Hutter - Schöpfung

 

Leonhard Hutter (1563-1616): Inbegriff der Glaubens-Artikel aus der heiligen Schrift und den symbolischen Büchern zusammengestellt (Compendium locorum theologicorum ex scripturis sacris et libro concordiae), Leipzig 1837

 

Leonhard Hutter über die Schöpfung:

 

Vierter Artikel. Von der Schöpfung.

 

1. Was heißt schaffen?

 

Schaffen heißt entweder ganz und gar aus Nichts Etwas machen, oder aus einer rohen und ungeordneten Masse etwas hervorbringen. Wegen Ähnlichkeit des Begriffs aber wird es jedoch von dem Apostel (S. 32) auch für die geistliche Wiedergeburt und Heiligung gebraucht, Ephes. 2,10: „denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken.“ – Melanchth. im Exam. Dr. Hunnius.

 

2. Was ist die Schöpfung?

 

Die Schöpfung ist die äußerliche Handlung der ganzen Dreieinigkeit, in welcher Gott alle geschaffene Dinge, sichtbare und unsichtbare, in dem Zeitraume von sechs Tagen, nach seinem völlig freien und guten Willen aus Nichts gemacht hat.

 

+ 3. Womit beweisest du, dass die Schöpfung ein Werk der ganzen Dreieinigkeit ist?

 

Aus der heiligen Schrift: 1 Mos. 1,1-3: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde: Und Gott sprach, es werde Licht: Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“ Denn durch das Wort „er sagte“ darf nicht das äußere Wort, als Aus-druck des innern Gedankens, oder das verschwindende Wort, sondern es muss darunter verstanden werden das wesentliche Wort Gottes, das ist, der Sohn Gottes, wie Johannes bezeugt im Evangel. Kp. 1, V.1ff.: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Hierher gehört auch Ps. 33,6: „Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht, und alles sein Heer durch den Geist seines Mundes.“ Endlich muss man die Regel Augustins in Bekanntschaft halten: „Die äußerlichen Werke der Gottheit sind unteilbar.“ – (Mit diesen Worten will der heil. Augustin sagen, dass die Werke, welche Gott nach außen hin, außerhalb seines Wesens vollbringt, nicht einer oder der andern Person der heil. Drei-einigkeit allein zuzuschreiben sind, sondern dass die ganze heil. Dreifaltigkeit an ihnen Teil hat. Anm. des Übers.)

 

* 4. Warum wird aber in dem Apostolischen Glaubensbekenntnisse das Werk der Schöpfung allein dem Vater zugeschrieben?

 

Weil in dem Werke der Schöpfung sich vorzüglich Gott der Vater geoffenbart hat, als Vater und Schöpfer, und Erhalter aller geschaffenen Dinge.

 

* 5. Aus welcher Materie hat Gott die Welt geschaffen?

 

Gott schuf zuerst, weil keine Materie vorher da war, eine rohe und ungeordnete Masse: aus welcher er nachher Himmel (S. 33) und Erde, und die übrigen Geschöpfe der Reihe nach hervorbrachte und bildete. Ps.148,5. „Er gebietet, so wird es geschaffen.“ Ebr. 11,3. „Durch den Glauben merken wir, dass die Welt durch Gottes Wort fertig ist; dass alles, was man sieht, aus Nichts geworden ist.“

 

+ 6. Welche sind vorzüglich die Ursachen, warum Gott dies Alles geschaffen hat?

 

Die antreibende Ursache war Gottes unendliche Güte, welcher, wie er in sich das höchste Gut ist, so auch einen Teil dieser seiner Güte uns ganz freiwillig mit-theilen wollte. Joh. 1,3. Ebr. 1,2. Die Endursache ist, dass er von den Ge-schöpfen wiederum erkannt und verherrlicht würde, Ps. 19,1: „die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündiget seiner Hände Werk.“

 

* 7. Welche war die Reihenfolge der Schöpfung?

