr selbst an, daß er von Werken redet, welche dem Glauben folgen; denn er zeigt an, daß der Glaube nicht müsse tot, sondern lebendig, kräftig, geschäftig und tätig im Herzen sein. Darum ist Jakobi Meinung nicht gewesen, daß wir durch Werke Gnade oder Vergebung der Sünden verdienen. Denn er redet von Werken derjenigen, welche schon durch Christum gerecht geworden sind, welche schon Gott versöhnt sind und Vergebung der Sünden durch Christum erlangt haben. Darum irren die Widersacher weit, wenn sie aus dem Spruche schließen wollen, daß wir durch gute Werke Gnade und Vergebung der Sünden verdienen, oder daß Jakobus dies wolle, daß wir durch unsere Werke einen Zugang zu Gott haben ohne den Mittler und Versöhner Christum. Zum dritten, so hatte St. Jakobus zuvor gesagt von der geistlichen Wiedergeburt, daß sie durch des Evangelium geschieht. Denn also sagt er im 1. Kapitel: „Er hat uns gezeuget nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen.“ So er nun sagt, daß wir durch das Evangelium neugeboren seien, so will er, daß wir durch den Glauben gerecht seien vor Gott geworden. Denn die Verheißung von Christo faßt man allein durch den Glauben, wenn wir durch dieselbe getröstet werden wider die Schrecken des Todes, der Sünde usw. Darum ist seine Meinung nicht, daß wir durch unsere Werke sollten neugeboren werden. Aus diesem allem ist klar genug, daß der Spruch Jakobi nicht wider uns ist. Denn er schilt da etliche faule Christen, welche allzu sicher waren geworden, machten ihnen Gedanken, sie hätten den Glauben, so sie doch ohne Glauben waren. Darum macht er Unterschied zwischen lebendigem und totem Glauben. Den toten Glauben nennt er, wo nicht allerlei gute Werke und Früchte des Geistes folgen: Gehorsam, Geduld, Keuschheit, Liebe, usw. Lebendigen Glauben nennt er, das gute Früchte folgen. Nun haben wir gar oft gesagt, was wir Glauben nennen. Denn wir nennen das nicht Glauben, daß man die schlechte Historie wisse von Christo, welches auch in Teufeln ist, sondern das neue Licht und die Kraft, welche der Heilige Geist in den Herzen wirkt, durch welche wir die Schrecken des Todes, der Sünde usw. überwinden. Das heißen wir Glauben. Ein solch recht christlicher Glaube ist nicht so ein leicht, schlecht Ding, als die Widersacher wähnen wollen. Wie sie denn sagen: Glaube, Glaube, wie bald kann ich glauben! usw. Es ist auch nicht ein Menschengedanke, den ich mir selbst machen könne, sondern ist eine göttliche Kraft im Herzen, dadurch wir neugeboren werden, dadurch wir die große Gewalt des Teufels und des Todes überwinden, wie Paulus sagt zu den Kolossern: „In welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirkt“ usw. Derselbe Glaube, dieweil es ein neu göttlich Licht und Leben im Herzen ist, dadurch wir andern Sinn und Mut kriegen, ist lebendig, geschäftig und reich an guten Werken. Darum ist das recht geredet, daß der Glaube nicht recht ist, der ohne Werke ist. Und ob er sagte, daß wir durch den Glauben und Werke gerecht werden, so sagt er doch nicht, daß wir durch die Werke neugeboren werden; so sagt er auch nicht, daß Christus halb der Versöhner sei, halb unsere Werke, sondern er redet von Christen, wie sie sein sollen, nachdem sie nun neu geboren sind durch das Evangelium. Denn er redet von Werken, die nach dem Glauben folgen sollen; da ist's recht geredet: Wer Glauben und gute Werke hat, der ist gerecht. Ja, nicht um der Werke willen, sondern um Christus willen, durch den Glauben. Und wie ein guter Baum gute Früchte tragen soll, und doch die Früchte machen den Baum nicht gut, also müssen gute Werke folgen nach der neuen Geburt, wiewohl sie den Menschen nicht vor Gott angenehm machen, sondern wie der Baum zuvor gut sein muß, also müsse der Mensch zuvor Gott angenehm sein durch den Glauben, um Christus willen. Die Werke sind viel zu gering dazu, daß uns Gott um ihretwillen gnädig sein sollte, wo er uns nicht um Christus willen gnädig wäre. Also ist Jakobus St. Paulo nicht entgegen, sagt auch nicht, daß wir durch die Werke verdienen Vergebung der Sünden; sagt nicht, daß unsere Werke des Teufels Macht, den Tod, die Sünde, der Hölle Schrecken überwinden und dem Tode Christi gleich seien; er sagt nicht, daß wir durch Werke Gott angenehm werden; er sagt nicht, daß unsere Werke die Herzen zur Ruhe bringen und Gottes Zorn überwinden, oder daß wir Barmherzigkeit nicht bedürfen, wenn wir Werke haben: der keines sagt Jakobus, welchen Zusatz doch die Widersacher hinzuflicken an die Worte Jakobi. Auch führen sie noch mehr Sprüche wider uns, als diesen: Danielis am 4. sagt der Text: „Deine Sünden löse mit Gerechtigkeit und deine Übertretungen mit Almosen gegen die Armen.“ Und Jesaias am 58.: „Brich den Hungrigen dein Brot.“ Item, Luk. 6: „Vergebet, so wird euch vergeben werden.“ Und Matthäi am 5.: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden die Barmherzigkeit erlangen.“ Auf diese Sprüche und dergleichen von den Werken antworten wir erstlich dieses, nämlich daß (wie wir oben gesagt) das Gesetz niemand halten kann ohne Glauben, so kann niemand Gott gefallen ohne Glauben an Christum, wie er sagt: „ohne mich könnt ihr nichts tun“; item, wie Paulus sagt: „Durch Christum haben wir einen Zugang zu Gott durch den Glau-ben.“ Darum, sooft die Schrift der Werke gedenkt, so will sie allenthalben das Evangelium von Christo und den Glauben mit gemeint haben. Zum andern, so sind die Sprüche aus Daniel und andern (so jetzund erzählt) fast alle Predigten von der Buße. Erstlich predigen sie das Gesetz, zeigen die Sünde an und vermahnen zur Besserung und guten Werken. Zum andern ist daneben eine Verheißung, daß Gott wolle gnädig sein. Nun ist es gewiß, daß zu einer rechten Buße nicht genug ist, allein das Gesetz zu predigen, denn es schreckt allein die Gewissen; sondern es muß dazukommen auch das Evangelium, nämlich daß die Sünden ohne Verdienst vergeben werden um Christus willen, daß wir durch den Glauben erlangen Vergebung der Sünden. Das ist so gewiß und also klar, daß, wo die Widersacher das werden anfechten und Christum und den Glauben von der Buße scheiden, sie billig für Lästerer des Evangelii und Christi geachtet werden. Darum soll man die Worte des großen, hohen Propheten Daniel nicht allein auf des bloße Werk, auf die Almosen, deuten und ziehen, sondern auch den Glauben ansehen. Man muß der Propheten Worte, welche voll Glaubens und Geistes gewesen, nicht so heidnisch ansehen als Aristotelis oder eines andern Heiden. Aristoteles hat auch Alexandrum vermahnt, daß er seine Macht nicht zu eigenem Mutwillen, sondern zur Besserung von Land und Leuten brauchen sollte. Das ist recht und wohl geschrieben; man kann auch vom königlichen Amt nicht Besseres predigen oder schreiben. Aber Daniel sagt seinem König nicht allein von seinem königlichen Amt, sondern von Versöhnung mit Gott und von den hohen, großen, geistlichen Sachen, welche gar hoch und weit über alle menschlichen Gedanken und Werke gehen. Darum sind seine Worte nicht allein von Werken und Almosen zu verstehen, welche auch ein Heuchler tun kann, sondern vornehmlich vom Glauben. Daß man aber muß Glauben hier verstehen, da wir von reden, das ist, glauben, daß Gott Sünde durch Barmherzigkeit, nicht um unsers Verdienstes willen vergebe, das beweist der Text selbst. Erstlich damit, denn es sind zwei Stücke in Daniels Predigt. Das eine ist Gesetzpredigt und Strafe. Das andere ist die Verheißung oder Absolu-tion. Wo nun Verheißung ist, muß Glaube sein. Denn Verheißung kann nicht anders empfangen werden, denn daß sich das Herz verläßt auf solch Gotteswort und siehet nicht an eigene Würdigkeit oder Unwürdigkeit. Darum fordert Daniel auch Glauben; denn also lautet die Verheißung: „Deine Sünden werden geheilet.“ Dieses Wort ist eine recht prophetische und evangelische Predigt. Denn Daniel weiß, daß durch den künftigen Samen, Christum, nicht allein den Juden, sondern auch den Heiden Vergebung der Sünden, Gnade und ewiges Leben zugesagt war, sonst hätte er den König nicht also können trösten. Denn es ist nicht Menschenwerk, einem erschrockenen Gewissen gewißlich Vergebung der Sünden zusagen und trösten, daß Gott nicht mehr zürnen wolle; da muß man von Gottes Willen Zeugnis aus Gottes Wort haben, wie denn Daniel die hohen Verheißungen vom künftigen Samen gewußt und verstanden hat. Dieweil er nun eine Promission setzt, ist klar und offenbar, daß er Glauben fordert, da wir von reden. Daß er aber spricht: „Deine Sünden löse mit Gerechtigkeit und deine Übertretungen mit Wohltaten gegen die Armen“, ist eine Summa einer ganzen Predigt und ist so viel: Bessere dich! Und ist wahr, so wir uns bessern, werden wir los von Sünden. Darum sagt er recht: „Löse deine Sünden.“ Daraus folgt aber nicht, daß wir von Sünden los werden um unserer Werke willen, oder daß unsere Werke die Bezahlung sind für die Sünde. Auch setzt Daniel nicht allein die Werke, sondern spricht: „Löse deine Sünden mit Gerechtigkeit.“ Nun weiß männiglich, daß Gerechtigkeit in der Schrift nicht allein äußerliche Werke heißt, sondern faßt den Glauben, wie Paulus spricht: Iustus ex fide vivet, „der Gerechte lebt seines Glaubens“, Hebr. 10,38. Darum fordert Daniel erstlich Glauben, da er Gerechtigkeit nennt, und spricht: „Löse deine Sünden mit Gerechtigkeit“, das ist, mit Glauben gegen Gott, dadurch du gerecht wirst. Dazu tue auch gute Werke, nämlich warte deines Amtes; sei nicht ein Tyrann, sondern siehe zu, daß dein Regiment Landen und Leuten nützlich sei, halte Frieden und schütze die Armen wider unrechte Gewalt. Das sind fürstliche eleemosynae. Also ist klar, daß dieser Spruch der Lehre vom Glauben nicht entgegen ist. Aber unsere Widersacher, die groben Esel, flicken ihre Zusätze an alle solche Sprüche, nämlich daß uns die Sünden um unserer Werke willen vergeben werden, und lehren vertrauen auf Werke, so doch die Sprüche nicht also reden, sondern fordern gute Werke, wie denn wahr ist, daß muß ein ander und besser Leben in uns werden. Aber dennoch sollen dieselben Werke Christo seine Ehre nicht nehmen. Also ist auch auf den Spruch aus dem Evangelio zu antworten: „Vergebet, so wird euch vergeben.