Hunnius - Mensch

 

Nikolaus Hunnius: Kurzer Inhalt Dessen,

Was ein Christ von Göttlichen unnd Geistlichen Dingen

zu wissen und zu gleuben bedürfftig (1625)

 

Nikolaus Hunnius über den Menschen als Gottes Ebenbild:

 

Das siebente Kapitel. 

(Von des Menschen Erschaffung nach Gottes Ebenbild.) 

 

Gott hat vor andern Kreaturen den Menschen mit herrlichen Gaben geziert und nach seinem Ebenbild erschaffen.

 

158. So viel insonderheit die Erschaffung des Menschen betrifft, so ist er die letzte Kreatur unsers Gottes, als dem er die Welt hat zur Wohnung zurichten und ihn hernach darein setzen wollen. Und zwar hat der Herr zwei Menschen, einen Mann und ein Weib geschaffen; 1 B. Mos. 5,2: „Gott schuf sie ein Männlein und Fräulein und hieß ihren Namen Mensch“. Den Mann hat er dem Leibe nach aus einem Erdenkloß gemacht, aber die Seele ihm selber eingeblasen; 1 B. Mos. 2,7: „Gott machte den Menschen aus dem Erdenkloß und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase, und also wurde der Mensch eine lebendige Seele“. Das Weib aber hat er aus des Mannes Rippe geschaffen, 1 B. Mos. 2,22.

 

159. Nicht aber ist der Mensch sündlich, schwach, gebrechlich und sterblich erschaffen worden, wie er jetzt ist, sondern nach Gottes Ebenbild. In diesem Wort wird der ganze erste Stand des Menschen begriffen, in den er durch die Erschaffung gesetzt worden; darum ist fleißig zu vernehmen, was dieses gött-liche Ebenbild gewesen sei.

 

160. Das Wort Gottes Ebenbild wird gebraucht von dem Herrn Christo, der das Ebenbild Gottes genannt wird; 2 Kor. 4,4: „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“; Kol. 1,15: „der Glanz der Herrlichkeit Gottes“; und: „das Ebenbild seines Wesens“, Hebr. 1,3. „In diesem Verstand steht dem Herrn Christo als dem ewigen Sohn Gottes dieser Name allein zu. Darnach wird der Ehemann ein Ebenbild Gottes genannt 1 Kor. 11,7: „der Mann ist Gottes Bild und Ehre, das Weib aber ist des Mannes Ehre“, darum, dass, wie Gott in der Welt ein Regent ist, also ein Mann im Haus das Regiment führe. In dem Verstand gebührt dieser Name allein den Ehemännern, nicht dem weiblichen Geschlecht, nicht den Kindern, ledigen Personen oder Witwen, und also gehört derselbe auch nicht hieher.

Zum dritten heißt Gottes Ebenbild die Unschuld, Vollkommenheit und Glück-seligkeit, die Gott dem ersten Menschen in der Erschaffung gegeben hat und gewollt, dass er dieselbe auf alle seine Nachkommen bringen solle; und von diesem wird allhie gehandelt.

 

161. Es mag demnach Gottes Ebenbild, wie dieses Orts davon gehandelt wird, also beschrieben werden: das göttliche Ebenbild ist eine Gott wohlgefällige und menschlicher Natur angeschaffene Vollkommenheit, so da besteht in Erkenntnis Gottes und seiner Geschöpfe, in völliger Gerechtigkeit, in rechtschaffener Heilig-keit, in freiem Willen, das gute zu tun und das böse zu meiden, in Unsterblichkeit, und dann in Beherrschung und Regierung der leiblichen Geschöpfe. Sind also hier sieben Stücke zu betrachten, welche zum Ebenbild Gottes gehören.

 

162. 1) Gottes Erkenntnis. Gott erkennen steht allein Gott zu. „Niemand kennet den Sohn, denn der Vater, und niemand kennet den Vater, denn der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren“, Matth. 11,27. „Niemand weiß, was in Gott ist, ohne der Geist Gottes“, 1 Kor. 2,11. Wenn demnach der Mensch Gott erkennt, so wird er ihm damit gleich, und ist solche Erkenntnis ein Stück des göttlichen Eben-bildes, wie es Sct. Paulus beschreibt Kol. 3,10: „ziehet den neuen Menschen an, der da verneuert wird zu der Erkenntnis, nach dem Ebenbilde des, der ihn ge-schaffen hat“.

