Melanchthon - Glaube

 

Melanchthon behandelt das Thema "Glaube" im Artikel IV der Apologie der Augsburgischen Konfession:

 

Was der Glaube sei, der vor Gott fromm und gerecht macht.

 

Die Widersacher wollen wähnen, der Glaube sei dieses, daß ich wisse oder gehört habe die Historie von Christo; darum lehren sie, ich könne wohl glauben, ob ich gleich in Todsünden sei. Darum, von dem rechten christlichen Glauben, davon Paulus an allen Orten so oft redet, daß wir durch den Glauben vor Gott fromm werden, da wissen oder reden sie gar nichts von. Denn welche vor Gott heilig und gerecht geachtet werden, die sind je nicht in Todsünden. Darum, der Glaube, welcher vor Gott fromm und gerecht macht, ist nicht allein dieses, daß ich wisse die Historie, wie Christus geboren, gelitten usw. (das wissen die Teufel auch), sondern ist die Gewißheit oder das gewisse, starke Vertrauen im Herzen, da ich mit ganzem Herzen die Zusage Gottes für gewiß und wahr halte, durch welche mir angeboten wird ohne mein Verdienst Vergebung der Sünden, Gnade und alles Heil durch den Mittler Christum. Und damit daß niemand wähne, es sei allein ein bloßes Wissen der Historie, so setze ich das dazu: Der Glaube ist, daß sich mein ganzen Herz desselben Schatzes annimmt, und ist nicht mein Tun, nicht mein Schenken noch Geben, nicht mein Werk oder Bereiten; sondern daß ein Herz sich des tröstet und ganz darauf verläßt, daß Gott uns schenkt, uns gibt, und wir ihm nicht, daß er uns mit allem Schatz der Gnade in Christo überschüttet. Aus diesem ist leicht zu merken Unterschied zwischen dem Glauben und zwischen der Frömmigkeit, die durchs Gesetz kommt. Denn der Glaube ist ein solcher Gottesdienst und latria, da ich mir schenken und geben lasse. Die Gerechtigkeit aber des Gesetzes ist ein solcher Gottesdienst, der da Gott an-bietet unserer Werke. So will Gott nun durch den Glauben also geehrt sein, daß wir von ihm empfangen, was er verheißt und anbietet. Daß aber der Glaube nicht allein sei die Historie wissen, sondern der da festhält die göttlichen Verheißun-gen, zeigt Paulus genugsam an, der da sagt zu den Römern am 4,16: „Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf daß die Verheißung fest bleibe.“ Da heftet und verbindet Paulus die zwei also zusammen, daß, wo Verheißung ist, da muß auch Glaube sein usw.; und wiederum correlative, wo Verheißung ist, da fordert Gott auch Glauben. Wiewohl noch klarer und schlechter zu zeigen ist, was der Glaube, der da gerecht macht, sei, wenn wir unser eigen Credo und Glauben ansehen. Denn im Symbolo steht je dieser Artikel: Vergebung der Sünden. Darum ist's nicht genug, daß ich wisse oder glaube, daß Christus geboren ist, gelitten hat, auferstanden ist, wenn wir nicht auch diesen Artikel, darum das alles endlich geschehen, glauben, nämlich: Ich glaube, daß mir die Sünden vergeben seien. Auf den Artikel muß das andere alles gezogen werden, nämlich, daß um Christus willen, nicht um meines Ver-dienstes willen, uns die Sünden vergeben werden. Denn was wäre not, daß Gott Christum für unsere Sünden gäbe, wenn unser Verdienst für unsere Sünden könnte genugtun? Derhalben, so oft wir reden von dem Glauben, der gerecht macht, oder fide iustificante, so sind allezeit diese drei Stücke oder obiecta beieinander: erstlich, die göttliche Verheißung, zum andern, daß dieselbe um-sonst, ohne Verdienst Gnade anbietet, für das dritte, daß Christi Blut und Verdienst der Schatz ist, durch welchen die Sünde bezahlt ist. Die Verheißung wird durch den Glauben empfangen; daß sie aber ohne Verdienst Gnade anbietet, da geht alle unsere Würdigkeit und Verdienst unter und zu Boden, wird gepriesen die Gnade und große Barmherzigkeit. Das Verdienst Christi aber ist der Schatz; denn