“ Denn es ist gleich eine solche Lehre von der Buße. Daß erst Stück an diesem Spruch fordert Besserung und gute Werke, das andere Stück setzt dazu die Verheißung, und man soll daraus nicht schließen, daß unser Vergeben uns ex opere operato Vergebung der Sünden verdiene. Denn das sagt Christus nicht, sondern wie in andern Sakramenten Christus die Verheißung heftet an das äußerliche Zeichen, also heftet er auch hier die Verheißung von Vergebung der Sünden an die äußerlichen guten Werke. Und wie wir im Abendmahl nicht erlangen Vergebung der Sünden ohne den Glauben, ex opere operato, also auch nicht in diesem Werke und unserm Vergeben; denn unser Vergeben ist auch kein gut Werk, es geschehe denn von denjenigen, welchen von Gott in Christo die Sünden schon zuvor vergeben sind. Darum unser Vergeben, soll es Gott gefallen, so muß es nach der Vergebung, da uns Gott vergibt, folgen. Denn Christus pflegt die zwei also zusammenzusetzen, das Gesetz und Evangelium, beide den Glauben und auch die guten Werke, daß er anzeige, daß kein Glaube da sei, wenn nicht gute Werke folgen; item, daß wir äußerliche Zeichen haben, welche uns erinnern des Evangelii und Vergebung der Sünden, dadurch wir getröstet werden, daß also mannigfaltig unser Glaube geübt werde. Also sollen solche Sprüche verstanden werden, denn sonst wäre es stracks wider das ganze Evangelium, und würde unser bettelisch Werk an Christus Statt gesetzt, welcher allein soll die Versöhnung sein, welcher je nicht zu verachten ist. Item, wo sie sollten von Werken verstanden werden, so würde die Vergebung der Sünden ganz ungewiß; denn sie stünde auf einem losen Grunde, auf unsern elenden Werken. Auch ziehen sie an einen Spruch aus Tobias: „Die Almosen erlösen von der Sünde und von dem Tode.“ Wir wollen nicht sagen, daß da eine Hyperbole sei, wiewohl wir es sagen möchten, damit Christi Ehre erhalten werde; denn dies ist Christus Amt allein, von der Sünde, vom Tode erlösen, usw. Wir wollen aber uns zu unserer alten Regel halten, nämlich daß das Gesetz oder die Werke außer Christo niemand gerecht machen vor Gott. So gefallen nun die Almosen (welche dem Glauben folgen) dann erst Gott, wenn ich durch Christum versöhnt bin, nicht die vorhergehen. Darum erlösen sie vom Tode nicht ex opere operato, sondern wie ich kurz zuvor von der Buße gesagt habe, daß man den Glauben mit den Früchten zugleich muß zusammenfassen, also ist auch von den Almosen zu sagen, daß sie Gott gefallen, dieweil sie geschehen in den Gläubigen. Denn Tobias redet nicht allein von Almosen, sondern auch vom Glauben. Denn er sagt: „Lobe Gott und bitte ihn, daß er dich wolle auf deinen Wegen leiten“ usw. Da redet er eigentlich von dem Glauben, da wir von reden, der da glaubt, daß er einen gnädigen Gott habe, den er zu loben schuldig ist für eitel große Güte und Gnade, von dem er auch täglich erwarte Hilfe, und bittet ihn, daß er ihn im Leben und Sterben leiten und regieren wolle. Auf die Weise mögen wir nachgeben, daß die Almosen nicht unverdienstlich seien gegen Gott, nicht aber, daß sie können den Tod, die Hölle, den Teufel, die Sünde überwinden, die Gewissen zur Ruhe stellen (denn das muß durch den Glauben an Christum allein geschehen), sondern verdienen, daß uns Gott schützt vor künftigem Übel und Gefahr an Leib und Seele. Das ist der einfältige Verstand, welcher auch mit andern Sprüchen der Schrift übereinstimmt. Denn wo gute Werke gelobt werden in der Schrift, da soll man es allezeit nach der Regel Pauli verstehen, daß man das Gesetz und die Werke nicht über Christum hebe, daß Christus und der Glaube so hoch über alle Werke gehen, als der Himmel über der Erde ist. Auch ziehen sie an den Spruch Christi: „Gebet Almosen, so wird euch alles rein sein.“ Die Widersacher sind taub und haben dicke Ohren, darum müssen wir ihnen die Regel oft wiederholen, daß das Gesetz ohne Christum niemand vor Gott fromm mache, und daß alle Werke allein um Christus willen angenehm sind. Aber die Widersacher schließen Christum allenthalben aus, tun gleich, als sei Christus nichts, und lehren unver-schämt, daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch gute Werke usw. Wenn wir aber den Spruch unzerrissen, ganz ansehen, so werden wir sehen, daß er auch vom Glauben mit redet. Christus schilt die Pharisäer, daß sie wollten wähnen, sie würden vor Gott heilig und rein durch allerlei baptismata carnis, das ist, durch allerlei leibliches Baden, waschen und Reinigung am Leibe, an Gefäßen, an Kleidern, wie auch ein Papst in seine Canones gesetzt hat ein nötig päpstlich Stück vom Weihwasser, daß, wenn es mit geweihtem Salz besprengt wird, so heiligt's und reinigt's das Volk von Sünden. Und die Glosse sagt, es reinige von täglichen Sünden. Also hatten die Pharisäer auch Irrtümer unter sich, welche Christus straft und setzt gegen die erdichteten Reinigungen zweierlei Reinigkeit, eine innerlich, die andere äußerlich, und vermahnt, daß sie inwendig sollen rein sein; das geschieht, wie Petrus sagt in Geschichten der Apostel am 15., „durch den Glauben“. Und setzt dazu von äußerlicher Reinigkeit: „Gebet Almosen von dem, das ihr übrig habt, so wird euch alles rein sein.“ Die Widersacher führen nicht recht ein das Wort: „alles“. Denn Christus setzt den Beschluß auf beide Stücke, auf die innerliche und äußerliche Reinigkeit, und sagt: „alles wird euch rein sein.“ Das ist wenn ihr euch nicht allein leiblich badet, sondern Gott glaubt und also inwendig rein seid und auswendig Almosen gebt, so wird euch alles rein sein. Und zeigt an, daß auch die rechte äußerliche Reinigkeit stehe in den Werken, welche Gott geboten habe, und nicht in menschlichen Satzungen, als da waren dieselben traditiones Pharisaeorum usw., und wie bei unserer Zeit ist das Bespritzen und Sprengen den Weihwassers, die schneeweißen Mönchskleider, die Unterschiede der Speisen und dergleichen. Die Widersacher aber ziehen dies signum universale, nämlich das Wort „alles“, sophistisch allein auf einen Teil und sagen: Alles wird euch rein sein, wenn ihr Almosen gebt usw. Als wenn einer sagt: Andreas ist da, darum sind alle Apostel da. Darum im antecedente oder vorangehenden Stück dieses Spruchs soll beiden beieinander bleiben: Glaubt und: Gebt Almosen. Denn darauf geht die ganze Sendung, das ganze Amt Christi, darum ist er da, daß sie glauben sollen. Wenn nun beide Stücke zusammengefaßt werden: glauben und Eleemosynen geben, so folgt recht, daß alles rein sei, das Herz durch Glauben, der äußerliche Wandel durch gute Werke. Also soll man die Predigt ganz fassen und nicht das eine Stück umkehren und deuten, daß das Herz von Sünden rein wird durch unsere Eleemosynen. Es sind auch wohl etliche, die da meinen, daß es wider die Pharisäer von Christo ironice oder spöttisch geredet sei, als sollte er sagen: Ja, liebe Junker, raubt und stehlt und geht danach hin, gebt Almosen, so werdet ihr bald rein sein! Daß also Christus etwas herbe und höhnisch aussteche ihre pharisäische Heuchelei. Denn wiewohl sie voll Unglaubens, voll Geizen und alles Argen waren, so hielten sie doch ihre Reinigung, gaben Almosen und meinten, sie wären gar reine, zarte Heilige. Die Auslegung ist dem Text daselbst nicht entgegen. Was nun auf andere dergleichen mehr Sprüche zu antworten sei, ist leichtlich abzunehmen aus diesem, so wir erklärt haben. Denn die Regel legt aus alle Sprüche von guten Werken, daß sie außer Christo vor Gott nichts gelten, sondern das Herz muß zuvor Christum haben und glauben, daß es Gott gefalle um Christus willen, nicht von wegen eigener Werke. Die Widersacher führen auch etliche Schulargumente, darauf leichtlich zu antworten ist, wenn man weiß, was Glaube ist. Erfahrene Christen reden viel anders vom Glauben denn die Sophisten, wie wir droben angezeigt, daß glauben heißt vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, daß er gnädig sein wolle um Christus willen, ohne unser Verdienst, und das heißt glauben den Artikel: Vergebung der Sünde. Dieser Glaube ist nicht allein die Historia wissen, die auch die Teufel wissen. Darum ist das Schulargument leichtlich aufzulösen, daß sie sprechen, die Teufel glauben auch, darum mache der Glaube nicht gerecht. Ja, die Teufel wissen die Historia, glauben aber nicht Vergebung der Sünden. Item, daß sie sprechen, gerecht sein heißt Gehorsam; nun ist ja Werke tun ein Gehorsam, darum müssen die Werke gerecht machen. Darauf soll man also antworten: Gerecht sein heißt ein solcher Gehorsam, den Gott dafür annimmt. Nun will Gott unsern Gehorsam in Werken nicht annehmen für Gerechtigkeit; denn es ist nicht ein herzlicher Gehorsam, dieweil niemand das Gesetz recht hält. Darum hat er einen andern Gehorsam geordnet, den er will für Gerechtigkeit annehmen, nämlich daß wir unsern Ungehorsam erkennen und vertrauen, wir gefallen Gott um Christus willen, nicht von wegen unsers Gehorsams. Derhalben heißt nun hier gerecht sein, Gott angenehm sein, nicht von wegen eigenen Gehorsams, sondern aus Barm-herzigkeit, um Christus willen. Item, Sünde ist Gott hassen, darum muß Gerechtigkeit sein, Gott lieben. Wahr ist's Gott lieben ist Gerechtigkeit des Gesetzes; aber dieses Gesetz erfüllt niemand. Darum lehrt das Evangelium eine