Etliche Hauptreden (von Hans Denk).


Je deren sich ein jeder fleißige Schüler Christi prüfen und erkundigen mag, was von rechter und gegründeter Vereinigung des einigen und obersten Gutes zu studieren wäre. Gott ist einig und Einigkeit entsteht und kommt allein aus Ihm und doch nicht von Ihm, sonst nähme sie ab und würde minder. Wo zwei sind, die sich bei einander erhalten oder begehen müssen, da ist es möglich, daß Zwiespalt unter ihnen ersprieße. Die zwei müßten nur uneins werden im Willen, das wäre das höchste Mittel und Ankunft aller Zwietracht auch in Gott, wo zwei möchten in Ihm sein. Ursache. Nichts macht Uneinigkeit zwischen Allem dem, so uneins werden mag, denn Ungleichheit des Willens. Dieses Eine (Gott) will Eins und ist allem Zwei entgegen. Hierher ER auch Alles, so erschaffen ist, auf das Einige erschaffen hat; sonst hätte Ihm die Ordnung gemangelt. Überdies so hätte Sein Schaffen oder Geschöpf keinen Bestand haben mögen des Widerwillens halben; wie es denn jetzt ist und darum zergehen muß. Solche Einigkeit möchte nicht weder ermessen, gedacht, betrachtet, noch erkannt werden, denn allen von und durch das Eine, auch etwann (einigermaßen) durch das Widerspiel (Gegen-teil). Das Widerspiel thut sich von selbst hervor ohne Schuld des Gegenteils. Hierum (damit) am höchsten erkannt möge werden das Eine und das Beste, muß ein Gegenwurf (Gegensatz) (da) sein, daran man es (so viel als möglich) kennen lernen könnte. Solcher (Gegenwurf) war und ist aller Kreaturen Wesen. Und (es) ist (der Gegenwurf) fürnemlich und am besten in und mit der vernünftigen Kreatur, die Adam war. Das Eine sollte ohne Kreaturen nichts und (es) konnte Ihm die Kreatur doch zu nichts verhelfen. Hier läßt sich Allmächtigkeit und Barmherzigkeit sehen und unendliche Güte des Allerhöchsten – HErr ist Sein Name. Zu noch mehrerer (größerer) Erkenntnis schuf ER frei, was ER schuf. Ursache: Dasjenigen, was ewig frei war, ist und bleibt, mag von Art nichts eigenes (unfreies) schaffen, noch ertragen. Nun mag sich das Freie auch in nichts füglicher hervor (zu) thun und sehen (zu) lassen, denn in seinem Gegen-teil. Wer Jenes, was frei ist und (frei) sein sollte, einschließt und eignet (unfrei macht), der thut wider Den, der es frei gemacht und geschaffen hat, – das ist Sünde. Sünde muß auf das klarste erkannt werden, wenn man sie anders vollkommen hassen soll. Der Haß (wider die Sünde) entsteht im Gegenteil (der Sünde); dies (Gegenteil) nennt man und ist in Wahrheit der Same Gottes oder Gottes Bildnis, welches der Freiheit ohne Unterlaß begehrt. Dies bleibt, ist und muß bleiben, so lange Gott, in welchem es ist, sein und bleiben mag. Denn es ist von Einem und läßt sich nicht ewiglich davon dringen. Auf daß es (Gottes Bildnis) bald und recht widerstellt (in seinen ursprünglichen Stand gestellt) werden möchte, stellte sich das Eine (Gott) selbst vollkommen dar, (um) Alles, was von ihm selbst gezweiet (getrennt) war, wieder zurecht zu bringen. Dies konnte nicht anders geschehen als in etwas (d. h. in einem Wesen), welches dem Gezweiten (Getrennten, d. h. dem Menschen) ähnlich war, aber sonder und ohne allen Schaden der Einigkeit. Solches (Wesen) sollte und mußte sich selbst so viel es Eins (d. h. Gott) war und allein das Einige (d. h. Gott) auf das höchste erklären, damit die Freiheit wiederum in ihr Wesen käme, welches sie doch nie verloren hatte. Daher es (Jesus Christus von Nazareth) den aller freiesten Willen gelehrt, geübt, gehabt und gebraucht hat. Dieses war nicht Sein (Eigentum) (nach Laut Seines Zeugnisses), sondern des Einen, von dem ER es empfangen hatte, auf daß es durch Ihn (Christus) kundbar werde. Vermochte doch von Ihm von Rechtswegen nicht genommen werden und der Vollkommenheit halben, die ER um der Freiheit willen haben mußte, sollte ER sie anders am besten (wie es dann gehört) erklären. Das allervollkommenste in Ihm war die ganz unmangelhafte Vereinigung des Willens. ER nahm Sich dessen nicht an, wovon ER eins war, ist und bleibt, sonst ginge dem Einen (Gott) etwas ab. Nun, es ist (wie oben steht) das Freie noch vorhanden; das darf nicht verloren gehen, sonst brächte es der Gottheit Schaden, von der es ist und der es zugehört. Denn sie verlöre etwas, das zu nichte wäre geworden und etwas war. Also möchte es folgends auch dem Ganzen ergehen. Soll nun solches (die Vereinigung des Willens) geschehen, so muß es nach dem Vorbild, welches das Vollkommenste um seines Amtes willen sein muß, geschehen und eben nach der Weise und dem Willen des Einen (Gottes), welches nie mit sich selbst uneins ward. Das ist und nennt man Wiederkehren (Wiedergeburt) von allem Gezweiten (Zertrennung) in das Einige (Göttliche). Das muß durch alles Leben gestudiert werden. Wer will, der vermag es; wer es nicht glaubt, der versuche es. Es kann und soll Jenes (die Wieder-geburt oder Vereinigung mit dem Göttlichen) allein durch Verlierung alles dessen, so dem Einen zuwider ist, geschehen, sonst (d. h. auf andere Weise) nicht. Das ist Gelassenheit in Gelassenheit, das ist ganze Ergebung, ein vollkommenes Opfer, das willig ist. Summa. Es ist Christus, wahrer Sohn Gottes, der Erst-geborene unter den Brüdern, dessen Alles eigen ist, was der Vater vermag, der das rechte wahrhafte Mittel ist, dadurch man allein mag, soll und muß zu dem Einigen, das ist, zu dem Vater kommen, dazu Ihn der Vater gesetzt hat. Wer sich in diesen Reden nicht berechnen (d. h. zurecht finden kann), dem mangelt des Geistes Zeugnis, dessen Zucht er ausschlägt und nicht haben will. Wer sie versteht, der urteile. Der Geist Gottes aber urteilt alle Dinge. Hat Jemand Fehl oder Mängel daran, so ist es seine Schuld, weil er sich des Abfalls nicht be-kümmert, wie er gebessert werde, weil er doch muß gebessert werden. Sagt Jemand: Es ist Klugheit, der wisse, daß die größte Torheit (so zu sagen) des Heiligen Geistes klüger ist als die höchste Weisheit aller Welt. Jes. 59. Sach. 9. Jauchze und frohlocke, o Zion, denn dein HErr kommt und will König werden und die Gefangenen erlösen.  


