Zwingli - Fegefeuer

 

Zwingli in seinem "Kommentar" über das Fegefeuer:

 

Die heilige Schrift kennt kein Fegfeuer, von dem die Theologen zu sagen wussten, menschliche Vernunft kennt es ... Sie überlegte ... : Es sterben manche Menschen hier, die nicht gerade schlecht sind; warum soll man sie in die ewige Pein stoßen? Wiederum sterben manche, die nicht gerade gut sind; warum sollen die plötzlich zur Schar der Seligen zugelassen werden? Diese Erwägung hat scheinbar etwas für sich und klingt, wie Paulus Kol. 2,23 sagt, nach Weisheits-überlegung ... Mit dem Worte Gottes verglichen, verschwindet sie freilich wie Staub vor dem Winde ... Da nun das Fegfeuer – so pflegt man jene gauklerische Feuersühne zu nennen – aus Gottes Wort nirgends belegt werden kann, warum glauben wir denn töricht solchen frostigen und verdächtigen Dummheiten, wo wir doch sehen, wie die Verfechter des Fegfeuers zugleich die Art und Weise des Löschens lehren, sich selbst aber dabei anbieten? Sie verlangen ja Geld, das lösche am besten die Flamme, wenn der Empfänger des Geldes andächtig Messe halte, bete, Psalmen singe; schon wird auch die Hand nach dem Golde ausgestreckt ... Mit dem Fegfeuer ist es ein ähnlich Ding, wie mit gewissen Heilmitteln, die von Kurpfuschern feilgeboten werden. Da steigen sie mitten auf dem Markte auf einen Tisch und schreien die verheerende Wirkung irgend einer Seuche oder Krankheit aus; sie hätten sie auch gehabt, durch Gottes Gnade aber seien sie wieder gesund geworden dank diesem Heilmittel, das da vor aller Augen liege. Sie setzen hinzu: Die Krankheit kommt bald, schon grassiert sie in der Umgegend. Schau, da stellen sie vor allem auf die ahnende Furcht vor der Krankheit ab, um schnell ihre Hülfe verheißen zu können. So machen es auch die Fegfeuerprediger: guter Gott, welche Töne schlagen sie da an, von Gefäng-nis, Schlangen, Flammen, Flüssen, Feuer, Schwefel, Naphtha oder glühendem Eisen, wie übertreffen sie nicht selbst die Poetenfabeln! Die törichten Herzen erschraken, wie wenn plötzlich das Erscheinen eines grausamen Feindes vor der Stadt verkündigt wird, der die Landhäuser brandschatzt, die Bauern nieder-schlägt und Alles vernichtet. Man stand da wie angedonnert und glaubte schon das Unheil zu spüren. Schon aber war das Heilmittel da, man hatte freilich von Anfang an gesagt, es sei sehr teuer – das musste man, um vorab in den Säckel der Reichen einbrechen zu können. Willst Du, hieß es, eine Seele befreien, so kannst Du das mit einem Goldstück erreichen. Da man nun schon für diese Reichen die Seelen aus dem Fegfeuer erlöst hatte, ging man zu den Seelchen der Armen; es geschah unter einem Vorwande, der den Reichen jeden Verdacht auf Spott nahm. Man behauptete, die göttliche Barmherzigkeit dürfe Niemand abgeschlagen werden, folglich dürften die Armen so gut wie die Reichen Seelen aus dem Fegfeuer befreien, das heißt: Geld aus dem Beutel loswerden; freilich unter der Bedingung, dass Niemand sich als arm ausgebe, um billiger wegzu-kommen, das schade der Seele mehr als es ihr helfe; jeder müsse nach Ver-mögen geben. Haben sie nicht mit solchen unglaublichen Torheiten den Leuten Brei um den Mund geschmiert? Welcher Tor sieht hier nicht, dass eine derartige Verblendung nur als Strafe Gottes für unseren Unglauben einreißen konnte?! ... (Zwingli widerlegt nunmehr den angeblichen Schriftbeweis für das Fegfeuer.) Jener Reiche im Gleichnis, der den Lazarus in Abrahams Schoß sieht, wird durch die Worte: „eine gewaltige Kluft ist zwischen uns und euch befestigt, sodass man nicht herüber und hinüber kann“ Luk. 16,26 zur Verzweiflung gebracht. Aber da ist die Rede von Verstorbenen, und es werden nur zwei Grenzen fixiert, die eine durch Lazarus, die andere durch den Reichen markiert. Die Verstorbenen werden entweder von den Engeln in die himmlischen Wohnungen getragen und können nicht heruntersteigen zu denen, die anderswo sind; oder sie kommen in die Hölle und können niemals hinaufsteigen ... Christus wollte verhüten, dass die Seinigen sich in täglichen Streitereien entzweiten, er wollte sie vom Streit zurückschrecken durch den Hinweis auf ein häufiges Vorkommnis bei Gericht, dass der, der sich schon als Sieger erhofft hatte, als Besiegter abziehe, es sei also gefährlich, vor Gericht zu streiten; wenn die Seinigen sich sonst nicht vom Streiten fernhalten könnten, sollten sie wenigstens aus Furcht vor der hier lauernden Gefahr die Sache beizulegen suchen. Deshalb sagt er Mat. 5,25 f.: „Sei willfährig deinem Widersacher bald, dieweil du noch mit ihm auf dem Wege bist, auf dass dich nicht der Widersacher dem Richter und dieser dem Diener überantworte und du in den Kerker geworfen werdest. Wahrlich, ich sage dir: du wirst nicht von dannen herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast“. Aus dieser Stelle glauben die liebenswürdigen Leute die