Artikel XVI. Vom weltlichen Regiment.

 

Den XVI. Artikel lassen ihnen die Widersacher gefallen ohne alle weiteren Fragen, da wir in der Konfession sagen und lehren, daß ein Christ mit Gott und Gewissen in der Obrigkeit sein mag, Land und Leute regieren, Urteil und Recht sprechen aus kaiserlichen und andern landläufigen Rechten, die Übertäter mit dem Schwert und sonst nach der Schärfe strafen, Kriege führen, kaufen und verkaufen, Haus, Hof und sonst Eigenes haben und behalten, aufgelegte Eide in Gerichten schwören; in Summa, da wir lehren, daß Obrigkeit und Regiment, item ihr Recht und Strafe und alles, was dazu gehört, seien gute Kreaturen Gottes und Gottes Ordnungen, deren ein Christ mit gutem Gewissen brauchen darf. Dieser Artikel gefällt ihnen wohl. Dieser ganz wichtige, nötige Artikel vom Unterschied des geistlichen Reiches Christi und weltlichen Reiches, welche sehr nötig ist zu wissen, ist durch die Unsern ganz eigentlich, richtig und klar gegeben, vielen Gewissen zu merklichem, großem Trost. Denn wir haben klar gelehrt, daß Christi Reich geistlich ist, da er regiert durch das Wort und die Predigt, wirkt durch den Heiligen Geist und mehrt in uns den Glauben, Gottesfurcht, Liebe, Geduld inwendig im Herzen und fängt hier auf Erden in uns Gottes Reich und das ewige Leben an. Solange aber dies Leben währt, läßt er uns nichtsdestoweniger brauchen der Gesetze, der Ordnungen und Stände, so in der Welt gehen, danach eines jeden Beruf ist, gleichwie er uns läßt brauchen der Arznei, item Bauens und Pflanzens, der Luft, des Wassers. Und das Evangelium bringt nicht neue Gesetze im Weltregiment, sondern gebietet und will haben, daß wir den Gesetzen sollen gehorsam sein und der Obrigkeit, darunter wir wohnen, es seien Heiden oder Christen, und daß wir in solchem Gehorsam unsere Liebe erzeigen sollen. Denn Carlstadt war in diesem Fall gar toll und töricht, daß er lehrte, man sollte nach dem Gesetz Mosis die Stadt- und Landregimente bestellen. Von diesem Stücke haben die Unsern darum desto fleißiger geschrieben, denn die Mönche hatten viel und ganz schädliche Irrtümer gelehrt in der Kirche. Denn sie haben dieses ein evangelisch Leben genannt, daß man nichts Eigenes hätte, daß man nicht Strafe und Rache übte, daß man nicht Weib und Kind hätte. Solche Lehren haben die reine evangelische Lehre ganz unterdrückt, daß man gar nicht verstanden hat, was christlich oder des geistliche Reich Christi sei, und haben weltlich und geistlich Reich ineinandergekocht, daraus viel Unrat und aufrührerische, schädliche Lehre erfolgt usw. Denn das Evangelium zerreißt nicht weltlich Regiment, Haushaltung, Kaufen, Verkaufen und andere weltliche Polizei, sondern bestätigt Obrigkeit und Regiment und befiehlt, denselben gehorsam zu sein als Gottes Ordnung, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissen willen. Julianus Apostata, Celsus und etliche andere, die haben den Christen vorgeworfen, daß ihr Evangelium die Weltregimente und Polizeien zerrisse und zerrüttete, dieweil es verbiete, man solle sich nicht rächen und dergleichen. Und die selben Fragen haben Origeni und Nazianzeno und etlichen andern viel zu tun gemacht, so man doch leichtlich darauf antworten kann, wenn wir allein wissen, daß die evangelische Lehre nicht neue Gesetze macht von Weltregimenten, sondern predigt Vergebung der Sünden, und daß das geistliche Reich und ewige Leben in den Herzen der Gläubigen anfängt. Das Evangelium aber läßt nicht allein bleiben dieselben äußerlichen Polizeien, Weltregimente und Ordnungen, sondern will auch, daß wir solchen sollen gehorsam sein, gleichwie wir in diesem zeitlichen Leben gehorsam und unterworfen sein sollen und müssen gemeinem Lauf der Natur als Gottes Ordnung (wir lassen es Winter und Sommer werden usw.); das hindert nichts am geistlichen Reich. Das Evangelium verbietet allein privatam vindictam, daß niemand der Obrigkeit in ihr Amt greife. Und das zeigt Christus darum so oft an, daß die Apostel nicht dächten, sie sollten Weltherren werden und die Königreiche und Obrigkeit denjenigen nehmen, die zu der Zeit in Herrschaften waren, wie denn die Juden vom Reich des Messias geachten, sondern daß sie wüßten, daß