neue Gerechtigkeit, daß wir um Christus willen Gott gefallen, ob wir schon das Gesetz nicht erfüllen, und sollen doch anheben, das Gesetz zu tun. Item, was ist der Unterschied zwischen Glauben und Hoffen? Antwort: Hoffnung wartet künftiger Güter und Rettung aus der Trübsal; Glaube empfängt gegenwärtige Versöhnung und schließt im Herzen, daß Gott die Sünden vergeben habe, und das er jetzt mir gnädig sei. Und dieses ist ein hoher Gottesdienst, der Gott damit dient daß er ihm die Ehre tut und die Barmherzigkeit und Verheißung so gewiß hält, daß er ohne Verdienst kann allerlei Güter von ihm empfangen und erwarten. Und in diesem Gottesdienst soll das Herz geübt werden und zunehmen; davon wissen die tollen Sophisten nichts. Aus diesem allem ist leichtlich zu verstehen, was man halten soll vom merito condigni, da die Widersacher erdichten, daß wir vor Gott gerecht sind durch die Liebe und unsere Werke. Da gedenken sie nicht einmal des Glaubens und anstatt des Mittlers Christi setzen sie unsere Werke, unsere Erfüllung des Gesetzes; das ist in keinem Weg zu leiden. Denn wiewohl wir oben gesagt, so die neue Geburt ist durch Geist und Gnade, da folgt auch gewißlich die Liebe, so soll man doch die Ehre Christi nicht unsern Werken geben; sondern das ist gewiß, daß wir vor und nach, wenn wir zu dem Evangelio kommen, gerecht geschätzt werden um Christus willen, und der Christus bleibt der Mittler und Versöhner vor wie nach, nach als vor, und durch Christum haben wir einen Zugang zu Gott, nicht darum, daß wir das Gesetz gehalten haben und viel Gutes getan, sondern daß wir so fröhlich, getrost auf Gnade bauen und so gewiß uns verlassen, daß wir aus Gnaden um Christus willen gerecht vor Gott geschätzt werden. Und das lehrt, predigt, bekennt die heilige catholica, christliche Kirche, daß wir selig werden durch Barmherzigkeit, wie wir oben haben ange-zogen aus Hieronymo. Unsere Gerechtigkeit steht nicht auf eigenem Verdienst, sondern auf Gottes Barmherzigkeit, und dieselbe Barmherzigkeit faßt man durch den Glauben. Hier wollen aber alle Verständigen sehen, was aus der Wider-sacher Lehre folgen wollte. Denn so wir halten werden, daß Christus allein uns primam gratiam, das ist, die erst Gnade, verdient hätte (wie sie es nennen), und wir hernach durch unsere Werke erst das ewige Leben müßten verdienen, so werden die Herzen oder Gewissen weder in der Todesstunde noch sonst nimmermehr zufrieden werden, werden nimmermehr bauen können auf gewissen Grund, werden nimmer gewiß, ob uns Gott gnädig wäre. Also führt ihre Lehre die Gewissen ohne Unterlaß auf eitel Herzeleid und endlich auf Verzweiflung. Denn Gottes Gesetz ist nicht ein Scherz; das klagt die Gewissen an außer Christo ohne Unterlaß, wie Paulus sagt Röm. 4,15: „Das Gesetz richtet Zorn an.“ Also dann, wenn die Gewissen Gottes Urteil fühlen und haben keinen gewissen Trost, fallen sie dahin in Verzweiflung. Paulus sagt Röm. 14,23: „Alles, was nicht aus dem Glauben ist, das ist Sünde.“ Diejenigen aber können nichts aus Glauben tun, die dann sollen einen gnädigen Gott erst bekommen, wenn sie mit ihren Werken das Gesetz erfüllt haben. Denn sie werden allezeit wanken und zweifeln, ob sie Werke genug getan haben, ob des Gesetz genug geschehen sei. Ja, sie werden stark fühlen und empfinden, daß sie noch dem Gesetz schuldig seien; darum werden sie nimmermehr bei sich gewiß halten, daß sie einen gnädigen Gott haben, oder daß ihr Gebet erhört werde. Derhalben können sie Gott nimmer recht lieben, auch nichts Gutes sich zu Gott versehen oder Gott recht dienen. Denn was sind doch solche Herzen und Gewissen anders denn die Hölle selbst, so nichts anderes in solchen Herzen ist denn eitel Zweifeln, eitel Verzagen, eitel Murren, Verdrieß und Haß wider Gott. Und in dem Haß rufen sie doch gleichwohl Gott heuchlerisch an, wie der gottlose König Saul tat. Hier können wir uns berufen auf alle christlichen Gewissen und alle diejenigen, die Anfechtungen versucht haben; die müssen bekennen und sagen, daß solche große Unge-wißheit, solche Unruhe, solche Qual und Angst, solch schrecklich Zagen und Verzweiflung aus solcher Lehre der Widersacher folgt, da sie lehren oder wähnen, daß wir durch unsere Werke oder Erfüllung des Gesetzes, so wir tun, vor Gott gerecht werden, und weisen uns den Holzweg, zu vertrauen nicht auf die reichen, seligen Zusagungen der Gnade, welche uns durch den Mittler Christum werden angeboten, sondern auf unsere elenden Werke. Darum bleibt dieser Beschluß wie eine Mauer, ja wie ein Fels feststehen, daß wir schon angefangen haben, das Gesetz zu tun, dennoch nicht um solcher Werke willen, sondern um Christus willen durch den Glauben Gott angenehm sind und mit Gott Frieden haben, und ist uns Gott für dieselben Werke nicht schuldig das ewige Leben, sondern gleichwie uns Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit um Christus willen, nicht um unserer Werke oder des Gesetzes willen, wird zugerechnet, also wird uns auch nicht um unserer Werke willen noch um des Gesetzes willen, sondern um Christus willen samt der Gerechtigkeit ewiges Leben angeboten, wie denn Christus sagt Joh. 6,40: „Das ist der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, daß ein jeglicher, der den Sohn siehet und glaubet an ihn, habe das ewige Leben“; item V. 47: „Der da glaubet in den Sohn, hat des ewige Leben.“ Nun sind hier wohl die Widersacher zu fragen, was sie doch den armen Gewissen in der Todesstunde für Rat geben; ob sie die Gewissen vertrösten, daß sie sollen wohl fahren, selig werden, einen gnädigen Gott haben um ihres eigenen Verdienstes willen oder aus Gottes Gnade und Barmherzigkeit um Christus willen. Denn St. Peter, St. Paul und dergleichen Heilige können nicht rühmen, daß ihnen Gott für ihre Marter das ewige Leben schuldig sei, haben auch nicht auf ihre Werke vertraut, sondern auf der Barmherzigkeit, in Christo verheißen. Und es wäre auch nicht möglich, daß ein Heilige, wie groß und hoch er ist, wider des Anklagen göttliches Gesetzes, wider die große Macht des Teufels, wider die Schrecken das Todes und endlich wider die Verzweiflung und Angst der Hölle sollte bleiben oder bestehen können, wenn er nicht die göttliche Zusage, das Evangelium, wie einen Baum oder Zweig ergriffe in der großen Flut, in dem starken, gewaltigen Strome, unter den Wellen und Wogen der Todesangst, wenn er nicht durch den Glauben sich an das Wort, welches Gnade verkündigt, hielte, und also ohne alle Werke, ohne Gesetz, lauter aus Gnaden, das ewige Leben erlangte. Den diese Lehre allein erhält die christlichen Gewissen in Anfechtungen und Todesängsten, von welchen die Widersacher nichts wissen und reden davon wie der Blinde von der Farbe. Hier werden sie aber sagen: So wir aus lauter Barmherzigkeit sollen selig werden, was ist dann für ein Unterschied unter denen, die da selig werden, und die da nicht selig werden? Gilt kein Verdienst, so ist kein Unterschied unter Bösen und Guten und folgt, daß sie zugleich selig werden. Das Argument hat die Scholastiker bewegt, daß sie haben erfunden das meritum condigni; denn es muß ein Unterschied unter denen sein, die da selig werden und die verdammt werden. Für das erst aber sagen wir, daß das ewige Leben gehöre denen, die Gott gerecht schätzt, und wenn sie sind gerecht geschätzt, sind sie damit Gottes Kinder und Christi Miterben geworden, wie Paulus zu den Römern am 8,30 sagt: „Welche er hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht.“ Darum wird niemand selig denn allein, die da glauben dem Evangelio. Wie aber unsere Versöhnung gegen Gott ungewiß wäre, wenn sie sollte auf unsern Werken stehen und nicht auf Gottes gnädiger Verheißung, welche nicht fehlen kann, also auch wäre alles ungewiß, was wir durch die Hoffnung erwarten, wenn sie sollte gebaut sein auf unser Verdienst und Werke. Denn Gottes Gesetz klagt das Gewissen an ohne Unterlaß, und wir fühlen im Herzen nichts anderes denn diese Stimme aus der Wolke und Feuerflammen, Deut. am 5,6ff.: „Ich bin der Herr, dein Gott; das sollst du tun, das bist du schuldig, das will ich haben“ usw. Und kein Gewissen kann Ruhe haben einen Augenblick, wenn das Gesetz und Moses im Herzen drängt, ehe es Christum ergreift durch den Glauben. Es kann auch nicht recht hoffen das ewige Leben, es sei denn erst zur Ruhe gekommen. Denn ein Gewissen, das da zweifelt, das flieht vor Gott und verzweifelt und kann nicht hoffen. Nun muß aber die Hoffnung des ewigen Lebens gewiß sein. Damit sie nun nicht wanke, sondern gewiß sei, so müssen wir glauben, daß wir das ewige Leben haben nicht durch unsere Werke oder Verdienst, sondern aus lauter Gnade, durch den Glauben an Christum. In Welthändeln und in den weltlichen Gerichtsstühlen, das ist zweierlei, Gnade und Recht. Recht ist durch die Gesetze und Urteil gewiß, Gnade ist ungewiß. Hier vor Gott ist's ein ander Ding; denn die Gnade und Barmherzigkeit ist durch ein gewiß Wort zugesagt, und das Evange-lium ist das Wort, das uns gebietet zu glauben, daß uns Gott gnädig sei und selig machen wolle um Christus willen, wie der Text lautet, Joh. 3,17: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt geschickt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt selig werde durch ihn. Wer in ihn glaubet, der wird nicht gerichtet.