Das einundzwanzigste Capitel.

Wie ein Freund Christi von außen williglich vollbringt mit den Werken die Dinge, die da sollen und müssen sein, und mit den übrigen bekümmert er sich nicht.

 

Nun möchte man fragen: wie steht es um einen solchen Menschen, der nach Möglichkeit diesem wahren Licht zuweilen nahe kommt? Ich spreche fürwahr: es wird nimmer recht gesagt, denn der es nicht ist, der kann es nicht verstehen noch wissen, der es aber ist, der weiß es allein, aber er kann es nicht sagen, denn es ist unaussprechlich. Darum wer es wissen will, der halte sich mit ganzem Fleiße, daß er es werde; so wird er erkennen und finden, was nie keines Menschen Mund aussprach. Doch glaube ich, daß eines solchen Menschen Weise und äußerer Wandel also frei stehe: was sein muß und soll, das möge wohl damit bestehen, aber was nicht muß und soll sein, sondern ein lauteres Wollen sein muß, das mag nicht bestehen. Aber mancher Mensch macht sich selber viel Soll- und Mußsein, das doch falsch ist. Das merket hiebei. Denn treibt den Menschen seine Hochfahrt, Geizigkeit und andere Untugend und Bosheit dazu, etwas zu thun oder zu lassen, so spricht er: „es muß und soll sein.“ Treibt ihn der Leute Gunst, Liebe, Freundschaft oder Feindschaft und seines Leibes Lust und Begierde irgend zu oder ab, so spricht er: „es soll und muß sein.“ Sieh, das ist alles falsch. Hätte der Mensch kein anderes Muß- oder Sollsein denn wozu ihn Gott und die Wahrheit weiset und treibt, er hätte zuweilen minder zu schaffen und zu thun als jetzt: denn gar viel Unruhe und Anfechtung macht sich der Mensch selber, der er wohl überhoben wäre.

 

Das zweiundzwanzigste Capitel.

Wie der Geist Gottes zuweilen einen Menschen besitzt und seiner mächtig ist und auch der böse Geist.

 

Man spricht, der Teufel und sein Geist habe zuweilen einen Menschen besessen und behaftet, also daß der Mensch nicht weiß, was er thut oder läßt und er ist seiner selbst unmächtig, sondern der böse Geist ist sein gewaltig und thut und läßt in dem Menschen und mit ihm, durch ihn und aus ihm, was er will. Es ist wahr in einem Sinn, daß alle die Welt behaftet und besessen ist mit dem bösen Geiste, das heißt mit Lügen und mit Falschheit und mit anderer Bosheit und Untugenden: das ist alles der böse Geist, wie wohl es doch auch in einem andern Sinn zu nehmen ist. Der nun besessen und ergriffen wäre von dem Geist Gottes, also, daß er nicht wüßte, was er thäte oder ließe und also seiner selbst nicht mächtig wäre, sondern der Wille und der Geist Gottes wäre seiner gewaltig und wirkte und thäte und ließe mit ihm und aus ihm, was und wie ers wollte: das wäre der Menschen Einer, von denen Sankt Paulus spricht: „die von Gottes Geist gerichtet und geführt werden, die sind Gottes Kinder und sind nicht unter dem Gesetz,“ und zu denen Christus sprach: „ihr seid’s nicht, die da reden, sondern der Geist eures Vaters redet in euch.“ Aber ich fürchte, wo ein Mensch wahrlich mit dem Geiste Gottes besessen sei, daß dawider hunderttausende oder Unzählige mit dem bösen Geiste besessen sind. Das kommt davon, daß die Menschen mehr Gleichheit haben mit dem bösen Geiste denn mit Gott. Denn Ichheit, Selbstheit, Mein, Mir und desgleichen gehört alles dem bösen Geist zu, und deshalb ist er ein böser Geist. Sieh, ein einziges Wort oder zwei sprechen alles aus, was diese vielen Worte sprechen, das ist: sei lauterlich und gänzlich ohne dich selbst. Aber diese vielen Worte haben es mehr und besser erklärt und bewährt und unterschieden. Nun spricht man: „ich bin zu diesem allem nicht bereit, darum mag es in mir nicht geschehen;“ und also findet man eine Entschuldigung. Daß der Mensch nicht bereit ist oder wird, das ist wahrlich nur seine Schuld. Denn hätte der Mensch anders nicht zu achten und zu schaffen, denn daß er allein der Bereitung wahrnähme in allen Dingen und dächte mit ganzem Fleiße darauf, wie er dazu bereit werden möchte, in Wahrheit, Gott würde ihn wohl bereiten, und Gott hat also großen Fleiß und Ernst und Liebe zu der Bereitung als zu dem Eingießen, wenn der Mensch bereit wäre. Doch sind etliche Werke hier nötig, gleichwie man spricht: wer eine Kunst lernen will, die er nicht kann, dazu gehören vier Dinge. Das erste, das am allernötigsten ist, das ist große Begierde und Fleiß und stetiger Ernst, wie er diese Kunst möge lernen. Und wo dies nicht ist, da wird die Kunst nimmer gelernt. Das andere ist, daß man ein Vorbild habe, daran man lernen könne. Das dritte ist, daß man dem Lehrmeister mit ganzem Fleiß genau und wohl zusehe und mit Ernst auf Ihn achte und merke und Ihm in allen Dingen gehorsam sei und Ihm glaube und nachfolge. Das vierte Stück ist, daß man es selbst angreife und mit Fleiß übe. Wo aber dieser Eines gebricht, da wird die Kunst nimmer gelernt oder über-kommen. Also ist es auch um diese Bereitung; denn wer das erste hat, das ist ganzer Fleiß und stete ernstliche Begierde nach dem Ende, der sucht auch und findet alles das, was darzu gehört und darzu dient und nützlich ist. Wer aber den Ernst und Fleiß, die Liebe und Begierde nicht hat, der sucht auch nicht, so findet er auch nicht, und bleibt also unbereitet. Darum so kommt er nimmer zu dem Ende.

 

Das dreiundzwanzigste Capitel.

Wer Gott leiden soll und gehorsam sein will, der muß alle Dinge leiden, das ist: Gott, sich selber und alle Kreatur, und muß allen gehorsam sein in leidender und auch in thätiger Weise.

 

Es sagen etliche Menschen von andern Wegen und Bereitung hiezu und sprechen, man solle Gott leiden und Ihm gehorsam und gelassen und unterthan sein. Das ist wahr: denn wer zu dem Ende käme, das man in dieser Zeit haben oder bekommen kann, in demselben Menschen wäre dies alles in rechter Vollkommenheit. Aber wer Gott leiden will und soll, der muß und soll alle Dinge leiden, das ist: Gott, sich selber und alle Kreatur, Nichts ausgenommen; und wer Gott gehorsam, gelassen und unterthan sein soll und will, der muß und soll auch allen Dingen gelassen, gehorsam und unterthan sein in leidender Weise und nicht in thätiger Weise, und dies Alles in einem schweigenden Innenbleiben in dem inwendigen Grunde seiner Seele und in einer heimlichen verborgenen Geduldigkeit, alle Dinge oder Widerwärtigkeit williglich zu tragen und zu leiden und in allen diesen Dingen keinen Behelf noch Entschuldigung noch Widerrede oder Rache zu thun oder zu begehren, sondern allezeit in einer lieblichen, wahren Demütigkeit zu sprechen: „Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun.“ Sieh, das wäre ein guter Weg zu dem Besten und eine edle und selige Bereitung zu dem letzten Ende, das der Mensch in dieser Zeit bekommen kann, das ist das liebliche Leben Christi. Denn in dem Leben Christi sind und werden die vorgenannten Wege alle völlig und gänzlich behalten bis an das Ende des leiblichen Lebens. Darum ist zu dem wonniglichen Leben Jesu Christi kein anderer und besserer Weg oder Bereitung denn dasselbe Leben und die Übung darin, so viel es möglich ist. Und was dazu gehört, davon ist vorher etwas gesagt, und alles das, was hier und anderswo gesprochen und geschrieben ist, das ist alles Weg und Weise zu dem Ende. Aber was das Ende sei, davon weiß Niemand zu sagen. Wer es aber gern wüßte, der folge meinem Rate und gehe den rechten Weg dazu, das ist das demütige Leben Jesu Christi; demselben folge man nach mit stetem Beharren, so kommt man ohne Zweifel zu dem Ende, das da ewiglich währt: denn wer ausharrt bis ans Ende, der wird selig.

 

Das vierundzwanzigste Capitel.

Vier Dinge gehören dazu, daß der Mensch empfänglich werde göttlicher Wahrheit und besessen werde mit dem heiligen Geist.