es muß je ein Schatz und edles Pfand sein, dadurch die Sünden aller Welt bezahlt sind. Die ganze Schrift, Alten und Neuen Testaments, wenn sie von Gott und Glauben redet, braucht viel dieses Wortes: Güte, Barm-herzigkeit, misericordia. Und die heiligen Väter in allen ihren Büchern sagen alle, daß wir durch Gnade, durch Güte, durch Vergebung selig werden. Sooft wir nun das Wort Barmherzigkeit in der Schrift oder in den Vätern finden, sollen wir wissen, daß da vom Glauben gelehrt wird, der die Verheißung solcher Barm-herzigkeit faßt. Wiederum, sooft die Schrift vom Glaube redet, meint sie den Glauben, der auf lauter Gnade baut; denn der Glaube nicht darum vor Gott fromm und gerecht macht, daß er an ihm selbst unser Werk und unser ist, sondern allein darum, daß er die verheißene, angebotenen Gnade ohne Ver-dienst aus reichem Schatz geschenkt nimmt. Und solcher Glaube und Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit wird als der größte, heiligste Gottesdienst gepriesen, sonderlich in Propheten und Psalmen. Denn wiewohl das Gesetz nicht vornehm-lich predigt Gnade und Vergebung der Sünden wie das Evangelium, so sind doch die Verheißungen von dem künftigen Christo von einem Patriarchen auf den andern geerbt, und sie haben gewußt, auch geglaubt, daß Gott durch den gebenedeiten Samen, durch Christum, wollte Segen, Gnade, Heil und Trost geben. Darum, so sie verstanden, daß Christus sollte der Schatz sein, dadurch unsere Sünden bezahlt werden, haben sie gewußt, daß unsere Werke eine solche große Schuld nicht bezahlen könnten. Darum haben sie Vergebung der Sünden, Gnade und Heil ohne alles Verdienst empfangen und sind durch den Glauben an die göttliche Verheißung, an das Evangelium von Christo, selig geworden als wohl als wir oder die Heiligen im Neuen Testament. Daher kommt's, daß diese Worte: Barmherzigkeit, Güte, Glaube, so oft in Psalmen und Propheten wiederholt werden. Als im 130. Psalm: „So du willst, Herr, achthaben auf Missetat, Herre, wer wird bestehen?“ Da bekennt David seine Sünde, rühmt nicht viel Verdienst, sagt auch weiter: „Denn bei dir ist Vergebung, daß man sich fürchte.“ Da fühlt er wieder Trost und verläßt sich auf Gnade und Barmherzigkeit, verläßt sich auf die göttliche Zusage und spricht: „Meine Seele harret des Herrn, und ich warte auf sein Wort.“ Und abermals: „Meine Seele wartet doch auf den Herrn.“ Das ist, dieweil du verheißen hast Vergebung der Sünden, so halte ich mich an die Zusage, so verlasse und wage ich mich auf die gnädige Verheißung. Darum werden die heiligen Patriarchen vor Gott fromm und heilig auch nicht durchs Gesetz, sondern durch Gottes Zusage und den Glauben. Und sollte wahrlich jedermann sich hoch verwundern, warum die Widersacher doch so wenig oder gar nichts vom Glauben lehren, so sie doch sehen gar nahe in allen Syllaben der Bibel, daß der Glaube für den allerhöchsten, edelsten, heiligsten, größten, angenehmsten, besten Gottesdienst gelobt und gepriesen wird. Also sagt er in 50. Psalm: „Rufe mich an in der Zeit der Not, und ich will dich erretten.“ Also nun und durch diese Weise will Gott uns bekannt werden. Also will er geehrt sein, daß wir von ihm Gnade, Heil, alles Gute nehmen und empfangen sollen, und nämlich aus Gnaden, nicht um unsers Verdienstes willen. Diese Erkenntnis ist gar eine edle Erkenntnis und ein großmächtiger Trost in allen Anfechtungen, leiblichen und geistlichen, es komme zu sterben oder zu leben, wie fromme Herzen wissen; und denselben edeln, teuern, gewissen Trost rauben und nehmen die Widersacher den armen Gewissen, wenn sie vom Glauben so kalt, so verächtlich reden und lehren und dagegen mit Gott, der hohen Majestät, durch unser elend, bettelisch Werk und Verdienst handeln.