“ Sooft als man nun redet von Barmherzigkeit, so ist's also zu verstehen, daß Glaube gefordert wird, und derselbe Glaube, der macht den Unterschied unter denen, die selig, und unter denen, die verdammt werden, unter Würdigen und Unwürdigen. Denn das ewige Leben ist niemand zugesagt denn den Versöhnten in Christo, Der Glaube aber versöhnt und macht uns gerecht vor Gott, wenn und zu welcher Zeit wir die Zusage durch den Glauben ergreifen. Und das ganze Leben durch sollen wir Gott bitten und uns fleißigen, daß wir den Glauben bekommen und in dem Glauben zunehmen. Denn, wie oben gesagt ist, der Glaube ist, wo Buße ist, und ist nicht in denen, die nach dem Fleisch wandeln. Derselbe Glaube soll auch durch allerlei Anfechtungen das ganze Leben durch wachsen und zunehmen. Und welche den Glauben erlangen, die werden neugeboren, daß sie auch ein neu Leben führen und gute Werke tun. Wie wir nun sagen, daß die rechte Buße soll das ganze Leben durch währen, also sagen wir auch, daß die guten Werke und Früchte des Glaubens das ganze Leben durch geschehen sollen; wiewohl unsere Werke nimmermehr so teuer werden, daß sie sollten dem Schatze Christi gleich sein oder das ewige Leben verdienen. Wie auch Christus sagt Luk 17,10: „wenn ihr alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte.“ Und St. Bernhardus sagt recht: „Es ist not, und du mußt erst glauben, daß du Vergebung der Sünden nicht haben könnest denn allein durch Gottes Gnade, und danach, daß du auch sonst hernach kein gut Werk haben und tun könnest, wenn dir dasselbe auch nicht ohne Verdienst gegeben wird.“ Und bald hernach: „Niemand wolle sich selbst verführen; denn wenn du würdest recht die Sache bedenken, so würdest du ohne Zweifel finden, daß du mit zehntausend nicht könnest entgegenkommen dem, der dir mit zwanzigtausend begegnet“ usw. Das sind je starke Sprüche St. Bernhardi; sie möchten doch denselben glauben, ob sie uns nicht glauben wollten. Darum damit die Herzen einen rechten, gewissen Trost und Hoffnung haben mögen, so weisen wir sie, wie Paulus tut, auf die göttliche Zusage der Gnade in Christo und lehren, daß man müsse glauben, daß Gott nicht um unserer Werke, nicht um Erfüllung des Gesetzes willen, uns das ewige Leben gibt, sondern um Christus willen; wie Johannes der Apostel in seiner Epistel spricht, 1 Joh. 5,12: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn nicht hat, der hat nicht das Leben.“ Hier haben die Widersacher ihre große Kunst trefflich bewiesen und den Spruch Christi verkehrt: „Wenn ihr alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte.“ Ziehen ihn von Werken auf Glauben, sagen vielmehr, wenn wir alles glauben, sind wir unnütze Knechte. Das sind je schändlich Sophisten, die die tröstliche Lehre vom Glauben so gar verkehren. Sagt, ihr Esel, wenn einer da liegt am Tode und fühlt, daß er kein Werk hat, das vor Gottes Gericht genug sei, und kann auf kein Werk vertrauen, was wollt ihr demselben raten? Wollt ihr ihm auch sagen: Wenn du schon glaubst, so bist du doch ein unnützer Knecht, und hilft dir nichts? Da muß das arme Gewissen in Verzweiflung fallen, wenn es nicht weiß, daß das Evangelium den Glauben eben darum fordert, dieweil wir untüchtige Knechte sind und nicht Verdienst haben. Darum soll man sich hüten vor den Sophisten, so die Worte Christi also lästerlich verkehren. Denn es folgt nicht: Die Werke helfen nicht, darum hilft der Glaube auch nicht. Wir müssen den groben Eseln ein grob Exempel geben. Es folgt nicht: Der Heller hilft nicht, darum hilft der Gulden auch nicht. Also, wie der Gulden viel höher und stärker ist denn der Heller, soll man verstehen, daß Glaube viel höher und stärker ist denn Werke. Nicht, daß Glaube helfe um seiner Würdigkeit willen, sondern darum, daß er auf Gottes Verheißung und Barm-herzigkeit vertraut. Glaube ist stark, nicht um seiner Würdigkeit willen, sondern von wegen der göttlichen Verheißung. Und darum verbietet er nicht Vertrauen auf Gottes Verheißung. Ja, er fordert dasselbe Vertrauen auf Gottes Verheißung eben darum, dieweil wir untüchtige Knechte sind und die Werke nicht helfen können. Derhalben ziehen die Bösewichter die Worte Christi unrecht von Vertrauen eigener Würdigkeit auf Vertrauen göttlicher Zusage. Damit ist ihre Sophisterei klar widerlegt und aufgelöst. Der Herr Christus wolle die Sophisten, so sein heiliges Wort also zerreißen, bald zuschanden machen! Amen. Die Widersacher aber wollen beweisen, daß wir das ewige Leben mit Werken verdienen de condigno, damit, daß das ewige Leben wird genannt ein Lohn. Wir wollen darauf kurz und richtig antworten. Paulus nennt das ewige Leben ein Geschenk und Gabe; denn wenn wir durch den Glauben gerecht werden, so werden wir Gottes Söhne und Miterben Christi. An einem andern Ort aber steht geschrieben: „Euer Lohn ist reichlich im Himmel.“ Wenn nun die Widersacher dünkt, daß dieses widereinander sei, so mögen sie es ausrichten. Sie tun, wie sie pflegen: sie lassen das Wort donum außen und lassen allenthalben außen das Hauptstück, wie wir vor Gott gerecht werden, item, daß Christus allezeit der Mittler bleibt, und klauben danach heraus das Wort merces oder: „Lohn“ und legen dann dasselbe ihres Gefallens aufs ärgste aus, nicht allein wider die Schrift, sondern auch wider gemeinen Gebrauch zu reden, und schließen dann also: Da steht in der Schrift: „Euer Lohn“ usw.; darum sind unsere Werke so würdig, daß wir dadurch das ewige Leben verdienen. Das ist gar einen neue Dialektika, da finden wir das einzelne Wort: „Lohn“; darum tun unsere Werke vollkommen genug dem Gesetz, darum sind wir durch unsere Werke Gott angenehm, bedürfen keiner Gnade noch keines Mittlers Christi. Unsere guten Werke sind der Schatz, dadurch das ewige Leben erkauft und erlangt wird. Darum können wir durch unsere guten Werke das erste, höchste Gebot Gottes und das ganze Gesetz halten. Weiter können wir auch tun opera super-erogationis, das ist, übrige Werke und mehr, denn das Gesetz fordert. Darum haben die Mönche, so sie mehr tun, denn sie schuldig sind, übriges, über-flüssiges Verdienst, das mögen sie andern schenken oder um Geld mitteilen und mögen des Geschenks, als die neuen Götter, ein neu Sakrament einsetzen, damit sie bezeugen, daß sie ihre Verdienste jenen verkauft und mitgeteilt haben; wie denn die Barfüßermönche und andere Orden unverschämt getan, daß sie den toten Körpern haben Ordenskappen angezogen. Das sind feine, starke Gründe, welche sie alle aus der einigen Syllabe „Lohn“ spinnen können, damit sie Christum und den Glauben verdunkeln. Wir aber zanken nicht um das Wort: „Lohn“ sondern von diesen großen, hohen, allerwichtigsten Sachen, nämlich wo christliche Herzen rechten, gewissen Trost suchen sollen; item, ob unsere Werk die Gewissen können zu Ruhe oder Frieden bringen; item, ob wir halten sollen, daß unsere Werke des ewigen Lebens würdig sind, oder ob es um Christus willen gegeben werde. Dieses sind die rechten Fragen in diesen Sachen; wenn da die Gewissen nicht recht berichtet sind, so können sie keinen gewissen Trost haben. Wir aber haben klar genug gesagt, daß die guten Werke das Gesetz nicht erfüllen, daß wir Gottes Barmherzigkeit bedürfen, und daß wir durch den Glauben Gott angenehm werden, und daß die guten Werke, sie seien, wie köstlich sie wollen, wenn es auch St. Paulus Werke selbst wären, kein Gewissen können zu Ruhe machen. Aus dem allem folgt, daß wir sollen glauben, daß wir das ewige Leben erlangen durch Christum aus Gnaden, nicht um der Werke oder des Gesetzes willen. Was sagen wir aber von dem Lohn, dessen die Schrift gedenkt? Für das erste, wenn wir sagten, daß das ewige Leben werde ein Lohn genannt darum, daß es den Gläubigen Christi aus der göttlichen Verheißung gehört, so hätten wir recht gesagt. Aber die Schrift nennt daß ewige Leben einen Lohn, nicht daß Gott schuldig sei, um die Werke das ewige Leben zu geben, sondern nachdem das ewige Leben sonst gegeben wird aus andern Ursachen, daß dennoch damit vergolten werden unsere Werke und Trübsale, obschon der Schatz so groß ist, daß ihn Gott uns um die Werke nicht schuldig wäre. Gleichwie das Erbteil oder alle Güter eines Vaters dem Sohn gegeben werden und sind eine reiche Vergleichung und Belohnung seines Gehorsams; aber dennoch empfängt er das Erbe nicht um seines Verdienstes willen, sondern daß es ihm der Vater gönnt als ein Vater usw. Darum ist's genug, daß das ewige Leben deshalb werde ein Lohn genannt, daß dadurch vergolten werden die Trübsale, so wir leiden, und die Werke der Liebe, die wir tun, ob es wohl damit nicht verdient wird. Denn es ist zweierlei Vergelten, eins, das man schuldig ist, das andere, das man nicht schuldig ist. Als, so der Kaiser einem Diener ein Fürstentum gibt, damit wird vergolten des Dieners Arbeit, und ist doch die Arbeit nicht würdig des Fürstentums, sondern der Diener bekennt, es sei ein Gnadenlehen. Also ist uns Gott um die Werke nicht schuldig das ewige Leben; aber dennoch, so er's gibt um Christus willen den Gläubigen, so wird damit unser Leiden und Werke vergolten. Weiter sagen wir, daß die guten Werke wahrlich verdienstlich und meritoria seien. Nicht daß sie Vergebung des Sünden uns sollten verdienen oder vor Gott gerecht machen. Denn sie gefallen Gott nicht, sie geschehen denn von denjenigen, welchen die Sünden schon vergeben sind. So sind sie auch nicht wert des ewigen Lebens, sondern sie sind verdienstlich zu andern Gaben, welche in diesem und nach diesem Leben gegeben werden. Denn Gott, der verzieht viele Gaben bis in jenes Leben, da nach diesem Leben Gott die Heiligen wird zu Ehren setzen. Denn hier in diesem Leben will er den alten Adam kreuzigen und töten mit allerlei Anfechtungen und Trübsalen. Und dahin gehört der Spruch Pauli: „Ein jeder wird Lohn empfangen nach seiner Arbeit.“ Denn die Seligen werden Belohnung haben, einer höher denn der andere. Solchen Unterschied macht das Verdienst, nachdem es nun Gott gefällt, und ist Verdienst, dieweil diejenigen solche gute Werke tun, die Gott zu Kindern und Erben angenommen hat. So haben sie denn eigenes und sonderliches Verdienst, wie ein Kind vor dem andern. Die Widersacher ziehen auch andere Sprüche an, zu beweisen, daß die Werke das ewige Leben verdienen. Als diese: Paulus sagt: „Er wird einem jeden geben nach seinen Werken.