 

Noch sind mehr Wege zu dem lieblichen Leben Jesu Christi, wie schon vorn gesagt ist, das ist: wo und wann Gott und Mensch gänzlich vereinigt worden sind, also daß man in der Wahrheit spricht: Gott und der Mensch seien ein Ding. Das geschieht auf solche Weise. Wenn die Wahrheit allzeit vorher geht, also daß wahrer vollkommener Gott und wahrer vollkommener Mensch Eins ist und doch der Mensch Gott so gar entweicht, daß Gott da selber ist der Mensch und der Mensch auch daselbst Gott ist, und diese wahre Einigkeit wirkt da stetiglich und thut und läßt ohne alles Ich, Mir, Mein, Mich und desgleichen: sieh, da ist wahrer Christus und anders nirgend. Weil nun hier wahrer, vollkommener Mensch ist, so ist auch hier vollkommenes Verständnis und Empfinden, Wohles und Wehes, Liebe und Leides, Saures und Süßes, Freude und Traurigkeit und alles, das gemerkt und empfunden werden kann von außen und von innen. Und weil dann Gott allda derselbe Mensch ist, so ist ER auch verständig und empfindlich Liebes und Leides, Böses und Gutes und desgleichen. Wie ein Mensch, der nicht Gott ist, empfindet und merkt alles das, das dem Menschen wohl und wehe thut und geht ihm zu Herzen, und besonders was ihm zuwider ist, also ist es auch, da Gott und Mensch Eins ist und doch Gott der Mensch ist: da wird alles das vernommen und empfunden, das Gott und dem Menschen zuwider ist. Und wie daselbst der Mensch zu Nichte wird und Gott Alles allein ist, also verhält es sich auch mit dem, das dem Menschen zuwider ist und sein Leiden ist. Und dies muß währen von Gott, so lange das leibliche und wesenhafte Leben währt und ist. Auch soll man merken, daß das Eine, da Gott und Mensch vereinigt sind, ohne sich selber und aller Dinge ledig steht, und ob etwas da ist, das ist Gottes wegen und nicht des Menschen oder der Kreatur wegen. Denn Gottes Eigenschaft ist ohne dies und ohne das und ohne Selbstheit und Ichheit und dem es gleich stehe und sei: aber der Kreatur Natur und Eigen ist, daß sie sich selber und das Ihre und dies und das hie und da sucht und will in allem dem, was sie thut oder läßt, ihren Frommen und Nutzen empfangen. Wo nun die Kreatur oder der Mensch sein Eigen und seine Selbstheit und sich selbst verliert und ausgeht, da geht Gott ein mit Seinem Eigen, das ist mit Seiner Selbstheit.  

 

Das fünfundzwanzigste Capitel.

Von zweien bösen Früchten, die da wachsen aus dem Samen des bösen Geistes, und sind zwei Schwestern, die da gern bei einander wohnen. Die eine heißt geistlicher Reichtum und Hoffart, die andere ungeordnete, falsche Freiheit.

 

Wenn nun der Mensch alle die Wege gegangen ist, die ihn zu der Wahrheit weisen, und er sich darin geübt hat, und ist ihm gar sauer geworden: so lange und so viel er nun meint, es sei nun alles geschehen, er sei nun ganz gestorben dieser Welt und seines Selbstes ausgegangen und allein Gott gelassen, so kommt dann zuweilen der böse Geist und säet seinen Samen darein. Aus dem Samen wachsen zwei Früchte. Die eine ist geistlicher Reichtum oder geistliche Hoffart; die andere ist ungeordnete, falsche Freiheit. Das sind zwei Schwestern, die oft und gern bei einander sind. Sieh, dies erhebt sich also. Der böse Geist bläst dem Menschen ein, daß den Menschen dünkt und er meint, er sei nun auf das Höchste und auf das Nächste gekommen und er bedürfe weiter weder Schrift noch Lehre mehr und weder dies noch das, und er sei auch zumal unbedürftig geworden. Und davon steht dann in ihm ein falscher Friede auf und ein Wohlgefallen seiner selbst, und daraus folgt dann, daß er spricht und denkt: ja, nun bin ich über alle Menschen und weiß und verstehe mehr denn alle diese Welt: darum ist es wohl billig und recht, daß ich aller Kreaturen Herr und Gebieter sei und daß mir alle Kreaturen und besonders alle Menschen dienen und mir unterthänig seien, und sucht dann und begehrt dasselbe und nimmt es auch gar gern von allen Kreaturen und besonders von den Menschen und dünkt sich dessen alles wohl würdig zu sein und man sei es ihm auch schuldig und er hält alle Menschen wie das Vieh, und alles, das seinem Leib und Leben und seiner Natur zu Gut, zu Nutz, zu Freude und Lust und zu Kurzweil und Ergötzlichkeit geschehen kann, dessen dünkt er sich alles würdig und sucht und nimmt das, wo es ihm werden kann. Es dünkt ihn auch alles zu klein und zu wenig, was man ihm thut oder thun mag, denn er meint, er sei noch viel mehr und größerer Ehren würdig denn man ihm thun könne; und alle die Menschen, die ihm dienen und unterthänig sind, ob sie auch Diebe oder Mörder seien, so spricht er doch, es seien edele, getreue Herzen und haben Liebe und Treue zu der Wahrheit und zu armen Menschen. Und solche Menschen werden von ihm gelobt und er sucht sie und folget ihnen nach, wo sie sind. Aber wer diesen hoffärtigen Menschen nicht thut nach ihrem Willen und ihnen nicht unterthänig ist, der ist auch ungesucht von ihnen und gar leicht gescholten und ungelobt, ob er gleich so heilig wäre als Sankt Peter. Weil nun diese reiche und geistliche Hoffart dünkt, sie bedürfe nicht Schrift noch Lehre und desgleichen, so werden da alle Weise, Ordnung und Gesetze und Gebote der heiligen, christlichen Kirche und die Sakramente für nichts geachtet und auch für einen Spott, und auch alle Menschen, die mit dieser Ordnung umgehen und davon etwas halten. Dabei merkt man wohl, daß diese zwei Schwestern bei einander wohnen. Weil auch diese reiche Hoffart dünkt, sie wisse und verstehe mehr denn alle Menschen, so will sie auch mehr schwatzen denn alle andere Menschen und will auch, daß alle ihre Worte und ihre Rede allein solle geachtet und gehört werden und aller anderen Menschen Wort und Rede soll ein Unrecht sein, und hält auch das für einen Spott und für eine Torheit.

 

Das sechsundzwanzigste Capitel.

Von Armut des Geistes und wahrer Demut, und wobei man erkennen soll die gerechten, geordneten wahren Freien, welche die Wahrheit frei gemacht hat.

 