Inhalts-Übersicht.


Das erste Capitel.

Was das Vollkommene sei und die Teile, und wie man die Teile ablegt, wenn das Vollkommene kommt.


Das zweite Capitel.

Was da Sünde sei und wie man sich keines Gutes soll annehmen, weil es allein dem wahren Gute zugehört.


Das dritte Capitel.

Wie des Menschen Fall und Abkehr muß gebessert werden wie Adams Fall.


Das vierte Capitel.

Wie der Mensch durch sein Annehmen, daß er sich etwas Gutes annimmt, thut einen Fall und greift Gott in Seine Ehre.


Das fünfte Capitel.

Wie man das verstehen soll, daß man weislos, willenlos, lieblos, begierdelos, erkennlos und desgleichen werden soll.


Das sechste Capitel.

Wie man das Beste und das Edelste am meisten lieben soll allein darum, weil es das Beste ist.


Das siebente Capitel.

Von zweien geistlichen Augen, mit denen der Mensch sieht in die Ewigkeit und in die Zeit, und wie eins von dem andern gehindert wird.


Das achte Capitel.

Wie die Seele des Menschen, dieweil sie noch im dem Leibe ist, einen Vor-schmack ewiger Seligkeit empfangen mag.


Das neunte Capitel.

Wie dem Menschen nützlicher und besser sei, daß er eben wahrnehme, was Gott mit ihm wirken wolle oder wozu ihn Gott nützen will, denn daß er wüßte, was Gott mit allen Kreaturen je gewirket hat oder immer wirken will, und wie Seligkeit allein liegt an Gott und an keinen Werken und auch nicht an den Kreaturen.


Das zehnte Capitel.

Wie die vollkommenen Menschen anders nichts begehren, als daß sie dem ewigen Gute möchten sein als dem Menschen seine Hand ist, und wie sie verloren haben Furcht der Hölle und Begehrung des Himmelreichs.