 

Ob Gott wohl nach seiner unendlichen Allmacht auch in einem einzigen Augen-blick hätte Alles, was im Himmel und auf Erden ist, schaffen und vollenden können; so wollte er doch lieber nach einer Ordnung vorschreiten, und in sechs Tagen die Welt gründen und bereiten. Die einzelnen Tageswerke hat Georg Fabricius schön in diesen Versen zusammengefasst: Erste Tag zeuget das Licht: es gründet der and're den Himmel: Nach dem stehet die Erde: am vierten zwei Lichter erglänzen: Fünfte erfüllt die verödete Erd' mit verschiedenen Tieren: Gleich dem göttlichen Bilde wird Adam am sechsten gebildet.

 

Fünfter Artikel. Von den guten und bösen Engeln.

 

1. Sind denn Engel von Gott geschaffen?

 

Ganz gewiss. Ps. 104,4: „Der du machest deine Engel zu Winden, und deine Diener zu Feuerflammen.“ S. Dr. Hunnius in d. Disput. Koloss. 1,16. „Durch ihn (den Sohn Gottes) ist alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsicht- (S. 34) bare, beides die Thronen und Herrschaften, und Fürstentümer und Obrigkeiten. An welchem Tage sie aber von Gott geschaffen sind, das wird in der heil. Schrift nicht ausdrücklich bestimmt: doch ist die Un-wissenheit in diesem Stück mit keinem Schaden für uns verbunden.

 

2. Was sind die Engel?

 

Die Engel sind geistige Wesen, von Gott nach seinem Bilde geschaffen, nämlich mit höchster Vollkommenheit, Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit, damit sie Gott dienen, die Auserwählten bewahren, und endlich der ewigen Seligkeit ge-nießen. Hunnius.

 

* 3. Aus welchem Stoff sind die Engel bereitet?

 

Gewiss nicht aus dem Wesen Gottes selbst: denn so wären sie Götter; auch nicht aus jener rohen und ungeordneten Masse: denn so wären sie körperliche Wesen; sondern sie sind aus nichts hervorgebracht, durch die Kraft des all-mächtigen Gottes. Ders.

 

+ 4. Mit was für Beschaffenheit sind sie bereitet?

 

Sie sind mit Freiheit ihres Willens geschaffen, ganz gut: doch so, dass sie diese Freiheit ihres Willens missbrauchen, und sich zum Bösen wenden konnten. Ders.

 

* 5. Wie viel Gattungen der Engel gibt es?

 

Zwei: gute und böse; gute Engel werden jetzt diejenigen genannt, welche die gute Beschaffenheit, mit welcher sie im Anfang bereitet waren, nicht nur behalten haben, sondern auch im Guten schon so befestigt find, dass sie in Ewigkeit nicht mehr fallen. Ders.

 

+ 6. Welche und wie groß ist die Vollkommenheit der guten Engel?

 

Zwar ist sie groß: doch steht sie der Vollkommenheit Gottes in vielen Stücken nach. Denn obgleich ihre Heiligkeit in ihrer Art vollendet ist: ist sie doch nicht von der Beschaffenheit, dass sie dieselbe Jemandem mittheilen könnten. Aus welchem Grunde sie auch das Erlösungswerk nicht vollbringen konnten. Ebenso ist ihre Weisheit unaussprechlich, doch so beschaffen, dass sie durch die Er-kenntnis und Offenbarung der Geheimnisse des Evangeliums, welche, ehe sie aus dem ewigen Rate Gottes offenbaret wurden, selbst den Engeln unbekannt waren, erhöhet und vollendet werden kann. So ist auch ihre Macht zwar groß, doch also beschränkt, dass sie der Macht Gottes in allen Stücken (S. 35) nach-geht, ihnen auch nicht aus natürlicher Eigenschaft zukommt. Ders.

 

* 7. Gibt es nicht gewisse Ordnungen der Engel?