Wo aber geistliche Armut ist und wahre Demut, da ist es viel anders, und dies kommt davon, daß in Wahrheit gefunden und erkannt wird, daß der Mensch von sich selber und von dem Seinen nichts ist noch vermag oder hat noch taugt, denn allein Gebrechen, Untugend und Bosheit. Darnach folgt, daß sich der Mensch zumal ganz unwürdig findet alles dessen, was ihm von Gott und von allen Kreaturen je geschehen ist oder geschehen kann, und daß er Gott verpflichtet ist und auch allen Kreaturen an Gottes Statt in leidender Weise und zuweilen in thätiger Weise und auch in dienender Weise. Und darum hat man in der Wahrheit zu nichts ein Recht, und es wird da gesprochen aus einem demütigen Herzen: „es ist billig und recht, daß Gott und alle Kreaturen wider mich sind, und ein Recht über mich und an mich haben, und daß ich wider Niemand sei und auch zu Nichts Recht habe. Darnach folgt dann, daß der Mensch nichts bitten oder begehren darf oder will, weder von Gott noch von den Kreaturen, außer allein bloße Notdurft, und dasselbe alles mit Furcht und aus Gnaden und nicht von Recht, und läßt auch seinem Leib und aller seiner Natur nicht mehr zu Gut und zu Lust geschehen denn die bloße Notdurft, und gestattet auch nicht, daß ihm Jemand helfe oder diene außer in lauterer Notdurft, und dasselbe alles mit Furcht. Weil er zu Niemand Recht hat, darum dünkt er sich aller Dinge unwürdig zu sein. Auch dünkt diesen Menschen, daß alle seine Rede, Weise, Worte und Werke nichts seien und ganz eine Torheit. Darum redet er wenig und nimmt sich nicht an, Jemand zu lehren oder zu strafen, es treibe ihn denn göttliche Liebe und Treue dazu, und dasselbe geschieht dann alles mit Furcht und auch so gelind er kann. Auch wird in dieser geistlichen Armut und Demut verstanden und gefunden, daß alle Menschen auf sich selbst und zu Untugend und zu Bosheit geneigt und gekehrt sind, und daß es darum nötig und nützlich ist, daß Ordnung und Weise, Gesetz und Gebot seien, daß die Blindheit und der Unverstand der Menschen dadurch gelehrt werde, und daß die Untugend und Bosheit unterdrückt und zur Ordnung gezwungen werde; denn wäre das nicht, die Menschen würden viel böser und unordentlicher denn die Hunde und das Vieh. Es wird auch mancher Mensch durch diese Weise und Ordnung gezogen und gekehrt zu der Wahrheit, das sonst nimmer geschähe. Es sind auch wenige Menschen zu der rechten Wahrheit gekommen, sie haben denn zuvor Weise und Ordnung angefangen und haben sich darin geübt, dieweil sie nichts Anderes noch Besseres wußten. Darum sind Gesetz und Gebot, Ordnung und Weise in demütigem Geistlichsein und geistlicher Armut nicht verschmäht noch verspottet, noch auch die Menschen, die damit umgehen und sie handhaben, sondern da wird gesprochen in einem lieblichen Erbarmen und in einem klagenden Jammer: „Allmächtiger, Du ewige Wahrheit, Dir sei geklagt, und Du klagest es auch selber, daß menschliche Blindheit, Gebrechen und Bosheit macht, daß das nötig ist und sein muß, das in der Wahrheit nicht nötig ist noch sollte sein.“ Denn die da vollkommen sind, die sind unter keinem Gesetze. Darum sind Ordnung, Gesetz, Gebot und desgleichen nur eine Unterweisung der Menschen, die nichts Besseres verstehen oder Anderes wissen, noch auch erkennen, warum alle Gesetze und Ordnung geschaffen sind. Und die vollkommenen Menschen greifen es an mit solchen einfältigen Menschen, die nichts Anderes noch Besseres verstehen oder wissen, und üben es mit ihnen, daß man sie dabei behalte, damit sie nicht zu bösen Dingen kommen, oder daß man sie zu einem Näheren bringen möchte. Sieh, alles, das hievor gesprochen ist von Armut und Demut, das ist in der Wahrheit also, und man bewährt und bezeugt das mit dem reinen Leben Christi und mit Seinen Worten, denn ER hat alle Werke der wahren Demut geübt und vollbracht und auch alle Tugenden, wie man in Seinem heiligen Leben klärlich findet. ER spricht es auch mit Worten: „lernet von Mir, denn Ich bin sanftmütig und eines demütigen Herzens.“ ER hat auch die Ehe und das Gesetz nicht versäumt noch verschmäht oder die Menschen in der Ehe. ER spricht: „Ich bin nicht gekommen, die Ehe oder das Gesetz zu brechen, sondern zu erfüllen.“ Aber ER spricht, es sei damit nicht genug: man solle fürbaß zu einem Höheren und Besseren kommen, wie es in der Wahrheit also ist. ER spricht: „es sei denn, daß eure Gerechtigkeit mehr und vollkommener sei denn der Schreiber und Pharisäer, so möget ihr nicht eingehen in das Reich der Himmel.“ Denn das Gesetz verbietet die bösen Werke, aber Christus verdammt auch die bösen Gedanken. Das Gesetz erlaubt auch, daß man sich an den Feinden rächen mag, aber Christus gebietet die Feinde zu lieben. Das Gesetz erlaubt das zeitliche Gut, aber ER ratet, man solle es alles verschmähen und das ER Alles bewährt, mit Seinem heiligen Leben: denn ER hat anders Nichts gelehrt, ER habe es denn zuvor vollbracht mit den Werken, und hat doch das Gesetz gehalten und ist ihm unterthan gewesen bis in den leiblichen Tod. Es spricht auch Sankt Paulus „Christus nahm die Ehe an Sich, auf daß er die, die unter der Ehe waren, erlöste.“ Damit meint ER, daß ER sie zu einem Nähern und Bessern möchte bringen. ER sprach auch: „Ich bin nicht gekommen, daß man Mir diene, sondern daß Ich diene.“ Kürzlich, in Christi Leben, Worten und Werken findet man nichts anders denn wahre, lautere Demut und Armut, wie hievor gesprochen ist. Und darum, wo Gott der Mensch ist und der Mensch ein wahrer Nachfolger Christi ist, da muß es und soll auch notwendig also sein. Wo aber der Hochmut ist und geistlicher Reichtum und das leichte, freie Gemüt, da ist Christus nicht noch ein wahrer Nachfolger Christi. Christus sprach: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.“ ER meinte den leiblichen Tod; das war: von der Zeit, daß ER von Maria geboren ward, bis in den leiblichen Tod hatte ER nie einen guten Tag, sondern Trübsal, Leiden und Widerwärtigkeit. Darum soll es auch billig also in Seinem Diener sein. Christus spricht auch: „selig sind die, die des Geistes arm sind (das sind die wahren Demütigen), denn Gottes Reich ist ihr.“ Also findet man es in Wahrheit, wo Gott Mensch ist. Denn wo Christus und Seine wahren Nachfolger sind, da muß notwendig wahre gründliche Demütigkeit und geistliche Armut sein und ein niedergedrücktes in sich gekehrtes Gemüt, und das soll inwendig voll heimlichen, verborgenen Jammers und Leidens sein bis in den leiblichen Tod. Und wer anders wähnt, der ist betrogen und betrügt andre Leute mit sich, wie vorn gesagt ist. Und darum kehrt sich alle Natur und Selbstheit von diesem Leben und hält sich zu dem falschen, freien und ledigen Leben, wie vorn gesprochen ist. Sieh, nun kommt aber ein Adam oder ein böser Geist und will sich behelfen und entschuldigen und spricht: man sagt immer, Christus wäre ohne Selbstsucht und desgleichen: nun sprach ER doch oft von Sich selber und rühmte Sich dies und das und dergleichen. Antwort: wo Wahrheit wirkt und wollen soll und will, da ist ihr Wille und Begierde und Werk auf nichts anders gerichtet, denn daß die Wahrheit erkannt und offenbar werde, und dies war in Christo, und dazu gehörten Worte und Werke. Und was dazu das Nützlichste und das Beste war und was davon geschah, dessen stund ER ganz ledig sowie anderer Dinge die da geschahen. Nun sprichst du aber: „so war doch ein Warum in Christo?“ Ich spreche: der die Sonne fragte, warum scheinest du, sie spräche: ich muß scheinen und kann nicht anders, denn es ist meine Eigenschaft und gehört mir zu, und derselben Eigenschaft und des Scheines stehe ich ganz ledig und nehme mich dessen nicht an. Also ist es auch um Gott und Christum und Alles, was göttlich ist und Gott zugehört: das will, wirkt und begehrt nichts anders denn Gut als Gut und um Gut, und da ist anders kein Warum.

 

Das siebenundzwanzigste Capitel.

Wie man das verstehen soll, daß Christus spricht, man solle alle Dinge verlieren, und woran die wahre Vereinigung mit dem göttlichen Willen gelegen sei.

 

Darnach soll man merken. Wenn man spricht und auch Christus spricht, man solle alle Dinge lassen und verlieren, das soll man nicht also verstehen, daß der Mensch nichts zu thun oder zu Handen solle haben, denn der Mensch muß je etwas zu thun und zu schaffen haben dieweil er lebt. Aber man soll es also verstehen, daß alles des Menschen Vermögen, Thun und Lassen, Bekenntnis und Wissen und auch aller Kreaturen das nicht ist, woran die Vereinigung liegt. Worin besteht nun die Vereinigung? Darin, daß man lauterlich und einfältiglich und gänzlich in der Wahrheit einfältig sei mit dem einfältigen ewigen Willen Gottes oder zumal ohne Willen sei und daß der geschaffene Wille geflossen sei in den ewigen Willen und darin verschmolzen sei und zu nichte geworden sei also, daß der ewige Wille allein daselbst wolle, thue und lasse. Nun merke: was kann dem Menschen hier dienen oder helfen? Sieh, das vermag weder Weise, Wort noch Werk und auch keiner Kreatur noch aller Kreaturen Werk. Also soll man alle Dinge lassen und verlieren das ist, daß man nicht wähnen oder denken soll, daß ein Wert, Wort oder Weise, Kunst oder Meisterschaft oder kürzlich alles das geschaffen ist, das kann alles hiezu weder dienen noch helfen. Darum so muß man dies alles sein lassen, was es ist und muß gehen in die Einigung. Doch müssen die Dinge sein und man muß thun und lassen, und besonders der Mensch muß schlafen und wachen, gehen und stehen, reden und schweigen, essen und trinken und viel mehr dergleichen, das doch sein muß, dieweil der Mensch lebt.

 

Das achtundzwanzigste Capitel.

Wie nach der Vereinigung mit dem göttlichen Willen der innere Mensch unbeweglich steht und der äußere Mensch hin und her bewegt wird.

 

Und wo die Einigung geschieht in der Wahrheit und wesenhaft wird, da steht weiterhin der innere Mensch in der Einigung unbeweglich und Gott läßt den äußern Menschen hin und her bewegt werden von diesem zu dem. Das muß und soll sein und geschehen, daß der äußere Mensch spricht und es auch in der Wahrheit also ist: „ich will weder sein noch nicht sein, weder leben noch sterben, wissen oder nicht wissen, thun oder lassen, und alles das diesem gleich ist, sondern alles, das da muß und soll sein und geschehen, dazu bin ich bereit und gehorsam, es sei in leidender Weise oder in thätiger Weise.“ Und also hat der äußere Mensch kein Warum oder Suchen, außer allein dem ewigen Willen genug zu sein. Denn das wird erkannt in der Wahrheit, daß der innere Mensch stehen soll unbeweglich und der äußere Mensch muß und soll bewegt werden; und hat der innere Mensch in seiner Beweglichkeit ein Warum, das ist nichts anderes, denn ein Muß- und Sollsein, geordnet von dem ewigen Willen. Und wo Gott selber der Mensch wäre oder ist, da ist Ihm also. Das merkt man wohl an Christo. Auch wo dies in göttlichem und aus göttlichem Lichte geschieht, da ist nicht geistliche Hoffart noch unachtsame Freiheit oder freies Gemüt, sondern grundlose Demut und ein niedergeschlagenes, in sich gesenktes, betrübtes Gemüt und ganze Ordnung und Verständigkeit, Gleichheit und Wahrheit, Friede und Genügsamkeit, und Alles das, was allen Tugenden zugehört, das muß da sein. Wo es anders ist, da ist ihm nicht recht, wie vorn gesprochen ist. Denn recht wie dies oder das zu dieser Einigung nicht helfen oder dienen kann, also ist auch nichts, das sie irren oder hindern kann, als allein der Mensch selber mit seinem eigenen Willen, der thut ihm diesen großen Schaden. Das soll man wissen.