Das elfte Capitel.

Wie der gerechte Mensch in dieser Zeit in die Hölle wird gesetzt und kann darin nicht getröstet werden, und wie er aus der Hölle wird genommen und wird in das Himmelreich versetzt und kann darin nicht betrübt werden.  


Das zwölfte Capitel.

Was rechter, wahrer innerlicher Friede sei, den Christus Seinen Jüngern zum Abschied gelassen hat.


Das dreizehnte Capitel.

Wie der Mensch den Bildern zuweilen zu früh Urlaub giebt.


Das vierzehnte Capitel.

Von dreien Graden, die den Menschen führen und bringen zu rechter Voll-kommenheit.


Das fünfzehnte Capitel.

Wie alle Menschen in Adam sind gestorben und in Christo wieder lebendig worden, und von wahrem Gehorsam und Ungehorsam.


Das sechzehnte Capitel.

Was da sei der alte Mensch und was der neue Mensch.


Das siebzehnte Capitel.

Wie man sich des Guten nicht annehmen soll, sondern sich des Bösen schuldig geben, das man gethan hat.


Das achtzehnte Capitel.

Wie das Leben Christi sei das edelste und beste Leben, das je ward und immer werden kann, und wie das sorglose, falsche, freie Leben das allerböseste Leben sei.


Das neunzehnte Capitel.

Wie man zu dem wahren Licht und zu Christi Leben nicht kommen kann mit vielem Fragen oder Lesen oder mit hoher, natürlicher Kunst und Vernunft, sondern mit einem Verleugnen seiner selbst und aller Dinge.


Das zwanzigste Capitel.

Weil das Leben Christi aller Natur und Selbstheit das allerbitterste ist, darum will die Natur sich dessen nicht annehmen, und nimmt an sich das sorglose falsche Leben, wie es ihr allerbequemlichst ist.


Das einundzwanzigste Capitel.

Wie ein Freund Christi von außen williglich vollbringt mit den Werken die Dinge, die da sollen und müssen sein, und mit den übrigen bekümmert er sich nicht.


Das zweiundzwanzigste Capitel.

Wie der Geist Gottes zuweilen einen Menschen besitzt und seiner mächtig ist und auch der böse Geist.


Das dreiundzwanzigste Capitel.

Wer Gott leiden soll und gehorsam sein will, der muß alle Dinge leiden, das ist: Gott, sich selber und alle Kreatur, und muß allen gehorsam sein in leidender und auch in thätiger Weise.  


Das vierundzwanzigste Capitel.

Vier Dinge gehören dazu, daß der Mensch empfänglich werde göttlicher Wahr-heit und besessen werde mit dem heiligen Geist.


Das fünfundzwanzigste Capitel.

Von zweien bösen Früchten, die da wachsen aus dem Samen des bösen Geistes, und sind zwei Schwestern, die da gern bei einander wohnen. Die eine heißt geistlicher Reichtum und Hoffart, die andere ungeordnete, falsche Freiheit.


Das sechsundzwanzigste Capitel.

Von Armut des Geistes und wahrer Demut, und wobei man erkennen soll die gerechten, geordneten wahren Freien, welche die Wahrheit frei gemacht hat.


Das siebenundzwanzigste Capitel.

Wie man das verstehen soll, daß Christus spricht, man solle alle Dinge verlieren, und woran die wahre Vereinigung mit dem göttlichen Willen gelegen sei.


Das achtundzwanzigste Capitel.

Wie nach der Vereinigung mit dem göttlichen Willen der innere Mensch unbe-weglich steht und der äußere Mensch hin und her bewegt wird.


Das neunundzwanzigste Capitel.

Wie der Mensch vor seinem Tode nicht dazu kommen kann, daß er von außen unempfindlich und unbeweglich werde.


Das dreißigste Capitel.

In welcher Weise man kommen kann über alle Weise, Ordnung, Gesetz, Gebot und desgleichen.


Das einunddreißigste Capitel.

Wie man Christi Leben nicht soll wegwerfen, sondern man soll es treiben und damit umgehen bis in den Tod.


Das zweiunddreißigste Capitel.

Wie Gott ein wahres, einfältiges Gut ist und wie ER ein Licht ist, und ein Verständnis und alle Tugend, und wie man das allerhöchste und beste Gut am allerliebsten haben soll.


Das dreiunddreißigste Capitel.

Wie in einem vergotteten Menschen die Liebe lauter und unvermischt ist und wie dieselbe Liebe alle Kreaturen lieben und ihnen das Allerbeste thun will.