 

163. 2) Erkenntnis der Kreaturen. Dies steht auch Gott allein zu, als welcher allein alles weiß, wie droben bewiesen ist. Wenn nun der Mensch die Geschöpfe Gottes genau und eigentlich erkennt, wird er auch in diesem Stücke Gott gleich; maßen Adam Gott glich, wenn er die Tiere, so ihm Gott vorstellte, also erkannte, dass er einem jeglichen seinen Namen geben konnte, 1 Mos. 2,19., wenn er Hevam, so bald er ihrer ansichtig ward, erkannte, dass sie seine Gesellin sein sollte und von seinem Fleisch und Bein genommen wäre; 1 Mos 1,23: „da sprach der Mensch: das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch, man wird sie Männin heißen, darum, dass sie vom Mann genommen ist“. Solche genaue Erkenntnis zeigt große Weisheit und einen hohen Verstand an, nach welchem solche geheime Dinge mögen ersehen und erkannt werden, die sonst allein Gott sehen mag. Damit ist ihm also der Mensch gleich worden“.

 

164. 3) Völlige Gerechtigkeit. Die wird sonst Gott allein zugemessen; 5 B. Mos. 32,4: „alles, was er tut, das ist recht, treu ist Gott und kein böses an ihm, gerecht und fromm ist er“. Damit aber, dass der Mensch gerecht, das ist, ohne Sünde und Ungerechtigkeit geschaffen worden, ist er Gott gleich und sein Bild, dass er kein Übels noch böses an sich hat. Eph. 4,24: „ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit“.

 

165. 4) Völlige Heiligkeit. Gott ist heilig; 1 Sam. 2,2: „es ist niemand heilig, wie der Herr“. Weil denn der erste Mensch heilig ist erschaffen worden (Ephes. 4,24: „der neue Mensch ist nach Gott geschaffen in rechtschaffener Heiligkeit“), so wird er ihm damit gleich und sein Ebenbild.

 

166. 5) Freier Wille, das gute zu tun und das böse zu meiden. Gott ist frei in seinen Werken; Ps. 115,3. Ps. 135,6: „alles, was er will, das tut er“. Wenn nun der Mensch auch frei ist zu tun und zu lassen, so ist er damit Gott gleich und sein Ebenbild. Nun hat Gott dem Menschen vorgestellt den Baum des Erkenntnis gutes und böses, dass er ihm Gehorsam erweisen und von desselben Baumes Speise sich enthalten sollte. Darum hat er ihm das Gebot gegeben: von dem Baum des Erkenntnis gutes und böses sollt du nicht essen, 1 B. Mos. 2,17. Damit vermochte er nach seinem freien Willen das gute zu tun und das böse zu unter-lassen, und, wie Sirach davon schreibt Kap. 15,14ff., hat er dem Menschen von Anfang die Wahl gegeben: willst du, so halt die Gebote und tue, was ihm gefällt in rechtem Vertrauen. Er hat dir Feuer und Wasser vorgestellt, greif, zu welchem du willst; der Mensch hat vor sich Leben und Tod, welches er will, das wird ihm gegeben.

 

167. 6) Unsterblichkeit. Gott hat allein Unsterblichkeit, 1 Tim. 6,16. Weil er denn den Menschen unsterblich erschaffen hat, dass, so lang er in der angeschaffenen Vollkommenheit bliebe, der Tod an ihm keine Gewalt noch Macht hätte, so hat er ihn auf diese Weise zu seinem Ebenbild gemacht. Denn die Schrift bezeugt offenbarlich, dass der Mensch unsterblich sei erschaffen und allein durch die Sünde in den Tod geraten; 1 B. Mos. 2,17: „vom Baum des Erkenntnis gutes und böses sollt du nicht essen, denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben“. Nach dem Sündenfall sahe Gott auf diese geschehene Be-drohung, wenn er 1 B. Mos 3,19. also sprach: „im Schweiß deines Angesichts sollt du dein Brod essen, bis dass du wieder zur Erde werdest, davon du ge-nommen bist, denn du bist Erde und sollt zur Erde werden“. Röm. 5,12: „durch einen Menschen ist die Sünde kommen in die Welt und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle ge-sündigt haben“.

 

168. 7) Regierung über die leiblichen Geschöpfe. Gott regiert im Himmel und auf Erden nach seinem Wohlgefallen; Ps. 24,1: „die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdboden und was darauf wohnet“; Ps. 33,9: „so er spricht, so geschiehts, so er gebeut, so stehts da“. Wenn nun der Mensch über die Kreaturen zu regieren hat, so wird er damit Gott gleich und sein Ebenbild. Es hat ihm aber der Herr Gewalt gegeben über andere Geschöpfe zu herrschen, und damit ihn zu seinem Bilde machen wollen, wie er selber spricht 1 Mos. 1,26-28: „lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kreucht. Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn etc. Und segnete sie, und sprach zu ihnen: seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über Fische im Meer und über Vögel unter dem Himmel und über alles Tier, das auf Erden kreucht“.

So ist also der Mensch Gott gleich worden mit Erkenntnis Gottes und der Ge-schöpfe, mit völliger Gerechtigkeit, Heiligkeit, freiem Willen, Unsterblichkeit und der Kreaturen Regierung, welches alles zusammen das Ebenbild ist, dazu ihn Gott erschaffen hat.