 

Dass es gewisse Ordnungen der Engel gibt, erhellet daraus, dass die heil. Schrift den Michael den Erzengel und einen von den ersten Fürsten nennt, Daniel 10,13. Und einige nennt sie Thronen, andere Fürstentümer, andere Herrschaften, andere Obrigkeiten, Koloss. 1,16. Ob es übrigens neun Ordnungen der Engel gebe, wie die Scholastiker dichten, und wie jene Ordnungen unterschieden sind, darüber lässt sich nichts Gewisses festsetzen, weil die heil. Schrift hierüber ein tiefes Schweigen beobachtet.

 

8. Was ist denn das Geschäft der guten Engel?

 

1. Dass sie ohne Unterlass Gott preisen. Jes. 6,3: „Seraphim standen und riefen einer zum andern und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!“ Ders. 2. Dass sie seine Befehle vollbringen, und den Menschen Gottes Willen verkünden: dieses erhellet aus der Geschichte der Magd Hagar, Abrahams, Jacobs, der Empfängnis und der Geburt sowohl Johannes des Täufers, als auch Christi des Erlösers selbst. 3. Dass sie für das Heil der Frommen wachen. Ebr. 1,14: „Sind nicht die Engel allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst, um derer willen, die ererben sollen die Selig-keit?“ Ps. 91,11. „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ 4. Dass sie nach dem Tode die Seelen der Frommen in Abrahams Schoß, oder das ewige Leben tragen. Luc. 16,22. 5. Endlich, dass sie am jüngsten Tage Christo, dem Richter Aller, zur Seite stehen, und die Gottlosen sondern von den Gerechten, und sie in den Feuerofen werfen. Matth. 13,49.50: „Die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden, und werden sie in den Feuerofen werfen: da wird Heulen und Zähneklappern sein.“ Kap. 25,31. „Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle heilige Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlich-keit.“ Koloss. 4,16. „Denn er selbst der Herr wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erzengels, und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel.“ (S. 36)

 

+ 9. Ist es auch erlaubt, die Engel anzurufen oder anzubeten?

 

Nein: denn sie selbst verbitten sich ernstlich, dass ihnen solche Verehrung erwiesen werde. Offenbar. 19,10. „Und ich fiel vor ihn zu seinen Füßen, ihn anzubeten. Und er sprach zu mir: Siehe zu, tue es nicht, ich bin dein Mitknecht, und deiner Brüder, und derer, die das Zeugnis Jesu haben. Bete Gott an.“ Kap. 22,9. „Und er (der Engel) spricht zu mir: Siehe zu, tue es nicht; denn ich bin dein Mitknecht; bete Gott an.“ Ders.

 

+ 10. Du hast aber gesagt, dass es böse Engel gebe; nun möcht' ich wissen, was die bösen Engel sind?

 

Die bösen Engel, oder die Teufel, sind Geister, von Gott in eben derselben Vollkommenheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit, wie die andern geschaffen; aber sie haben sich von ihrem Werkmeister freiwillig abgewendet, und sind seine Feinde worden; weshalb sie denn in ewige Verdammnis geworfen und einge-schlossen sind. Ders.

 

+ 11. Womit beweisest du das?

 

Aus der heil. Schrift: denn so sagt Christus selbst Joh. 8,44: „Der Teufel ist nicht in der Wahrheit bestanden.“ Und 2 Petri 2,4 heißt es: „Gott hat der Engel, die gesündigt haben, nicht verschonet, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen, und übergeben, dass sie zum Gericht behalten würden.“ Judas schreibt in seiner Epistel V. 6: „dass die bösen Engel ihr Fürstentum (ursprüng-liche Beschaffenheit) nicht behalten haben.“

 

12. Was war die Ursache, dass die Teufel sündigten?

 

Die Teufel haben nicht aus einer eingepflanzten, oder angeschaffenen Schlech-tigkeit gesündigt: auch sind sie nicht aus einer Bestimmung des Schicksals, oder aus einem Beschluss Gottes dazu angetrieben: sondern „Satan hat aus seinem Eigenen gesündigt,“ Joh. 8,44.