Existenz des Fegfeuers bewiesen zu haben! Wo doch Christus hier nur gewisse Hartköpfe und Unerbittliche, die glauben, wie sie müssten alle Menschen denken, vom Streite fernhalten will: Die fielen mitunter in die anderen gegrabene Grube hinein ... Vergleiche Luk. 12,58 ... Eine weitere Stelle ist Mat. 18,34 f., wo Christus am Beispiel des un-barmherzigen Knechtes lehren will, dass uns nicht verziehen wird, wenn wir nicht selbst verzeihen. Er sagt also vom Schalksknecht: „Voller Zorn übergab ihn sein Herr den Folterknechten, bis dass er die ganze Schuld bezahlte. So wird mein himmlischer Vater auch euch tun, wenn ihr nicht von Herzen, jeder seinem Bruder, vergebt“. Hier hauen nun die Fegfeuerhetzer los: Christus sagt hier, der himmlische Vater werde uns tun wie dem Schalksknechte; er wird uns also nicht aus dem Fegfeuer lassen, bis wir die ganze Schuld bezahlt haben ... Tatsächlich wollte Christus in diesem Gleichnis nur lehren, wir sollten immer verzeihen; gleich wie wir beständig die Verzeihung des Himmelskönigs wünschen, den wir täglich unzählige Male beleidigen ... Hier legen sie nun den Finger darauf: er wurde den Folterknechten übergeben, bis er die ganze Schuld bezahlte, erst dann kam er nach dem bürgerlichen Gesetze frei. Folglich werden die der göttlichen Ge-rechtigkeit Verhafteten erst freikommen, wenn sie durch Leiden im Fegfeuer die Schuld bezahlt haben. Darauf antworte ich: Ihr scheint mir zunächst ein Gleichnis wie eine wirkliche Begebenheit aufzufassen. Das wäre nicht weiter wichtig, wenn Ihr nur das Gleichnis Gleichnis bleiben lasst. Im Gleichnis aber steckt mancherlei, das nicht allenthalben mit dem stimmt, was durch dasselbe veranschaulicht wird. Zum Beispiel aus den Worten: „Der Schüler ist nicht über den Meister“ Mat. 10,24 folgt nicht: also kann niemals ein Schüler den Meister übertreffen. Das Wort gilt nur bei Christus, nicht anderweitig. Und jenen Haushalter, der durch Unrecht und Betrug für das Vermögen seines Herrn gesorgt hatte, darf Niemand nachahmen, vielmehr darf man nur auf Christi Motiv schauen; er will durch dieses Gleichnis die eifrige Sorge für die himmlischen Dinge lehren in der Form: wenn die Kinder dieser Welt, unerachtet der gesetzlichen Strafe, für ihren Unterhalt sorgen, um wie viel mehr müssen die eifrig nach dem Himmel Strebenden Alles daran wenden, nicht durch den bösen Reichtum das erhoffte Heil zu verlieren? So muss man auch in dem vorliegenden Gleichnis nur auf das Motiv schauen. Es ist dieses: vergebt, so wird Euch vergeben werden; tut Ihr’s nicht, so wird Euch nicht vergeben ... Das Wort „bis“ du alles bezahlt hast darf nicht im Sinne einer Zeit-dauer gepresst werden. Das beweist Christus selbst: er ist deshalb unsere Gerechtigkeit geworden, weil wir mit eigener Gerechtigkeit das Heil nicht erlan-gen konnten; so werden wir umsonst selig, nicht durch unser Verdienst ... Müssten wir das Fegfeuer aushalten, damit der göttlichen Gerechtigkeit genug geschähe, wie meine Gegner behaupten, so wird uns Christi Gerechtigkeit nichts nützen ... Zum Henker mit diesen Seelenquälern, Gewissensschlächtern, Geld-räubern, die um des Bauches willen das Fegfeuer erfanden, um die Seelen der Verstorbenen des Geldes und eigenen Vorteils halber in unseren Gedanken Qualen erleiden zu lassen, die sie tatsächlich gar nicht empfinden! ... Eine weitere Stelle ist 1. Kor. 3,12-15: „Wenn jemand auf diesen Grund Gold, Silber, Edelstein, Holz, Heu, Stroh baut, so wird eines jeden Werk offenbar werden. Der Tag selbst wird es zeigen; denn im Feuer wird es offenbart, das Feuer wird die Art jedes Werkes kundtun. Bleibt eines, so wird der Betreffende Lohn empfan-gen, wird es verbrannt, Schaden, er selbst freilich wird gerettet werden, aber wie durch Feuer hindurch.“ Diese klare Stelle des Paulus hat man so im Ruß des Fegfeuers, auf das man sie bezog, stinkend gemacht, dass selbst sonst ge-scheite Leute den echten Sinn nicht riechen können ... „Bauen“ heißt hier: predigen. Der „Grund“ ist Christus. Das darauf gebaute „Werk“ sind die Hörer des Wortes. Das „Feuer“ ist die nach Gottes Urteil verhängte Versuchung oder Verfolgung ... „Gold, Silber, Edelstein“ sind die, welche Christus so sich an-eigneten, dass sie lieber sterben als ihn preisgeben wollen. „Holz, Heu, Stroh“ sind die auf Zeit Gläubigen oder die nur Glauben Heuchelnden, die aber in der Versuchung Christus verlassen ... „Es kommt Alles an den Tag“ – so haben schon Heiden gesagt. Der Tag des Herrn, an dem er das bisher Verborgene offenbaren wird, wird Alles aufdecken. Ich meine nicht den jüngsten Tag, viel-mehr den Tag, an dem Gott das bisher Verborgene und Geduldete aufdecken will. An dem wird alle Lehre gleichsam im Feuer geprüft ... Paulus redet also an dieser Stelle von der Prüfung der Lehre, nicht vom Fegfeuer. Das ist ganz klar, Du brauchst nur ein wenig die Augen aufzutun ...