“ Item Joh. am 5.: „Die Gutes getan haben, werden auferstehen zur Auferstehung des Lebens.“ Item Mat. 25.: „Mich hat gehungert, und ihr habt mich gespeiset.“ Antwort: Diese Sprüche alle, welche die Werke loben, sollen wir verstehen nach der Regel, welche ich oben gesetzt habe, nämlich, daß die Werke außerhalb Christo Gott nicht gefallen, und daß man in keinem Wege ausschließen soll den Mittler Christum. Darum, so der Text sagt, daß das ewige Leben werde gegeben denen, „die Gutes getan haben“, so zeigt er an, daß es werde denjenigen gegeben, die durch den Glauben an Christum zuvor gerecht sind worden. Denn Gott gefallen keine guten Werke, es sei denn der Glaube dabei, dadurch sie glauben, daß sie Gott angenehm seien um Christus willen; Und welche also durch den Glauben sind gerecht worden, die bringen gewißlich gute Werke und gute Früchte; als der Text sagt: „Mich hat gehungert, und ihr habt mich gespeiset“ usw. Da muß man ja bekennen, daß Christus nicht allein das Werk verstehe, sondern das Herz haben wolle, das da recht von Gott hält und glaubt, daß es Gott gefalle durch Barmherzigkeit. Also lehrt Christus, daß das ewige Leben den Gerechten gegeben wird, wie dabei Christus spricht Mat. 25,46: „Die Gerechten werden ins ewige Leben gehen“, und nennt doch droben die Früchte, daß wir lernen sollen, daß Gerechtigkeit und Glaube nicht eine Heuchelei, sondern ein neu Leben sei, das gute Werke müssen folgen. Wir suchen hier nicht eine unnötige Subtilität, sondern es hat große Ursache, warum man in diesen Fragen einen gewissen Bericht muß haben. Denn alsbald, wenn man den Widersachern zuläßt, daß die Werke das ewige Leben verdienen, bald spinnen sie diese ungeschickte Lehre daraus, daß wir vermögen Gottes Gesetz zu halten, daß wir keiner Barmherzigkeit bedürfen, daß wir vor Gott gerecht seien, das ist, Gott angenehm, durch unsere Werke, nicht um Christus willen, daß wir auch opera supererogationis und mehr tun können, denn das Gesetz erfordert. Also wird dann die ganze Lehre vom Glauben gar unterdrückt. Soll aber eine christliche Kirche sein und bleiben, so muß je die reine Lehre von Christo, von Gerechtigkeit des Glaubens erhalten werden. Darum müssen wir solche große pharisäische Irrtümer anfechten, damit wir den Namen Christi und die Ehre des Evangelii und Christi erretten und den christliche Herzen einen rechten, beständigen, gewissen Trost erhalten. Denn wie ist es möglich, daß ein Herz oder Gewissen könne zur Ruhe kommen oder die Seligkeit hoffen, wenn in Anfechtungen und Todesängsten vor Gottes Urteil und Augen unsere Werke so gar zu Staub werden, wo es nicht durch Glauben des gewiß wird, daß wir selig werden aus Gnaden, um Christus willen, nicht um unsere Werke, um unsere Erfüllung des Gesetzes? Und freilich St. Lorenz, da er auf dem Rost gelegen und um Christus willen gemartert, ist nicht also gesinnt gewesen, daß dasselbe sein Werk Gottes Gesetz vollkommen und rein erfüllte, daß er ohne Sünde wäre, daß er des Mittlers Christi oder der Gnade nicht bedürfte. Er hat's freilich bleiben lassen bei dem Worte des Propheten David, Ps. 143,2: „Du wollest nicht ins Gericht gehen, Herr, mit deinem Knechte“ usw. St. Bernhardus hat auch nicht gerühmt, daß seine Werke würdig wären des ewigen Lebens, da er spricht: „Perdite vixi, ich habe sündlich gelebt“ usw. Doch richtet er sich getrost wieder auf, hält sich an die Verheißung der Gnade und glaubt, daß er um Christus willen Vergebung der Sünden das ewige Leben, wie der Psalm sagt, 32,1: „Wohl denen, welchen die Sünden vergeben sind“, Und Paulus zu den Römern am 4,6: „Dies ist des Menschen Seligkeit, wenn ihm die Gerechtigkeit wird zugerechnet ohne Werke.“ So sagt nun Paulus, der sei selig, welchem die Gerechtigkeit wird zugerechnet durch den Glauben an Christum, ob er gleich kein gut Werk getan hat. Das ist der rechte beständige Trost, welcher in Anfechtungen besteht, damit die Herzen und Gewissen können gestärkt und getröstet werden, nämlich, daß um Christus willen durch den Glauben uns Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und ewiges Leben gegeben wird. Wenn nun die Sprüche, so von Werken reden, dermaßen verstanden werden, daß sie den Glauben mitbegreifen, so sind sie gar nichts wider diese Lehre. Und man muß allezeit den Glauben mitbegreifen, damit wir den Mittler Christum nicht ausschließen. Dem Glauben aber folgt Erfüllung des Gesetzes; denn der Heilige Geist ist da, der macht ein neu Leben. Das sei genug von diesem Artikel.

 

Art. VII und VIII. Von der Kirche.

 

Den siebten Artikel unsers Bekenntnisses, das wir sagen, daß die christliche Kirche sei die Versammlung der Heiligen, verdammen die Widersacher und führen weitläufig Geschwätz ein, daß die Bösen oder Gottlosen von der Kirche nicht sollen gesondert werden, dieweil Johannes der Täufer die Kirche vergleicht einer Tenne, in welcher Korn und Spreu beieinander liegen; item, Christus die Kirche vergleicht einem Netze, da böse und gute Fische innen sind. Da sehen wir, daß wahr ist, wie man sagt, daß man nicht so deutlich reden kann, böse Zungen können's verkehren. Wir haben eben darum und aus dieser Ursache den achten Artikel dazugesetzt, daß niemand darf Gedanken fassen, als wollten wir die Bösen und Heuchler von der äußerlichen Gesellschaft der Christen oder Kirche absondern, oder als wäre unsere Meinung, daß die Sakramente, wenn sie durch Gottlose gereicht werden, ohne Kraft oder Wirkung seien. Darum bedarf diese falsche, unrechte Deutung keiner langen Antwort; der achte Artikel entschuldigt uns genugsam. Wir bekennen und sagen auch, daß die Heuchler und Bösen auch mögen Glieder der Kirche sein in äußerlicher Gemeinschaft des Namens und der Ämter, und daß man von Bösen möge die Sakramente recht empfangen, sonderlich wenn sie nicht gebannt sind. Und die Sakramente sind darum nicht ohne Kraft oder Wirkung, daß sie durch Gottlose gereicht werden. Denn auch Paulus zuvor hat prophezeit, daß Antichristus soll sitzen im Tempel Gottes, herrschen und regieren in der Kirche, Regiment und Amt darin haben. Aber die christliche Kirche steht nicht allein in Gesellschaft äußerlicher Zeichen, sondern steht vornehmlich in Gemeinschaft inwendig der ewigen Güter im Herzen, als des Heiligen Geistes, das Glaubens, der Furcht und Liebe Gottes. Und dieselbe Kirche hat doch auch äußerliche Zeichen, dabei man sie kennt, nämlich, wo Gottes Wort rein geht, wo die Sakramente demselben gemäß gereicht werden, da ist gewiß die Kirche, da sind Christen, und dieselbe Kirche wird allein genannt in der Schrift Christus Leib. Denn Christus ist ihr Haupt und heiligt und stärkt sie durch seinen Geist, wie Paulus zu den Ephesern am 1. sagt: „und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde, welche ist sein Leib und die Fülle des, der alles in allem erfüllt.“ Darum in welchen Christus durch seinen Geist nichts wirkt, die sind nicht Gliedmaßen Christi. Und das bekennen auch die Widersacher, daß die Bösen allein tote Gliedmaßen der Kirche sind. Darum kann ich mich nicht genugsam verwundern, warum sie doch unsern Beschluß von der Kirche anfechten, so wir von lebendigen Gliedmaßen der Kirche reden. Und wir haben nichts Neues gesagt. Denn Paulus zu den Ephesern am 5. Kapitel sagt gleich auch also, was die Kirche sei, und setzt auch die äußerlichen Zeichen, nämlich das Evangelium, die Sakramente; denn also sagt er: „Christus hat geliebet die Gemeinde und sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auch daß er sie ihm selbst zurichtete eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe Flecken oder Runzel (oder des etwas), sondern daß sie heilig sei, unsträflich“ usw. Diesen Spruch des Apostels haben wir gar nahe von Wort zu Wort gesetzt in unser Bekenntnis und also bekennen wir auch in unserm heiligen Symbolo und Glauben: „Ich glaube eine heilige christliche Kirche.“ Da sagen wir, daß die Kirche heilig sei; die Gottlosen aber und Bösen können nicht die heilige Kirche sein. In unserm Glauben folgt bald hernach: „Gemeinschaft der Heiligen“, welches noch klarer, deutlicher auslegt, was die Kirche heißt, nämlich der Haufe und die Versamm-lung, welche ein Evangelium bekennen, gleich eine Erkenntnis Christi haben, einen Geist haben, welcher ihre Herzen erneuert, heiligt und regiert. Und der Artikel von der katholischen oder gemeinen Kirche, welche von aller Nation unter der Sonne zusammen sich schickt, ist gar tröstlich und hochnötig. Denn des Haufe der Gottlosen ist viel größer, gar nahe unzählig, welche das Wort verachten, bitter hassen und aufs äußerste verfolgen, als da sind Türken, Mahometisten, andere Tyrannen, Ketzer usw. Darüber wird die rechte Lehre und Kirche oft so gar unterdrückt und verloren, wie unter dem Papsttum geschehen, als sei keine Kirche, und läßt sich oft ansehen, als sei sie gar untergegangen. Dagegen, daß wir gewiß sein mögen, nicht zweifeln, sondern fest und gänzlich glauben, daß eigentlich eine christliche Kirche bis an das Ende der Welt auf Erden sein und bleiben werde; daß wir auch gar nicht zweifeln, daß eine christliche Kirche auf Erden lebe und sei, welche Christi Braut sei, obwohl der gottlose Haufe mehr und größer ist; daß auch der Herr Christus hier auf Erden in dem Haufen, welcher Kirche heißt, täglich wirke, Sünden vergebe, täglich das Gebet erhöre, täglich in Anfechtungen mit reichem, starkem Trost die Seinen erquicke und immer wieder aufrichte; so ist der tröstliche Artikel im Glauben gesetzt: „Ich glaube eine katholische christliche Kirche“, damit niemand denken möchte, die Kirche sei, wie eine andere äußerliche Polizei, an dieses oder jenes Land, Königreich oder Stand gebunden, wie der Papst von Rom sagen will, sondern daß es gewiß wahr bleibt, daß der Haufe und die Menschen die rechte Kirche seien, welche hin und wieder in der Welt, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, an Christum wahrlich glauben, welche denn ein Evangelium, einen Christum, einerlei Taufe und Sakramente haben, durch einen Heiligen Geist regiert werden, ob sie wohl ungleiche Zeremonien haben. Denn auch im Dekret Gratiani sagt klar die Glosse, daß dies Wort: „Kirche“, groß zu nehmen, begreift Böse und Gute; item, daß die Bösen allein mit dem Namen in der Kirche seien, nicht mit dem Werke; Die Guten aber sind beide mit Namen und Werken darin. Und auf die Meinung liest man viel Sprüche bei den Vätern. Denn Hieronymus sagt: „Welcher ein Sünder ist und in Sünden noch unrein liegt, der kann nicht genannt werden ein Gliedmaß der Kirche, noch in dem Reich Christi sein.