 

* 13. Aber woraus ist denn die Sünde der Teufel entsprungen?

 

Sie ist aus dem Missbrauch jenes freien Willen, mit dem er geschaffen war, entsprungen. Dieser freie Wille nämlich wurde vom Gegenstande abgewendet, als er durch die Betrachtung und (S. 37) zu große Bewunderung seiner Engelischen Würdigkeit und Vorzüglichkeit betrogen, es für unwürdig achtete, eines Andern Herrschaft zu gehorchen. Ders.

 

* 14. So hat sich denn auch der Teufel eine Schuld der Sünde zugezogen?

 

Ja. Denn indem er in dieser seiner Selbstbewunderung dem Schöpfer den schuldigen Gehorsam zu leisten verweigerte, riss er sich selbst und sehr viele Andere, die zur Teilnahme an der Sünde verführt waren, von Gott, dem Werk-meister, los. Also war Stolz die Sünde des Teufels; dies nämlich geht besonders daraus hervor, dass er nach seiner alten Geschicklichkeit den ersten Menschen dieselbe Sünde, nämlich das Verlangen, die Gottheit zu erreichen, einflößte, 1 Mos. 3,5. Luthers Erklärung zu 1 Mos. 1.

 

15. Welche sind die Bemühungen und Werke der bösen Engel?

 

Die Bemühungen und Werke der bösen Engel sind in allen Stücken entgegen-gesetzt den Bemühungen und Werken der guten Engel. Denn 1) loben sie Gott nicht, sondern lästern ihn; 2) verkehren sie Gottes Befehle und Willen, oder verhindern wenigstens, dass sie von den Menschen geschehen; 3) bemühen sie sich, den Lauf des Evangeliums aufzuhalten; 4) stellen sie den Frommen nach; 5) freuen sie sich über die Schandtaten und ewige Verdammnis der Gottlosen. D. Hunnius.

 

*16. Was und wie viel wissen denn die Teufel?

 

Die Kenntnis zukünftiger Dinge, als welche Gott allein eigen ist, kommt den Teufeln nicht zu: außer was ihnen etwa aus göttlicher Offenbarung bekannt ist, oder was sie auf irgend eine berechnende Weise erschließen. Dann durch-schauen sie auch nicht die Gedanken der Menschen von vorn herein. Denn auch dieses hat sich Gott allein vorbehalten. Auch kennen sie diejenigen Gedanken nicht, welche vom heil. Geist in den Frommen erregt werden.

 

*17. Was haben die Teufel für Gewalt?

 

Eine große zwar: doch durch die Herrschaft Gottes so beschränkte, dass sie, ohne seine Erlaubnis, auch nicht einmal in die Schweine fahren können, Matth. 8,31. Auch vermögen sie nicht ein Ungeziefer zu schaffen, 2 Mos. 8,18. (S. 38)

 

*18. Haben denn die Teufel einige Hoffnung, erlöset zu werden?

 

Ganz und gar keine: denn sie können weder selbst für ihre Sünden genugtun, noch erstreckt sich Christi Genugtuung auf sie, als welcher nicht die Engel, sondern den Samen Abrahams an sich genommen hat, Hebr. 2,16. Auch kann kein anderes Lösegeld für die Teufel gegeben werden. Ferner sind sie mit ewigen Banden in der Finsternis der Hölle gehalten, Br. Juda V. 6, und obgleich sie schon jetzt ihre Strafen gar sehr fühlen, so werden sie doch weit härteren Strafen am jüngsten Gericht unterliegen müssen. Matth. 8,29. „Und siehe, sie schrien und sprachen: Ach Jesu, du Sohn Gottes, was haben wir mit dir zu tun? Bist du hergekommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist? Kap. 25,41. „Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.“ Vgl. 2 Petr. 2,4.