 

Das neunundzwanzigste Capitel.

Wie der Mensch vor seinem Tode nicht dazu kommen kann, daß er von außen unempfindlich und unbeweglich werde.

 

Es sprechen etliche Menschen, der Mensch könne und solle werden in dieser Zeit unempfindlich in aller Weise, wie Christus war nach Seiner Auferstehung, und das wollen sie damit beweisen und bewähren, daß Christus sprach: „Ich will euch vorgehen in Galiläa: da sollt ihr Mich sehen,“ und auch daß ER sprach: „ein Geist hat weder Fleisch noch Gebein wie ihr Mich gesehen habt.“ Und das will man also auslegen: wie ihr Mich gesehen habt und Mir nachgefolgt seid mit einem tötlichen Leib und Leben, also sollt ihr Mich auch sehen und Ich soll euch vorgehen und ihr Mir nachfolgen nach Galiläa, das ist in einer Unempfindlichkeit und in einer Unbeweglichkeit, die ihr befinden und schmecken sollt, und sollt darin leben und bleiben, eh’ denn ihr den leiblichen Tod durchgeht und erleidet. Und als ihr Mich sehet Fleisch und Gebein haben und Ich doch unempfindlich bin, also sollt ihr auch dem leiblichen Tode in eurer Leiblichkeit und tötlichen Menschlichkeit unempfindlich werden. Nun antwortet man und spricht vorerst zu dieser Auslegung, daß Christus nicht gemeint hat, daß der Mensch hierzu kommen solle oder könne, ER habe denn zuvor alles das durchgangen und gelitten, das Christus durchgangen und gelitten hat. Nun war Christus nicht hierzu gekommen, eh’ denn ER den leiblichen Tod durchgangen und gelitten hatte und was dazu gehört; also kann oder soll kein Mensch dazu kommen, so lange er tödlich ist und empfindlich. Denn wäre das das Edelste und das Beste und wäre es auch möglich, daß es geschähe, und sollte es sein, wie vorn gesprochen ist, daß man in dieser Zeit dazu käme, es wäre in Christo auch geschehen: denn das Leben Christi war und ist das edelste und das beste und Gott das würdigste und liebste Leben, das je ward und immer wird. Da es nun in Christo nicht geschehen sollte oder mochte, so soll es auch in keinem Menschen nimmer geschehen, also daß es in der Wahrheit das Edelste und das Beste sei. Man kann es sich wohl einbilden und kann es sprechen, aber es ist nicht also.

 

Das dreißigste Capitel.

In welcher Weise man kommen kann über alle Weise, Ordnung, Gesetz, Gebot und desgleichen.

 

Man spricht auch, man solle und könne kommen über alle Tugend und über alle Weise und Ordnung, Gebot, Gesetz und Vernunft also, daß man dies alles aufgeben soll und soll es aufschieben und vernichten. Hieran ist etwas Wahres und etwas Unwahres. Das soll man merken. Sieh, Christus war über Christi Leben und über alle Tugend, Weise und Ordnung und was das ist, und der böse Geist ist auch darüber, aber mit Unterschied. Denn Christus war und ist über dies alles in dem Sinne: alle die Worte und Werke und Weise, Thun und Lassen, Schweigen und Reden und Leiden und Alles, das in Christo je geschah, war Ihm nicht nötig und ER bedurfte dessen nicht und es war Ihm kein Nutzen für Sich selber. Sieh, also war und ist es auch um alle Tugend, Ordnung, Gesetz und Vernunft und desgleichen: denn was damit zu erlangen wäre, das ist in Christo alles zuvor und ist vollkommen da. In diesem Sinne ist es auch wahr und wird da erfüllt, das Sankt Paulus spricht: „die von Gottes Geiste geweiset und gewirkt und geleitet werden, die sind Gottes Kinder und die sind nicht unter dem Gesetze. Das ist in einem Sinn. Man darf sie nicht lehren, was sie thun oder lassen sollen, denn ihr Meister, das ist der Geist Gottes, soll sie wohl lehren, was ihnen Not ist zu wissen. Auch darf man ihnen nicht gebieten oder heißen, Gutes zu thun oder Übel zu lassen und desgleichen, denn derselbe edle Meister, der sie lehrt, was gut oder ungut ist oder das Beste sei oder nicht, und sie kürzlich lehrt alle Wahrheit, derselbe gebietet ihnen auch und heißt sie bleiben bei dem Besten und das Andre lassen, und dem sind sie auch gehorsam. Sieh, in dem Sinne bedürfen sie keiner Gesetzlehrer, weder zu lehren noch zu gebieten. Auch in einem andern Sinne bedürfen sie keines Gesetzes: daß sie für sich selbst damit etwas erlangen oder gewinnen, oder sich selber zu irgend etwas nütze seien. Denn was man mit diesen oder auch mit aller Kreaturen Hülfe oder Rede, Worten und Werken erlangen oder zuwege bringen kann auf dem ewigen Wege und zu dem ewigen Leben, das haben sie Alles zum Voraus bereit. Sieh, in diesem Sinne ist es wahr, daß man über alle Gesetze und Tugenden kommen kann und auch über aller Kreaturen Werk und Wissen und Vermögen.

 

Das einunddreißigste Capitel.

Wie man Christi Leben nicht soll wegwerfen, sondern man soll es treiben und damit umgehen bis in den Tod.

 

Aber das Andre, daß man spricht: man solle beide, Christi Leben und alle Gebote und Gesetze und Weise und Ordnung und desgleichen, hingeben und aufschieben und man solle dessen nicht achten und solle es verschmähen und für einen Spott haben, das ist alles falsch und gelogen. Nun möchte man sprechen: sintemal beide, Christus und auch andre Menschen, mit Christi Leben und auch mit allen Weisen und Ordnungen und desgleichen nichts erlangen oder keinen Nutzen schaffen mögen (denn alles, was damit zu erlangen ist, das haben sie bereits), was soll es ihnen denn weiter, daß sie es nicht unterwegen lassen sollen? Sollen sie dennoch damit umgehen und sollen es handhaben und treiben? Sieh, das soll man wohl merken. Es ist zweierlei Licht: ein wahres Licht und ein falsches. Das wahre Licht ist das ewige Licht, das Gott ist, oder es ist ein geschaffenes Licht und ist doch göttlich, und das heißt man Gnade, und dies ist alles ein wahres Licht. Aber das falsche Licht ist Natur oder natürlich. Warum ist aber das erste Licht wahr und das andere falsch? Dies soll man besser merken, denn man schreiben oder sprechen kann. Gott als Gottheit dem gehört nicht zu, weder Wille noch Wissen oder Offenbaren noch dies noch das, das man nennen oder sprechen oder denken kann. Aber Gott als Gott gehört zu, daß ER Sich selbst ausspreche und Sich selber bekenne und liebe und Sich Sich selbst offenbare, und dies alles ohne Kreatur. Und dies ist in Gott noch alles als ein Wesen und nicht als ein Wirken, dieweil es ohne Kreatur ist; und in diesem Aussprechen und Offenbaren wird der persönliche Unterschied. Aber da Gott als Gott Mensch ist oder da Gott lebt in einem göttlichen oder vergotteten Menschen, da gehört Gott Etwas zu, das Sein Eigen ist und Ihm allein zugehört und nicht den Kreaturen, und ist in Sich selber ohne Kreatur ursprünglich und wesenhaft, aber nicht förmlich oder wirklich, und Gott will dasselbe gewirkt und geübt haben, denn es ist darum, daß es gewirkt und geübt werden soll. Was sollte es anders? sollte es müßig sein? wozu wäre es denn nütz? so wäre es ebenso gut, es wäre nicht, und besser: denn was zu Nichts nütze ist, das ist umsonst und das will Gott und die Natur nicht. Wohlan! Gott will das geübt und gewirkt haben, und das kann ohne Kreatur nicht geschehen, daß es also sein soll. Ja sollte weder dies noch das sein, oder wäre weder dies noch das und wäre kein Werk oder Wirksamkeit oder desgleichen, was wäre dann oder sollte Gott selber, oder wessen Gott wäre ER? Man muß hier umkehren und bleiben, denn man möchte diesem so sehr nachhängen und nachforschen, daß man nicht wüßte, wo man wäre oder wie man wieder umkehren solle.

 

Das zweiunddreißigste Capitel.

Wie Gott ein wahres, einfältiges Gut ist und wie ER ein Licht ist, und ein Verständnis und alle Tugend, und wie man das allerhöchste und beste Gut am allerliebsten haben soll.