“ Wiewohl nun die Bösen und die gottlosen Heuchler mit der rechten Kirche Gesellschaft haben in äußerlichen Zeichen, in Namen und Ämtern, dennoch, wenn man eigentlich reden will, was die Kirche sei, muß man von dieser Kirche sagen, die der Leib Christi heißt und Gemeinschaft hat nicht allein in äußerlichen Zeichen, sondern die Güter im Herzen hat, den Heiligen Geist und Glauben. Denn man muß je recht eigentlich wissen, wodurch wir Gliedmaßen Christi werden, und was uns macht zu lebendigen Gliedmaßen der Kirche. Denn so wir würden sagen, daß die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre, wie andere Regimente, darin Böse und Gute wären usw., so würde niemand daraus lernen noch verstehen, daß Christi Reich geistlich ist, wie es doch ist, darin Christus inwendig die Herzen regiert, stärkt, tröstet, den Heiligen Geist und mancherlei geistliche Gaben austeilt, sondern man wird gedenken, es sei einen äußerliche Weise, gewisse Ordnung etlicher Zeremonien und Gottesdiensts. Item, was wollte für ein Unterschied sein zwischen dem Volk des Gesetzes und der Kirche, so die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre? Nun unterscheidet Paulus also die Kirche von den Juden, daß er sagt, die Kirche sei ein geistlich Volk, das ist, ein solch Volk, welches nicht allein in der Polizei und bürgerlichem Wesen unterschieden sei von den Heiden, sondern ein recht Volk Gottes, welches im Herzen erleuchtet wird und neugeboren durch den Heiligen Geist. Item, in dem jüdischen Volk, da hatten alle diejenigen, so von Natur Juden und aus Abrahams Samen geboren waren, über die Verheißung der geistlichen Güter in Christo auch viele Zusagen von leiblichen Gütern, als vom Königreich usw. Und um der göttlichen Zusagen willen wurden auch die Bösen unter ihnen Gottes Volk genannt. Denn den leiblichen Samen Abrahams und alle geborenen Juden hatte Gott abgesondert von andern Heiden durch dieselben leiblichen Verheißungen; Und dieselben Gottlosen und Bösen waren doch nicht das rechte Gottesvolk, gefielen auch Gott nicht. Aber das Evangelium, welches in der Kirche gepredigt wird, bringt mit sich nicht allein den Schatten der ewigen Güter, sondern ein jeder rechter Christ, der wird hier auf Erden der ewigen Güter selbst, auch des ewigen Trostes, des ewigen Lebens und Heiligen Geistes und der Gerechtigkeit, die aus Gott ist, teilhaftig, bis daß er dort vollkommen selig werde. Derhalben sind die allein nach dem Evangelio Gottes Volk, welche die geistlichen Güter, den Heiligen Geist empfangen, und dieselbe Kirche ist das Reich Christi, unter-schieden von dem Reich des Teufels. Denn es ist gewiß, daß alle Gottlosen in der Gewalt des Teufels sind und Gliedmaßen seines Reichs, wie Paulus zu den Ephesern sagt, daß: „der Teufel kräftig regiere in den Kindern des Unglaubens“. Und Christus sagt zu den Pharisäern (welche die Heiligsten waren und auch den Namen hatten, daß sie Gottes Volk und die Kirche wären, welche auch ihr Opfer täten): „Ihr seid aus eurem Vater, dem Teufel.“ Darum, die rechte Kirche ist das Reich Christi, das ist, die Versammlung aller Heiligen; denn die Gottlosen werden nicht regiert durch den Geist Christi. Was sind aber viele Worte vonnöten in so klarer, öffentlicher Sache? Allein die Widersacher widersprechen der hellen Wahrheit. So die Kirche, welche je gewiß Christi und Gottes Reich ist, unter-schieden ist von den Teufels Reich, so können die Gottlosen, welche in des Teufels Reich sind, je nicht die Kirche sein, wiewohl sie in diesem Leben, dieweil das Reich Christi noch nicht offenbart ist, unter den rechten Christen und in der Kirche sind, darin auch Lehramt und andere Ämter mit haben. Und die Gottlosen sind darum nicht ein Stück des Reichs Christi, weil es noch nicht offenbart ist. Denn das rechte Reich Christi, der rechte Hause Christi, sind und bleiben allezeit diejenigen, welche Gottes Geist erleuchtet hat, stärkt, regiert, ob es wohl vor den Welt noch nicht offenbart, sondern unterm Kreuz verborgen ist, gleichwie es allzeit ein Christus ist und bleibt, der die Zeit gekreuzigt ward und nun in ewiger Herrlichkeit herrscht und regiert im Himmel. Und da reimen sich auch die Gleichnisse Christi hin, da er klar sagt Mat. 13, daß: „der gute Same seien die Kinder des Reichs, das Unkraut seien die Kinder des Teufels, der Acker sei die Welt“, nicht die Kirche. Also ist auch zu verstehen das Wort Johannis, da er sagt Mat. 3: „Er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheuer sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen.“ Da redet er von dem ganzen jüdischen Volk und sagt, die rechte Kirche solle von dem Volk abgesondert werden. Derselbe Spruch ist den Widersachern mehr entgegen denn für sie. Denn er zeigt klar an, wie das recht gläubige, geistliche Volk solle von dem leiblichen Israel abge-schieden werden. Und da Christus spricht: „Das Himmelreich ist gleich einem Netze“, item, „den zehn Jungfrauen“, will er nicht, daß die Bösen die Kirche seien, sondern unterrichtet, wie die Kirche scheint in dieser Welt. Darum spricht er, sie sei gleich diesem usw.; das ist, wie im Haufen Fische die guten und bösen durcheinanderliegen, also ist die Kirche hier verborgen unter dem großen Haufen und Menge der Gottlosen, und will, daß sich die Frommen nicht ärgern sollen, item, daß wir wissen wollen, daß das Wort und die Sakramente darum nicht ohne Kraft seien, obgleich Gottlose predigen oder die Sakramente reichen. Und lehrt uns Christus damit also, daß die Gottlosen, ob sie wohl nach äußerlicher Gesellschaft in der Kirche sind, doch nicht Gliedmaßen Christi, nicht die rechte Kirche seien, denn sie sind Gliedmaßen des Teufels. Und wir reden nicht von einer erdichteten Kirche, die nirgend zu finden sei, sondern wir sagen und wissen fürwahr, daß diese Kirche, darin Heilige leben, wahrhaftig auf Erden ist und bleibt, nämlich daß etliche Gotteskinder sind hin und wieder in aller Welt, in allerlei Königreichen, Inseln, Ländern, Städten, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, die Christum und das Evangelium recht erkannt haben, und wir sagen, dieselbe Kirche habe diese äußerlichen Zeichen: das Predigtamt oder Evangelium und die Sakramente. Und dieselbe Kirche ist eigentlich, wie Paulus sagt, „eine Säule der Wahrheit“, denn sie behält das reine Evangelium, den rechten Grund. Und wie Paulus sagt: „Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Christus.“ Auf den Grund sind nun die Christen gebaut. Und wiewohl nun in dem Haufen, welcher auf den rechten Grund, das ist, Christum und den Glauben, gebaut ist, viel Schwache sind, welche auf solchen Grund Stroh und Heu bauen, das ist, etliche menschliche Gedanken und Opinionen, mit welchen sie doch den Grund, Christum, nicht umstoßen noch verwerfen, derhalben sie dennoch Christen sind und werden ihnen solche Fehle vergeben, werden auch etwa erleuchtet und besser unterrichtet: also sehen wir in Vätern, daß sie auch bisweilen Stroh und Heu auf den Grund gebaut haben, doch haben sie damit den Grund nicht umstoßen wollen. Aber viele Artikel bei unsern Widersachern stoßen den rechten Grund nieder, die Erkenntnis Christi und den Glauben. Denn sie verwerfen und verdammen den hohen, größten Artikel, da wir sagen, daß wir allein durch den Glauben ohne alle Werke, Vergebung des Sünden durch Christum erlangen. Dagegen lehren sie vertrauen auf unsere Werke, damit Vergebung der Sünden zu verdienen, und setzen anstatt Christi ihre Werke, Orden, Messe, wie auch die Juden, Heiden und Türken mit eigenen Werken vorhaben selig zu werden. Item, sie lehren, die Sakramente machen fromm ex opere operato, ohne Glauben. Wer nun den Glauben nicht nötig achtet, der hat Christum bereits verloren. Item, sie richten Heiligendienst an, rufen sie an anstatt Christi, als Mittler usw. Wie aber klare Verheißungen Gottes in der Schrift stehen, daß die Kirche allezeit soll den Heiligen Geist haben, also stehen auch ernste Dräuungen in der Schrift, daß neben den rechten Predigern werden einschleichen falsche Lehrer und Wölfe. Diese ist aber eigentlich die christliche Kirche, die den Heiligen Geist hat. Die Wölfe und falsche Lehrer, wiewohl sie in der Kirche wüten und Schaden tun, so sind sie doch nicht die Kirche oder das Reich Christi, wie auch Lyra bezeugt, da er sagt: „Die rechte Kirche steht nicht auf Prälaten ihres Gewalts halben, denn viele hohen Standes, Fürsten und Bischöfe, auch viele niedern Standes sind vom Glauben abgefallen. Darum steht die Kirche auf denjenigen, in welchen ist eine rechte Erkenntnis Christi, eine rechte Konfession und Bekenntnis des Glaubens und der Wahrheit.