ihr Amt wäre, zu predigen vom geist-lichen Reich, nicht einiges Weltregiment zu verändern. Der halben ist das Gebot, da Christus verbietet, sich selbst zu rächen, nicht allein ein Rat, sondern ein ernst Gebot, Mat. 5 und Röm. 12. Die Rache aber und Strafe des Argen, so von der Obrigkeit geschieht, ist damit nicht verboten, sondern vielmehr geboten. Denn es ist: „Gottes Werk“, wie Paulus Röm. 13 sagt. Dieselbe Rache geschieht, wenn man Übeltäter straft, Krieg führt um gemeinen Friedens willen, des Schwerts, der Pferde und Harnische gebraucht usw. Von den Dingen haben etliche Lehrer solche schädliche Irrtümer gelehrt, daß gar nahe alle Fürsten, Herren, Ritter, Knechte ihren rechten Stand für weltlich, ungöttlich und verdammt gehalten usw. Und ist nicht wohl mit Worten auszureden, was für unsägliche Gefahr und Schaden der Seelen und Gewissen daraus geursacht. Denn man hat gelehrt, als sei das Evangelium und die christliche Lehre eitel Mönchsleben, und haben nicht gesehen, daß das Evangelium lehrt, wie man vor Gott und im Gewissen von den Sünde, Hölle, dem Teufel erlöst wird und läßt auswendig der Welt ihr Regiment in äußerlichen Dingen. So ist das auch eine lautere Lüge und Betrug gewesen, daß sie gelehrt haben unverschämt, daß die christliche Vollkommenheit bestehe darin, daß man nichts Eigenes haben. Denn christliche Vollkommenheit besteht nicht darin, daß ich mich äußerlich fromm stelle und von dem Weltwesen mich absondere, sondern der Glaube und rechte Gottesfurcht im Herzen ist die Vollkommenheit. Denn Abraham, David, Daniel sind in königlichem Stande, in großen Fürstenräten und Ämtern gewesen, haben auch große Reichtümer gehabt und sind doch heiliger, vollkommener gewesen, denn je ein Mönch oder Kartäuser ist auf Erden gekommen. Aber die Mönche, sonderlich Barfüßer, haben den Leuten einen Schein vor den Augen gemacht; darüber hat niemand gewußt, worin die rechte Heiligkeit bestünde. Denn wie hoch evangelisch, wie für große Heiligkeit haben die Mönche allein dieses gerühmt, daß man nicht Eigenes haben sollte, daß man sollte willig arm sein! Aber dasselbe sind gar schädliche Lehren, nachdem die Schrift nichts davon meldet, sondern stracks dawider lehrt. Die zehn Gebote Gottes sagen klar: „Du sollst nicht stehlen.“ Da läßt ja Gott nach, daß ein jeder das Seine habe. In diesem Stücke hat Wiclefus gar gewütet, da er hat darauf gedrungen, kein Bischof noch Pfaff sollte Eigenes haben. So sind unzählige verworrene Disputationen von Kontrakten, da christliche Ge-wissen nimmermehr können gestillt werden, sie sind denn dieses nötigen Stückes unterrichtet, daß ein Christ mit gutem Gewissen sich halten mag nach Landrecht und Gebrauch. Denn dieser Unterricht errettet viele Gewissen, da wir lehren, daß die Kontrakte sofern vor Gott ohne Gefahr seien, sofern sie in gemeinen Rechten und Landgebräuchen (welche den Rechten gleich gelten) angenommen sind. Dieser hohe, nötige Artikel, nämlich von Obrigkeit, von Weltgesetzen, ist von den Unsern ganz klar und richtig gegeben, also daß viel große, hohe, ehrbare Leute, die nach ihrem Stand mit Regimenten müssen umgehen und in großen Händeln sein, bekennen, daß ihre Gewissen merklichen Trost empfangen haben, welche zuvor durch solche Irrtümer der Mönche unsägliche Qual erlitten und in Zweifel standen, ob ihre Stände auch christlich wären, und ob das Evangelium solches nachließe. Dieses haben wir darum erzählt, daß auch die Fremden, Feind und Freund, verstehen mögen, daß durch diese Lehre die Obrigkeit, Landregiment, kaiserlich Recht und andere nicht niedergestoßen, sondern vielmehr hoch gehoben und geschützt werden, daß auch diese Lehre erst recht Unterricht gibt, wie ein herrlich, groß Amt, voll christlicher, guter Werke, das Amt der Regimente ist usw.; welches alles zuvor durch die heuchlerische Mönchslehre für sündliche, weltliche Stände, Leben und Wesen zu unsäglicher Gefahr des Gewissens gehalten ist worden. Denn die Mönche haben solche Heuchelei erdichtet, ihre Demut und Armut viel höher gerühmt und gehalten denn Fürsten- und Herren-, Vater-, Mutter-, Hausvater-stand; so doch diese Stände Gottes Wort und Befehl haben, die Möncherei aber keinen Befehl Gottes hat.