 

Kürzlich soll man merken. Gott, insofern ER gut ist, so ist ER gut als gut und ist doch weder dies Gut noch das Gut. Hier merke noch etwas. Sieh, was bald hier ist, bald da, das ist nicht an allen Enden und über alle Enden und Stätte; und was bald heut, bald morgen ist, das ist nicht allweg und allzeit und über alle Zeit, und was Etwas ist bald dies oder das, das ist nicht Alles und über Alles. Sieh, wäre nun Gott Etwas, dies oder das, so wäre ER nicht Alles und über Alles, wie ER ist, und so wäre ER auch nicht die wahre Vollkommenheit. Darum ist Gott, und ist doch weder dies noch das, das die Kreatur als Kreatur erkennen, nennen, denken oder sprechen kann. Darum, wäre Gott, insofern ER gut ist, dies Gut oder das Gut, so wäre ER nicht alles Gut und über alles Gut und so wäre ER nicht das einfältige und vollkommene Gut, das ER doch ist. Nun ist Gott auch ein Licht und ein Erkenntnis und es ist Ihm eigen, daß ER leuchte und scheine und erkenne; und darum, weil Gott Licht und Erkenntnis ist, so muß ER leuchten und erkennen, und alles dies Leuchten und Erkennen in Gott ist ohne Kreatur. Es ist nicht da als ein Werk, sondern als ein Wesen oder ein Ursprung. Soll es aber geschehen, als ein Werk in wirkender Weise, das muß in den Kreaturen geschehen. Sehet, wo nun dies Erkenntnis und das Licht in einer Kreatur wirkend ist, da erkennet es und lehrt, das es ist; und also ist es gut und darum ist es weder dies noch das. Es erkennt und lehrt erkennen, daß es ein wahres, einfältiges, vollkommenes Gut ist, das doch weder dies noch das ist, sondern es ist alles Gut und über alles Gut. Nun ist gesprochen, es lehre das einige Gut. Was lehrt es aber von sich? Dies soll man wohl merken. Sieh, gleichwie Gott ein Gut, Erkenntnis und Licht ist, also ist ER auch ein Wille und Liebe und Gerechtigkeit und Wahrheit und ist auch kürzlich alle Tugend und ist durchaus Ein Wesen in Gott und es kann ihrer keins nimmer gewirkt und geübt werden ohne Kreatur, denn es ist in Gott ohne Kreatur nicht anders denn ein Wesen und ein Ursprung, und nicht ein Werk. Aber wo dies Eine, das doch dies alles ist, eine Kreatur an sich nimmt und Gewalt über sie gewinnt und sich dazu fügt und meint, daß es seine Eigenschaft da erkennen könne, sieh, wie es dann ein Wille und eine Liebe ist, so wird es gelehrt von sich selber in dem, als es ein Licht und eine Erkenntnis ist. Es soll nichts wollen denn das Eine, das es ist. Sieh, da wird dann hinfür nicht anders mehr gewollt oder geliebt, denn Gut als Gut und um nichts anders denn darum, daß es gut ist, und nicht darum, daß es dies oder das sei, diesem oder dem lieb oder leid, wohl oder wehe, süß oder sauer sei und desgleichen: darnach wird gar nicht gefragt und geschaut, und auch nicht um sich selber oder als sich selber, denn da ist alle Selbstheit und Ichheit und Ich und Mein und Mir und desgleichen aufgegeben und abgefallen. Da wird nicht gesprochen: ich habe mich lieb oder dich oder dies oder das oder desgleichen. Und spräche man zu der Liebe: „was hast du lieb?“ sie spräche: „ich habe das Gute lieb.“ „Warum?“ Sie spräche: „darum, weil es gut ist, und um Gut.“ So ist es gut und recht und wohlgethan, daß es so gemeint werde, und wäre etwas Besseres denn Gott, das müßte geliebt werden vor Gott. Und darum so hat Sich Gott nicht lieb als Sich selber, sondern als Gut. Und wäre und wüßte er etwas Besseres denn Gott, dasselbe hätte er lieb und nicht Sich selber. Also sehr ist Ichheit und Selbstheit von Gott geschieden und es gehört Ihm nicht zu, sondern nur so viel dessen nötig ist zu der Persönlichkeit. Sieh, dies soll Alles sein und ist in Wahrheit in einem göttlichen oder in einem wahren vergotteten Menschen, denn sonst wäre er nicht göttlich oder vergottet.

 

Das dreiunddreißigste Capitel.

Wie in einem vergotteten Menschen die Liebe lauter und unvermischt ist und wie dieselbe Liebe alle Kreaturen lieben und ihnen das Allerbeste thun will.

 

Hieraus folgt, daß in einem vergotteten Menschen die Liebe lauter und unver-mischt und wohlwollend ist, und darum muß daselbst Alles und alle Dinge geliebt werden und er muß Allem und allen Dingen wohl wollen und gönnen und thun, unvermischt. Ja man thue einem vergotteten Menschen was man will, wohl oder wehe, lieb oder leid und desgleichen, dies oder das, ja der einen vergotteten Menschen hundertmal tötete und würde er allweg wieder lebendig, er müßte den Menschen lieb haben, der ihn also oft getötet hätte, wiewohl er ihm also viel Unrechtes und Übels und Böses gethan hätte, und müßte ihm wohl wollen und gönnen, wünschen und begehren und müßte auch demselben das Allerbeste thun, möchte er es nur nehmen und von ihm empfangen. Das mag man merken und beweisen und bewähren mit Christo. Der sprach zu Judas, da er Ihn verriet: „Freund, warum bist du kommen?“ als ob ER spräche: du hassest Mich und bist Mein Feind: so habe Ich dich lieb und bin dein Freund; du begehrst und gönnest und thust Mir das Allerböseste, das du kannst und magst, so will Ich und begehre und gönne dir das Allerbeste, und gäbe und thäte es dir gern, möchtest du es nur nehmen und empfangen: gleich als ob Gott aus der Menschheit spräche: Ich bin ein lauteres einfältiges Gut, darum kann Ich auch nicht wollen, begehren, gönnen, thun und geben denn Gut. Soll Ich dir dein Übel und deine Bosheit lohnen, das muß ich mit Gut thun, denn Ich bin und habe anders nichts. Hieraus folgt, daß Gott in einem vergotteten Menschen keiner Rache begehrt oder will oder thut um alles das Übel, das man Ihm thun kann oder das Ihm immer geschieht. Das merke man wiederum bei Christo, der da sprach: „Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun.“ Auch ist es Gott eigen, daß ER Niemand zwingt mit Gewalt, zu thun oder zu lassen nach Seinem Willen, es sei gut oder böse, und will Niemand widerstehen. Das merke man abermals in Christo. Der wollte Seinen Feinden nicht widerstehen oder wehren, und da ihnen Petrus wehren wollte, da sprach Christus zu ihm: „Petre, steck’ dein Schwert wieder ein, denn mit Gewalt widerstehen und wehren und zwingen das gehört Mir nicht zu noch den Meinen.“ Auch kann ein vergotteter Mensch Niemand beschweren und betrüben. Das bedeutet also viel: in seinen Willen oder Begierde oder in seine Meinung kommt nimmer, irgend einem Menschen zu Leid oder zu Betrübnis zu thun oder zu lassen, zu reden oder zu schweigen.

 

Das vierunddreißigste Capitel.

Soll der Mensch zu dem Besten kommen, so muß er seinen eigenen Willen lassen, und wer dem Menschen zu seinem Willen hilft, der hilft ihm zu dem Allerbösesten.

 

Nun möchte man sprechen: weil nun Gott einem Jeglichen das Beste will, begehrt und thut, so sollte ER auch einem Jeglichen helfen und ihm thun, daß ihm all’ sein Wille erfüllt würde und geschähe, so dem einen zu Papst, dem andern zu Bischof und desgleichen. Das soll man wissen: wer dem Menschen zu seinem eigenen Willen hilft, der hilft ihm zu dem Allerbösesten. Denn je mehr der Mensch nachfolgt und zunimmt in seinem eigenen Willen, um so ferner ist er von Gott und dem wahren Gut, denn es brennt nichts in der Hölle als eigener Wille. Darum spricht man: thu ab den eigenen Willen, so wird keine Hölle. Nun wollte Gott dem Menschen gern helfen und ihn bringen zu dem, das an sich selber das Beste ist und ist auch dem Menschen unter allen Dingen das Beste. Und soll das geschehen, so muß aller eigner Wille vergehen, wie vorn gesprochen ist, und dazu riete und hälfe Gott dem Menschen gern, denn alldieweil der Mensch sein Bestes sucht, so sucht er nicht sein Bestes, und darum so findet er es auch nimmer: denn des Menschen Bestes wäre und ist, daß er weder sich noch das Seine suche oder meine in keinen Dingen, weder in Geist noch in Natur, sondern allein das Lob und die Ehre Gottes und Seinen göttlichen Willen. Das lehrt und ratet uns Gott. Wer nun will, daß ihm Gott helfe zu dem Besten und zu seinem Besten, der folge Gottes Rat und Seiner Lehre und sei gehorsam Seinen Geboten, so wird und ist ihm geholfen, und anders nicht. Nun lehrt und ratet Gott dem Menschen, daß er sich selber und alle Dinge lassen soll und soll Ihm nachfolgen. Denn wer seine Seele, das ist sich selber, lieb hat und sie behüten und behalten will, der verliert sie, das ist, wer sich und das Seine in den Dingen sucht, der wird die Seele verlieren. Aber wer seine Seele haßt, das ist, wer sich selber und alles das Seine verliert, und ausgiebt seinen eigenen Willen und allein vollbringt Gottes Willen, dessen Seele wird behütet und behalten in das ewige Leben.