“ Nun haben wir in unserer Konfession nichts anderes gesagt im Grunde denn eben das, was Lyra also mit klaren Worten sagt, daß er nicht klarer reden könnte. Aber es wollten gern die Widersacher eine neue römische Definition der Kirche haben, daß wir sollten sage, die Kirche ist die oberste Monarchia, die größte, mächtigste Hoheit in der ganzen Welt, darin der römische Papst als das Haupt der Kirche aller hohen und niedern Sachen und Händel, weltlicher, geistlicher, wie er will und denken darf, durchaus ganz mächtig ist, von dessen Gewalt (er gebrauche oder mißbrauche es wie er wolle) niemand disputieren, reden oder mucken darf; item, in welcher Kirche der Papst Macht hat, Artikel des Glaubens zu machen, allerlei Gottesdienste aufzurichten, die Heilige Schrift nach allem seinem Gefallen abzutun, zu verkehren und zu deuten wider alle göttlichen Gesetze, wider sein eigen Dekretal, wider alle Kaiserrechte, wie oft, wieviel und wann es ihn gelüstet, Freiheit und Dispensation um Geld zu verkaufen, von welchem der römische Kaiser, alle Könige, Fürsten und Potentaten schuldig seien, ihre königliche Krone, ihre Herrlichkeit und Titel zu empfangen, als vom Statthalter Christi. Derhalben der Papst ein irdischer Gott, eine oberste Majestät und allein der großmächtigste Herr in aller Welt ist, über alle Königreiche, über alle Lande und Leute, über alle Güter, geistliche und weltliche, und also in seiner Hand hat alles, beide weltliches und geistliches Schwert. Diese Definition, welche sich auf die rechte Kirche gar nicht, aber auf des römischen Papsts Wesen wohl reimt, findet man nicht allein in der Kano-nisten Büchern, sondern Daniel der Prophet malt den Antichristen auf diese Weise. Wenn wir eine solche Definition setzten und sagten, daß die Kirche wäre eine solche Pracht, wie des Papsts Wesen steht, so möchten wir vielleicht nicht so gar ungnädige Richter haben. Denn es sind der Widersacher Bücher am Tage, darin des Papsts Gewalt allzuhoch gehoben wird; dieselben straft niemand. Allein wir müssen herhalten, derhalben, daß wir Christus Wohltat preisen und hoch heben und die klaren Worte und Lehre der Apostel schreiben und predigen, nämlich daß wir Vergebung der Sünden erlangen durch den Glauben an Jesum Christum und nicht durch Heuchelei oder erdichtete Gottes-dienste, welche der Papst unzählig angerichtet. Christus aber und die Propheten und Apostel schreiben und reden gar viel anders davon, was die Kirche Christi sei, und des Papsts Reich will sich zu derselben Kirche gar nicht reimen, sondern sieht ihr gar unähnlich. Darum soll man die Sprüche, so von der rechten Kirche reden, nicht auf die Päpste oder Bischöfe deuten, nämlich daß sie Säulen der Wahrheit seien, item, daß sie nicht irren können. Denn wieviel findet man wohl oder wieviel sind bis hierher gefunden unter Bischöfen, Päpsten usw., die sich des Evangelii mit Ernst und herzlich angenommen oder das wert geachtet hätten, ein Blättlein, einen Buchstaben darin recht zu lesen. Man weiß wohl leider viele Exempel, daß ihrer viele in Welschland und sonst sind, welche die ganze Religion, Christum und das Evangelium verlachen und öffentlich für einen Spott halten. Und lassen sie ihnen etwas gefallen, so lassen sie ihnen das gefallen, das menschlicher Vernunft gemäß ist; das andere alles halten sie für Fabeln. Darum sagen und schließen wir nach der Heiligen Schrift, daß die rechte christliche Kirche sei der Haufe hin und wieder in der Welt derjenigen, die da wahrlich glauben dem Evangelio Christi und den Heiligen Geist haben. Und wir bekennen doch auch, daß solange dieses Leben auf Erden währt, viele Heuchler und Böse in der Kirchen seien unter den rechten Christen, welche auch Glieder sind der Kirche, sofern es äußerliche Zeichen betrifft. Denn sie haben Ämter in der Kirche, predigen, reichen Sakramente und tragen den Titel und Namen der Christen. Und die Sakramente, Taufe, usw., sind darum nicht ohne Wirkung oder Kraft, daß sie durch Unwürdige und Gottlose gereicht werden. Denn um des Berufs willen der Kirche sind solche da, nicht für ihre eigene Person, sondern als Christus, wie Christus zeugt: „Wer euch höret, der höret mich.“ Also ist auch Judas zu predigen gesendet. Wenn nun gleich Gottlose predigen und die Sakramente reichen, so reichen sie dieselben an Christus Statt. Und das lehrt uns das Wort Christi, daß wir in solchem Fall die Unwürdigkeit der Diener uns nicht sollen irren lassen. Aber von dem Stück haben wir klar genug geredet in unserer Konfession, nämlich, daß wir es nicht halten mit den Donatisten und Wiklifiten, die da hielten, daß diejenigen sündigen, die die Sakramente in der Kirche von gottlosen Dienern empfangen. Dieses, achten wir, soll genug sein, zu schützen und zu erhalten die Definition, da wir gesagt, was die Kirche sei. Und da die rechte Kirche in der Schrift genannt wird Christus Leib, so ist je gar nicht möglich, anders davon zu reden, denn wie wir davon geredet haben. Denn es ist je gewiß, daß die Heuchler und Gottlosen nicht Christus Leib sein können, sondern in das Reich des Teufels gehören, welcher sie gefangen hat und treibt, wozu er will. Dieses alles ist ganz öffentlich und so klar, daß es niemand leugnen mag. Werden aber die Widersacher mit ihren Kalumnien fortfahren, soll ihnen ferner Antwort gegeben werden. Auch verdammen die Widersacher dieses Stück vom siebten Artikel, das wir gesagt haben, daß genug sei zur Einigkeit der Kirche, daß einerlei Evangelium, einerlei Sakramente gereicht werden, und sei nicht not, daß die Menschensatzungen allenthalben gleichförmig seien. Diese Stücke lassen sie also zu, daß nicht not sei zur Einigkeit der Kirche, daß traditiones particulares gleich seien. Aber daß traditiones universales gleich seien, das sei not zu wahrer Einigkeit der Kirche. Das ist eine gute, grobe distinctio. Wir sagen, daß diejenigen eine einträchtige Kirche heißen, die an einen Christum glauben, ein Evangelium, einen Geist, einen Glauben, einerlei Sakramente haben, und reden also von geistlicher Einigkeit, ohne welche der Glaube und ein christlich Wesen nicht sein kann. Zu derselben Einigkeit sagen wir nun, es sei nicht not, daß Menschensatzungen, sie seien universales oder particulares, allenthalben gleich seien. Denn die Gerechtigkeit, welche vor Gott gilt, die durch den Glauben kommt, ist nicht gebunden an äußerliche Zeremonien oder Menschensatzungen. Denn der Glaube ist ein Licht im Herzen, das die Herzen erneuert und lebendig macht; da helfen äußerliche Satzungen oder Zeremonien, sie seien universal oder partikular, wenig zu. Und es hat nicht geringe Ursachen gehabt, daß wir den Artikel gesetzt haben; denn es ist gar mancher große Irrtum und närrische Opinion von den Satzungen eingerissen in der Kirche. Etliche haben wollen wähnen, daß christliche Heiligkeit und Glaube ohne solche Menschensatzungen nicht gelte vor Gott, könne auch niemand ein Christ sein, er halte denn solche traditiones, so sie doch nichts anders sind denn äußerliche Ordnungen, welche oft zufällig, oft auch aus Ursachen an einem Ort anders sind denn am andern; wie im weltlichen Regiment eine Stadt andere Gebräuche hat denn die andere. Auch liest man in Historien, daß eine Kirche die andern in Bann getan solcher Satzungen halben, als um des Ostertags willen, um der Bilder willen und desgleichen. Darum haben die Unerfahrenen nicht anders gehalten, denn daß man durch solche Zeremonien vor Gott fromm würde, und daß niemand ein Christ sein könnte ohne solche Gottesdienste und Zere-monien. Denn es sind gar viel ungeschickte Bücher der Summisten und anderer davon noch vor Augen. Aber wie die Einigkeit der Kirche dadurch nicht getrennt wird, ob in einem Lande, an einem Ort die Tage natürlich länger oder kürzer sind denn am andern, also halten wir auch, daß die Einigkeit der Kirche dadurch nicht getrennt wird, ob solche Menschensatzungen an einem Ort diese, am andern jene Ordnung haben. Wiewohl es uns auch wohlgefällt, daß die Universal-zeremonien um Einigkeit und guter Ordnung willen gleichförmig gehalten werden, wie wir denn in unsern Kirchen die Messe, des Sonntags Feier und die andern hohen Feiern auch behalten. Und wir lassen uns gefallen alle guten, nützlichen Menschensatzungen, sonderlich die da zu einer feinen, äußerlichen Zucht dienen der Jugend und des Volks. Aber hier ist die Frage darüber nicht, ob Menschen-satzungen um äußerlicher Zucht willen, um Friedens willen zu halten seien; es ist gar viel eine andere Frage, nämlich ob solche Menschensatzungen halten ein Gottesdienst sei, dadurch man Gott versöhne, und daß ohne solche Satzungen niemand vor Gott gerecht sein möge. Das ist die Hauptfrage. Wenn darauf schließlich und endlich geantwortet ist, so ist danach klar zu urteilen, ob das heiße einig oder einträchtig mit der Kirche sein, wenn wir allenthalben solche Satzungen zugleich halten. Denn so solche Menschensatzungen nicht ein nötiger Gottesdienst sind, so folgt, daß etliche fromm, gerecht, Gotteskinder und Christen sein können, die gleich nicht die Zeremonien haben, so in andern Kirchen im Gebrauch sind. Als ein Gleichnis: Wenn dies steht, daß deutsche und französische Kleidung tragen nicht ein nötiger Gottesdienst sei, so folgt, daß etliche gerecht, heilig und in der Kirche Christi sein können, die auch gleich nicht deutsche oder französische Kleidung tragen. Also lehrt auch Paulus klar zu den Kolossern am 2: „So lasset nun niemand euch Gewissen machen über Speise, Trank oder bestimmte Feiertage oder Neumonden oder Sabbate, welche sind der Schatten von dem, das zukünftig war, aber der Körper selbst ist in Christo.