 

Artikel XVII. Von der Wiederkunft Christi zum Gericht.

 

Den XVII. Artikel nehmen die Widersacher an, da wir bekennen, daß Christus am Jüngsten Tage kommen werde, die Toten auferwecken, den Frommen das ewige Leben und Freude geben, die Gottlosen zu ewiger Pein mit dem Teufel ver-dammen.

 

Artikel XVIII. Vom freien Willen.

 

Den XVIII. Artikel nehmen die Widersacher an vom freien Willen, wiewohl sie etliche Sprüche der Schrift anziehen, die sich zu der Sache nicht reimen. Auch machen sie ein groß Geschrei davon, daß, wie man den freien Willen nicht solle zu hoch heben wie die Pelagianer, so soll man ihm nicht zu viel nehmen mit den Manichäern. Ja alles wohl geredet. Was ist aber für Unterschied zwischen den Pelagianern und unsern Widersachern, so sie beide lehren, daß die Menschen ohne den Heiligen Geist können Gott lieben, Gottes Gebote halten quoad substantiam actuum, das ist, die Werke können sie tun durch natürliche Vernunft, ohne den Heiligen Geist, dadurch sie die Gnade Gottes verdienen? Wie viele, unzählige Irrtümer erfolgen aus dieser pelagianischen Lehre, die sie gleichwohl in ihren Schulen gar stark treiben und predigen! Dieselben Irrtümer widerficht Augustinus aus Paulo aufs heftigste, dessen Meinung wir oben De iustificatione gesetzt. Und wir sagen auch, daß die Vernunft etlichermaßen einen freien Willen hat. Denn in den Dingen, welche mit der Vernunft zu fassen, zu begreifen sind, haben wir einen freien Willen. Es ist etlichermaßen in uns ein Vermögen, äußerlich ehrbar zu leben, von Gott zu reden, einen äußerlichen Gottesdienst oder heilige Gebärde zu erzeigen, Obrigkeit und Eltern zu gehorchen, nicht zu stehlen, nicht zu töten. Denn dieweil nach Adams Fall gleichwohl bleibt die natürliche Vernunft, daß ich Böses und Gutes kenne in den Dingen, die mit Sinnen und Vernunft zu begreifen sind, so ist auch etlichermaßen unsers freien Willens Vermögen, ehrbar oder unehrbar zu leben. Das nennt die Heilige Schrift die Gerechtigkeit des Gesetzes oder Fleisches, welche die Vernunft etlicher-maßen vermag ohne den Heiligen Geist, wiewohl die angeborne böse Lust so gewaltig ist, daß die Menschen öfter derselben folgen denn der Vernunft, und der Teufel, welcher, wie Paulus sagt, kräftiglich wirkt in den Gottlosen, reizt ohne Unterlaß die arme, schwache Natur zu allen Sünden. Und das ist die Ursache, warum auch wenig der natürlichen Vernunft nach ein ehrbar Leben führen, wie wir sehen, daß auch wenig Philosophi, welche doch danach heftig sich bemüht, ein ehrbar äußerlich Leben recht geführt haben. Das ist aber falsch und erdichtet, daß diejenigen sollten ohne Sünde sein, die solche Werke tun außerhalb der Gnade, oder daß solche gute Werke de congruo Vergebung der Sünden und Gnade verdienen sollten. Denn solche Herzen, die ohne den Heiligen Geist sind, die sind ohne Gottesfurcht, ohne Glauben, Vertrauen, glauben nicht, daß Gott sie erhöre, daß er ihre Sünden vergebe, daß er ihnen in Nöten helfe. Darum sind sie gottlos. Nun kann „ein böser Baum nicht gute Frucht tragen“, und „ohne Glauben kann niemand Gott gefallen.