 

Das fünfunddreißigste Capitel.

Wie in einem vergotteten Menschen wahre, gründliche und wesenhafte Demut sei und geistliche Armut.

 

Auch gehört einem vergotteten Menschen zu, wahre, gründliche und wesenhafte Demut, und wo die nicht ist, da ist nicht ein vergotteter Mensch. Das hat Christus gelehrt mit Worten und hat das erfüllt mit den Werken, und es kommt davon, daß da in dem wahren Lichte erkannt wird (wie es in der Wahrheit ist), daß Wesen, Leben, Wissen, Erkennen, Vermögen und was das ist, daß es Alles dem wahren Gut zugehört und nicht der Kreatur, sondern die Kreatur als Kreatur ist und hat von sich selber nichts; und wenn sie sich von dem wahren Gut kehrt mit ihrem Willen und Werken und was das ist, so findet man denn nichts mehr da als lauter Bosheit. Und darum ist es auch wahr in der Wahrheit, daß Kreatur als Kreatur von sich selber nichts würdig ist und zu nichts Recht hat und ihr Niemand nichts schuldig ist, weder Gott noch die Kreatur, und daß sie von Rechtswegen Gott soll gelassen sein und unterthan. Und das ist das Wichtigste und das am meisten zu Beachtende. Was nun Gott gelassen und unterthan soll und will sein, das muß und soll allen Kreaturen unterthan sein in leidender Weise, oder es ist Alles falsch. Von dieser letzten Sache und von diesem letzten Artikel kommt wahre Demut und auch von den andern Artikeln. Und sollte es in der Wahrheit nicht sein und wäre es nicht von wahrer göttlicher Gerechtigkeit das Beste, Christus hätte es nicht mit Worten gelehrt und mit dem Leben vollbracht. Und allda wird ein wahres Bekennen und es ist in Wahrheit also: diese Kreatur soll von göttlicher Wahrheit und Gerechtigkeit Gott und allen Kreaturen unterthan sein und ihr soll nichts und Niemand unterthan oder gelassen sein. Gott und alle Kreaturen haben Recht über sie und zu ihr, aber sie hat zu nichts Recht, sie ist allen Dingen schuldig und ihr Niemand, und dies alles in leidender Weise und zuweilen auch in thätiger Weise. Und daraus wird dann geistliche Armut, wovon Christus sprach: „Selig sind die Armen des Geistes (das sind die wahren Demütigen), denn das Reich der Himmel ist ihr.“ Dies hat Christus Alles mit den Worten gelehrt und mit dem Leben vollbracht.

 

Das sechsunddreißigste Capitel.

Wie nichts anders wider Gott sei denn Sünde, und was Sünde sei und ist.

 

Weiter soll man merken. Wenn man spricht, es sei oder geschehe Etwas wider Gott und sei Gott Etwas leid und mühe Ihn, so soll man wissen, daß keine Kreatur wider Gott ist oder Ihm leid oder Ihm mühlich ist dadurch, daß sie ist oder lebt, kann oder vermag oder was des ist: das ist Alles nicht wider Gott. Daß der böse Geist oder der Mensch ist, lebt und desgleichen, das ist alles gut und Gottes, denn Gott ist aller Wesenden Wesen und aller Lebendigen Leben und aller Weisen Weisheit, denn alle Dinge haben ihr Wesen wahrlicher in Gott denn in sich selber und auch alles ihr Vermögen, Wissen und Leben und was das ist: denn wäre das nicht, so wäre Gott nicht alles Gut. Und darum so ist alle Kreatur gut. Was nun gut ist, das ist Gott lieb und ER will es auch haben. Darum so ist es nicht wider Ihn. Was ist denn wider Gott und ist Ihm leid? Das ist allein die Sünde. Was ist aber Sünde? Das merke. Sünde ist nichts anders, denn daß die Kreatur anders will denn Gott und wider Gott will (das merke ein Jeglicher bei sich selber. Denn wer anders will denn ich oder wider mich will, der ist mein Feind. Wer aber will, wie ich, der ist mein Freund und ist mir lieb. Also ist es auch um Gott): das ist Sünde und ist wider Gott und ist Ihm leid und betrübt Ihn. Und wer nun anders will denn ich oder anders redet, schweigt, thut oder läßt und desgleichen, das ist Alles wider mich und ist mir schwer. Also ist es auch um Gott. Wer anders will denn Gott oder wider Gott will, was der thut oder läßt, oder kürzlich Alles, was der zu schaffen hat, das ist Alles wider Gott, und ist Sünde und welcher Wille anders will denn Gott, der ist auch wider Gottes Willen. Denn Christus spricht: „wer nicht mit Mir ist, der ist wider Mich.“ ER meint: Wer nicht mit Mir will und nicht einwillig mit Mir ist, der will wider Mich. Hiebei mag ein jeglicher Mensch wohl merken, ob er ohne Sünde sei oder nicht und was Sünde sei und wie oder womit man Sünde büßen oder bessern soll und kann. Und diese Widerwilligkeit gegen Gott heißt man und ist Ungehorsam. Und darum: Adam, Ichheit und Selbstheit, Eigenwilligkeit, Sünde oder der alte Mensch, das Abkehren und Abscheiden von Gott, das ist alles Eins.

 

Das siebenunddreißigste Capitel.

Wie in Gott, als ER Gott ist, nicht kommen kann Betrübnis, Leid, Mißfallen und desgleichen; es ist aber in einem vergotteten Menschen anders.

 

In Gott, als ER Gott ist, kann weder Leid noch Betrübnis oder Mißfallen kommen, und dennoch wird Gott betrübt um des Menschen Sünde. Da nun dies nicht geschehen kann in Gott ohne Kreatur, so muß es geschehen, da Gott Mensch ist oder da Gott in einem vergotteten Menschen ist. Sieh, da ist Sünde Gott also leid und müht Ihn also sehr, daß Gott daselbst gern wollte gemartert werden und leiblich sterben, auf daß ER Eines Menschen Sünde damit vertilgen möchte. Und der zu Ihm spräche, ob ER lieber leben wollte, daß die Sünde bliebe, oder sterben und die Sünde mit Seinem Tode vertilgen, ER spräche, ER wollte tausendmal lieber sterben, denn Gott ist Eines Menschen Sünde leider und thut Ihm weher denn Seine eigene Marter und Sein Tod. Thut Ihm nun Eines Menschen Sünde also weh, wie thut Ihm denn aller Menschen Sünde? Hiebei soll man merken, wie der Mensch Gott betrübe mit seinen Sünden. Und darum, wo Gott Mensch ist oder in einem vergotteten Menschen ist, da wird anders nicht geklagt denn Sünde und ist anders kein Leid: denn Alles das da ist oder geschieht, außer Sünde, das will Gott haben und das ist Sein. Aber die Klage und der Jammer, der um die Sünde ist, der soll und muß bleiben bis in den leiblichen Tod in einem vergotteten Menschen, und sollte auch der Mensch leben bis an den jüngsten Tag oder ewiglich. Hievon kommt Christi heimliches Leiden, davon Niemand sagt oder weiß denn allein Christus; und darum heißt es und ist heimlich. Es ist auch eine Eigenschaft Gottes, die ER haben will und die Ihm wohlgefällt an einem Menschen, und ist wohl Gottes Eigen, denn es gehört dem Menschen nicht zu und er vermag sich dessen auch nicht. Und wo Gott dies bekommen kann, das ist Ihm das Werteste und Allerliebste, denn es ist dem Menschen das Bitterste und das Schwerste. Alles, was hier geschrieben ist von Gottes Eigenschaft, die ER auch haben will in dem Menschen, in dem sie geübt und gewirkt soll werden, das lehrt das wahre Licht und lehrt auch, daß der Mensch, in dem sie geübt und gewirkt wird, daß er sich dessen also wenig annimmt, als ob er nicht wäre. Denn da wird eigentlich erkannt, daß es der Mensch nicht vermag und ihm nicht zugehört, sondern daß es Alles Gottes ist.

 

Das achtunddreißigste Capitel.

Wie man das Leben Christi an sich nehmen soll aus Liebe und nicht um Lohn und soll es nimmer aufgeben und wegwerfen.