Das vierunddreißigste Capitel.

Soll der Mensch zu dem Besten kommen, so muß er seinen eigenen Willen lassen, und wer dem Menschen zu seinem Willen hilft, der hilft ihm zu dem Allerbösesten.


Das fünfunddreißigste Capitel.

Wie in einem vergotteten Menschen wahre, gründliche und wesenhafte Demut sei und geistliche Armut.


Das sechsunddreißigste Capitel.

Wie nichts anders wider Gott sei denn Sünde, und was Sünde sei und ist.


Das siebenunddreißigste Capitel.

Wie in Gott, als ER Gott ist, nicht kommen kann Betrübnis, Leid, Mißfallen und desgleichen; es ist aber in einem vergotteten Menschen anders.


Das achtunddreißigste Capitel.

Wie man das Leben Christi an sich nehmen soll aus Liebe und nicht um Lohn, und soll es nimmer aufgeben und wegwerfen.


Das neununddreißigste Capitel.

Wie Gott Ordnung, Weise, Maß und desgleichen in den Kreaturen haben will, weil ER es ohne Kreatur nicht haben kann, und wie viererlei Menschen diese Ordnung, Gesetz und Weise handhaben und damit umgehen.


Das vierzigste Capitel.

Ein guter Unterschied von dem falschen Lichte und seiner Eigenschaft.


Das einundvierzigste Capitel.

Wie das ein vergotteter Mensch heißt und ist, der da durchleuchtet ist mit dem göttlichen Lichte und entzündet ist mit ewiger Liebe, und wie Licht und Erkenntnis nichts taugen ohne Liebe.


Das zweiundvierzigste Capitel.

Eine Frage; ob man Gott möge erkennen und nicht lieben, und wie zweierlei Licht und Liebe ist, wahr und falsch.


Das dreiundvierzigste Capitel.

Wobei man einen wahren vergotteten Menschen erkennen könne und was ihm zugehöre, und was einem falschen Lichte oder einem falschen freien Geist auch zugehöre.


Das vierundvierzigste Capitel.

Wie nichts anderes wider Gott sei, denn eigener Wille, und wer sein Bestes sucht als das Seine, der findet es nicht, und wie der Mensch von sich selber nichts Gutes weiß oder vermag.


Das fünfundvierzigste Capitel.

Wo Christi Leben ist, da ist auch Christus, und wie Christi Leben das allerbeste und edelste Leben sei, das je ward oder immer werden kann.


Das sechsundvierzigste Capitel.

Wie ein ganzes Genügen und wahre Ruhe allein in Gott sei und in keiner Kreatur, und wer Gott gehorsam sein will, der muß auch allen Kreaturen gehorsam sein in leidender Weise, und wer Gott lieb haben will, der muß alle Dinge lieb haben in Einem.


Das siebenundvierzigste Capitel.

Eine Frage: ob man auch die Sünde lieb haben solle, wenn man alle Dinge lieben soll.  


Das achtundvierzigste Capitel.

Wie man etliche Dinge von göttlicher Wahrheit zuvor glauben muß, ehe man zu einem wahren Wissen und Befinden göttlicher Wahrheit kommt.


Das neunundvierzigste Capitel.

Von eigenem Willen und wie Luzifer und Adam von Gott gefallen sind durch den eigenen Willen.


Das fünfzigste Capitel.

Wie diese Zeit ein Paradies sei und eine Vorstadt des Himmelreichs, und ist nicht mehr denn ein Baum verboten, das ist eigener Wille.


Das einundfünfzigste Capitel.

Warum Gott den eigenen Willen geschaffen hat, da er Ihm doch so zuwider ist.


Das zweiundfünfzigste Capitel.

Wie man die zwei Worte verstehen soll, die Christus gesprochen hat, das Eine: „Niemand kommt zu dem Vater denn durch Mich“; das Andere: „Niemand kommt zu Mir, der Vater ziehe ihn denn.“


Das dreiundfünfzigste Capitel.

Das andere Wort: „Niemand kommt zu Mir, der Vater ziehe ihn denn.“


Das vierundfünfzigste Capitel.

Wie der Mensch in keinen Dingen das Seine suchen soll, weder in Geist noch in Natur, sondern allein die Ehre Gottes, und wie man durch die rechte Thüre, das ist durch Christum, eingehen soll in das ewige Leben.


Etliche Hauptreden,

in denen sich ein jeder fleißige Schüler Christi prüfen und erkundigen mag, was von rechter und gegründeter Vereinigung des einigen und obersten Gutes zu studieren wäre.