“ Darum, ob wir gleich nachgeben, daß in unserm Vermögen sei, solch äußerlich Werk zu tun, so sagen wir doch, daß der freie Wille und Vernunft in geistlichen Sachen nichts vermag, nämlich Gott wahrhaft glauben, gewiß sich zu verlassen, daß Gott bei uns sei, uns erhöre, unsere Sünden vergebe usw. Denn das sind die rechten, hohen edelsten guten Werke der ersten Tafel in den zehn Geboten; die vermag kein Menschenherz ohne des Heiligen Geistes Licht und Gnade zu tun, wie Paulus sagt zu den Korinthern: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes.“ Das ist, ein Mensch, der nicht erleuchtet ist durch Gottes Geist, vernimmt gar nichts aus natürlicher Vernunft von Gottes Willen oder göttlichen Sachen. Und das empfinden die Menschen, wenn sie ihr Herz fragen, wie sie gegen Gottes Willen gesinnt seien, ob sie auch gewiß dafürhalten, daß Gott ihrer wahrnehme und sie erhöre. Denn solches gewiß zu glauben und also auf einen unsichtbaren Gott sich ganz zu verlassen und, wie Petrus sagt, 1. Pet. 1,8, den Christum, den wir nicht sehen, zu lieben und groß zu achten, das kommt auch die Heiligen schwer an; wie sollte es denn in den Gottlosen leicht sein? Dann heben wir an recht zu glauben, wenn unsere Herzen erst erschreckt werden und durch Christum wieder aufgerichtet, da wir durch den Heiligen Geist neugeboren werden, wie oben gesagt. Darum ist's gut, daß man dieses klar unterscheidet, nämlich, daß die Vernunft und freier Wille vermag, etlichermaßen äußerlich ehrbar zu leben; aber neugeboren werden, inwendig ander Herz, Sinn und Mut kriegen, das wirkt allein der Heilige Geist. Also bleibt weltliche, äußerliche Zucht; denn Gott will ungeschicktes, wildes, freches Wesen und Leben nicht haben, und wird doch ein rechter Unterschied gemacht unter äußerlichem Weltleben und Frömmigkeit und der Frömmigkeit, die vor Gott gilt, die nicht philosophisch äußerlich ist, sondern inwendig im Herzen. Und diesen Unterschied haben wir nicht erdichtet, sondern die Heilige Schrift setzt solches klar. So behandelt es auch Augustinus. Und ist neulich von Guilielmo Parisiensi auch fleißig geschrieben und gehandelt. Aber diejenigen, die sich selbst erdichten und erträumen, als vermöchten die Menschen Gottes Gesetz zu halten ohne den Heiligen Geist, und als werde der Heilige Geist uns Gnade geben in Ansehung unsers Verdienstes, haben diese nötige Lehre schändlich unterdrückt.

 

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