 

Wo nun ein solcher vergotteter Mensch wäre oder ist da wird oder ist das allerbeste und edelste Leben und Gott das werteste, das je ward oder nimmer wird. Und von der einigen Liebe, die da liebt Gut als Gut und um Gut, von der wird das wahre, edle Leben also sehr geliebt, daß es nimmer gelassen oder weggeworfen wird. Wo es in einem Menschen ist, sollte der Mensch leben bis an den jüngsten Tag, so ist es ihm unmöglich es zu lassen; und sollte derselbe Mensch tausend Tode sterben und alles das Leiden auf ihn fallen, das auf alle Kreatur je fiel oder fallen kann, das wollte man Alles lieber leiden, als daß man das edle Leben lassen sollte; und ob man auch eines Engels Leben dafür haben möchte, das nähme man nicht dafür. Also ist geantwortet, so man fragt: wenn der Mensch mit Christi Leben nichts mehr erlangen möchte oder keinen Nutzen damit schaffen, was sollte es ihm denn weiter? Man hat es nicht darum, daß man Nutzen damit schaffe oder Etwas damit erlange, sondern aus Liebe und um seines Adels willen und weil es Gott so lieb und wert ist. Und wer da spricht oder wähnt, man habe dessen genug oder man solle es hinlegen, der schmeckte oder erkannte es nie: denn wo es in Wahrheit gefunden oder geschmeckt wird, da kann es nimmer mehr gelassen werden. Und wer Christi Leben darum hat, daß er damit etwas bekommen oder verdienen will, der hat es als ein Löhner und nicht aus Liebe und hat es auch zumal nicht. Denn wer es nicht aus Liebe hat, der hat es nicht. Er mag wohl wähnen, er hab’ es: er ist aber betrogen. Christus hatte Sein Leben nicht um Lohn, sondern aus Liebe, und die Liebe macht das Leben leicht und nimmt ihm alle Beschwernis, also daß es gar gern gehabt und williglich getragen wird. Aber wer es nicht hat aus Liebe, sondern wähnt, er habe es um Lohn, dem ist es gar bitter und sauer, und er wäre seiner gerne bald ledig. Und das gehört einem jeglichen Lohner zu, daß er seiner Arbeit gern ein Ende hätte. Aber einen wahren Liebhaber den verdrießt weder Arbeit noch Zeit oder Leiden. Darum ist geschrieben: „Gott dienen und leben ist leicht dem, der es thut.“ Es ist wahr: dem, der es aus Liebe thut; aber der es um Lohn thut, dem ist es hart und schwer. Also ist es auch um alle Tugend und gute Werke, und also ist es auch um Ordnung, Gesetze und Vernünftigkeit und desgleichen. Gott ist aber ein wahrer Liebhaber lieber, denn tausend Löhner oder Mietlinge.

 

Das neununddreißigste Capitel.

Wie Gott Ordnung, Weise, Maß und desgleichen in den Kreaturen haben will, weil ER es ohne Kreatur nicht haben kann, und wie viererlei Menschen diese Ordnung, Gesetz und Weise handhaben und damit umgehen.

 

Man spricht und es ist auch wahr: Gott ist über und ohne alle Weise und Maß und Ordnung und giebt allen Dingen Weise, Ordnung, Maß und Vernünftigkeit und desgleichen. Das soll man also verstehen. Gott will das alles haben und kann es an Sich selber ohne Kreatur nicht haben; denn in Gott ohne Kreatur ist weder Ordnung noch Unordnung, weder Weise noch Unweise und desgleichen: darum will ER es haben, daß es geschehen und sein soll und mag. Denn wo Wort, Werk und Handlung ist, da muß es entweder sein in Ordnung, Weise, Maß und Vernünftigkeit, oder in Unvernunft oder in Unordnung. Nun ist Vernünftigkeit und Ordentlichkeit besser und edler denn das Andre. Doch soll man merken, daß viererlei Menschen die Ordnung, das Gesetz und die Weise handhaben. Etliche thun es weder um Gott noch um dies oder das, sondern aus Zwang: die thun dessen so wenig als sie mögen und es wird ihnen sauer und schwer. — Die Andern thun es um Lohn; das sind Menschen, die nichts Besseres noch Anderes wissen als dasselbe, und wähnen, man möge damit das Himmelreich und das ewige Leben bekommen und verdienen und mit nichts Anderm; und wer dergleichen viel thut, den halten sie für heilig, und wer dessen etwas versäumt oder unterläßt, der ist verloren. Und diese haben gar großen Ernst und Fleiß dazu und es wird ihnen doch sauer. — Die Dritten das sind böse, falsche Geister, die wähnen und sprechen, sie seien vollkommen und bedürfen dessen nicht und halten es für einen Spott. — Die Vierten das sind erleuchtete Menschen mit dem wahren Licht; die handhaben diese Dinge nicht um Lohn, denn sie wollen nichts erlangen damit und begehren auch nicht, daß ihnen etwas dafür werde, sondern sie thun es allein aus Liebe was sie thun, und diese haben nicht so große Not, wie des Dinges viel geschehe und bald und desgleichen, sondern was wohl geschehen kann mit Frieden und mit guter Muße; und würde dessen zufällig etwas versäumt und desgleichen, darum werden sie nicht verloren, denn sie wissen wohl, daß Ordnung und Vernünftigkeit besser ist denn Unvernunft. Darum wollen sie es halten und wissen auch, daß ihre Seligkeit daran nicht liegt: darum haben sie nicht so große Not als die Andern. Diese Menschen werden von den andern beiden Parteien gestraft und verurteilt, denn die Löhner sprechen, diese Menschen versäumen sich gänzlich, und sprechen zuweilen sie seien ungerecht und desgleichen. Die andern (das sind die freien Geister) die haben diese Menschen für einen Spott und sprechen, sie gehen mit Rohheit und mit Torheit um und desgleichen. Aber diese erleuchteten Menschen halten die Mitte, und das ist auch das Beste: denn Ein Liebhaber Gottes ist besser und Gott lieber als hunderttausend Löhner. Also ist es auch um alle ihre Werke. Auch soll man merken, daß Gottes Gebot und Seine Räte und alle Seine Lehre gehören dem innern Menschen zu, wie er mit Gott vereint werde. Und wo das geschieht, da wird der äußere Mensch von dem innern wohl gelehrt und geordnet, also daß man keiner äußern Gebote oder Lehre bedarf. Aber der Leute Gebot und Gesetz gehört zu dem äußern Menschen, und das ist not, da man nichts Besseres weiß: denn man wüßte anders nicht, was man thun oder lassen sollte, und der Mensch würde gleich den Hunden oder wie anderes Vieh.

 

Das vierzigste Capitel.

Ein guter Unterschied von dem falschen Lichte und seiner Eigenschaft.

 