“ Item: „So ihr denn nun abgestorben seid mit Christo den Satzungen der Welt, was laßt ihr euch denn fangen mit Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? Die da sagen: Du sollst das nicht angreifen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren, welches sich doch alles unter den Händen verzehrt und ist Menschen-gebot und -lehre; welche haben einen Schein der Weisheit durch selbsterwählte Geistlichkeit und Demut.“ Denn das ist Pauli Meinung: Der Glaube im Herzen dadurch wir fromm werden, ist ein geistlich Ding und Licht im Herzen, dadurch wir erneuert werden, andern Sinn und Mut gewinnen. Die Menschensatzungen aber sind nicht ein solch lebendig Licht und Kraft des Heiligen Geistes im Herzen, sind nichts Ewiges; darum machen sie nicht ewig Leben, sondern sind äußerliche, leibliche Übungen, die das Herz nicht ändern. Darum ist nicht zu halten, daß sie nötig seien zu der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Und auf die Meinung redet Paulus auch zu den Römern am 14: „Das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.“ Aber es ist nicht not, hier viel Sprüche anzuzeigen, so die ganze Bibel deren voll ist, und wir auch in unserer Konfession, in den letzten Artikeln, deren viele vorgebracht; so wollen wir dieser Sache Hauptfrage hernach auch sonderlich handeln, nämlich ob solche Menschensatzungen ein Gottesdienst seien, welcher not sei zur Seligkeit, da wir denn reichlicher und mehr von dieser Sache reden wollen. Die Widersacher sagen, man müsse darum solche Satzungen, sonderlich die Universalzeremonien, halten; denn es sei vermutlich, daß sie von den Aposteln auf uns vererbt seien. O wie große, heilige, treffliche, apostolische Leute! Wie fromm und geistlich sind sie doch nun geworden! Die Satzungen und Zeremonien, von den Aposteln, wie sie sagen, aufgerichtet, wollen sie halten, und der Apostel Lehre und klare Worte wollen sie nicht halten. Wir sagen aber und wissen, daß es recht ist: Man soll also und nicht anders von allen Satzungen lehren, urteilen und reden, denn wie die Apostel selbst in ihren Schriften davon gelehrt haben. Die Apostel aber fechten auf das allerstärkste und heftigste allenthalben nicht allein wider diejenigen, so Menschensatzungen wollen hoch heben, sondern auch, die das göttliche Gesetz, die Zeremonien der Beschnei-dung usw. wollten als nötig achten zur Seligkeit. Die Apostel haben in keinem Weg eine solche Bürde auf die Gewissen legen wollen, daß solche Satzungen von gewissen Tagen, von Fasten, von Speise und dergleichen sollten Sünde sein, so man's nicht hielte. Und, das mehr ist, Paulus nennt klar solche Lehren Teufelslehren. Darum was die Apostel in dem für gut und recht gehalten, das muß man aus ihren klaren Schriften suchen und nicht allein Exempel anzeigen. Sie haben wohl gehalten etliche gewisse Tage, nicht daß solches nötig wäre, vor Gott fromm und gerecht zu werden, sondern daß das Volk wüßte, wann es sollte zusammenkommen. Auch haben sie wohl etliche Gebräuche und Zeremonien gehalten, als ordentliche Lektion in der Bibel, wenn sie zusammenkamen usw. Auch haben im Anfang der Kirche die Juden, so Christen geworden, viel behalten von ihren jüdischen Festen und Zeremonien, welches die Apostel danach auf die Historien des Evangelii gerichtet haben. Also sind unsere Ostern von der Juden und unsere Pfingsten von der Juden Pfingsten hergekommen. Und haben die Apostel nicht allein mit Lehren, sondern auch durch solche Feste von der Historie die Erkenntnis Christi und den großen Schatz auf die Nachkommen erben wollen. So nun solche und dergleichen Zeremonien nötig sind zur Seligkeit, warum haben hernach die Bischöfe viel darin verändert? Denn sind sie durch Gottes Befehl eingesetzt, so hat kein Mensch Macht gehabt, sie zu verändern. Die Ostern hat man vor dem Concilio zu Nizäa an einem Ort auf eine andere Zeit gehalten denn am andern. Und die Ungleichheit hat dem Glauben oder der christlichen Einigkeit nichts geschadet. Danach hat man mit Fleiß den Ostertage verrückt, daß unser Ostertag mit der Juden Ostertag je nicht sollte übereintreffen. Die Apostel aber haben befohlen, in den Kirchen den Ostertag also auf die Zeit zu halten, wie ihn die Brüder, so aus dem Judentum bekehrt waren, hielten. Darum haben etliche Bistümer und Völker, auch nach dem Concilio zu Nizäa, hart darüber gehalten, daß der Ostertag mit dem jüdischen Ostertag sollte zu gleicher Zeit gehalten werden. Aber die Apostel haben mit ihrem Dekret den Kirchen nicht wollen eine solche Last auflegen, als wäre solches nötig zur Seligkeit, wie die klaren Worte auch desselben ihres Dekrets anzeigen; denn sie drücken es mit klaren Worten aus, „daß niemand sich darum bekümmern solle, ob die Brüder, so Ostertag halten usw., gleich die Zeit nicht eigentlich abrech-nen“. Denn Epiphanius zieht an die Worte der Apostel, daraus ein jeder Verständiger klar zu merken hat, daß die Apostel die Leute von dem Irrtum haben wollen abweisen, damit ihm niemand Gewissen mache über Feiertage, gewisse Zeit usw. Denn sie setzen klar dazu, man solle sich nicht groß darum bekümmern, obschon in der Rechnung des Ostertags geirrt sei. Dergleichen unzählig könnte ich aus den Historien vorbringen und noch klarer anzeigen, daß solche Ungleichheit in äußerlichen Satzungen niemand von der gemeinen Christenkirche absondert oder scheidet. Die Widersacher verstehen gar nicht, was der Glaube, was das Reich Christi sei, die da lehren, daß in den Satzungen, welche von Speise, von Tagen, von Kleidung und dergleichen Dingen reden, die Gott nicht geboten hat, die Einigkeit der christlichen Kirche stehe. Es mag aber hier jedermann sehen und merken, wie andächtige, überaus heilige Leute die Widersacher seien. Denn so Universalordnungen nötig sind und nicht sollen geändert werden, wer hat ihnen befohlen, die Ordnung in Abendmahl Christi zu ändern, welche nicht eine Menschensatzung ist, sondern eine göttliche Ordnung? Aber davon wollen wir hernach sonderlich handeln. Den VIII. Artikel lassen ihnen die Widersacher ganz gefallen, da wir sagen, daß auch Heuchler und Gottlose in der Kirche gefunden werden, und daß die Sakramente nicht darum ohne Kraft seien, ob sie durch Heuchler gereicht werden; denn sie reichen's an Christus Statt und nicht für ihre Person, wie der Spruch lautet: „Wer euch höret, der höret mich.“ Doch soll man falsche Lehrer nicht annehmen oder hören; denn dieselben sind nicht mehr an Christus Statt, sondern sind Widerchristi. Und Christus hat von denen klar befohlen: „Hütet euch vor den falschen Propheten“; Und Paulus zu den Galatern: „Wer euch ein ander Evangelium prediget, der sei verflucht.“ Sonst, was der Priester eigen Leben belangt, hat uns Christus vermahnt in den Gleichnissen von der Kirche, daß wir nicht schismata oder Trennungen sollen anrichten, ob die Priester oder das Volk nicht allenthalben rein, christlich leben, wie die Donatisten getan haben. Diejenigen aber, die darum an etlichen Orten haben schismata und Trennungen angerichtet, daß sie vorgeben, die Priester dürften nicht Güter oder Eigenes haben, die achten wir für aufrührerisch. Denn Eigenes haben, Güter haben ist eine weltliche Ordnung. Die Christen aber mögen allerlei weltliche Ordnung so frei brauchen, als sie der Luft, Speise, Tranks, gemeines Lichts brauchen. Denn gleichwie Himmel, Erde, Sonne, Mond und Sterne Gottes Ordnung sind und von Gott erhalten werden, also sind Politien und alles, was zur Polizei gehört, Gottes Ordnung und werden erhalten und be-schützt von Gott wider den Teufel.

 

Artikel IX. Von der Taufe.

 

Den neunten Artikel lassen ihnen die Widersacher auch gefallen, da wir be-kennen, daß die Taufe zur Seligkeit vonnöten sei, und daß die Taufe der jungen Kinder nicht vergeblich sei, sondern nötig und seliglich. Und dieweil das Evangelium bei uns rein und mit allem Fleiß gepredigt wird, so haben wir auch, Gott Lob, den großen Nutzen und selige Frucht davon, daß nicht Wiedertäufer in unsere Kirchen eingerissen sind. Denn unser Volk ist, Gott Lob, unterrichtet durch Gottes Wort wider die gottlosen, aufrührischen Rotten derselben mörderischen Bösewichte, und so wir viel andere Irrtümer der Wiedertäufer dämpfen und verdammen, so haben wir den doch sonderlich wider sie erstritten und erhalten, daß die Kindertaufe nicht unnütz sei. Denn es ist ganz gewiß, daß die göttlichen Verheißungen der Gnade des Heiligen Geistes nicht allein die Alten, sondern auch die Kinder belangen. Nun gehen die Verheißungen die-jenigen nicht an, so außerhalb der Kirche Christi sind, da weder Evangelium noch Sakrament ist. Denn das Reich Christi ist nirgend, denn wo das Wort Gottes und die Sakramente sind. Darum ist es auch recht christlich und not, die Kinder zu taufen, damit sie des Evangelii, der Verheißung des Heils und der Gnade teilhaftig werden, wie Christus befiehlt: „Gehet hin, taufet alle Heiden.“ Wie ihnen nun wird Gnade, Heil in Christo, also wird ihnen angeboten die Taufe, beide Männern und Weibern, Knaben und jungen Kindern. So folgt gewiß daraus, daß man die jungen Kinder taufen mag und soll, denn in und mit der Taufe wird ihnen die gemeine Gnade und der Schatz des Evangelii angeboten. Zum andern ist's am Tage, daß Gott der Herr ihm gefallen läßt die Taufe der jungen Kinder. Derhalben lehren die Wiedertäufer unrecht, so dieselbe Taufe verdammen. Daß aber Gott Gefallen hat an der Taufe der jungen Kinder, zeigt er damit an, daß er vielen, so in der Kindheit getauft sind, den Heiligen Geist hat gegeben; denn es sind viel heilige Leute in der Kirche gewesen, die nicht anders getauft sind.

 

- Fortsetzung -