Nun ist auch vorher gedacht worden eines falschen Lichtes; darum ist auch etwas davon zu sagen, was es sei und was ihm zugehöre. Sieh, alles das, das dem wahren Lichte zuwider ist, das gehört dem falschen zu. Dem wahren Lichte gehört zu und muß sein, daß es nicht betrügen will, und kann auch nicht wollen, daß Jemand beschädigt oder betrogen werde, und es kann auch selber nicht betrogen werden. Aber das falsche Licht wird und ist betrogen und betrügt auch andere Leute mit sich. Denn Gott will Niemand betrügen und kann nicht wollen, daß Jemand betrogen werde. Also ist es auch um das wahre Licht. Nun merke. Das wahre Licht ist Gott und göttlich, aber das falsche Licht ist Natur und natürlich. Nun gehört Gott zu, daß ER weder dies noch das ist oder dies noch das will, begehrt oder sucht in einem vergotteten Menschen, sondern Gut als Gut und um nichts denn um Gut. Also ist es auch um das wahre Licht. Aber der Kreatur und der Natur gehört zu, daß sie etwas ist, dies oder das, und auch in ihrer Meinung und Gesuch etwas hat, dies oder das, und nicht lauterlich Gut als Gut und um Gut, sondern um Etwas dies oder das. Und wie Gott und das wahre Licht ohne alle Ichheit, Selbstheit und ohne eigenes Gesuch ist, also gehört der Natur und dem natürlichen falschen Lichte zu Ich, Mir, Mein, Mich und desgleichen, also daß es sich und das Seine mehr sucht in allen Dingen denn Gut als Gut. Dies ist seine Eigenschaft und einer jeglichen Natur. Nun merke man, wie es zuerst betrogen ist. Es will oder erwählt nicht Gut als Gut und um Gut, sondern es will und wählt sich selber und das Seine, und sich voraus das Beste, und das ist falsch und das ist der erste Betrug. Auch wähnt es, es sei, das es doch nicht ist, denn es wähnt, es sei Gott, und ist doch nur Natur; und darum, daß es wähnt, es sei Gott, so nimmt es sich dessen an, das Gott zugehört; und nicht dessen, das Gottes ist, als Gott Mensch ist oder in einem vergotteten Menschen, sondern es nimmt sich dessen an, das Gottes ist und Ihm zugehört, als ER Gott ist ohne Kreatur in Ewigkeit. Denn wie man spricht: Gott ist unbedürftig, frei, müßig, ledig und über alle Dinge und desgleichen (das alles wahr ist) und Gott ist unbeweglich und nimmt Sich nichts an und ist ohne Gewissen, und was ER thut, das ist wohlgethan: „also will ich auch sein“ spricht das falsche Licht, „denn je gleicher man Gott ist, je besser man ist, und darum so will ich Gott gleich sein und will auch Gott sein und bei Gott sitzen, gehen und stehen“, wie Luzifer der böse Geist that. Gott in Ewigkeit ist ohne Leid, Leiden und Betrübnis und läßt sich wegen nichts schwer oder leid sein, um kein Ding, was da ist oder geschieht. Aber da Gott Mensch ist und in einem vergotteten Menschen ist, da ist es anders. Kürzlich: alles, das betrogen werden kann, das muß betrogen werden von diesem falschen Lichte. Weil nun alles das betrogen wird von diesem falschen Lichte, das betrogen werden kann (das ist: alle Kreatur und Natur und alles, das nicht Gott oder göttlich ist, kann betrogen werden) und dies falsche Licht dann selber Natur ist, so ist es möglich, daß es betrogen werde. Darum wird es und ist betrogen von sich selber. Nun möchte man sprechen: wovon ist oder kommt das, daß von ihm alles das betrogen wird, das betrogen werden kann? Sieh, es ist von seiner übertriebenen Klugheit, weil es so gar klug und subtil und behend in sich selber ist, daß es also hoch steigt und klimmt, daß es wähnt, es sei über Natur und aller Kreatur unmöglich, also hoch zu kommen, darum wähnt es, es sei Gott, und darum nimmt es sich alles dessen an, das Gott zugehört, und besonders wie Gott ist in der Ewigkeit nicht wie ER Mensch ist. Darum spricht es und wähnt, es sei über alle Werke, Worte, Weise, Gesetze und Ordnung und über das leibliche Leben Christi, das ER in Seiner heiligen Menschheit hatte. Darum will es unberührt sein von aller Kreaturen Werk, es sei böse oder gut, es sei wider Gott oder nicht, das ist ihm alles gleich und steht dessen alles ledig wie Gott in Ewigkeit, und alles das, das Gott zugehört und keiner Kreatur, dessen nimmt es sich alles an und wähnt, es gehöre ihm zu und es sei auch aller Dinge würdig und es sei billig und recht, daß ihm alle Kreaturen dienen und unterthan seien. Und also bleibt da kein Leid, Leiden oder Betrübnis um kein Ding oder Sache, sondern allein ein leibliches und sinnliches Empfinden: das muß da bleiben bis an den leiblichen Tod, welche Leiden auch davon kommen mögen. Es spricht auch und wähnt, es sei über Christi leibliches Leben gekommen, und man solle unempfindlich sein und unantastbar, wie Christus war nach der Auferstehung, und viel andere wunderliche falsche Irrtümer, die hiervon entstehen und erhoben werden. Und weil nun dies falsche Licht Natur ist, so gehört ihm der Natur Eigenschaft zu, das ist: sich selber und das Seine meinen und suchen in allen Dingen und der Natur und sich selber in allen Dingen das Bequemste, Gemächlichste und Angenehmste. Und darum, daß es betrogen ist, so wähnt es und spricht, es sei das Allerbeste, daß ein Jeglicher sich selber das Beste suche und thue. Es will auch von keinem andern Gute wissen denn von dem Seinen, das ihm gut ist, wie es wähnt. Und wer ihm sagt von dem wahren, ewigen, einfältigen Gut, das weder dies noch das ist, davon weiß es nichts und es ist ihm ein Spott, und das ist nicht unbillig, denn die Natur als Natur kann hiezu nicht kommen, und weil dies falsche Licht blos Natur ist, so kann es auch hierzu nicht kommen. Auch spricht dies falsche Licht, es sei über Gewissen und Conscienz gekommen, und was es thue, das sei alles wohlgethan. Ja, es ward gesprochen von einem falschen, freien Geiste, der auch in dieser Irrung war: tötete er zehn Menschen, er machte sich ein so kleines Gewissen daraus, als ob er einen Hund tötete. Kürzlich, dies falsche, betrogene Licht flieht Alles, das der Natur schwer und zuwider ist, und das gehört ihm zu, weil es Natur ist. Und weil es dann also gar betrogen ist, daß es wähnt, es sei Gott, darum so schwüre es bei allen Heiligen, es erkenne das Beste und seine Meinung und Weise stehe auf dem Allerbesten und Höchsten. Darum kann es nimmer bekehrt oder auf den rechten Weg gewiesen werden, recht wie der böse Geist. Auch soll man merken: insofern dies Licht wähnt, es sei Gott, und sich dessen annimmt, so ist es Luzifer der böse Geist; aber insofern es Christi Leben verwirft und andere Dinge, die dem wahren Lichte zugehören, die Christus gelehrt und vollbracht hat, so ist es der Antichrist, denn es lehrt wider Christum. Und wie dies Licht betrogen ist von seiner Kündigkeit oder Klugheit, ebenso wird auch von ihm betrogen alles das, das nicht Gott oder göttlich ist, das ist: alle Menschen, die das wahre Licht und seine Liebe nicht erleuchtet hat. Denn wo und welche die sind, die das wahre Licht erleuchtet hat, die werden nimmermehr betrogen. Aber wer das nicht hat und soll oder will mit diesem falschen Lichte wandern und bei ihm wohnen, der wird betrogen. Das kommt davon, weil alle Menschen, in denen das wahre Licht nicht ist, auf sich selber gekehrt sind und halten auf sich selbst etwas und suchen und meinen sich in allen Dingen, und was ihnen das Süßeste und Bequemste ist, das halten sie für das Beste. Und wer ihnen dann dasselbe für das Beste dargiebt, und ihnen dazu verhilft und lehrt sie, es zu erlangen, dem folgen sie und halten ihn für den besten und weisesten Lehrer. Nun lehrt dies falsche Licht genau dasselbe und was dazu gehört: darum folgen ihm alle die nach, die von dem wahren Lichte nichts wissen. Also werden sie mit einander betrogen. Man sagt von dem Antichrist, wenn der kommt, wer dann Gottes Zeichen nicht hat, der folgt ihm nach; aber wer es hat, der folgt ihm nicht nach. Das ist genau dasselbe. Es ist wohl wahr: wer sein Bestes bekommen mag oder kann, das ist das Beste. Aber das geschieht nicht, dieweil der Mensch sein Bestes sucht oder meint: denn soll er sein Bestes finden und bekommen, so muß er sein Bestes verlieren, auf daß er sein Bestes finde. Gleichwie auch Christus spricht: „wer seine Seele lieb hat, der soll sie verlieren.“ Das ist: er soll dem Gesuch seiner Natur entfliehen und ersterben und soll nicht nachfolgen seinem eigenen Willen und der Begierde seines Leibes, sondern den Geboten Gottes und seiner Vorgesetzten, und soll des Seinen in keinen Dingen suchen weder in Geist noch in Natur, sondern allein das Lob und die Ehre Gottes in allen Dingen. Denn wer seine Seele also verliert, wie hie gesagt ist, der wird sie wieder finden in dem ewigen Leben. Das ist: alles das Gut, Liebe, Hilfe, Trost und Freude, das in allen Kreaturen ist im Himmel und auf Erden, das findet ein wahrer, vollkommener Liebhaber Alles mit einander in Gott allein, ja unaus-sprechlich mehr und auch um so viel edler und vollkommener, um so viel besser, edler und vollkommener Gott der Schöpfer ist als die Kreatur. Aber an diesen Dingen ist das falsche Licht betrogen und sucht nur das Seine und sich selber in allen Dingen. Darum so kommt es nimmer auf den rechten Weg. Auch spricht dieses falsche Licht, man solle ohne Gewissen sein und es sei eine Roheit und auch eine Torheit, daß man damit umgehe, und will das beweisen mit Christo, denn der war ohne Gewissen oder Conscienz. Darauf antwortet man und spricht: der böse Geist hat auch kein Gewissen und ist deshalb um nichts besser. Merke, was Gewissen ist. Es ist, daß man erkennt, daß der Mensch abgekehrt ist oder werde von Gott mit seinem Willen (was man Sünde heißt und ist) und daß dies des Menschen Schuld ist und nicht Gottes, denn Gott ist unschuldig an der Sünde. Sieh, wer ist nun der, der sich unschuldig weiß, denn allein Christus und sonst kaum Jemand mehr? Wer nun ohne Gewissen ist, der ist Christus oder der böse Geist. Kürzlich, wo dies wahre Licht ist, da ist wahres, rechtes Leben, das Gott wert und lieb ist. Und ist es nicht Christi Leben in Vollkommenheit, so ist es doch darnach gerichtet und gebildet, und Christi Leben wird geliebt und Alles, das der Vernünftigkeit, Ordnung und allen Tugenden zugehört, und da ist und wird verloren alle Selbstheit, Ich, Mein und desgleichen; da wird nichts gemeint oder gesucht, denn Gut um Gut und als Gut. Aber wo das falsche Licht ist, da wird man unachtsam des Lebens Christi und aller Tugend, sondern was der Natur bequem und angenehm ist, das wird da gesucht und gemeint. Davon kommt dann falsche ungeordnete Freiheit, daß man unachtsam und achtlos wird auf dieses und das. Denn das wahre Licht ist ein Samen Gottes, darum bringt er Gottes Frucht. Aber das falsche Licht ist ein Same des bösen Geistes: wo der gesäet wird, da wächst des bösen Geistes Frucht und auch der böse Geist selbst. Das mag man merken und verstehen bei diesen vorgeschriebenen Worten und Erklärungen.

 

- Fortsetzung -